Intensivmedizin up2date 2015; 11(02): 93
DOI: 10.1055/s-0035-1547003
Editorial
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Maligner Mediainfarkt und große intrazerebrale Blutung

Rainer Kollmar
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Prof. Dr. Rainer Kollmar
Direktor der Klinik für Neurologie und Neurogeriatrie
Grafenstraße 9
64283 Darmstadt

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Publication Date:
18 May 2015 (online)

 

    Häufig ist die Wahl der geeigneten Therapie für lebensbedrohliche akutneurologisch-neurochirurgische Erkrankungen wie große Schlaganfälle und intrazerebrale Blutungen für das Behandlungsteam schwierig. In die Entscheidungsfindung gehen Ergebnisse klinischer Studien, persönliche Erfahrungen der Behandler sowie die Einschätzung des mutmaßlichen Patientenwillens durch Angehörige ein. Besonders wichtig ist dabei die Information, ob es zu einer körperlichen oder seelischen Behinderung kommt und wie schwerwiegend diese möglicherweise ist. Die Einschätzung der zu erwartenden neurologischen Behinderung ist für das intensivmedizinische Behandlungsteam häufig schwierig, zumal in aller Regel nach einer Rehabilitationsbehandlung kein Kontakt mehr zu den Patienten besteht. In dieser Ausgabe fassen Dr. Neugebauer und Kollegen sehr übersichtlich die neueste Datenlage für verschiedene Aspekte in der Therapie und Prognose des sogenannten malignen Mediainfarkts (MMI) zusammen. Dabei handelt es sich um ein Krankheitsbild, bei dem mindestens das von der Arteria cerebri media versorgte Hirngebiet zu einem großen Teil infarziert. In den Tagen nach dem Schlaganfall kommt es zu einer massiven und aufgrund der Größe des ischämischen Areals lebensbedrohlichen Raumforderung, die in aller Regel unter rein konservativer Therapie zur Herniation und damit zum Tod führt. In den letzten Jahren konnte zunächst für Patienten unter 60 Jahren durch kluge, randomisierte klinische Studien gezeigt werden, dass Patienten von einer operativen Versorgung, der sogenannten dekompressiven Hemikraniektomie (DHC), profitieren, wenn die DHC groß genug ist und in einem Zeitraum von unter 48 Stunden nach Symptombeginn durchgeführt wird. Die number needed to treat (NNT) beträgt dabei für das Überleben 2, für ein studiengemäß als akzeptabel definiertes Outcome 4. In der Destiny II Studie wurde nun für Patienten über 60 Jahre gezeigt, dass eine DHC ebenfalls die Mortalität und die Rate schwerster Behinderung senkt, allerdings nicht im gleichen Ausmaß wie bei jüngeren Patienten. In der Arbeit von Neugebauer werden darüber hinaus Aspekte wie diagnostische Kriterien, konservative Behandlung, Depression und Komplikationen der DHC besprochen. Besonders wichtig erscheint die Frage, ob Angehörige und Patienten sich wieder für eine DHC entscheiden würden. Lassen Sie sich überraschen!

    OP: ja oder nein? So lautet häufig die Frage nach der optimalen Therapie einer intrazerebralen Blutung (ICB). Leider geben die bisher durchgeführten klinischen Studien aufgrund ihres Designs keine ausreichende Antwort auf die Frage und lassen sowohl eine Deutung für als auch gegen eine operative Versorgung zu. In den letzten Jahren haben sich allerdings die operativen Verfahrung deutlich weiterentwickelt und lassen nun häufig eine nur minimal traumatisierende operative Versorgung zu. Die Kollegen Orakcioglu und Unterberg widmen sich in ihrer Übersichtarbeit der Behandlung von ICBs mit einem Schwerpunkt auf diese neuen OP-Techniken. Die Entscheidung, ob OP oder nicht, ist weiterhin gemeinsam durch den behandelnden Neurologen und Neurochirurgen zu treffen. Die uns vorliegende Arbeit bietet eine gute Diskussionsgrundlage, bis die nun angelaufenen klinischen Studien gezeigt haben, ob minimal invasive Techniken wirklich der konservativen Therapie der ICB überlegen sind.

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