Dialyse aktuell 2015; 19(07): 354-355
DOI: 10.1055/s-0035-1564387
Fachgesellschaften
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Bundesarbeitsgemeinschaft Nephrologische Pflege (BANP)

Quantitativer und qualitativer Personalbedarf sowie Tod des nephrologischen Betreuungsteam
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Publikationsverlauf

Publikationsdatum:
22. September 2015 (online)

 
 

Die ökonomische Veränderungen aufgrund der Senkung der Dialyse-Sachkosten-Pauschale und die Festlegungen im aktuellen Dialysestandard 2014 haben direkte Auswirkungen auf die quantitative und qualitative Personalstruktur. Trotz intensiver Bemühung sind alle Versuche der Pflegeverbände, auf die Entscheidungen einzuwirken, gescheitert.

Die Position der nephrologischen Pflegeverbände zur Versorgungsstruktur [ 1 ] wurde in den Diskussionen nicht anerkannt. Auch das Wissen über den Einfluss der Qualifikation des Personals auf die Ergebnisqualität der Patientenversorgung war kein ausreichender Grund, den quantitativen und qualitativen Personalbedarf konkret festzulegen. Ob die Freiheit, sich die Personalstruktur in jeder Einrichtung selber zusammenzusetzen, auch unter dem Aspekt der Ökonomie der ausschlaggebende Grund war? Finden Sie hierzu einen Auszug aus dem Dialysestandard 2014 [ 2 ]:

„A.4.2.1 Qualifikation
Bei allen Behandlungsformen ist für die unmittelbare Patientenbehandlung speziell ausgebildetes, qualifiziertes Personal einzusetzen. […] Diese führen die Dialyseverfahren nach ärztlichem Behandlungsplan durch, sind für die rechtzeitige Information und Einschaltung des Arztes bei Abweichung vom normalen Dialyseverlauf verantwortlich und helfen so eine gute Behandlungsqualität sicherzustellen. Es liegt in der Verantwortung des Nephrologen, sich von der Qualifikation der Mitarbeiter zu überzeugen.

A.4.2.2 Quantitativer Personalbedarf
Während des gesamten Verlaufes der Dialysebehandlung muss qualifiziertes Personal gemäß A4.2.1 jederzeit verfügbar sein. Der Personalbedarf bemisst sich auf der Grundlage der Behandlungsmodalität (Zentrumsdialyse/LC-Dialyse/stationäre Dialyse/Infektionsdialyse/Heimdialyse etc.).“

Ausverkauf

Pflege: Reduktion auf technische Durchführung

Mit der Verabschiedung der Delegation ärztlicher Leistungen zwischen dem Kassenärztlichen Bundesverband und dem Spitzenverband der gesetzlichen Krankenkassen vom 01.10.2013 [ 3 ] wurden die jahrelangen Bemühungen und die gesammelten Erfahrungen für die Versorgung der uns anvertrauten nephrologischen Patienten auf die technische Durchführung der Behandlung reduziert. Die Durchführung der Dialysebehandlung ist nun keine pflegerische Aufgabe mehr, sondern eine ärztliche Leistung, welche delegiert werden kann.

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(Bild: Thieme Verlagsgruppe, Paavo Blåfield)

Als notwendige berufliche Mindestanforderung wurde die Medizinische Fachangestellte (MFA), ggf. mit einem erfolgreich absolvierten „Curriculum Dialyse“, festgelegt. Die dafür notwendigen Kenntnisse zur Durchführung der Nierenersatztherapie kann auch in einer kostengünstigen Anwenderschulung der Gerätehersteller erworben werden. Krankenbeobachtung und präventive Schulungen (z. B. Ernährungsberatung, psychosoziale Betreuung, präventive Schulungen zur Medikamenteneinnahme usw.) sind künftig nicht mehr gefragt, aber auch nicht mehr möglich.


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Kostenfaktor Personal

Dialysezentren müssen unter ökonomischen Aspekten geführt werden, doch nun ist es der Kostenfaktor Personal, der vermehrt in den Fokus der Betriebsökonomen rückt. Wenn die Ärzte, wie in der Vereinbarung mit dem GKV ausgedrückt, die Meinung vertreten, dass in der Dialyse kein „teures“ Fachpersonal nötig ist, wird kein Betriebswirtschaftler auf die Einstellung von teurem Personal pochen. Er wird dankbar die Einladung zur Kostenreduktion annehmen, welche ihm hier angeboten wird. Die Folgen sind dann weniger Fort- und Weiterbildung und geringer qualifiziertes, möglichst günstiges Personal. Will und kann sich ein Zentrum im Wettbewerb dann noch motivierte und erfahrene Mitarbeiter leisten, oder muss es an „Heuschrecken“ verkaufen?

Ver.di bemüht sich gerade, eine leistungsbezogene Bezahlung mittels Tarifvereinbarungen zu implementieren, in welchen auch Fort- und Weiterbildungen berücksichtig sind. Die Frage ist, ob es zukünftig noch Personal gibt, für das sich Ver.di einsetzen muss.

War das nephrologische Personal der entscheidende Begleiter im Aufbau der Nephrologie in Deutschland seit den 1980er-Jahren, sowohl im Bereich technischer Entwicklungen als auch in der Entwicklung pflegerischer Kompetenz, sind diese erfahrenen Kräfte heute nur noch „teuer“. Bei einem zum Teil heute schon praktizierten Personal-Patienten-Schlüssel (PPS) von 1:8 (in Fehlzeiten wie Urlaub und Krankheit von 1:10) für die unmittelbare patientennahe Tätigkeit wird die Qualität der Versorgung der Patienten sicher leiden [ 4 ].


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Gefährdung von Patienten?

Angesichts der Zunahme der Zahl von multimorbiden Patienten und der gleichzeitig vermehrten Einführung von Limited-Care-Schichten (LC-Dialyse) in vielen Zentren, stellt sich die Frage, ob die Einstufung der Patienten rein nach medizinischen Gesichtspunkten erfolgt. Zumindest aus ethischer Sicht ist es sehr fragwürdig, wenn multimorbide Patienten als Limited-Care-Patienten eingestuft werden. Die Arbeitsbelastung des Personals wird durch solche Konstellationen überstrapaziert. Anwenderfehler durch nicht ausreichendes Hintergrundwissen, Hygienefehler durch Personalmangel, erhöhte Komplikationsraten mit stationären Aufenthalten und erhöhte Mortalität sind dann die Konsequenz [ 1 ].

Die Frage ist, ob es sich die Gesellschaft leisten möchte, dass auf Kosten der Patienten zur monetären Gewinnsteigerung auf Leistungen verzichtet wird, welche leist- und bezahlbar sind. Alternativ dazu ist nun wieder der Patient gefragt, sich aktiv mit seiner Krankheit auseinanderzusetzen und durch Wissen und aktive Mitarbeit an seiner Behandlung mitzuwirken. Vielleicht entschließen sich jetzt wieder mehr Patienten für ein Heimdialyseverfahren, was sicher im Sinn der Krankheitsverarbeitung ein guter Weg ist, der aber nicht für alle Patienten offen steht.

Für die BANP
Marion Bundschu

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Arbeitsgemeinschaft der AfnP e.V. und des fnb e.V.
E-Mail: info@banp.de, Internet: www.banp.de
Für die BANP:

  • Marion Bundschu

  • Michael Reichardt

  • Hans-Martin Schröder


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(Bild: Thieme Verlagsgruppe, Paavo Blåfield)
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