Dialyse aktuell 2015; 19(07): 388-389
DOI: 10.1055/s-0035-1564389
Forum der Industrie
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

De novo Immunsuppression nach Nierentransplantation – Einfluss der mTOR-Inhibition auf das Langzeitoutcome

Further Information

Publication History

Publication Date:
22 September 2015 (online)

 
 

Viele Faktoren können eine transplantierte Niere schädigen und so langfristig das Überleben des Patienten und des Organs gefährden. Zu den Faktoren, die zu einer erhöhten Morbidität und Mortalität führen können, gehören eine schlechte postoperative Nierenfunktion wie auch virale Infektionen, z. B. CMV (Zytomegalie-Virus) oder BKV (BK-Virus, humanes Polyomavirus 1), und die Entwicklung von Malignomen. Inwieweit diese und andere Komplikationen durch eine de novo Immunsuppression mit einem mTOR-Inhibitor (mTOR: mammalian Target of Rapamycin) verringert werden können, diskutierten Experten anhand aktueller Studiendaten.

Eine zentrale Herausforderung in der Transplantationsmedizin besteht in der Verbesserung des langfristigen Transplantatüberlebens. Mögliche Risiken können dabei bereits früh identifiziert werden.

So kann eine niedrige glomeruläre Filtrationsrate (eGFR) als prädiktiver Faktor für ein Transplantatversagen angesehen werden, erläuterte Prof. Björn Nashan, Hamburg. Wie eine Studie mit knapp 900 Patienten zeigte, wiesen Patienten mit einer eGFR von weniger als 40 ml/min ein Jahr nach der Transplantation ein signifikant schlechteres Transplantatüberleben auf als solche mit einer eGFR von mindestens 40 ml/min [ 1 ]. Wenn bei Patienten mit einer eGFR von mindestens 40 ml/min eine starke Verschlechterung der Nierenfunktion eintritt, ist dies allerdings ebenfalls mit einem signifikant schlechteren Transplantatüberleben assoziiert.

Daneben bestehen für den Patienten noch weitere Risiken: Die Hauptursachen für die Mortalität bei Patienten, die mit einem funktionierenden Transplantat versterben, sind dem Dialyse- und Transplantationsregister ANZDATA [ 2 ] zufolge bösartige Malignitäten mit 31 %, CVD („cardiovascular disease“) mit 25 % und Infektionen mit 18 %. Das Krebsrisiko nach einer Transplantation nimmt mit den Jahren zu: So entwickelten 5 % der Transplantatempfänger nach 5 Jahren, 11,8 % nach 10 und 26,3 % nach 20 Jahren ein Karzinom. Das Krebsrisiko lag bei nierentransplantierten Patienten etwa 3-fach höher als in der Allgemeinbevölkerung [ 3 ].

Die Art und Dosierung der Immunsuppression ist ein wichtiger Risikofaktor für die Karzinomentstehung, betonte Prof. Josep M. Campistol, Barcelona (Spanien). So ergab eine randomisierte Studie [ 4 ], dass von 231 Nierenempfängern nach 66 Monaten 60 ein Karzinom entwickelt hatten. Zwischen beiden Studienarmen (normale Ciclosporin-Dosierung: 150–250 ng/ml, reduzierte Ciclosporin-Dosierung: 75–125 ng/ml) bestand ein signifikanter Unterschied: Unter dem normal dosierten Regime entwickelten 37 Patienten ein Karzinom, unter dem niedrig dosierten Regime waren es nur 23 Patienten (p < 0,034). Mit 66 % der bösartigen Neubildungen kamen Hautkarzinome am häufigsten vor (26 vs. 17; p < 0,05).

Risiko Virusinfektionen

Virale Infektionen sind eine weitere bedeutende Ursache für die Morbidität und Mortalität bei nierentransplantierten Patienten. Eine CMV-Infektion während der ersten 100 Tage nach einer Nierentransplantation erhöht langfristig die Gesamtmortalität [ 5 ]. In einer retrospektiven Analyse von 176 Nierenempfängern trat in der Hochrisikogruppe (D+R–) eine CMV-Infektion bei 29 % (59) der Patienten trotz einer entsprechenden Prophylaxe auf und war signifikant mit Transplantatverlust und Tod assoziiert [ 6 ].

Eine Infektion mit dem BK-Virus ist ebenfalls ein Risiko für den Patienten. So zeigte eine Studie mit 682 Patienten, dass die BK-Virus-Replikation nach einer Nierentransplantation hoch ist. Die höchsten Raten von BK-Virämie und -Virurie wurden 6 Monate nach der Transplantation beobachtet [ 7 ]. Registerdaten aus den USA [ 8 ] zufolge ist auch eine behandelte BKV-Infektion signifikant mit einem Transplantatverlust assoziiert. Das Transplantatüberleben nach 3 Jahren bei Patienten mit einer BKV-Replikation betrug 79 % gegenüber 90 % bei Patienten ohne BKV-Nachweis. Zu den Risikofaktoren für einen Organverlust gehörten u. a. die initiale Immunsuppression mit Tacrolimus plus Thymogobulin-Induktionstherapie [ 8 ].


#

Rationale für eine de novo
Immunsuppression mit Everolimus

Nach einer Nierentransplantation kann eine de novo Immunsuppression mit dem mTOR-Inhibitor Everolimus (Certican®) und reduziertem Ciclosporin (CsA) diese Risiken verringern. Die mTOR-Inhibition blockiert Signalwege, die auch bei der Angiogenese, der Krebsentwicklung und der Virusreplikation von entscheidender Bedeutung sind [ 9 ].

Mehrere Studien konnten ein verringertes Infektionsrisiko unter der Therapie mit de novo Everolimus und reduzierter CsA-Dosierung nachweisen [ 10 ]. So war nach 24 Monaten die Inzidenz von CMV-Infektionen unter Everolimus mit 1,5 % signifikant geringer als unter MPA (Mycophenolat; 9,2 %, p < 0,001) (Abb. [ 1 ]) [ 11 ]]. Diese Unterschiede wurden in allen Subgruppen, unabhängig vom Serostatus, bestätigt. Eine erst kürzlich veröffentlichte Studie [ 12 ] zeigte, dass über 12 Monate eine Therapie mit de novo Everolimus verglichen mit MPA zu einer signifikant verringerten CMV-Inzidenz führte (10,8 % vs. 37,6 %, p < 0,001). In dieser Studie erhielten die Patienten keine CMV-Prophylaxe.

Zoom Image
Abb. 1 Die Inzidenzen von BKV- und CMV-Infektionen lagen in der A2309-Studie unter Everolimus plus reduzierter CNI-Dosierung nach 24 Monaten signifikant niedriger als unter MPA plus Standard- CsA‑Dosierung.
nach [ 11 ]
BKV = BK-Virus (humanes Polyomavirus 1), CMV = Zytomegalie-Virus, CNI = Calcineurininhibitor, CsA = Ciclosporin A, EVR = Everolimus, MPA = Mycophenolat

Auch die Inzidenz einer BKV-Infektion war in der amerikanischen Zulassungsstudie A2309 [ 11 ] unter de novo Everolimus 1,5 mg und reduzierter CsA-Dosis signifikant niedriger als unter MPA und einer CsA-Standarddosierung. Nach 24 Monaten betrug die BKV-Inzidenz im Everolimus-Arm 0,7 % und im Vergleichsarm 4,8 % (Abb. [ 1 ]).

Neben dem Infektions- scheint auch das Krebsrisiko durch eine mTOR-Inhibition verringert zu werden. Einer weiteren Subanalyse der Studie [ 11 ] zufolge lag die Inzidenz an Karzinomen im Everolimus-Arm numerisch niedriger als im MPA-Arm (3,3 % vs. 4,8 %). Eine retrospektive Kohortenstudie aus Italien mit über 7200 Patienten bestätigte diese Ergebnisse und kam zu dem Schluss, dass eine Therapie mit mTOR-Inhibitoren das Risiko einer Tumorentwicklung nach Transplantation verringern kann [ 13 ].


#

Vergleichbare Wirksamkeit und langfristig positive Effekte auf die LVH

Auch im Hinblick auf die Transplantatabstoßung scheinen mTOR-Inhibitoren Vorteile zu besitzen. Zwar beeinflussen CNIs (Calcineurininhibitoren) die humorale Immunantwort durch eine Störung der Signale von T-Helfer-Zellen, jedoch greifen sie die B-Zellen nicht direkt an [ 14 ]. Im Gegensatz dazu haben Everolimus und auch MPA direkte und indirekte inhibitorische Effekte auf die humorale Immunantwort, weil beide Substanzen die B-Zell-Apoptose induzieren sowie die Aktivierung und Proliferation von B Zellen inhibieren. Dabei hemmt aber nur Everolimus auch die Differenzierung der B-Zellen in den Blasten oder Plasmazellen, so Campistol weiter [ 15 ].

Diese experimentellen Befunde lassen sich auch in die Klinik übertragen. Die Ergebnisse der Studie A2309 zeigen, dass Everolimus mit reduziertem Ciclosporin eine vergleichbar gute Wirksamkeit bietet wie die MPA-Kontrollgruppe. Numerisch war die Inzidenz schwerer, biopsiegeprüfter akuter Abstoßungen (BPAR) unter der Therapie mit de novo Everolimus sogar geringer (Abb. [ 2 ]) [ 11 ].

Zoom Image
Abb. 2 Im Vergleich zu MPA wurde eine vergleichbare Abstoßungsrate mit numerisch geringerer Inzidenz an einer schweren BPAR unter der Therapie mit Everolimus beobachtet.
nach [ 12 ]
BPAR = Biopsy-Proven Acute Rejection, CsA = Ciclosporin A, EVR = Everolimus, MPA = Mycophenolat

Des Weiteren konnten Effekte der mTOR-Inhibition auf das kardiovaskuläre System nachgewiesen werden. Unter Everolimus plus reduzierter CsA-Dosis war bei Nierenempfängern die linksventrikuläre Hypertrophie (LVH) ein Jahr nach der Transplantation signifikant geringer [ 16 ]. Da eine LVH 12 Monate postoperativ mit einem verringerten langfristigen Überleben und einem erhöhten Risiko für eine de novo Herzinsuffizienz assoziiert ist [ 17 ], sind dies wichtige Daten für die Therapieentscheidung.


#

Größte Nierentransplantationsstudien

Die Forschung läuft weiter, um die Evidenzlage für den Einsatz von Everolimus zu untermauern und weiter zu stärken. Diesbezüglich wird in der Nierentransplantationsstudie TRANSFORM die Therapie mit Everolimus 1,5 mg täglich plus niedrig dosiertem CNI mit MPA und CNI-Standarddosierung verglichen. Die Studie soll den kurz- und langfristigen Nutzen von Everolimus bewerten und den Zusammenhang zwischen einer Transplantatabstoßung und der Nierenfunktion prüfen, sagte Prof. Franco Citterio, Rom (Italien).

Deshalb wurde mit einem primären kombinierten Endpunkt aus tBPAR und eGFR ein einzigartiger und innovativer Ansatz gewählt. Dieses Studiendesign erfordert den Einschluss von über 2000 Patienten, was sie zur bisher größten Studie in der Nierentransplantation machen wird. Die geplante Beobachtungsdauer beträgt 5 Jahre [ 18 ].

ATHENA [ 19 ], die größte europäische Studie mit 612 de novo nierentransplantierten Patienten, vergleicht ein Everolimus basiertes Regime in Kombination mit CsA, ein Everolimus basiertes Regime mit Tacrolimus und eine Kontrollgruppe aus MPA und Tacrolimus. Primärer Endpunkt der Studie ist die Nierenfunktion 12 Monate nach der Transplantation. Zu den weiteren definierten Endpunkten gehören CMV- und BKV-Infektionen sowie LVH, erläuterte Nashan.

Dr. Ralph Hausmann, Frankfurt am Main

Dieser Beitrag entstand mit freundlicher Unterstützung der Novartis Pharma GmbH, Nürnberg.
Die Beitragsinhalte stammen vom Novartis Transplant Region Europe Meeting 2015 „Effective de novo solutions for better long-term outcomes in transplantation“, Berlin, 19.–20.06.2015, veranstaltet von der Novartis Pharma AG, Basel.Der Autor ist freier Journalist.


#
#
  • Literatur

  • 1 Park WD et al. Transplantation 2012; 94: 931-939
  • 2 ANZDATA registry 2012 report. Im Internet: http://www.anzdata.org.au Stand: 06.08.2015
  • 3 Webster AC et al. Am J Transplant 2007; 7: 2140-2151
  • 4 Dantal J et al. Lancet 1998; 351: 623-628
  • 5 Bamoulid J et al. Am J Transplant 2013; 13: 656-662
  • 6 Arthurs SK et al. Clin Infect Dis 2008; 46: 840-846
  • 7 Hirsch HH et al. Am J Transplant 2013; 13: 136-145
  • 8 Schold JD et al. Transpl Int 2009; 22: 626-634
  • 9 Populo H et al. Int J Mol Sci 2012; 13: 1886-1918
  • 10 Nashan B et al. Transplantation 2012; 93: 1075-1085
  • 11 Cibrik D et al. Transplantation 2013; 95: 933-942
  • 12 Tedesco-Silva H et al. Am J Transplant 18.05.2015; DOI: 10.1111/ajt.13327. [Epub ahead of print]
  • 13 Piselli P et al.; PImmunosuppression and Cancer Study Group. Eur J Cancer 2013; 49: 336-344
  • 14 Heidt S et al. Clin Exp Immunol 2010; 159: 199-207
  • 15 Haneda M et al. Transplantation 2014; 97: 405-412
  • 16 Paoletti E et al. Transplantation 2012; 93: 503-508
  • 17 Rigatto C et al. J Am Soc Nephrol 2003; 14: 462-468
  • 18 Pascual J et al. J Clin Trials 2014; 6: 45-54
  • 19 Sommerer C et al. ATC 2015, Philadelphia (USA), Poster

  • Literatur

  • 1 Park WD et al. Transplantation 2012; 94: 931-939
  • 2 ANZDATA registry 2012 report. Im Internet: http://www.anzdata.org.au Stand: 06.08.2015
  • 3 Webster AC et al. Am J Transplant 2007; 7: 2140-2151
  • 4 Dantal J et al. Lancet 1998; 351: 623-628
  • 5 Bamoulid J et al. Am J Transplant 2013; 13: 656-662
  • 6 Arthurs SK et al. Clin Infect Dis 2008; 46: 840-846
  • 7 Hirsch HH et al. Am J Transplant 2013; 13: 136-145
  • 8 Schold JD et al. Transpl Int 2009; 22: 626-634
  • 9 Populo H et al. Int J Mol Sci 2012; 13: 1886-1918
  • 10 Nashan B et al. Transplantation 2012; 93: 1075-1085
  • 11 Cibrik D et al. Transplantation 2013; 95: 933-942
  • 12 Tedesco-Silva H et al. Am J Transplant 18.05.2015; DOI: 10.1111/ajt.13327. [Epub ahead of print]
  • 13 Piselli P et al.; PImmunosuppression and Cancer Study Group. Eur J Cancer 2013; 49: 336-344
  • 14 Heidt S et al. Clin Exp Immunol 2010; 159: 199-207
  • 15 Haneda M et al. Transplantation 2014; 97: 405-412
  • 16 Paoletti E et al. Transplantation 2012; 93: 503-508
  • 17 Rigatto C et al. J Am Soc Nephrol 2003; 14: 462-468
  • 18 Pascual J et al. J Clin Trials 2014; 6: 45-54
  • 19 Sommerer C et al. ATC 2015, Philadelphia (USA), Poster

 
Zoom Image
Abb. 1 Die Inzidenzen von BKV- und CMV-Infektionen lagen in der A2309-Studie unter Everolimus plus reduzierter CNI-Dosierung nach 24 Monaten signifikant niedriger als unter MPA plus Standard- CsA‑Dosierung.
nach [ 11 ]
BKV = BK-Virus (humanes Polyomavirus 1), CMV = Zytomegalie-Virus, CNI = Calcineurininhibitor, CsA = Ciclosporin A, EVR = Everolimus, MPA = Mycophenolat
Zoom Image
Abb. 2 Im Vergleich zu MPA wurde eine vergleichbare Abstoßungsrate mit numerisch geringerer Inzidenz an einer schweren BPAR unter der Therapie mit Everolimus beobachtet.
nach [ 12 ]
BPAR = Biopsy-Proven Acute Rejection, CsA = Ciclosporin A, EVR = Everolimus, MPA = Mycophenolat