Rofo 2015; 187(08): 726-727
DOI: 10.1055/s-0035-1552128
DRG-Mitteilungen
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Radiologie & Recht – Rechtsprobleme bei der Umwandlung einer vertragsärztlichen Anstellung in eine Zulassung

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Publication Date:
28 July 2015 (online)

 

In einer kürzlich veröffentlichten Entscheidung des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg (Beschluss vom 10.12.2014, Az.: L 7 KA 56/14 B ER) zeigte sich, dass es erhebliche Probleme bei der Umwandlung einer Arztstelle in eine vertragsärztliche Zulassung geben kann. Viele angestellte Ärzte rechneten bis heute nicht mit solchen Problemen, weil diese nicht die formellen Aspekte der Umwandlung, sondern materielle Aspekte der Beschäftigung des angestellten Arzts betreffen. Die Entscheidung erging in einem einstweiligen Rechtsschutzverfahren und es ist noch nicht absehbar, ob in dem Hauptsacheverfahren, das seinen Abschluss in einigen Jahren bei dem Bundessozialgericht finden könnte, die Entscheidung in ihren rechtlichen Ausführungen bestätigt werden wird. In der Zwischenzeit steht zu befürchten, dass die Zulassungsausschüsse bei der Umwandlung einer Arztstelle, auf der im Verhältnis zur Arztgruppe nur eine unterdurchschnittliche Leistungserbringung abgerechnet wird, diese nicht mehr in eine halbe oder ganze Zulassung umwandeln werden.

Entscheidung des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg

Das Landessozialgericht Berlin-Brandenburg (Beschluss vom 10.12.2014, Az.: L 7 KA 56/14 B ER) hatte in einem Eilverfahren über folgenden Sachverhalt zu entscheiden:

Ein anstellender Vertragsarzt, in dem konkreten Fall handelte es sich um einen Pathologen, hatte für seinen angestellten Arzt, der auf einer Arztstelle tätig war, beim zuständigen Zulassungsausschuss die Umwandlung der Arztstelle in eine Zulassung zugunsten des bisher angestellten Arzts beantragt. Beide Ärzte wollten anschließend, also nach der Umwandlung der Arztstelle in eine Zulassung, gemeinsam in einer Berufsausübungsgemeinschaft tätig werden. Der Zulassungsausschuss lehnte die Umwandlung aber ab, weil die erbrachten Leistungen des angestellten Arzts nicht einmal einem halben Versorgungsauftrag entsprächen. Mit dem Widerspruch war der anstellende Vertragsarzt zwar erfolgreich, der Berufungsausschuss wandelte die Arztstelle um und genehmigte die Berufsausübungsgemeinschaft, aber die Kassenärztliche Vereinigung Berlin klagte gegen diese Entscheidung. Diese Klage suspendierte die Entscheidung des Berufungsausschusses und in der Folge fand zumindest vorläufig keine Umwandlung statt, sodass es zugleich an der Grundlage der Berufsausübungsgemeinschaft fehlte. Mit dem einstweiligen Rechtsschutzverfahren versuchten der anstellende Vertragsarzt und der angestellte Arzt die aufschiebende Wirkung der Klage zu beseitigen, doch der Versuch misslang.


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Begriff der Arztstelle

Zunächst folgen einige grundlegende Ausführungen zu der Umwandlung und den Begriffen, insbesondere zur Arztstelle und Nachbesetzung. In § 95 Abs. 9 SGB V ist die Arztstelle geregelt. Weniger juristisch bezeichnen einige diese als Huckepackzulassung. Diese Bezeichnung trifft jedenfalls im Zusammenhang einer Anstellung eines Arzts bei einem Vertragsarzt recht gut zu, weil sie die Unselbständigkeit dieser Huckepackzulassung miterfasst. In § 95 Abs. 9 Satz 1 SGB V heißt es: Der Vertragsarzt kann mit Genehmigung des Zulassungsausschusses Ärzte, die in das Arztregister eingetragen sind, anstellen, sofern für die Arztgruppe, der der anzustellende Arzt angehört, keine Zulassungsbeschränkungen angeordnet sind. Bekanntlich sind aber gerade die angeordneten Zulassungsbeschränkungen in der Radiologie und Nuklearmedizin kein Ausnahmefall, sondern der Regelfall. Daher bedarf es eines Blicks auf die Entstehung der Arztstelle. In der Radiologie entstanden die Arztstellen in den vergangenen Jahren ausschließlich über einen Verzicht zugunsten einer Anstellung bei einem MVZ nach § 103 Abs. 4a SGB V oder bei einem Vertragsarzt nach § 103 Abs. 4b SGB V. In beiden Absätzen regelt Satz 3, dass die Nachbesetzung von Arztstellen möglich ist, auch wenn Zulassungsbeschränkungen angeordnet sind. § 103 Abs. 4a Satz 3 SGB V ist dabei die Folge einer nachlässigen Verkürzung des § 103 Abs. 4b Satz 3 SGB V, denn dort erfolgt ein unmittelbarer und konkreter Verweis auf § 95 Abs. 9 Satz 1 SGB V. Ist eine Arztstelle daher aus einem Verzicht zugunsten einer Anstellung in einem MVZ oder bei einem Vertragsarzt entstanden, so kann die Nachbesetzung ungeachtet angeordneter Zulassungsbeschränkungen erfolgen.

Die Umwandlung einer Arztstelle selbst findet ihre rechtliche Grundlage in § 95 Abs. 9b SGB V. Danach ist eine nach § 95 Abs. 9 Satz 1 SGB V genehmigte Anstellung auf Antrag des anstellenden Vertragsarzts vom Zulassungsausschuss in eine Zulassung umzuwandeln, sofern der Umfang der Tätigkeit des angestellten Arzts einem ganzen oder halben Versorgungsauftrag entspricht. Antragsteller der Umwandlung kann nach dieser gesetzlichen Regelung einzig und allein der anstellende Arzt sein. Das ist entweder der Vertragsarzt, dem die Arztstelle zugeordnet ist, im Zweifel klärt ein Blick in den Genehmigungsbescheid des Zulassungsausschusses auf, wer in diesem Sinne der anstellende Vertragsarzt ist oder das MVZ. Berechtigt könnte hier der Einwand erfolgen, dass das MVZ doch überhaupt kein Vertragsarzt sei, wie soll dieses einen solchen Antrag daher stellen dürfen? Soweit wäre der Einwand richtig, aber letztlich unberechtigt, weil der Gesetzgeber in § 103 Abs. 4a Satz 4 SGB V eine entsprechende Anwendung der Regelung über die Umwandlung für ein MVZ anordnet.

§ 95 Abs. 9b SGB V regelt daneben eindeutig, dass bei einer Umwandlung derjenige Inhaber der Zulassung wird, der bisher angestellter Arzt war, sofern der anstellende Vertragsarzt nicht zugleich das Nachbesetzungsverfahren nach § 103 Abs. 4 SGB V beantragt. Der Gesetzgeber spricht an dieser Stelle von der Beantragung der Durchführung eines Nachbesetzungsverfahrens nach § 103 Abs. 4 SGB V bei der Kassenärztlichen Vereinigung. Diese Beantragung ist aber nicht möglich, weil das Nachbesetzungsverfahren nicht von der Kassenärztlichen Vereinigung, sondern vom Zulassungsausschuss durchgeführt wird. Wann es jemals auf diese Rechtsfrage ankommen sollte, ist nicht ersichtlich, weil die Durchführung eines Nachbesetzungsverfahrens für den anstellenden Vertragsarzt keinen persönlichen Sinn macht. Er hat auf dieses Verfahren keinen Einfluss und kann zum Beispiel diese Zulassung nicht in einer Berufsausübungsgemeinschaft an sich binden oder sonst wie einen Bewerber auswählen.

Gegen die Entscheidung des Zulassungsausschusses und des Berufungsausschusses zum Beispiel bei Anstellungsgenehmigungen, Nachbesetzungsverfahren oder Zulassungsverfahren von MVZ können nicht nur die beteiligten Ärzte, wie ein abgelehnter Bewerber in einem Nachbesetzungsverfahren, Widerspruch einlegen bzw. Klage erheben, sondern auch die Kassenärztliche Vereinigung und die Landesverbände der Krankenkassen und Ersatzkassen. Ganz gelegentlich machen diese von diesem Recht Gebrauch.


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Rechtsauffassungen der beteiligten Zulassungsgremien

Der Zulassungsausschuss hatte die Umwandlung abgelehnt, weil der Anteil abgerechneter ärztlicher Leistungen auf der Arztstelle hinsichtlich der Fallzahlen der Arztgruppe im Vergleich von 4 Quartalen nie mehr als 15% überschritt. Daraus zog der Zulassungsausschuss den Schluss, dass der angestellte Arzt nicht einmal im Umfang eines halben Versorgungsauftrags tätig war und daher eine Umwandlung in eine ganze Zulassung sowieso ausscheide, aber auch in eine halbe Zulassung, weil der Versorgungsauftrag weder ganz noch halb erfüllt werde. Der Berufungsausschuss vertrat dagegen die Auffassung, dass es auf den nach der Bedarfsplanungs-Richtlinie genehmigten Umfang der Tätigkeit ankomme. Da eine Vollzeittätigkeit genehmigt worden war, müsste demnach eine Umwandlung in eine ganze Zulassung erfolgen. Das Sozialgericht Berlin bestätigte die Auffassung des Berufungsausschusses, aber die Kassenärztliche Vereinigung legte Beschwerde gegen den Beschluss ein und obsiegte.

Das Landessozialgericht Berlin-Brandenburg vertrat die Auffassung, dass der Wortlaut des § 95 Abs. 9b SGB V es nahe lege, dass auf die tatsächlich erbrachten Leistungen des angestellten Arzts abzustellen sei. Der Umfang dieser Leistungen sei mit denen eines Arztes mit vollem oder halben Versorgungsauftrag zu vergleichen. In der Begründung des Gesetzentwurfs (GKV-Versorgungsstrukturgesetz) heiße es, so das Landessozialgericht, dass der zeitliche Umfang der vertragsärztlichen Tätigkeit des angestellten Arzts für die Zulassung und ihren Umfang maßgeblich sein soll. Weiter heißt es dort:

„Voraussetzungen für die Umwandlung ist …, dass der zeitliche Umfang der vertragsärztlichen Tätigkeiten des angestellten Arztes der üblicherweise mit einer vollen oder halben Zulassung verbundenen Vertragsarzttätigkeit entspricht. …Ausgehend davon, dass die vertragsärztliche Tätigkeit nach § 19a Abs. 1 der Ärzte-Zulassungsverordnung für Vertragsärzte grundsätzlich als Vollzeittätigkeit angelegt ist, kommt die Umwandlung in eine Zulassung mit einem vollen Versorgungsauftrag nur in Betracht, wenn die Arbeitszeit des angestellten Arztes mindestens der durchschnittlichen Arbeitszeit von angestellten Ärzten bei einer Vollzeittätigkeit entspricht. Die Umwandlung in eine halbe Zulassung setzt voraus, dass mindestens 50 Prozent dieser durchschnittlichen Arbeitszeit erreicht werden.“

Das Landessozialgericht Berlin-Brandenburg führt in seiner Entscheidung sodann aus, dass sich dem Gesetz nicht entnehmen ließe, wie die Arbeitszeit des angestellten Arzts und die des zum Vergleich dafür heranzuziehenden zugelassenen Vertragsarzts mit vollem oder halben Versorgungsauftrag zu bestimmen sei. Während andere Gerichtsbarkeiten an dieser Stelle eine undurchführbare Regelung konstatieren würden und es dem Gesetzgeber überließen eine wesentliche Regelung in das Sozialgesetzbuch aufzunehmen, stellt das Landessozialgericht Berlin-Brandenburg eine Reihe von Überlegungen an, nach denen die beiden erforderlichen Parameter ermittelt werden könnten. Eine Wiedergabe dieser verschiedenen Überlegungen erscheint sinnlos, keine der Überlegungen kann sich auf den Gesetzgeber stützen und alle bieten einen breiten Bewertungsspielraum. Mit dieser Entscheidung, wenn auch als Folge der mangelnden Gesetzgebung, nimmt hier die Unschärfe in der Planbarkeit von Umwandlungen zu. Notwendig erscheint es daher vorläufig und bis zu einer endgültigen Entscheidung, dass ein angestellter Arzt auf einer Arztstelle, bevor eine Beantragung einer Umwandlung erfolgt, nicht nur rudimentäre Leistungen erbringt, sondern Fallzahlen erbringen sollte, die dem Arztgruppendurchschnitt oder dem halben Arztgruppendurchschnitt zumindest nahekommen. In dem Beispielfall lag die Fallzahl der Arztstelle, wie oben erwähnt, nicht höher als 15% des Arztgruppendurchschnitts.


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Fazit

Die Entscheidung des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg ist eine Entscheidung in einem einstweiligen Rechtsschutzverfahren. Die Eigenart eines solchen Verfahrens ist es, dass nur eine summarische Prüfung erfolgt und nicht alle tatsächlichen und rechtlichen Fragen vollständig ermittelt und abgewogen werden. In einem Hauptsacheverfahren kann daher durchaus eine abweichende Entscheidung ergehen und letztlich könnte das Bundessozialgericht die Entscheidung abändern und seinerseits abweichend entscheiden. Zu bedenken ist jedoch, dass diese Verfahren einige Jahre dauern werden. In der Zwischenzeit sollte bei der Planung der Umwandlungen von Arztstellen berücksichtigt werden, dass der zuständige Zulassungsausschuss die Rechtslage ebenso bewerten könnte, wie der Zulassungsausschuss in Berlin. Selbst dann, wenn die Entscheidungspraxis des Zulassungsausschusses bekannt ist, bleiben weitere Beteiligte, die aufgrund einer abweichenden Auffassung ein Rechtsmittel gegen die Entscheidung des Zulassungsausschusses einlegen könnten. Sowohl die Kassenärztliche Vereinigung, aber auch die Landesverbände der Krankenkassen und der Ersatzkassen sind berechtigt, einer Entscheidung des Zulassungsausschusses zu widersprechen und gegen eine Entscheidung des Berufungsausschusses zu klagen. Bis eine rechtskräftige Entscheidung vorliegt, vergeht viel Zeit und es entstehen kaum kalkulierbare Kosten.

In dem Beispielfall könnte zum Beispiel der Vertragsarzt mit der Gründung der Berufsausübungsgemeinschaft einen neuen finanzkräftigen Partner für Praxisinvestitionen oder eine Praxisausweitung geplant haben. Das Landessozialgericht Berlin-Brandenburg stellte in seinem Beschluss fest, dass dem anstellenden Vertragsarzt kein wirtschaftlicher Nachteil entstehen würde, weil der angestellte Arzt auf der Arztstelle weiterhin tätig werden könne. Nicht jeder Vertragspartner geht einen Rechtsstreit über viele Jahre mit, um dann nach 5, 6 oder 7 Jahren eines Rechtsstreits Partner in einer Berufsausübungsgemeinschaft zu werden. Die fachliche und wirtschaftliche Entwicklung einer radiologischen Praxis, die aufgrund der wirtschaftlichen Risiken regelmäßig über längere Zeiträume zu planen ist, wird durch solche Entscheidungen verhindert – ohne Bedarf.

René T. Steinhäuser, Rechtsanwalt

Rechtsanwälte Wigge, Neuer Wall 44, 20354 Hamburg, Telefon: (040) 3398705–90, Telefax: (040) 3398705–99, Internet: www.ra-wigge.de, E-Mail: kanzlei@ra-wigge.de


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