Gesundheitswesen 2016; 78(07): 446-451
DOI: 10.1055/s-0035-1548850
Originalarbeit
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Analyse und Beurteilung der Veränderungen des PEPP-Systems durch den Entgeltkatalog 2015

Analysis and Assessment of Modifications of the PEPP System Introduced by the PEPP Catalogue 2015
C. Große
1   Professur für Finanzen und Controlling, Universität Göttingen, Göttingen
,
C. Wolff-Menzler
2   Psychiatrie und Psychotherapie, Universitätsmedizin Göttingen, Göttingen
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Publication History

Publication Date:
03 September 2015 (online)

Zusammenfassung

Ziel: Durch den Entgeltkatalog 2015 unterliegt das PEPP-System durch die formelle Aufgabe der Entgeltermittlung mittels Vergütungsstufen einer grundlegenden Neugestaltung. Jeder Berechnungstag wird nun mit gleichbleibenden Tagesentgelten vergütet, welche aber je nach Anzahl der Gesamtberechnungstage des Falls variieren. Die Neuerungen sollen in diesem Beitrag im Hinblick auf deren Anreize bezüglich Verweildauerverkürzungen, auf die Leistungsmengenstruktur und auf systematische Konsistenz untersucht werden.

Methodik: Unter der Annahme eines rein ökonomisch orientierten Leistungserbringers werden Aussagen über die ökonomisch optimale Anzahl zu erbringender Behandlungstage, deren Erreichung durch das System angereizt wird, getroffen. Dafür wird aus der neuen Entgeltsystematik eine Erlösfunktion abgeleitet. Da eine Ermittlung der Grenzerlösfunktion nicht möglich ist, wird die Differenz der Erlöse 2 aufeinanderfolgender Behandlungstage berechnet. Auf Basis der ermittelten erzielbaren Erlöse pro zusätzlichem Behandlungstag lassen sich zudem Aussagen über eine konsistente Ausgestaltung des neuen Systems treffen.

Ergebnisse: Der Verlauf der erzielbaren Erlöse pro zusätzlich erbrachtem Behandlungstag lässt sich in einen degressiven und einen konstanten Bereich unterteilen. Der degressive Bereich endet bereits in einer frühen Behandlungsphase, sodass für einen Großteil der Fälle nur der konstante Bereich relevant sein dürfte. Liegen oder fallen die Tageskosten unter die zusätzlich erzielbaren Erlöse pro Tag des konstanten Bereichs ist eine unbeschränkte Anzahl an erbrachten Behandlungstagen optimal. Darüber hinaus ergibt sich aus den Modifikationen eine komplexere Struktur der Leistungsmenge. Auffällig ist zudem bei der Betrachtung des Verlaufs der zusätzlich erzielbaren Erlöse pro Tag der für viele PEPP gegebene sprunghafte Anstieg beim Übergang vom degressiven zum konstanten Bereich, welcher vor dem Hintergrund degressiver Tageskosten bei psychiatrischen und psychosomatischen Behandlungen im Widerspruch zu einer kostenorientierten Entgeltermittlung steht.

Schlussfolgerung: Durch die neuerliche Reform wird die degressive Entgeltermittlung entsprechend der Kritik der vorherigen Ausgestaltung zum Teil zurückgenommen. Gleichzeitig dürfte sich aber auch der Druck auf Behandlungszeiten verringern. Bezüglich der Systemkonsistenz und der Transparenz der Leistungsmengenstruktur, welche für die Mengenentwicklungsforschung und das Krankenhausmanagements von Bedeutung ist, sind die Neuerungen auch kritisch zu diskutieren.

Abstract

Purpose: In 2015 the remuneration system for psychiatric and psychosomatic stationary treatments will be revised. The remuneration for a case is calculated by the product of base rate, a cost weight and the number of days of treatment. The cost weight varies depending on the number of days of treatment. This paper surveys the incentives, the casemix structure and the consistency of the modified PEPP system.

Methods: Under the assumption of a profit-maximising supplier it is possible to define the economically optimal length of stay by comparing marginal revenues and marginal costs. Therefore a revenue function is derived from the new structure of the PEPP system. Since the determination of the marginal revenues is not mathematically possible, the revenues per additional day of treatment are calculated. On that basis it is possible to determine the economically optimal length of stay and to assess the consistency of the system changes.

Results: In an early stage of treatment the revenues per additional day of treatment are degressive. After a defined amount of days these additional revenues stay constant, which will be relevant for the majority of the cases. It is economically optimal for the hospitals to treat patients as long as possible, if the marginal costs lie or sink below these constant revenues per additional day of treatment. Furthermore the system changes result in a more complex casemix structure and the calculation of the cost weights is partially inconsistent, since the marginal revenues do not monotonically decrease.

Conclusions: The modifications lead to a reduction of degressive elements in the PEPP system, which might also be accompanied by a decrease of economically induced pressure on length of stay. The inconsistent calculation of the cost weights and the more complicated casemix structure can be viewed critically.

 
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