ergopraxis 2015; 8(05): 14-16
DOI: 10.1055/s-0035-1552960
wissenschaft
© Georg Thieme Verlag Stuttgart – New York

Internationale Studienergebnisse


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Publication Date:
06 May 2015 (online)

 

Botox bei Spastizität – Ergo- und physiotherapeutische Ansätze uneinheitlich

Australische Ergotherapeuten und Physiotherapeuten nutzen bei Klienten mit spastischem Syndrom vielfältige und damit uneinheitliche Therapieansätze, um die Effekte nach einer Injektion mit Botulinum-Neurotoxin Typ A (BoNT-A) zu optimieren. Zu diesem Ergebnis kommt ein Team um die Ergotherapeutin Dr. Natasha Lannin von der University of Sydney in Australien.

Die Forscher führten eine anonymisierte Online-Befragung durch, an der 128 erfahrene Ergo- und Physiotherapeuten teilnahmen. Ihren Angaben zufolge lassen sich die Klienten das Nervengift am häufigsten in den M. biceps brachii, die tiefen und oberflächlichen Fingerbeuger sowie in den M. bachioradialis injizieren. In der Regel nehmen sie vor der Injektion an zwei und nach der Injektion an acht Therapiesitzungen teil. Die Therapeuten nutzen verschiedene standardisierte Assessments, um Informationen über die Bewegungsperformanz, Schmerzen und Funktionen zu ermitteln. Die Therapieziele formulieren sie in der Regel mit ihren Klienten zusammen. Im Anschluss daran setzen sie vielfältige Interventionen ein, am häufigsten Stretching, aufgabenorientiertes Funktionstraining, Krafttraining und Heimprogramme.

Die Forscher führen die Vielfalt der Interventionen darauf zurück, dass bislang keine Leitlinien für die ergo- und physiotherapeutische Behandlung von neurologischen Klienten nach BoNT-A-Therapie existieren. Diese könnten eine fundierte Orientierung bieten und eine qualitativ hochwertige Versorgung sicherstellen.
fk
AOTJ 2015; 1: 27–40


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Evidenzbasierte Praxis – Barrieren erschweren die Umsetzung

Ergotherapeuten sind motiviert, ihr therapeutisches Vorgehen wissenschaftlich zu untermauern. Ungünstige Arbeitsbedingungen und mangelnde Kompetenzen im Umgang mit Statistiken hindern jedoch viele daran, Forschungsergebnisse in den Praxisalltag zu integrieren. Zu diesem Ergebnis kamen die beiden Ergotherapeutinnen Kersti Samuelsson und Ewa Wressleam klinischen Institut für Rehabilitation, Medizin und Cesundheitswissenschaften in Linköping, Schweden.

Per E-Mail versendeten sie einen Fragebogen zu demografischen Daten wie Alter oder Berufserfahrung und den „Barriersto Research Utilization Scale Questionaire“ an 807 zufällig ausgewählte schwedische Ergotherapeuten. 472 Ergotherapeuten schickten die ausgefüllten Unterlagen zurück, was einer Rücklaufquote von 59% entspricht. Die Forscher unterschieden die Teilnehmer nach ihrer Berufserfahrung und akademischen Qualifikation. Dabei analysierten sie die Ergebnisse mithilfe des Statistik-Programms SPSS 20.

An der Studie nahmen fast ausschließlich Frauen teil (96%). Die Berufserfahrung lag durchschnittlich bei 15 Jahren, das Spektrum reichte von 1 bis 40 Jahren. Die meisten Teilnehmer (84%) arbeiteten als Ergotherapeuten, 6% in Management-Positionen und 10% in anderen Bereichen. Laut Auswertung lassen sich Ergotherapeuten durch verschiedene Barrieren davon abhalten, Forschungsergebnisse in die Praxis umzusetzen. Die meisten (82%) erleben ihre Einrichtungen als ungeeignet, um eine evidenzbasierte Praxis einzuführen. Vielen fehlt die Zeit, sich mit Forschungen auseinanderzusetzen (77%) oder neue Ideen einzuführen (74%). Außerdem hat ein Großteil von ihnen (75%) Schwierigkeiten damit, statistische Daten zu verstehen. Häufig vermissen sie (73%) auch kompetente Kollegen, mit denen sie Forschungsergebnisse diskutieren könnten.

Ergotherapeuten ohne akademischen Abschluss nehmen bei neun Items signifikant größere Barrieren wahr als ihre akademisch ausgebildeten Kollegen. Der größte Unterschied besteht in der Herausforderung, englischsprachige Artikel zu verstehen und die methodische Qualität von Studien zu bewerten. Auch die Berufserfahrung spielt eine Rolle.

Ergotherapeuten mit Berufserfahrung unter elf Jahren haben größere Probleme damit, neue Ideen in die Praxis umzusetzen, auf Forschungsartikel zuzugreifen und diese auf Englisch zu lesen.

Aus Sicht der Forscher haben die Arbeitsbedingungen einen entscheidenden Einfluss darauf, ob Ergotherapeuten evidenzbasiert arbeiten können oder nicht. Ergotherapeuten benötigen ausreichend Zeit sowie Unterstützung von Leitungskräften und Kollegen, um eine evidenzbasierte Praxis realisieren zu können.
fk
BJOT 2015; 3: 175-181


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Schlaganfall – Wirkung von ADL-Training bestätigt

Klienten nach Schlaganfall profitieren nachweislich von einer handlungsorientierten ergotherapeutischen Behandlung. Die besten Wirksamkeitsnachweise existieren für Interventionen, die auf eine Verbesserung der ADL-Performanz abzielen. Zu diesem Ergebnis kommt ein Forschungsteam um den Ergotherapeuten Timothy Wolf, Junior-Professor an der Washington University St. Louis, USA.

Die Forscher recherchierten systematisch nach Studien aus den Jahren 2003 bis 2012, die handlungsbasierte ergotherapeutische Interventionen bei Klienten nach Schlaganfall untersuchten. Von 83 Suchergebnissen wählten sie 39 Arbeiten aus, die ihre Einschlusskriterien erfüllten. Anschließend ordneten sie die Studien fünf Handlungsbereichen des „Occupational Therapy Practice Framework“ (OTPF) zu: Aktivitäten des täglichen Lebens (ADLs), instrumentelle Aktivitäten des täglichen Lebens (lADLs), Freizeit, soziale Teilhabe, Erholung und Schlaf.

Laut Auswertung geht es in 21 Studien um die Wirkung von ADL-basierten Interventionen, darunterfünf systematische Reviews und zehn randomisierte kontrollierte Studien (RCT). Die aussagekräftigste Evidenz existiert für ADL-Trainings, die Ergotherapeuten ihren Klienten zu Hause anbieten. Ebenso lässt sich die Wirkung von ADL-Training im stationären, ambulanten oder Cemeindesetting belegen, wenn auch mit etwas geringerer Evidenzqualität. 12 Studien gehen den Effekten von handlungsorientierten Interventionen auf den Grund, mit denen Ergotherapeuten die instrumentelle ADL-Performanz ihrer Klienten verbessern wollen. Zu diesen Arbeiten gehören auch ein systematisches Review und vier RCT-Studien. Dabei lässt sich mit geringer Evidenz nachweisen, dass ein virtuelles Realitätstraining die lADL-Performanz eines Klienten verbessert. Außerdem existieren erste Belege für die positive Wirkung von Fahr- und Rollstuhltrainings. Sechs RCT-Studien evaluieren zudem handlungsbasierte Interventionen aus den Bereichen Freizeit, soziale Teilhabe, Erholung oder Schlaf. Aussagekräftige Wirksamkeitsnachweise beschränken sich hierbei auf freizeitbezogene Interventionen.

Ergotherapeuten können Klienten nach einem Schlaganfall handlungsbasierte Interventionen anbieten, um ihre Performanz in verschiedenen Handlungsbereichen zu verbessern. Dabei lässt sich die Wirkung des ADL-Trainings am besten belegen, wenn es zu Hause stattfindet. Für die anderen Handlungsbereiche besteht weiterer Forschungsbedarf. Die Forscher empfehlen qualitativ hochwertige Studien, in denen geeignete Kontrollkonditionen und Assessments zum Einsatz kommen.
fk
AJOT 2015; doi:10.5014/ajot.2015.012195


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