Pneumologie 2015; 69(11): 633-637
DOI: 10.1055/s-0034-1393413
Positionspapier der DGP
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Stellungnahme zur Empfehlung der Pneumokokken-Impfung für Erwachsene

Positionspapier der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin (DGP) und der Deutschen Gesellschaft für Geriatrie (DGG)Position Paper on Adult Pneumococcal VaccinationPosition Paper of the German Respiratory Society and the German Geriatric Society
M. W. Pletz
1   Zentrum für Infektionsmedizin und Krankenhaushygiene, Universitätsklinikum Jena
,
S. Ewig
2   Thoraxzentrum Ruhrgebiet, Kliniken für Pneumologie und Infektiologie, Ev. Krankenhaus Herne und Augusta-Kranken-Anstalt Bochum
,
H. J. Heppner
3   Geriatrische Klinik und Tagesklinik HELIOS Klinikum Schwelm, Universität Witten/Herdecke
,
T. Welte
4   Klinik für Pneumologie, Medizinische Hochschule Hannover
› Author Affiliations
Further Information

Korrespondenzadresse

Univ.-Prof. Dr. med. Mathias W. Pletz
Zentrum für Infektionsmedizin und Krankenhaushygiene
Universitätsklinikum Jena
Erlanger Allee 101
07740 Jena

Publication History

Publication Date:
02 November 2015 (online)

 

Zusammenfassung

Die Ständige Impfkommission (STIKO) empfiehlt im Gegensatz zum Advisory Committee on Immunization Practices (ACIP) und verschiedenen Fachgesellschaften den Polysaccharidimpfstoff PPSV23 anstelle des Konjugatimpfstoffes PCV13 für die Standardimpfung für Personen über 60 Jahre. PSV23 hat eine nachgewiesene Wirksamkeit gegen die Bakteriämie. Es gibt jedoch Evidenz, die gegen eine PSV23-Wirksamkeit bei der Pneumonie spricht, die in der überwiegenden Mehrzahl nicht-bakteriämisch verläuft. Für PCV13 hingegen konnte die CAPITA-Studie eine klare Effektivität von 45 % gegen (nicht-bakteriämische) Pneumonien durch die 13 Impfserotypen zeigen.

Dieses Positionspaper der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin und der Deutschen Gesellschaft für Geriatrie wertet die verfügbare Evidenz und schlussfolgert, dass die Empfehlung von PSV23 als Standardimpfung für Erwachsene nicht gerechtfertigt ist, da

i) die (nicht-bakteriämische) Pneumonie die Hauptkrankheitslast der Pneumokokken-Infektionen repräsentiert,

ii) die klinische Evidenz hinsichtlich Schutzwirkung gegen Pneumonie durch Pneumokokken für PCV13 von höherer Qualität ist als für PSV23,

iii) die Schutzwirkung nach Impfung mit PSV23 bereits nach 2 Jahren abzunehmen scheint, während eine solche Abnahme für PCV13 während der CAPITA-Studie über mindestens 4 Jahre nicht beobachtet wurde, und

iv) die nach Empfehlung der 7 valenten Konjugatvakzine für Kleinkinder beobachtete Herdenprotektion für invasive Pneumokokken-Erkrankungen nicht für PCV13 und nicht-bakteriämische Pneumonien extrapoliert werden darf.


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Abstract

Currently, the German Advisory Committee on Immunization Practices recommends the pneumococcal polysaccharide vaccine (PSV23) instead oft the pneumococcal conjugate vaccine (PCV13) for standard vaccination of adults > 60 years. Whereas the efficacy of PSV23 against bacteraemia has been proven by numerous studies, there is increasing evidence that there is no efficacy against non-bacteraemic pneumococcal pneumonia. This is in contrast to PCV13, for which the CAPITA study has recently revealed an efficacy of 45 % against non-bacteraemic pneumonia by the 13 vaccine types.

In this position paper we argue that this decision is not justified by the available evidence for the following reasons:

i) the main burden of pneumococcal diseases is non-bacteraemic pneumonia

ii) the clinical evidence for the efficacy against pneumonia is of higher quality for PCV13 than for PSV23

iii) the duration of clinical efficacy PSV23 starts to decrease after 2 years, whereas this has not yet been observed for PCV13 in the CAPITA study for at least four years, and

iv) herd protection effects observed after PCV7 infant vaccination program on invasive pneumococcal disease must not be extrapolated to PCV13 and non-invasive pneumococcal diseases.


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Die Ständige Impfkommission (STIKO) plant nach vorliegenden Sitzungsprotokollen die Aufrechterhaltung der Empfehlung des Polysaccharidimpfstoffes PPSV23 als Standardimpfung für Personen über 60 Jahre, nicht jedoch die Impfung mit der konjugierten Vakzine PCV13. Eine solche Empfehlung berücksichtigt nach Auffassung der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin e. V. (DGP) und der Deutschen Gesellschaft für Geriatrie e. V. (DGG) die vorliegende wissenschaftliche Evidenz nicht adäquat.

Im Folgenden werden die zentralen Argumente aufgeführt:

1. Invasive (IPD) und nicht-invasive Pneumokokken-Infektionen: Nicht-invasive Pneumonien sind ein wichtiges Ziel der Impfprävention

Die STIKO sieht als entscheidenden Parameter für ihre Bewertung der Impfung die Rate der invasiven Infektionen durch Pneumokokken an. Diese verursachen jedoch aufgrund der niedrigeren Inzidenz im Gegensatz zu den nicht-invasiven Pneumokokken-Pneumonien, also Pneumokokken-Pneumonien ohne positive Blut- oder ggf. Pleurapunktat-Kultur, nur den kleineren Teil der Morbidität und Mortalität durch Pneumokokken.

Die Pneumokokken-Pneumonie nimmt eine Sonderstellung ein und reflektiert die Hauptkrankheitslast der Pneumokokken-Infektionen, da sie mit einer hohen Inzidenz und einer relevanten Mortalität assoziiert ist. Pneumokokken sind unverändert der mit Abstand häufigste Erreger der ambulant erworbenen Pneumonie (community acquired pneumonia, CAP) und verursachen nach einem systematischen Review von 33 europäischen Studien von 2005 bis 2012 zwischen 12 – 85 % aller CAP-Fälle [1].

Die hohe Variabilität des Anteils an nachgewiesenen Pneumokokken-Pneumonien geht wesentlich auf die diagnostische Methodik zurück. Je mehr Methoden zusammen eingesetzt werden, desto höher ist die Nachweisrate [2]. Eine einzige Dosis an antimikrobieller Therapie vor der Diagnostik reduziert die diagnostische Ausbeute ebenfalls erheblich. Studien zur diagnostischen Lungenpunktion mit erhöhter Ausbeute gegenüber der konventionellen diagnostischen Strategie konnten daher folgerichtig belegen, dass die Mehrheit der durch diese invasive Technik zusätzlich identifizierten Fälle ebenfalls Pneumokokken-Pneumonien waren [3] [4]. Des Weiteren zeigte eine andere, auf europäischen Daten basierende Übersicht, dass Pneumokokken der häufigste Erreger bei allen Schweregraden der CAP (ambulante Patienten – Normalstation – Intensivstation) sind [5].

Die für Deutschland geschätzte Inzidenz der CAP liegt bei 370 bis 1100 pro 100 000 Personenjahre [6]. Nach den Daten des Institutes für Angewandte Qualitätsförderung und Forschung im Gesundheitswesen (AQUA) wurden im Jahr 2014 258 049 Patienten mit CAP hospitalisiert, davon mussten 21 767 maschinell beatmet werden.

Die deutschen CAPNETZ-Daten belegen in einer Studie mit 7400 Patienten ebenfalls, dass Pneumokokken der häufigste Erreger der CAP sind (29,9 % aller Fälle mit identifiziertem Pathogen). Die 30- und die 180-Tage-Letalität betrugen dabei 4,9 und 7,5 %. Da in CAPNETZ nur einwilligungsfähige Patienten eingeschlossen werden und diese Kohorte auch 20,3 % ambulant behandelte Patienten enthielt, unterschätzen diese Zahlen die durchschnittliche Letalität der Pneumokokken-Pneumonie [7]. Nach AQUA beträgt die Letalität der hospitalisierten CAP 2014 in Deutschland 13,0 % (https://www.sqg.de/downloads/Bundesauswertungen/2014 /bu_Gesamt_PNEU_2014.pdf).

Bei Patienten über 65 Jahre (die ca. 80 % der hospitalisierten CAP ausmachen) und bei Bewohnern von Seniorenheimen über 65 Jahre erreicht die 30-Tage-Letalität 7 bzw. 27,6 %. Darüber hinaus besteht eine 180-Tage-Letalität von 11,9 bzw. 34,5 % [8]. Nur 13 % der Pneumokokken-Pneumonien sind jedoch nach CAPNETZ invasive Pneumonien und somit keinesfalls hauptsächlich für die meisten Sterbefälle verantwortlich [7].

Neue Daten zur Exzess-Letalität der invasiven gegenüber der nicht-invasiven Pneumokokken-Pneumonien sind kontrovers, sodass (im Gegensatz zu früheren Daten) eine Exzess-Letalität nicht mehr zweifelsfrei belegt ist [9] [10] [11] [12] [13] [14]. Des Weiteren führt die CAP zu einer Reduktion der Funktionalität insbesondere bei älteren Personen, die erheblich und in bis zu 20 % irreversibel ist [15] [16]. Der Verlust von Selbsthilfefähigkeit in den Aktivitäten des täglichen Lebens sowie kognitive Beeinträchtigungen nach einer Pneumonie schränken die Lebensqualität und Alltagskompetenz älterer Patienten deutlich ein [17] [18].

Hieraus ergibt sich, dass neben den invasiven Verlaufsformen unbedingt auch die ambulant erworbene nicht-invasive Pneumonie als solche als relevanter und kritischer Endpunkt einer Impfeffektivität anzusehen ist.


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2. Verfügbare Evidenz zur Effektivität der beiden Pneumokokken-Impfstoffe: Die Datenlage zu PCV13 ist besser als die zu PPSV23

Die höchste wissenschaftliche Evidenz für die Wirksamkeit eines Pneumokokken-Impfstoffes bei älteren Erwachsenen (≥ 65 Jahre) zur Reduktion der Pneumokokken-CAP besteht für die konjugierte Vakzine PCV13 (CAPITA Studie) [19]. Es handelt sich um die größte und methodisch bei Weitem beste Studie auf diesem Gebiet. In dieser prospektiven, randomisierten Studie auf Populationsebene mit insgesamt 84 496 Teilnehmern konnte eine signifikante Reduktion von ambulant erworbenen invasiven und nicht-invasiven Pneumokokken-Pneumonien durch Vakzinserotypen nachgewiesen werden. Die Reduktion aller invasiven Pneumokokken-Erkrankungen durch Vakzinserotypen betrug 75 %, die der nicht-invasiven Pneumonieformen 45 %.

Für den von der STIKO empfohlenen Polysaccharidimpfstoff PPSV23 ist die wissenschaftliche Evidenz sehr viel schwächer. Während die Reduktion invasiver Pneumokokken-Infektionen durch PPSV23 als belegt angesehen werden kann (bei allerdings verminderter Wirkung bereits zwei Jahre nach Impfung [20]), ist die Wirksamkeit hinsichtlich der Verhinderung von nicht-invasiven Pneumonien bis heute – mehr als 30 Jahre nach Zulassung des Produktes – nicht zweifelsfrei nachgewiesen.

Es gibt zwar eine randomisierte Studie aus Japan, die einen Effekt bei hochbetagten Personen mit einem Durchschnittsalter von 85 Jahren zeigt [21]. Diese Studie bezieht sich – bei relativ kurzer Beobachtungszeit von 2 – 3 Jahren – nur auf Bewohner von Pflegeheimen mit deutlich eingeschränkter Funktionalität, offenbar in der Situation eines Ausbruchs mit einer auch für diese Altersgruppe ungewöhnlich hohen Pneumonie-Inzidenz. Neben den von den Autoren selbst beschriebenen Limitierungen ist auch nicht nachvollziehbar, dass die hier angegebene Pneumonie-Wirksamkeit nicht mit einer Reduktion der Gesamtmortalität assoziiert war, die folgerichtig zu erwarten gewesen wäre. Bei solch starken Abweichungen sowohl hinsichtlich des Studiensettings als auch von den Ergebnissen einer Vielzahl anderer Studien und einer damit bedingten sogenannten „Heterogenität“ der Studienlage, ist von einem Einschluss in eine Metaanalyse grundsätzlich dringend abzuraten. Wollte man aus dieser Studie überhaupt Schlüsse zur Impfeffektivität von PPSV23 ziehen, so wäre dies allenfalls für die dort beobachtete Gruppe hochbetagter Pflegeheimbewohner möglich.

Eine frühere Metaanalyse, bei der die Autoren neben PPSV23 auch Polysaccharidimpfstoffe mit anderer Serotypenzusammensetzung berücksichtigt haben, kommt zu dem Ergebnis einer signifikanten Heterogenität der vorliegenden Evidenz sowohl für die Prävention von „pneumonia from all causes“ – CAP als auch von „presumptive pneumococcal pneumonia“ – pCAP. Die Maruyama-Studie ist in diese Metaanalyse noch nicht eingegangen [21]. Die Autoren konnten die Heterogenität über die Berücksichtigung der Studienqualität auflösen. Wurden nur qualitativ hochwertige Studien berücksichtigt, fanden sich keine Hinweise auf eine wirksame Vermeidung von CAP und pCAP durch die Polysaccharidvakzinen [22].

Überwiegend sprechen die vorliegenden Ergebnisse vielmehr dafür, dass die PPSV23 Vakzine allenfalls einen geringen und nach Ergebnissen aus Kohortenstudien zeitlich auf ca. 2 bis maximal 5 Jahre begrenzten Effekt hat. Für Patienten in hohem Alter und bei Risikopersonen zeigte sich auch in einer landesweiten populationsbezogenen Kohortenstudie in England und Wales für PPSV23 keine präventive Wirkung auf Pneumokokken-Infektionen [20].

Neben dem Nachweis der Wirksamkeit in methodisch hochwertigen kontrollierten klinischen Studien fehlt auch die biologische Plausibilität für die Wirksamkeit der PPSV23-Vakzine. Pathophysiologisch entsteht die Pneumokokken-Pneumonie über eine Kolonisation der oberen Atemwege mit nachfolgender Aspiration. Es ist daher biologisch nicht plausibel, dass eine PPSV23-Impfung, die im Gegensatz zu PCV keinen Effekt auf die Kolonisation hat, eine (nicht-invasive) Pneumonie in relevantem Ausmaß verhindern kann.

Die Datenqualität ist für die PCV13-Impfung, verglichen mit der PPSV23-Impfung, ungleich besser. Die Wirksamkeit ist hinsichtlich der Reduktion der invasiven und nicht-invasiven Pneumokokken-Pneumonien für PCV13 belegt.


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3. Dauer der Schutzwirkung: Die Wirkung von PPSV23 ist auf ca. 2 Jahre begrenzt, eine Wiederimpfung erzeugt eine Hyporesponsivität

Nicht ausreichend berücksichtigt wurde von der STIKO die Frage der Dauer der Impfeffektivität. Während diese für PPSV23 nach bereits 2 Jahren abnimmt (eine Beobachtung, die auch für andere Polysaccharidimpfstoffe gilt) [20], zeigen die Daten der CAPITA-Studie, dass die Effektivität auch nach 4 Jahren noch ohne Hinweise auf eine Reduktion anhält [19]. Zudem ist bekannt, dass eine zweite PPSV23-Impfung zu einer Hyporesponsivität sowie eine PCV13-Impfung nach PPSV23 zu einer geringeren Impfantwort führt; umgekehrt kann nach erfolgter PCV13-Impfung eine Booster-Reaktion für eine nachfolgende PPSV23-Impfung erzielt werden [23] [24].


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4. Herdenprotektion: Eine PCV13-Impfung im Kindesalter eliminiert nicht die entsprechenden Serotypen bei Erwachsenen

Die nach Einführung von PCV7 in den USA publizierten Daten zur Herdenprotektion zeigen einen eindrucksvollen Rückgang der invasiven Pneumokokken-Infektionen von 94 % [25], eine ähnliche Entwicklung lässt sich auch für die PCV7 Serotypen als Ursache invasiver Pneumokokken-Infektionen in Deutschland nahelegen [26]. Diese Daten dürfen allerdings nicht auf die Serotypenverteilung bei nicht-invasiven Pneumokokken-Pneumonien extrapoliert werden.

Daten zur Serotypenverteilung bei nicht-invasiver Pneumokokken-Pneumonie sind aufgrund methodischer Hürden kaum publiziert. Da in der klinischen Praxis die meisten nicht-invasiven Pneumokokken-Pneumonien über den Urinantigen-Test (BinaxNOW) diagnostiziert werden, war eine Serotypisierung für die Mehrheit dieser Infektionen bislang nicht möglich [1] [5] [7]. Seitdem ein Serotypen-spezifischer Urinantigen-Test (SSUA) verfügbar ist, kann zumindest der Anteil der PCV7- und PCV13-Serotypen bei nicht-invasiver Pneumokokken-Pneumonie erfasst werden: Eine SSUA-Studie an über 50-jährigen Pneumoniepatienten aus den USA – also der Region, aus der die stärksten Herdenprotektionseffekte für PCV7 und PCV13 auf invasive Pneumokokken-Infektionen berichtet werden – zeigte, dass zwischen 2010 und 2011, d. h. zehn Jahre nach Einführung von PCV7, die Mehrheit der (nicht-invasiven) Pneumokokken-Pneumonien durch PCV13-Serotypen (mit einem hohen Anteil an PCV7-Serotypen) verursacht wurden [27].

Auch Daten aus UK zeigen, dass unverändert 27 % der Erwachsenen mit Pneumokokken-Pneumonie zwischen 2008 und 2011 an PCV7-Serotypen erkrankten [28]. PCV7 wurde 2006 in Großbritannien eingeführt.

Die Ergebnisse dieser beiden Studien decken sich mit denen der CAPNETZ-Studie: Bei einem Vergleich der Serotypenverteilung zwischen 2002 und 2006 (prä-PCV7) sowie zwischen 2007 und 2011 (post-PCV7) zeigte sich post-PCV7 eine komplette Elimination der PCV7-Serotypen bei invasiver Pneumokokken-Pneumonie, während der Anteil bei nicht-invasiver Pneumokokken-Pneumonie nur von 34 % auf 19 % zurückging (Pletz, under review). Dies legt nahe, dass Herdenprotektionseffekte für invasive Pneumokokken-Infektionen nicht ohne Weiteres auf die nicht-invasive Pneumokokken-Pneumonie extrapoliert werden dürfen und für diese offensichtlich niedriger sind.

Des Weiteren ist unklar, ob die Daten zur Herdenprotektion nach Einführung von PCV7 auf die zusätzlichen 6 Serotypen in PCV13 extrapoliert werden können. Daten aus den USA zeigen zwei Jahre nach Einführung der PCV13-Kinderimpfung eine Reduktion der hospitalisierten CAP beim Erwachsenen nur für die Altersgruppe der 18- bis 39-Jährigen, bei den Älteren gab es keinen Hinweis auf über PCV7 hinausgehende Herdenprotektionseffekte [29].

In CAPNETZ wurden zwischen 2002 und 2006 63 % aller Pneumokokken-Pneumonien durch PCV13-Serotypen hervorgerufen, zwischen 2007 und 2011 waren es 64 % (Pletz, under review). Eine wesentliche Reduktion dieser Rate in der Zukunft ist nicht sicher zu erwarten. Zum einen erzeugen einige bei Erwachsenen wichtige Impfserotypen gar keinen Herdeneffekt (z. B. Serotyp 3) [26]. Zum anderen sind über die aktuelle und zukünftige Migration Zuflüsse von Serotypen zu erwarten, die durch die PCV13-Impfung erfasst werden. Die Impfung Erwachsener wird deshalb durch die Impfung von Kindern nicht überflüssig.

Zusammenfassung

Eine Empfehlung für die Verwendung ausschließlich der PPSV23-Vakzine bei älteren Erwachsenen und bei Personen über 5 Jahren mit Risikofaktoren entspricht nicht der aktuellen Datenlage und wäre wissenschaftlich nicht nachvollziehbar. In mehreren Ländern Europas wird PCV13 bereits empfohlen [30], die ACIP empfiehlt in den USA zuerst die PCV13-Impfung, gefolgt von einer PPSV23-Impfung [31]. Ebenso empfiehlt die gemeinsame CAP-Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin, der Deutschen Gesellschaft für Infektiologie, der Paul-Ehrlich-Gesellschaft für Chemotherapie, der CAPNETZ-Stiftung sowie der Österreichischen und Schweizerischen Gesellschaften für Pneumologie von 2015 die bevorzugte Impfung mit PCV13 (CAP-Leitlinie, under review). Der gleichen Empfehlung folgt die American Geriatric Society (AGS) in ihrer Leitlinie [32].

Wir raten daher dringend, die Datenlage auf der Grundlage der hier vorgetragenen Argumente neu zu überdenken und die Empfehlung entsprechend zu gestalten.


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Interessenkonflikt

Prof. Dr. Santiago Ewig: Vortragshonorare von und Beratertätigkeit für Pfizer.
Prof. Dr. Hans Jürgen Heppner: Vortragshonorare von Pfizer, Sanofi und MSD, Beratertätigkeit für Pfizer.
Prof. Dr. Mathias Pletz: Vortragshonorare von und Beratertätigkeit für Pfizer, GSK und MSD, Unterstützung von Forschungsprojekten durch Pfizer.
Prof. Dr. Tobias Welte: Vortragshonorare von GSK, MSD und Pfizer, Leiter von Klinischen Studien von GSK, MSD und Pfizer, Beratertätigkeit für Pfizer und MSD.

Danksagung

Wir danken Prof. Dr. med. Gerd Fätkenheuer, Klinische Infektiologie, Klinik für Innere Medizin I, Uniklinikum Köln für die wissenschaftliche Diskussion und Unterstützung bei Erstellung des Manuskriptes.

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