Aktuelle Urol 2015; 46(02): 95-96
DOI: 10.1055/s-0035-1549203
Referiert und kommentiert
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Nierenbeckenplastik – Bildgebende Kontrollen bei Erwachsenen

Contributor(s):
Elke Ruchalla

J Urol 2014;
191: 1357-1362
Further Information

Publication History

Publication Date:
21 April 2015 (online)

 

Bei Korrektur einer Ureterabgangsstenose nach Anderson-Hynes resultieren im Allgemeinen gute Ergebnisse, mit Erfolgsraten von mehr als 90 %. In den letzten Jahren kommen dabei zunehmend minimalinvasive Verfahren zum Einsatz, mit anscheinend ähnlichen Erfolgs- und Komplikationsraten wie beim offenen Zugang. Die Kontrolle erfolgt dabei meistens klinisch und radiologisch, aber wie lange nach dem Eingriff die Bildgebung fortgesetzt werden sollte, ist unklar.
J Urol 2014; 191: 1357–1362

mit Kommentar

Nach Nierenbeckenplastik im Erwachsenenalter erfolgt ab Jahr 1 nach dem Eingriff oft keine bildgebende Kontrolle mehr. Das haben Ryan Hsi und seine Mitarbeiter festgestellt, die Befunde von insgesamt 742 Patienten retrospektiv ausgewertet haben.

Die Wissenschaftler aus Seattle zogen dazu eine US-weite Datenbank heran, die ca. 50 % aller aus US-amerikanischen Kliniken entlassenen Patienten umfasst (MarketScan). In die Auswertung eingeschlossen wurden Patienten ab dem 18. Lebensjahr, die zwischen 2007 und 2010 wegen einer Ureterabgangsstenose operativ versorgt – off en oder minimalinvasiv – und mindestens 24 Monate nachbeobachtet worden waren.

Die Mediziner analysierten dann, welche bildgebenden Verfahren in welchen zeitlichen Abständen zum Eingriff durchgeführt worden waren. Dabei wurden funktionelle Untersuchungen (Ausscheidungsurogramm, Nierenfunktionsszintigrafie) und rein bildgebende Verfahren (CT, MRT, Sonografie) unterschieden. Die Zeiträume wurden kategorisiert als bis Monat 6, Monat 6–12, Monat 12–24, Monat 24–36 und ab Monat 36.

Die mittlere Nachbeobachtungszeit der eingeschlossenen 742 Patienten betrug etwas mehr als 3 Jahre, knapp zwei Drittel von ihnen (65 %) waren minimalinvasiv operiert worden. Bei 88 % war postinterventionell mindestens 1-mal ein bildgebendes Verfahren eingesetzt worden, bei 34 % nur innerhalb der ersten 12 Monate, bei knapp der Hälfte (48,5 %) sowohl vor als auch nach Monat 12 und bei 5,5 % erstmals nach dem ersten postoperativen Jahr. 12 % wurden zu keinem Zeitpunkt mittels bildgebender Verfahren nachuntersucht.

Innerhalb der ersten 6 Monate wurde bei 554 Patienten (75 %) mindestens eine bildgebende Untersuchung durchgeführt, innerhalb der ersten 12 Monate war das bei 82 % der Fall, in der Regel waren dies Funktionsuntersuchungen, meistens ein Nierenszintigramm. Zwischen Monat 12 und Monat 24 wurden häufiger rein bildgebende Untersuchungen durchgeführt, meistens eine Sonografie oder CT.

Die multivariate Analyse ergab eine höhere Wahrscheinlichkeit für mindestens 1-mal jährliche bildgebende Untersuchungen bei Frauen (Odds Ratio [OR] 1,48 vs. Männer), älteren Patienten (OR 1,41 für Alter 50–63 Jahre vs. 17–39 Jahre) und längerem Klinikaufenthalt beim primären Eingriff (OR 1,92 für ≥ 6 Tage vs. ≤ 2 Tage).

Bei 62 Patienten wurden insgesamt 65 Revisionseingriffe notwendig, im Mittel 10,9 Monate nach der ersten Intervention. Dabei wurde in 27 Fällen eine Drainage eingelegt (44 %) und in jeweils 19 Fällen (31 %) eine Rezidiv-Nierenbeckenplastik bzw. eine Nephrektomie durchgeführt.

Fazit

Zeitpunkt und Art der bildgebenden Kontrollen nach Nierenbeckenplastik schwanken bei Erwachsenen deutlich, meine die Autoren – nur bei etwa der Hälfte der Patienten werden ab Monat 12 noch entsprechende Untersuchungen durchgeführt. Das könnte, so Hsi et al. weiter, zu einer Überschätzung der tatsächlichen Erfolgsraten führen, denn Spätkomplikationen auch noch 2 Jahre und mehr nach der Operation sind durchaus beschrieben. Vor allem jüngere Männer, die nur kurz in der Klinik gewesen waren, sind von dieser „Unterdiagnostik“ betroff en. Zukünftige Studien sollten die Gründe dieser Unterschiede klären, weiterhin sollten einheitliche Standards für die postinterventionellen Kontrollen erarbeitet werden – so die Autoren.

Kommentar

Follow-up nach Pyeloplastik im Erwachsenenalter – zu kurz?

Die kontinuitätsdurchtrennende Pyeloplastik ist seit ihrer Erstbeschreibung durch Anderson und Hynes 1949 ein weltweit durchgeführtes, für alle Patientenalter geeignetes, etabliertes Operationsverfahren, dessen ausgezeichnete Ergebnisse in zahlreichen Publikationen objektiviert werden konnten. Auch den konventionell-laparoskopischen und robotisch assistierten Techniken wird ein vergleichbar gutes Outcome wie der offen-operativen Methode attestiert [ 1 ], [ 2 ].

Es stellt sich insofern zu Recht die Frage, ob es weiterer Arbeiten bedarf, die die Langzeitergebnisse der Pyeloplastik de novo auf den Prüfstand stellen, und in diesem Kontext, ob die bislang uneinheitlich gehandhabte Praxis der Nachsorge mittels bildgebender Verfahren einer kritischen Reevaluierung bedarf. Brauchen wir – ganz im Trend der zunehmend von Leitlinien geprägten Medizin – nun auch ein Schema für die Nachsorge nach Pyeloplastik?

Hsi und Kollegen kommen in ihrer Arbeit zu dem Ergebnis, dass lediglich 52 % der untersuchten erwachsenen Studienpopulation nach Pyeloplastik (n = 742) ab dem 2. postoperativen Jahr mittels eines bildgebenden Verfahrens nachgesorgt wurden. Sie schlussfolgern daraus, dass die gemeinhin als hoch eingeschätzten (Langzeit-) Erfolgsraten der Pyeloplastik einer kritischen Überprüfung nicht standhalten, und insbesondere, dass asymptomatische Therapieversager nicht rechtzeitig entdeckt würden.

Während sich die Stärken der Arbeit in der stattlichen Patientenzahl und ihrer per se interessanten Fragestellung erschöpfen, sind nachfolgende Aspekte im Rahmen einer kritischen Würdigung der Ergebnisse und Schlussfolgerungen zu bedenken:

  1. Eine allgemein anerkannte Definition des Terminus „OP-Erfolg“ nach Pyeloplastik fehlt, sodass die Vergleichbarkeit der publizierten Ergebnisse der Methode ohnehin limitiert ist. Es gilt jedoch zu bedenken, dass die Indikation zur Pyeloplastik beim Erwachsen im Gegensatz zum Kindesalter praktisch ausschließlich aufgrund einer symptomatischen Obstruktion gestellt wird. Die primäre Zielsetzung des Eingriffs liegt daher nicht in einer Verbesserung radiomorphologischer oder nuklearmedizinischer Parameter mit renoprotektiver Intentionbegriffen, sondern in einer Beseitigung klinischer Symptome. Wenngleich therapiewürdige Rezidivobstruktionen nach Pyeloplastik auch nach dem 1. postoperativen Jahr auftreten können, so sind diese nahezu ausschließlich symptomatischer Natur und somit keine primären Befunde der Bildgebung [ 3 ]. De facto wird die Rate asymptomatischer Rezidive in der Literatur lediglich mit etwa 2 % angegeben [ 4 ]. Die Rationale einer funktionellen (MAG III / IVP) oder nicht funktionellen Bildgebung (Sonografie) aller asymptomatischen adulten Patienten über das 1. postoperative Jahr hinaus ist aus diesem Grund weder medizinisch noch ökonomisch zu vertreten, sondern ist allenfalls akademischen Fragestellungen vorbehalten.

  2. Hsi et al. geben eine Rate von 8,4 % sekundärer Prozeduren aufgrund postoperativer Komplikationen an; eine Rezidivpyeloplastik wurde bei 19 von 742 Patienten (2,5 %) durchgeführt und eine ebenso große Patientenzahl einer Nephrektomie unterzogen. Die jeweiligen Indikationen für die durchgeführten Sekundäreingriffe werden allerdings nicht angegeben. Entscheidend im Kontext der Schlussfolgerung ist zudem, dass Zweiteingriffe aufgrund einer Obstruktion durchschnittlich nach 10,9 Monaten durchgeführt wurden, also im ersten Drittel des gesamten Beobachtungszeitraums. Interessant wären hier detaillierte Angaben zu Rezidiv- / Sekundäreingriffen nach Ablauf des ersten, zweiten oder dritten postoperativen Jahres. Insofern ist die Schlussfolgerung der Autoren nicht überzeugend.

  3. Die der Studie zugrunde liegende „MarketScan® database“ lässt einen Selektionsbias vermuten, sodass die Ergebnisse und insbesondere die Übertragbarkeit auf europäische Verhältnisse mit der gebotenen Vorsicht interpretiert werden müssen.

  4. Unter anderem wurden CT und MRT als bildgebende Verfahren im Rahmen der Nachsorge verwendet; deren Stellenwert nach Pyeloplastik ist bestenfalls zweifelhaft.

Fazit für die Praxis

Zusammenfassend lässt sich schlussfolgern, dass die Arbeit von Hsi et al. gemeinhin bekanntes Wissen, nämlich hohe Erfolgsraten der Pyeloplastik von über 90 %, replizieren. Weiterhin, dass Sekundäreingriffe aufgrund persistierender oder rezidivierender Obstruktionen in der überwiegenden Zahl der Fälle innerhalb eines Jahres nach dem Eingriff auftreten.

Aus akademischer Sicht ist die Arbeit insofern von Interesse, als die in der Literatur publizierten Langzeitergebnisse nach Pyeloplastik möglicherweise nicht in allen Fällen ausreichend objektivierbar sind und zudem der Terminus „OP-Erfolg“ nicht einheitlich definiert ist.

Aus klinisch-praktischer Sicht hingegen ist die Studie wenig hilfreich. An der Urologischen Universitätsklinik Mainz überblicken wir die Verläufe von über 900 durchgeführten Pyeloplastiken in den letzten 20 Jahren. Patienten, die postoperativ asymptomatisch sind bzw. bleiben und gleichzeitig in der Sonografie eine Abnahme der Nierenbeckenkelchdilatation im Vergleich zu präoperativ aufweisen, bedürfen unserer Ansicht nach weder einer dynamische Nierenfunktionsszintigrafie (MAG3) noch serieller Nephrosonografien über das erste postoperative Jahr hinaus. Es versteht sich von selbst, dass im Falle unklarer Befunde Verlaufskontrollen in individuell festzulegenden Intervallen und ggf. auch Langzeitkontrollen in jährlichen Abständen indiziert sind.

PD Dr. Peter Rubenwolf, Mainz


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PD Dr. Peter Rubenwolf


ist Oberarzt an der Urologischen Klinik und Poliklinik der Universitätsmedizin Mainz

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  • Literatur

  • 1 Schwentner C, Pelzer A, Neururer R et al. Robotic Anderson-Hynes pyeloplasty: 5-year experience of one centre. BJU Int 2007; 100: 880-885
  • 2 Fedelini P, Verze P, Meccariello C et al. Intraoperative and postoperative complications of laparoscopic pyeloplasty: a single surgical team experience with 236 cases. J Endourol 2013; 27: 1224-1229
  • 3 Madi R, Roberts WW, Wolf Jr. JS. Late failures after laparoscopic pyeloplasty. Urology 2008; 71: 677-680
  • 4 Dimarco DS, Gettman MT, McGee SM et al. Long-term success of antegrade endopyelotomy compared with pyeloplasty at a single institution. J Endourol 2006; 20: 707-712

  • Literatur

  • 1 Schwentner C, Pelzer A, Neururer R et al. Robotic Anderson-Hynes pyeloplasty: 5-year experience of one centre. BJU Int 2007; 100: 880-885
  • 2 Fedelini P, Verze P, Meccariello C et al. Intraoperative and postoperative complications of laparoscopic pyeloplasty: a single surgical team experience with 236 cases. J Endourol 2013; 27: 1224-1229
  • 3 Madi R, Roberts WW, Wolf Jr. JS. Late failures after laparoscopic pyeloplasty. Urology 2008; 71: 677-680
  • 4 Dimarco DS, Gettman MT, McGee SM et al. Long-term success of antegrade endopyelotomy compared with pyeloplasty at a single institution. J Endourol 2006; 20: 707-712

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