Der Klinikarzt 2014; 43(12): 556-557
DOI: 10.1055/s-0034-1399786
Medizin & Management
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AOP-Vertrag   Kliniken müssen sich an Versorgungsauftrag halten

Isabel Häser
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Dr. iur. Isabel Häser
Rechtsanwältin
ECOVIS Lüdemann Wildfeuer & Partner
Sonnenstr. 9
80331 München

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Publication Date:
29 December 2014 (online)

 

Zusammenfassung

Das Bundessozialgericht (BSG) stellte mit Urteil vom 01.07.2014 (Az.: B 1 KR 1/13 R) fest, dass Krankenhäuser die Öffnung ihres Leistungsspektrums durch § 115b SGB V (AOP-Vertrag) nicht dazu nutzen dürfen, weitere ambulante Leistungen abzurechnen, die mit ihnen vergleichbare konkurrierende niedergelassene Fachärzte unter Beachtung ihrer Fachgebietsgrenzen nicht erbringen dürften.


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Der Fall

Die Klägerin betreibt ein Krankenhaus, das zu ambulanten Operationen sowie stationsersetzenden Eingriffen (§ 115b SGB V) zugelassen ist. Die behandelnde Gynäkologin überwies die bei der beklagten Krankenkasse versicherte Patientin zu einer ambulanten therapeutischen Kürettage. Das Krankenhaus der Klägerin sonografierte die Genitalorgane, erhob mehrere Laborparameter (präoperative Laborleistungen), klärte die Versicherte über den ambulanten Eingriff auf und untersuchte sie präanästhesiologisch. Am darauffolgenden Tag wurde der Eingriff ambulant durchgeführt. Die Klägerin berechnete der Krankenkasse hierfür EUR 356,58 (u. a. fachspezifische gynäkologische Grundpauschale EBM 08211, präoperative Laborleistungen EBM 32083, 32541, 32545 und 32540). Die beklagte Krankenkasse bezahlte lediglich EUR 287,26. Die präoperativen Laboruntersuchungen wurden nicht übernommen, des Weiteren setzte die Beklagte statt der abgerechneten Grundpauschale (EBM 08211) die gynäkologische Konsultationspauschale (EBM 01436) an (Differenz EUR 69,32). Das erstinstanzliche Gericht verurteilte die Krankenkasse (bis auf die beantragte Zinshöhe) antragsgemäß zur Zahlung der Differenz. Die hiergegen eingelegte Berufung der Krankenkasse wies das Landessozialgericht (LSG) zurück. Die Krankenkasse legte in der Folge Revision zum Bundessozialgericht ein.


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Die Entscheidung

Das BSG hob das LSG-Urteil auf und verwies es zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurück, da es mangels bestimmter Tatsachenfeststellungen des LSG in der Sache nicht abschließend über den Erfolg der Berufung der Krankenkasse gegen das SG-Urteil entscheiden konnte. Das BSG erläutert ausführlich die Grundlage für den Vergütungsanspruch der Klägerin: § 109 Abs. 4 Satz 3 SGB V i.V.m. § 1 Abs. 3 Satz 2 Krankenhausentgeltgesetz, § 115b Abs. 2 Satz 4 SGB V und § 7 Abs. 1 Satz 1 AOP-Vertrag. § 104 Abs. 4 Satz 1 SGB V regelt dabei, dass das Krankenhaus mit einem Versorgungsvertrag nach § 109 Abs. 1 SGB V für die Dauer des Vertrags zur Krankenhausbehandlung der Versicherten zugelassen wird. Die Krankenhausbehandlung wird unter anderem ambulant (§ 115b SGB V) erbracht. Die Krankenkassen sind verpflichtet, unter Beachtung der Vorschriften des SGB V, mit dem Krankenhausträger Pflegesatzverhandlungen nach Maßgabe des Krankenhausfinanzierungsgesetzes, des Krankenhausentgeltgesetzes und der Bundespflegesatzverordnungen zu führen. Die ambulante Durchführung von Operationen und sonstiger stationsersetzender Eingriffe wird für gesetzlich versicherte Patienten nach § 115b SGB V vergütet. Der Spitzenverband Bund der Krankenkassen, die Deutsche Krankenhausgesellschaft und die Bundesverbände der Krankenhausträger vereinbaren gemeinsam mit der Kassenärztlichen Bundesvereinigung einen Katalog ambulant durchführbarer Operationen und sonstiger stationsersetzender Eingriffe und einheitliche Vergütungen für Krankenhäuser und Vertragsärzte. Die Leistungen werden dabei unmittelbar von den Krankenkassen vergütet. Die im Katalog nach AOP-Vertrag aufgeführten ambulant durchführbaren Operationen und stationsersetzenden Eingriffe und die nach den §§ 4,5 und 6 AOP-Vertrag erbrachten Leistungen des Krankenhauses und der Vertragsärzte werden auf der Grundlage des EBM (unter Berücksichtigung ggf. weiterer Abrechnungsbestimmungen) nach einem festen Punktwert außerhalb der budgetierten pauschalierten Gesamtvergütung vergütet.

Der Kernsatz der Entscheidung, an dem sich zukünftig die Vergütungsansprüche überprüfen lassen müssen, lautet aber wie folgt:

Der Vergütungsanspruch umfasst die Leistungen, zu denen – soweit hier von Interesse – das sie erbringende Krankenhaus zugelassen ist, die dem Leistungskatalog des § 115b SGB V unterfallen, die das Krankenhaus sachlich und rechnerisch richtig abrechnet sowie die es wirtschaftlich und qualitätsgerecht erbracht hat.


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Leistungen im Zulassungsumfang?

Das erbringende Krankenhaus muss für die abgerechneten Leistungen zugelassen sein. Im vorliegenden Fall hatte das LSG bereits keine Feststellungen darüber getroffen, ob die abgerechneten Leistungen zu den Leistungen gehören, für welche das Krankenhaus zugelassen war. Das BSG macht deutlich, dass eine Zusatzzulassung im Rahmen des § 115b SGB V nur zugelassenen Krankenhäusern offensteht. Für die Zusatzzulassung bedürfe es einer Mitteilung des Krankenhauses an die Landesverbände der Krankenkassen und die Ersatzkassen, die Kassenärztliche Vereinigung und den Zulassungsausschuss. Die Mitteilung wiederum lege den Umfang der zulässigen Leistungen im Einzelnen fest. Sie könne sich jedoch nur auf solche Leistungen erstrecken, die Bezug zum Fachgebiet haben, für das das Krankenhaus zur stationären Versorgung zugelassen ist. Da das LSG nicht festgestellt habe, welche Leistungen von der Zulassungsmitteilung des Krankenhauses der Klägerin umfasst gewesen sind, sei dies nachzuholen.


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Leistung aus Leistungskatalog?

Anlage 1 des AOP-Vertrags nennt abschließend die Leistungen, die Operationen und stationsersetzende Eingriffe gemäß § 115b SGB V darstellen. Das BSG stellte fest, dass die ambulante therapeutische Kürettage in Anlage 1 AOP-Vertrag aufgeführt war.


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Sachlich und rechnerisch richtige Abrechnung?

Das BSG bemängelte, dass nach den Feststellungen des LSG nicht feststehe, dass die Klägerin die betroffenen Leistungen sachlich und rechnerisch richtig abgerechnet habe. Die Krankenkassen hätten nicht etwa alles von Krankenhäusern Geforderte ungeprüft zu zahlen. Der Vergütungsanspruch sei der Höhe nach auf das rechtmäßig Vereinbarte beschränkt. Auch die Prüfung der Wirtschaftlichkeit und Qualität erfolge durch die Krankenkassen. Auch an dieser Stelle war es dem BSG aufgrund fehlender Feststellungen des LSG nicht möglich, eine Entscheidung zu treffen. Das LSG hatte nämlich nicht festgestellt, ob die Klägerin für die Versicherte die präoperativen Laboruntersuchungen überhaupt erbringen und abrechnen durfte, noch ob die Klägerin die Grundpauschale abrechnen durfte. Dem LSG wurde daher auferlegt, die Prüfung nachzuholen, ob die Klägerin für die Erbringung der abgerechneten präoperativen Laborleistungen zugelassen war. Wenn dies der Fall war, müsse des Weiteren geprüft werden, ob die abgerechneten Laboruntersuchungen fachgebietsbezogene Leistungen betreffen oder nicht.


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Ausweitung des Leistungsumfangs?

§ 115b SGB V erlaube es zugelassenen Krankenhäusern, zusätzlich in einem Bereich als Krankenhaus ambulant tätig zu sein, in dem auch vertragsärztliche Leistungen erbracht werden, so das BSG. Die Krankenhäuser stünden insoweit vertragsärztlichen Leistungserbringern lediglich gleich. Der Leistungskatalog sehe einheitliche Vergütungen für Krankenhäuser und Vertragsärzte vor. Eine fachgebietsbezogene Leistung sei hierbei Voraussetzung. Soweit es sich um notwendige, nicht fachgebietsbezogene Leistungen handele, habe der Krankenhausarzt den Patienten an einen niedergelassenen Vertragsarzt dieses anderen Fachgebiets, einen ermächtigten Krankenhausarzt, eine ermächtigte ärztlich geleitete Einrichtung oder eine zugelassene Einrichtung mittels Definitionsauftrag zu überweisen. Als Argument führen die Richter an, dass ein vertragsärztlicher Leistungserbringer sinngemäß entsprechend verfahren müsste.


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Grundpauschale neben Konsultationspauschale?

Die Klägerin rechnete für den Eingriff die Grundpauschale ab. Voraussetzung hierfür ist jedoch, dass der Konsultationspauschale keine Auftragsüberweisung zugrunde lag, sondern eine Überweisung zur Mitbehandlung, und dass aufgrund dieser Überweisung ein weiterer persönlicher Arzt-Patienten-Kontakt erfolgte – über das von der Konsultationspauschale Erfasste hinaus. Auch hier fehlten die entsprechenden Feststellungen des LSG.

Die Klägerin ging offensichtlich irrtümlich davon aus, dass es innerhalb des Systems des § 115b SGB V keine Auftragsüberweisungen gäbe. Dass es – wie im niedergelassenen Bereich – auch innerhalb des AOP-Vertrags Auftragsüberweisungen gibt, stellt das BSG in dem Urteil ausdrücklich klar. Soweit Vordrucke erforderlich seien, würden die für die vertragsärztliche Versorgung vereinbarten Formulare verwendet. Sie würden den Krankenhäusern von den Krankenkassen gemäß dem AOP-Vertrag zur Verfügung gestellt.


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Wirtschaftliche und qualitätsgerechte Erbringung?

Ergänzend weist der erkennende Senat des BSG darauf hin, dass der Vergütungsanspruch zusätzlich erfordert, dass die Klägerin die Leistungen wirtschaftlich und qualitätsgerecht erbrachte. Dies habe die Beklagte zu prüfen. Im konkreten Fall gab es aber hieran keine Zweifel.


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Fazit

Das BSG stellt in diesem Urteil ausdrücklich klar, dass Krankenhäuser bei der Vergütung ambulanter Leistungen wie niedergelassene Fachärzte der entsprechenden Fachrichtung einzustufen sind. Die Zusatzzulassung eines Krankenhauses, im Rahmen des AOP-Vertrags ambulant tätig zu werden, berechtigt Krankenhäuser, in diesem Rahmen wie niedergelassene Vertragsärzte fachgebietsbezogene Leistungen zu erbringen und abzurechnen. Spiegelbildlich besteht allerdings auch die Verpflichtung der Krankenhäuser, über den zugelassenen Leistungsumfang nicht hinauszugehen und die gesetzlichen sowie vertraglichen Rahmenbedingungen einzuhalten. Mit der Entscheidung „seziert“ das BSG die einzelnen abzuprüfenden Voraussetzungen des Vergütungsanspruchs der Klinik. Im AOP-Vertrag tätige Krankenhäuser sollten daher ihre Abrechnungspraxis anhand des Urteils überprüfen, da damit zu rechnen ist, dass die Krankenkassen vermehrt Abrechnungen in Frage stellen.


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