ergopraxis 2015; 8(05): 12-13
DOI: 10.1055/s-0035-1552959
wissenschaft
© Georg Thieme Verlag Stuttgart – New York

Für gut befunden – Bachelorstudium

Florence Kranz

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Publication Date:
06 May 2015 (online)

 

Ergotherapeuten gelten als weiterbildungsfreudige Berufsgruppe. Zunehmend setzen sie auch auf akademische Titel. Dabei stehen sie vor einer wachsenden Auswahl an primärqualifizierenden und aufbauenden Studiengängen. Sie müssen sich nur entscheiden. Drei Ergotherapeutinnen und eine Ergotherapiestudentin berichten von ihren Erfahrungen.


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Florence Kranz

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Florence Kranz Ergotherapeutin BcOT und M.A. Gesundheitsmanagement, hat selbst den klassischen Weg gewählt und nach ihrer Ausbildung ein Bachelorstudium an der Zuyd Hogeschool im niederländischen Heerlen absolviert.

So viel steht fest: Die Akademisierung der Ergotherapie lässt sich nicht mehr aufhalten. Viele Therapeuten fragen sich, ob sie einen akademischen Grad erwerben möchten. Haben sie bereits eine Ausbildung absolviert, können sie ein Bachelorstudium draufsetzen. Oder sie entscheiden sich direkt für ein grundständiges Studium.

Der klassische Weg

„Nach meiner Ausbildung verfügte ich über ein gutes Grundwissen. Das reichte mir aber nicht.“ So wie Claudia Klein geht es vielen Ergotherapeuten, die nach ihrer Ausbildung ein Bachelorstudium aufnehmen. Claudia wollte vor allem mehr über ergotherapeutische Modelle, Forschung und Clinical Reasoning erfahren. Dafür wählte sie ein Studium an der Zuyd Hogeschool im niederländischen Heerlen aus. Sie hatte vom guten Ruf dieser Hochschule gehört und wollte vom fortschrittlichen Denken der Niederländer profitieren.

Nicht immer entscheiden sich ausgebildete Ergotherapeuten für ein fachspezifisches Studium. Manche möchten ihren Blickwinkel erweitern und sich für neue Aufgaben qualifizieren. Wie Verena Kawaletz, die an der IB Hochschule Berlin Gesundheitswissenschaften studierte. Verena reizte vor allem die interdisziplinäre Ausrichtung des Bachelorstudiengangs. Außerdem wollte sie ihre beruflichen Perspektiven verbessern. Für sie spielten aber auch pragmatische Gründe eine Rolle: Sie konnte am Studienzentrum in ihrem Wohnort studieren und hatte somit kurze Anfahrtswege und geringere Kosten.


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Ergotherapie studieren

Möchte man wie Claudia nach der Ausbildung einen Bachelorgrad in Ergotherapie erwerben, hat man Glück. Denn normalerweise erkennen fachspezifische Bachelorstudiengänge die Ausbildungsleistungen teilweise an. Dadurch bleibt das Studium von kurzer Dauer. Einige Hochschulen bieten außerdem die Möglichkeit, parallel zur Ausbildung bereits einzelne Module abzuschließen. Ergotherapie-Bachelorstudiengänge zielen vor allem darauf ab, die bereits erworbenen berufspraktischen Kompetenzen durch methodisches und wissenschaftliches Know-how zu vertiefen [1-3]. Einige ergänzen den fachspezifischen Unterricht durch gesundheitswissenschaftliche und -ökonomische Lehrinhalte. Ziel ist der reflektierte Praktiker, der sein therapeutisches Vorgehen fundiert begründen und eine Praxis oder Ergotherapieabteilung leiten kann [1, 2].

Um ein Ergotherapiestudium aufzunehmen, muss man nicht wie Claudia zwischen Deutschland und den Niederlanden hin- und herpendeln. Es gibt auch Hochschulen in Deutschland, zum Beispiel die HAWK Hildesheim, die Hochschule Osnabrück und private Fachhochschulen. Wer sich an einer staatlichen Hochschule bewerben will, braucht eine Hochschulzugangsberechtigung. Außerdem muss er eine Einstufungsprüfung absolvieren. Es gibt aber Ausnahmen. Beispielsweise, wenn der Bewerber seine Ausbildung an einer kooperierenden Berufsfachschule absolviert und bereits an Zusatzangeboten der Hochschule teilgenommen hat [1, 2].

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Abb.: privat

» Wer berufsbegleitend studiert, lernt die theoretischen Inhalte viel leichter. «
Verena Kawaletz

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Abb.: privat

» Wenn man etwas wirklich will, nimmt man alles in Kauf. «
Claudia Klein


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Neben dem Job studieren

Einige Hochschulen stellen dem Bewerber frei, ob er sein Studium in Voll- oder Teilzeit durchführen möchte. Für viele Ergotherapeuten kommt nur die berufsbegleitende Variante in Frage, da sie Studium und Lebensunterhalt durch ihre Arbeit finanzieren müssen. Auch Verena und Claudia haben sich für diesen Weg entschieden. Verena arbeitete neben ihrem Studium Vollzeit in einer ambulanten Reha. Zusätzlich zur vereinbarten Arbeitszeit baute sie regelmäßig Überstunden auf, die sie während der Präsenzphasen freinehmen konnte. Tagsüber gestaltete sie also ergotherapeutische Therapien für Klienten. Abends und an den Wochenenden setzte sie sich an ihre Studienunterlagen, bereitete die Präsenzphasen vor oder verfasste Hausarbeiten. Bei Claudia sah es ähnlich aus. Sie arbeitete gleichzeitig als Ergotherapeutin in einer Praxis und in einem Zentrum für junge Körperbehinderte. Statt den empfohlenen 20 Stunden lag ihre wöchentliche Arbeitszeit oft weit über 40 Stunden. Sonst wäre ihr nicht genügend Geld zum Leben geblieben. Das bedeutete: Drei Jahre lang kaum Freizeit und ein Minimum an sozialen Kontakten. Dank ihres guten Zeitmanagements hielt sie aber durch: „Wenn man etwas wirklich will, nimmt man alles in Kauf.“ Trotz Doppelbelastung sehen sich Claudia und Verena klar im Vorteil. Sie konnten die gelernte Theorie direkt mit ihren praktischen Erfahrungen verknüpfen. Verena weiß: „So lernt man die theoretischen Inhalte viel leichter.“


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Ohne Umweg ins Studium

Mittlerweile kann man Ergotherapie auch grundständig studieren; also ohne vorherige Ausbildung. Diese Möglichkeit reizte Annika Froese, nachdem sie ihr Abitur abgeschlossen hatte. Sie verglich verschiedene Studienangebote miteinander und bewarb sich an der Hochschule für Gesundheit in Bochum. Die Entscheidung fiel ihr leicht. Denn im Gegensatz zu privaten Hochschulen fallen an dieser staatlichen keine Studiengebühren an, sondern nur Semester- bzw. Sozialbeiträge [4]. Eine Hürde musste sie allerdings überwinden: den Numerus clausus. Der lag bei 1,7; ihr Notendurchschnitt im Abitur bei 1,9. Sie bewarb sich trotzdem und bekam im Nachrückverfahren einen Studienplatz.

Greta Teitge hat ihr Studium an der Hochschule für Gesundheit gerade beendet und zwei Abschlüsse gleichzeitig erworben: das staatliche Examen und den Bachelor of Science. Der Vorteil liegt für sie auf der Hand: „Das staatliche Examen ermöglicht es mir, in Deutschland als Ergotherapeutin tätig zu sein. Mit meinem Bachelorgrad kann ich im Ausland arbeiten und ein Masterstudium aufnehmen.“ Die Kombination der beiden Abschlüsse heißt aber auch, dass Studenten wie Annika innerhalb von dreieinhalb Jahren alle erforderlichen Kompetenzen erwerben müssen: praktische, methodische und wissenschaftliche [5]. Dafür ermöglicht das grundständige Studium von Anfang an eine Ausbildung auf akademischem Niveau. Die Studenten gehen also bereits mit anderen Voraussetzungen in ihre studienbegleitenden Praktika. Das komprimierte Programm hat aber auch seinen Preis, weiß Annika: „Es gibt nur wen ig Semesterferien.“

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Abb.: privat

» In meinen Praktika musste ich immer wieder betonen, dass ich nach dem Studium als ‚normale‘ Ergotherapeutin tätig sein möchte. «
Greta Teitge

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Abb.: privat

» Das grundständige Studium ermöglicht eine Ausbildung auf akademischem Niveau – für Semesterferien bleibt da nicht viel Zeit. «
Annika Froese


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Der Aufwand lohnt sich!

So unterschiedlich ihre Wege auch verliefen, alle vier Frauen ziehen eine positive Bilanz. Verena rechnet sich nach ihrer Elternzeit Chancen auf eine bessere Position und mehr Gehalt aus. Außerdem hat sie durch ihr Studium gelernt, wissenschaftlich zu arbeiten und kritischer zu denken. Das schätzen auch die anderen drei an ihrem Studium. Annika und Greta finden es besonders hilfreich, therapeutische Entscheidungen fundiert begründen zu können. Auch um dem Ruf der Basteltante entgegenzuwirken.

In der Praxis stoßen sie meist auf positive Resonanz. Einige Berufspraktiker haben aber auch Vorbehalte gegenüberdem grundständigen Studium, erzählt Greta: „In meinen Praktika musste ich immer wieder betonen, dass ich nach dem Studium als ‚normale‘ Ergotherapeutin tätig sein möchte und großen Respekt vor der Berufserfahrung der Kolleginnen habe.“ Neben ihrer praktischen Arbeit als Ergotherapeutin kann sie sich vorstellen, berufsbegleitend ein Masterstudium zu absolvieren und in die Lehre einzusteigen. Diese Idee hat es auch Claudia angetan. Ihren Wunsch, zu unterrichten, entwickelte sie im Bachelorstudium. Ein halbes Jahr nach ihrem Abschluss nahm sie bereits eine Dozentenstelle an einer ergotherapeutischen Berufsfachschule auf. Ihr Fazit: „Das Studium hat mir viele Türen geöffnet, und dafür bin ich dankbar.“


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Florence Kranz Ergotherapeutin BcOT und M.A. Gesundheitsmanagement, hat selbst den klassischen Weg gewählt und nach ihrer Ausbildung ein Bachelorstudium an der Zuyd Hogeschool im niederländischen Heerlen absolviert.
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Abb.: privat
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Abb.: privat
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Abb.: privat