Der Klinikarzt 2015; 44(07/08): 330-331
DOI: 10.1055/s-0035-1564274
Medizin & Management
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Vergütungsanspruch für ambulant verordnete Arzneimittel – Anspruch auch bei unmittelbar anschließendem unvorhergesehenem stationärem Aufenthalt

Isabel Häser
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Dr. iur. Isabel Häser
Rechtsanwältin ETL Lüdemann Wildfeuer & Partner
Sonnenstr. 9
80331 München

Publikationsverlauf

Publikationsdatum:
25. August 2015 (online)

 

Mit einem aktuellen Urteil stellt das Bundessozialgericht (BSG) klar, dass eine ambulant durchführbare und auch so geplante und begonnene ambulante Behandlung durch ermächtigte Krankenhausärzte nicht nachträglich aufgrund einer anschließend stationären Behandlung im Krankenhaus, die wegen einer unvorhergesehenen Komplikation notwendig wurde, zum Bestandteil einer einheitlichen vollstationären Krankenhausbehandlung wird.


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Der Fall

Am 15.02.2007 führte ein ermächtigter angestellter Krankenhausarzt in der Ermächtigungsambulanz bei einer Patientin eine Chemotherapie durch. Bei dem Krankenhaus handelt es sich um ein nach § 108 SGB V zugelassenes Krankenhaus mit einer Krankenhausapotheke. Mit der Krankenversicherung bestand eine Vereinbarung nach § 129 a SGB V über die Abgabe von Arzneimitteln an ambulant behandelte Patienten gemäß § 14 Abs. 4 Apothekengesetz. Die verabreichten Medikamente an die Patientin stammten aus der Krankenhausapotheke. Nach Beginn der Infusion kam es bei der Patientin zu einem Schweißausbruch mit Unwohlsein, Magendrücken, Palpitationen und Tachykardie. Daraufhin wurde die Infusion gestoppt und das Notfallteam des Krankenhauses gerufen. Die wieder stabilisierte Patientin wurde bis zum nächsten Tag stationär aufgenommen.

Für den Krankenhausaufenthalt stellte das Krankenhaus der Versicherung die DRG E64D (respiratorische Insuffizienz) in Höhe von insgesamt 601,93 EUR in Rechnung. Zusätzlich berechnete das Krankenhaus die Medikamente mit 2663,43 EUR (nach Abzug der gesetzlichen Zuzahlung der Patientin). Die Versicherung zahlte die Rechnungsbeträge zunächst vollumfänglich. Ab Januar 2009 forderte sie die Rückzahlung der Kosten für die Medikamente, weil diese während der stationären Behandlung abgegeben worden und daher mit von der Vergütung für die Krankenhausbehandlung umfasst seien. Schließlich rechnete sie den Betrag mit anderen fälligen Zahlungsansprüchen aus Medikamentenabrechnungen der Krankenhausapotheke auf. Das Krankenhaus verklagte daraufhin die Krankenkasse auf Zahlung der Medikamentenkosten. In erster Instanz wurde die Versicherung zur Zahlung verurteilt. Das Sozialgericht führte aus, dass die Medikamente im Rahmen der ambulanten Chemotherapie verordnet worden und nicht Teil der stationären Krankenhausbehandlung gewesen seien. Diese habe zu dieser Zeit weder begonnen noch sei sie vorgesehen gewesen. Das Landessozialgericht bestätigte das Urteil im Wesentlichen und vertrat zusätzlich noch die Auffassung, die Krankenversicherung habe die Beanstandung nicht innerhalb der vorgesehenen Fristen vorgenommen. Nunmehr hat aktuell auch das Bundessozialgericht mit Urteil vom 27.11.2014 (Az. B 3 KR 12/13) dem Krankenhaus Recht gegeben und die Revision der Versicherung zurückgewiesen.


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Die Entscheidung

Nach Auffassung des BSG war die Aufrechnung der Versicherung unwirksam, weil der Versicherung der geltend gemachte Erstattungsanspruch nicht zusteht. Die Medikamente seien nicht von der nachfolgenden Krankenhausbehandlung umfasst, sondern im Rahmen der ambulanten Behandlung gesondert zu vergüten. Dem Krankenhausträger stand folglich ein gegenüber der Vergütung für die stationäre Behandlung gesonderter Entgeltanspruch zu.

Gemäß § 129 a Satz 3 SGB V darf eine Krankenhausapotheke verordnete Arzneimittel zulasten der Krankenkasse nach Maßgabe einer entsprechenden Vereinbarung mit dem Träger des zugelassenen Krankenhauses an Versicherte abgeben. Eine entsprechende Vereinbarung hatten die Beteiligten geschlossen. Gegenstand dieser Vereinbarung war unter anderem die Abgabe und Abrechnung von verordneten Arzneimitteln gemäß § 31 Abs. 1 Satz 1 SGB V etc. aus der Krankenhausapotheke des Krankenhausträgers. Danach durfte der Krankenhausträger Arzneimittel seiner Krankenhausapotheke gegenüber der Versicherung nur im Rahmen der ambulanten Versorgung von Versicherten mit Arzneimitteln gemäß § 31 Abs. 1 Satz 1 SGB V abrechnen. Arzneimittel, welche die Klägerin im Rahmen von stationären Krankenhausbehandlungen zum Einsatz bringt, wurden nicht gesondert vergütet, sondern sind im Rahmen der Krankenhausbehandlung – regelmäßig über Fallpauschalen – abgegolten. Nach Auffassung der Richter des BSG waren die Voraussetzungen für die gesonderte Abrechnung von Medikamenten aus der Krankenhausapotheke erfüllt, weil der verordnende Arzt der Patientin am 15.02.2007 Medikamente zur Chemotherapie im Rahmen einer ambulanten Behandlung gemäß § 31 Abs. 1 Satz 1 SGB V verordnet und verabreicht hat.


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Ambulante Verordnung – Stationärer Aufenthalt nicht geplant

Die Verordnung erfolgte aufgrund der gemäß § 116 SGB V bestehenden Ermächtigung als ambulante Chemotherapie unter Einsatz der hierfür medizinisch erforderlichen Medikamente. Für Krankenhausärzte, die nach § 116 SGB V zur Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung der Versicherten ermächtigt sind, gelten nach der ständigen Rechtsprechung des BSG grundsätzlich dieselben Bestimmungen und Anforderungen wie für Vertragsärzte, soweit sie im ambulanten, vertragsärztlichen Bereich tätig werden, so die Richter. Die Verordnung von Arzneimitteln erfolge daher nach § 31 SGB V. Die Patientin sei um 08:50 Uhr in der Ermächtigungsambulanz des Krankenhauses zur ambulanten Chemotherapie einbestellt worden. Ein stationärer Aufenthalt der Versicherten war nicht geplant oder vorgesehen. Es handelte sich mithin um eine ambulante Behandlung.


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Schnittstelle punktgenau ermitteln

Das Gericht stellt fest, dass das Gesetz keine Definition des Begriffes der „stationären Krankenhausbehandlung“ enthalte, sondern nur eine Leistungsumschreibung. Die ambulante Behandlung durch hierzu ermächtigte Krankenhausärzte nach § 116 SGB V stelle jedoch unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt eine Krankenhausbehandlung dar, sondern erfolge im Rahmen der vertragsärztlichen Versorgung. Leistungen, die im ambulanten, vertragsärztlichen Versorgungssektor bereits erbracht worden seien, können grundsätzlich nicht durch spätere Ereignisse nachträglich dem stationären Sektor zugerechnet werden. Die Leistungen sind vielmehr gesondert abzurechnen und zu vergüten. Die Schnittstelle, d.h. der Übergang von vertragsärztlicher Versorgung zur stationären Behandlung sei – schon wegen der getrennten Abrechnungssysteme – punktgenau zu ermitteln. Denn der in der vertragsärztlichen Versorgung unmittelbar mit der Leistungserbringung entstandene Vergütungsanspruch des behandelnden Arztes gegen die Kassenärztliche Vereinigung gehe nicht aufgrund zeitlich später eintretender Komplikationen, die eine stationäre Behandlung erfordern, unter. Es handele sich – auch im Falle einer Behandlung durch einen nach § 116 SGB V ermächtigten Krankenhausarzt – um einen eigenen Vergütungsanspruch des behandelnden Arztes gegen die Kassenärztliche Vereinigung und nicht um einen Anspruch des Krankenhausträgers. Ein unmittelbar gegen die Krankenkasse gerichteter Vergütungsanspruch des Krankenhausträgers könne erst mit dem Erbringen von Krankenhausleistungen entstehen.


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Kernfrage: Leistung des Krankenhauses?

Eine eindeutige Zuordnung der ambulanten Behandlung durch ermächtigte Krankenhausärzte nach § 116 SGB V zur vertragsärztlichen Versorgung und nicht zu den Krankenhausleistungen ergäbe sich bereits aus dem Wortlaut der Vorschrift und sei durch die Rechtsprechung des 6. Senates des BSG bestätigt worden. Die ambulanten Leistungen der nach § 116 SGB V tätig werdenden Krankenhausärzte seien daher trotz ihrer engen Beziehungen zum Krankenhaus nicht dem Krankenhaus zuzurechnen. Die Krankenhausärzte seien im Rahmen ihrer Ermächtigung nach § 116 SGB V nicht für das Krankenhaus tätig, sondern erbrächten im eigenen Namen eine vertragsärztliche Leistung auf eigene Rechnung. Auch Vereinbarungen eines nach § 116 SGB V ermächtigen Krankenhausarztes mit dem Träger des Krankenhauses über die Abführung von Teilen der im Rahmen der Ermächtigung bezogenen Vergütung an den Krankenhausträger vermögen an dieser grundsätzlichen Trennung zwischen Leistungen im Rahmen der vertragsärztlichen Versorgung und Krankenhausleistung nach Auffassung der Richter nichts zu ändern. Maßgebliches Kriterium ist daher, ob die durchgeführte Behandlung eine solche „des“ Krankenhauses war. Eine Bündelung von Leistungen könne nur dann als einheitlich stationäre Krankenhausbehandlung gewertet und vergütet werden, wenn die umfassten Einzelleistungen solche des Krankenhauses seien, für die dem Krankenhausträger der Vergütungsanspruch zustehe. Dies sei bei der ambulanten Behandlung durch Krankenhausärzte nach § 116 SGB V nicht der Fall. Im konkreten Fall sei eine Eingliederung der Versicherten in das spezifische Versorgungssystem des Krankenhauses erst mit ihrer Notaufnahme erfolgt. Die zuvor erbrachten Leistungen erfolgten gerade nicht im Rahmen des Versorgungssystems des Krankenhauses, sondern im Rahmen der vertragsärztlichen Versorgung durch den hierzu ermächtigten Krankenhausarzt, der die Medikamente nach § 31 Abs. 1 Satz 1 SGB V verordnete. Ergäbe sich während oder nach der ambulanten vertragsärztlichen Behandlung die Notwendigkeit einer unmittelbar anschließenden Versorgung, beginne diese erst mit der Aufnahmeentscheidung des Krankenhausarztes.


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Andere Beurteilung, wenn vorhersehbare stationäre Aufnahme

Das Gericht weist darauf hin, dass der Fall anders zu beurteilen sein könnte, wenn sich an eine zunächst ambulante begonnene Therapie in den Räumen des Krankenhauses typischer- und vorhersehbarer Weise eine stationäre Aufnahme anschlösse, die Behandlung also richtigerweise von vornherein stationär hätte durchgeführt werden müssen. Dies sei aber bei der Chemotherapie nicht der Fall. Im streitigen Fall entspräche es dem Wirtschaftlichkeitsgebot, Chemotherapien ambulant durchzuführen, soweit sich im Vorfeld keine Hinweise dafür zeigten, dass eine Krankenhausbehandlung erforderlich werden könnte. In diesem Fall müssten die Leistungen aber auch vergütet werden, wenn sich das Risiko unvorhergesehener Komplikationen im Einzelfall verwirkliche und (zusätzlich) ein anschließender Krankenhausaufenthalt erforderlich werde. Einfach, aber treffend formuliert das BSG, dass einem niedergelassenen Vertragsarzt grundsätzlich die Vergütung für erbrachte ambulante Behandlungen nicht verweigert werden könnte, wenn der Patient im unmittelbaren Zusammenhang mit dieser Behandlung stationär aufgenommen werde. Dies gelte genauso für ambulante Behandlungen durch nach § 116 SGB V ermächtigte Krankenhausärzte.

Auch den Vorwurf der Versicherung der doppelten Vergütungsansprüche wies das BSG zurück. Der ermächtigte Krankenhausarzt erhielte seine Vergütung für die ambulante Chemotherapie von der Kassenärztlichen Vereinigung, der Träger des Krankenhauses erhielte die Vergütung für die von der Krankenhausapotheke geleisteten Medikamente und zusätzlich für den stationären Aufenthalt der Patientin, für den aber nur die seit Eintreffen des Notfallteams erbrachten Leistungen abgerechnet werden dürfen. Folglich habe das Krankenhaus den stationären Aufenthalt der Patientin nach der DRG E64D abgerechnet und nicht eine stationäre Chemotherapie. Daher seien die Medikamente für die Chemotherapie auch nicht mit der Fallpauschale abgegolten.


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Fazit

Das Urteil des BSG macht zum einen deutlich, dass eine Leistung grundsätzlich dort abgerechnet wird, wo sie veranlasst wird. Zum anderen enthält es das klare Statement, dass die Leistungen eines ermächtigten Arztes eindeutig dem ambulanten Sektor zugeordnet werden, auch wenn naturgemäß eine enge Verbindung zum Krankenhaus besteht. Dreh- und Angelpunkt bei Fällen, in denen ein ursprünglich ambulant behandelter Patient stationär aufgenommen wird, ist nach Auffassung der Richter, dass die sich anschließende stationäre Behandlung nicht vorhersehbar war.


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