physiopraxis 2015; 13(06): 10-13
DOI: 10.1055/s-0035-1557117
physioforum
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Briefe an die Redaktion


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Publication Date:
25 June 2015 (online)

 

Zum Artikel „Instabilitätstests am Handgelenk“, physiopraxis 4/2015

Mehr Fakten zur Evidenz

Hallo Frau Paries,
vielen Dank für Ihren detaillierten Artikel, vor allem die einteilende Tabelle. Zum Beitrag möchte ich Folgendes anmerken: Die Auflistung von Tests entspricht der Sammelmethode und bedeutet einen Verlust von Zeit in der täglichen Praxis, da alle Tests durchgeführt werden, um zu einem Untersuchungsergebnis zu gelangen. Neben der Sammelmethode gibt es als Strategie die hypothetisch-deduktive Methode, die klinische Mustererkennung und die Verwendung eines Algorithmus [1,2].

In Ihrem Artikel ist es das Ziel, das „klinische Muster“ (= strukturelle karpale Instabilität) schnellstmöglich zu erfassen, daher ist es von Vorteil, die Aussagekraft der vorgestellten Tests zu kennen. Zum triangulären fibro- cartilaginären Komplex (TFCC) möchte ich Folgendes anmerken: Die vorgestellten Tests zur Beurteilung des TFCC weisen nach unserem Wissensstand keine externen Evidenzen auf, die aussagekräftig sind. Mikic et al. konnten darstellen, dass 38,7 Prozent der Probanden bis zum 30. Lebensjahr degenerative Veränderungen aufwiesen [3]. Nach dem 50. Lebensjahr konnten bei 100 Prozent der Probanden starke Veränderungen des TFCC nachgewiesen werden.

Zum klinischen Muster möchte ich Folgendes anmerken: Die vorgestellte Auflistung zur Beurteilung der karpalen Instabilität beinhaltet nur einen Test mit externer Evidenz in Bezug auf seine Aussagekraft. Dies ist nach unserem Wissen der Watson-Test (= Scaphoid Shift Test oder Scaphoid Slide Test). Marx et al. beschrieben die Sensitivität bei 69 Prozent und die Spezifität bei 64 bis 68 Prozent [4]. Um sich in der Praxis auf diese Werte beziehen zu können, muss der Test standardisiert nach Watson [5] durchgeführt werden. Dabei ist zu ergänzen, dass der Patient dem Therapeuten gegenübersitzt und der Ellbogen in 90° Flexion mit leichter Pronation einzustellen ist. Wolfe et al. stellten fest, dass der Watson-Test in Bezug auf das Kriterium „hypermobiles Sca- phoideum“ häufig falsch positive Ergebnisse liefert [6]. Er gilt nur dann als richtig positiv, wenn als Begleiterscheinung Schmerz an der dorsalen Seite des radialen Carpus auftritt.

Aktuell ist der Direktzugang zur Physiotherapie in aller Munde, was ich sehr begrüße. Dafür sollten wir die Qualität unserer Werkzeuge und unsere Grenzen genau kennen. Ich freue mich auf eine konstruktive Diskussion.

Frederik Gerber, BSc IFAMT-MT,
Fachlehrer für Manuelle Therapie nach IFAMT

Anmerkung der Autorin

Lieber Herr Gerber,
vielen Dank für die Rückmeldung und Ihre wertvollen Ergänzungen. Natürlich nehme ich gerne Bezug auf Ihre Anmerkungen:

Es ist nicht nötig, immer alle Tests durchzuführen. Vielmehr sollten die im Zuge des Clinical Reasoning aufgestellten Hypothesen durch die entsprechenden Tests verifiziert werden. Ich stimme Ihnen voll und ganz zu, dass hierfür die Aussagekraft des jeweiligen Tests von größter Wichtigkeit ist. Leider fehlt bei vielen in der Literatur beschriebenen Provokationstests eine dazugehörige Studie, die deren diagnostische Evidenz belegt. Diese Tests basieren auf Erfahrungen der Autoren und erscheinen allenfalls durch biomechanische Erkenntnisse logisch und nachvollziehbar. Dies ist wohl auch einer der Gründe dafür, dass es bis heute keine standardisierte Evaluation der Handgelenksinstabilität gibt.

Zu den beschriebenen TFCC-Tests sind mir folgende Werte bekannt: Beim Ulna-FoveaZeichen liegt die Sensitivität bei 96,2 Prozent und die Spezifität bei 85,5 Prozent bezüglich der Ligg. radioulnaria [7]. Nach Lindau et al. ergibt der Dorso-palmare-Stress-Test eine Sensitivität von 59 Prozent und eine Spezifität von 96 Prozent [8]. Und für den TFCC-Shear- Test liegt die Sensitivität bei 66 Prozent, die Spezifität bei 64 Prozent bezüglich einer TFCC-Läsion [9]. Alle Ergebnisse messen sich am Goldstandard der Arthroskopie.

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Abb.: C. Paries
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Grafik: Schünke M, Schulte E, Schumacher U. Prometheus. LernAtlas der Anatomie. Allgemeine Anatomie und Bewegungssystem. Illustrationen von K. Wesker. 4. Aufl. Stuttgart: Thieme; 2014; überarbeitet von C. Lackner

7. Scaphoid-Shift-Test / Watson-Test (Lig. scapholunatum)


Der Therapeut fixiert den aufgestellten Unterarm des Patienten mit einer Hand von radial und drückt seinen Daumen von palmar auf das Os scaphoideum. Aus der Ulnarduktion führt er dabei die Hand des Patienten in Radialduktion. Normalerweise spürt der Therapeut dabei die Flexionsbestrebung des Os scaphoideum an seinem Daumen. Ist das Lig. scapholunatum, das das Art. scapholunatum (pink) stabilisiert, rupturiert, verschiebt sich das Os scaphoideum nach dorsal – der proximale Skaphoidpol hebelt über die dorsale Radiuskante. Dabei treten dorsal Schmerzen im Bereich des radioskaphoidalen Gelenkspalts und häufig Klickgeräusche auf. Sobald der Therapeut den Druck des Daumens löst, rutscht das Os scaphoideum in die Fossa scaphoidea zurück [13].

Zu den karpalen Tests: LaStayo und Howell untersuchten auch die Validität des Watson- Tests und des lunotriquetralen Ballottement- Tests [9]. Sie kamen zu den Ergebnissen: Watson 69 Prozent Sensitivität, 66 Prozent Spezifität, lunotriquetraler Ballottement-Test 64 Prozent Sensitivität und 44 Prozent Spezifität (Referenztest jeweils Arthroskopie). Der skapholunäre Ballottement-Test ist von dem lunotriquetralen abgeleitet, da Lig. scapholu- natum und Lig. lunotriquetum bezüglich Aufbau und Festigkeit vergleichbar sind. Hier sind mir keine weiteren Studien bekannt. Für einen ähnlichen Test (Scapholunate Shear Test) haben Hodgson et al. eine Sensitivität von 100 Prozent und eine Spezifität von 95 Prozent beschrieben [10]. Aufgrund der leicht abgewandelten Durchführung (NN-Stellung und Druck von palmar auf das Scaphoid und von dorsal auf das Lunatum) kann man dies aber nicht direkt auf den skapholunären Ballottement-Test übertragen. Prosser et al. sehen neben dem Watson-Test auch den Midcarpal- Shift-Test als aussagekräftig an (100 Prozent Sensitivität, 59 Prozent Spezifität) [11].

Um ligamentäre Instabilitäten des Handgelenkes sicher zu bestimmen, sind klinische Tests nicht ausreichend. Zu diesem Ergebnis kommen auch unterschiedliche Studien immer wieder. Doch genau genommen ist das als Physiotherapeut auch gar nicht unsere Aufgabe, denn zur Diagnosestellung sind wir (noch) nicht befugt. Unser primäres Ziel sollte an dieser Stelle sein, durch die sichere Beherrschung der Tests zu erkennen, bei welchen Patienten weiterführende fachärztliche Diagnostik (bildgebende Verfahren und ggf. Arthroskopie) anzuraten ist. Hierfür ist es dann wieder von Vorteil, mehrere Tests zu kennen (wobei auch die Erfahrung und Übung des Untersuchers maßgeblich ist), um durch eine größere Anzahl klinisch-positiver Tests die Aussagekraft insgesamt anzuheben. Sollten die Bestrebungen, einen Direktzugang zur Physiotherapie zu etablieren, irgendwann erfolgreich sein (was auch ich sehr begrüßen würde), dann wären unsere Möglichkeiten dennoch auf diese klinischen Tests begrenzt. Und in diesem Bereich ist nach wie vor viel Forschung nötig, um dem Anspruch auf Evidenz gerecht werden zu können.

Ich hoffe, Ihr Anliegen beantwortet zu haben, und freue mich über den kollegialen Austausch.

Freundliche Grüße
Cornelia Paries

Zu den praxisprofi-Beiträgen zur Akademisierung, physiopraxis 4/2015


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Akademisierung bedeutet nicht automatisch Professionalität

Liebe Redaktion,
nach der Lektüre der unterschiedlichen Artikel möchte ich als berufserfahrene Physiotherapeutin noch einige Denkanstöße liefern:

Es ist unumstritten, dass die Ausbildung dem europäischen Niveau angeglichen werden sollte in puncto Berufsanerkennung und Vergütung. Meine Sorge allerdings ist, dass die Praxis zu kurz kommt. Es werden nach dem Studium auch die Hände am Patienten gebraucht. Für mich bedeutet Physiotherapie immer Handarbeit und Wissenschaft zugleich. Weiterhin gehören nicht nur die besagten „smarten“ Skills in das Studium, sondern auch die sogenannten Soft Skills, die die Arbeit als Physiotherapeut „sinnvoll“ erscheinen lassen. Das soziale Interesse am Menschen und an der gemeinsamen Arbeit sollte gegeben sein.

Der Direktzugang bedeutet mehr Verantwortung durch eine physiotherapeutische Diagnose und eigenständige Behandlungsentscheidung. Das ist aus meiner Berufserfahrung heraus erst mit Praxiserfahrung möglich. Ich denke, dass es auch jetzt genügend Berufskollegen gibt, die ihr Wissen reflektieren, präzise diagnostizieren und somit die Therapie zielgerichtet ausrichten können – mit und ohne Studium. Eine Formulierung wie „Die Kompetenz zu einer selbstverantwortlichen physiotherapeutischen Diagnose und Behandlungsentscheidung oder Weiterverweisung ist mit dem Studium gegeben“ ist mir da doch etwas zu kurz gedacht. Viele Kollegen arbeiten seit Jahren erfolgreich evidenzbasiert, setzen sich und den Patienten realistische Ziele, hinterfragen ihre Behandlungen und sind mit Ärzten im Gespräch. Deswegen ist auch die Lösung, den Direktzugang für berufserfahrene Kollegen zu ermöglichen, erstrebenswert. Akademisierung bedeutet nicht automatisch Professionalität!

Zudem sollten Grundgedanken der Physiotherapie im Medizinstudium verankert werden, um so ein besseres Bewusstsein für unsere Berufsgruppe zu schaffen.

Ich wünsche diesem Beruf, den ich seit 28 Jahren immer noch mit Freude ausübe, den längst überfälligen Aufschwung und die dementsprechende Anerkennung.

Petra Blank, Physiotherapeutin aus Pforzheim

Zu den Protestveranstaltungen in Leipzig, physiopraxis 4/2015


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Bei der nächsten Demo bin ich dabei

Sehr geehrte Frau Oldenburg,
da bin ich jetzt aber froh, dass nach unseren Leserbriefen vor zwei Jahren von meiner Kollegin Claudia Holstein und meiner Wenigkeit der Stein des Protestes ins Rollen kam. Es wird auch Zeit, dass die Physiotherapie endlich im 21. Jahrhundert ankommt! Wir müssen uns jetzt mal selber therapieren. Also, Kollegen, macht weiter so, und bei der nächsten Demo des Bundes vereinter Therapeuten bin auch ich endlich dabei!

Carl Helmut Baiser, Physiotherapeut aus Grafenrheinfeld

Zu den Gewinnspielen


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Richtig gute Zeitschrift

Liebes physiopraxis-Team,
ich möchte mich ganz herzlich für das Buch „Stressfrei durch Progressive Relaxation“ bedanken, das ich gewonnen habe. Ich habe schon einmal ein Buch gewonnen, was stets im Einsatz ist. An dieser Stelle ein wirklich großes Lob an das ganze Team und eine richtig gute Zeitschrift. Ich lese sie schon lange und freu mich jedes Mal wieder. Lieben Dank!

Mit freundlichen Grüßen Claudia Haver-Silbermann


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Abb.: C. Paries
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Grafik: Schünke M, Schulte E, Schumacher U. Prometheus. LernAtlas der Anatomie. Allgemeine Anatomie und Bewegungssystem. Illustrationen von K. Wesker. 4. Aufl. Stuttgart: Thieme; 2014; überarbeitet von C. Lackner