Aktuelle Dermatologie 2015; 41(05): 173-175
DOI: 10.1055/s-0034-1391090
Übersicht
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Die Schrumpfschlauchtechnik in der Dermatologie – Eine Methode zur Herstellung, Analyse und Diagnostik von Haarschaftquerschnitten, ihrer Parameter und Strukturstörungen

The Heat Shrink Technology in Dermatology – A Method for the Preparation, Analysis and Diagnosis of Hair Cross Sections, their Parameters and Structural Disorders
G. Wagner
1   Klinik für Dermatologie, Allergologie und Phlebologie, Klinikum Bremerhaven Reinkenheide, Bremerhaven
,
M. Heine
2   Pathologisches Institut Bremerhaven
,
M. M. Sachse
1   Klinik für Dermatologie, Allergologie und Phlebologie, Klinikum Bremerhaven Reinkenheide, Bremerhaven
› Author Affiliations
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Korrespondenzadresse

Dr. med. Gunnar Wagner
Klinik für Dermatologie, Allergologie und Phlebologie
Klinikum Bremerhaven Reinkenheide
Postbrookstr. 103
27574 Bremerhaven

Publication History

Publication Date:
04 December 2014 (online)

 

Zusammenfassung

Die Schrumpfschlauchtechnik (SST) ist eine Methode, mit deren Hilfe eine große Anzahl von Haarschaftquerschnitten hergestellt werden kann. Die praktische Durchführung der Methode wird vorgestellt. Durch die SST lassen sich verschiedene Querschnittsparameter am Haarschaft bestimmen, die für die Haareigenschaften und damit für deren Frisierbarkeit verantwortlich sind. Darüber hinaus können strukturelle Haarschaftanomalien nachgewiesen werden, z. B. bei Pili trianguli et canaliculi.


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Abstract

The Heat shrink technology is a method by which a large number of hair cross sections can be prepared. The practical implementation of the method is presented. Different cross sectional parameters can be determined, being responsible for hair characteristics, and thus for their manageability. In addition, structural hair shaft anomalies can be detected, for example in the diagnosis of pili trianguli et canaliculi.


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Einleitung

Die Frisureigenschaften der Haare sind auf verschiedene Parameter der Haarschaftquerschnitte zurückzuführen, z. B. auf die Elliptizität, die Querschnittsfläche oder die Medullation, die Markhaltigkeit. Für die statistische Auswertung der Parameter ist eine große Anzahl von Haarschaftquerschnitten notwendig, die mit Hilfe der im Deutschen Wollforschungsinstitut von H. Philippen entwickelten SST hergestellt werden können [1]. Neben der Bedeutung für die Kosmetologie eignet sich die Methode auch zum Nachweis von Strukturanomalien, die sich im Haarschaftquerschnitt darstellen, z. B. bei Pili trianguli et canaliculi, bei der Hypotrichosis congenita hereditaria Marie Unna oder bei losen Anagenhaaren [2] [3] [4].


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Schrumpfschläuche – Chemische und physikalische Eigenschaften

Schrumpfschläuche bestehen in der Regel aus weichen und biegsamen Kunststoffen, die unter anderem in der Elektrotechnik zur Isolierung von Lötstellen verwendet werden. Bei den Kunststoffen handelt es sich um Thermoplaste, zu denen z. B. Polyolefine, Polyvinylchlorid und Polyamide gezählt werden. Unter dem Einfluss von Wärme können Thermoplaste verformt werden. Erkaltet das Material anschließend, verbleibt es zunächst in seiner neu erworbenen Form. Wird dem Material nun erneut Wärme zugeführt, kehrt es in seine ursprüngliche Form zurück. Die chemische Grundstruktur der Thermoplaste besteht aus linear angeordneten, kaum verzweigten Kohlenwasserstoffketten (Polymere), die untereinander nicht vernetzt, sondern durch schwache physikalische Wechselwirkungen, den Van-der-Waals-Kräften, miteinander verbunden sind. Bei Erwärmung geraten die Moleküle in Schwingung, die physikalischen Kräfte werden aufgehoben und das Material wird verformbar [5] [6]. Die industriell angebotenen Schrumpfschläuche besitzen einen Innendurchmesser von 1 – 1100 mm. Ihr Schrumpfungsvermögen wird mit 1 : 2 bis 1 : 6 angegeben.


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Herstellung eines Schrumpfschlauchpräparates (SSP)

Hierfür eignen sich Schrumpfschläuche mit einem inneren Durchmesser von 2 – 3 mm, wie sie z. B. im Modellbau zur Isolierung von Kabelverbindungen Verwendung finden. Um das Einfädeln der Haare zu erleichtern, wird der Schrumpfschlauch mit einem Skalpell endständig in einem spitzen Winkel angeschnitten. Für ein SSP werden 200 – 300 Haare benötigt, die eine Länge von 6 cm aufweisen sollten. Die Haare werden an einem Ende mit einem Nahtfaden, der eine doppelt geknotete Schleife aufweist, fest zu einem Bündel zusammengefasst ([Abb. 1]). Der doppelte Knoten verhindert, dass der Faden im Schrumpfschlauch von den Haaren abrutscht. Das freie Ende des Fadens wird an der angespitzten Seite des Schrumpfschlauches eingefädelt ([Abb. 2]). Durch vorsichtiges Ziehen des Fadens kann das Haarbündel durch den gesamten Schrumpfschlauch hindurchgezogen werden ([Abb. 3]). Mit einer Heißluftpistole oder durch eine Feuerzeugflamme wird der Schrumpfschlauch auf etwa 80° bis 100° erwärmt ([Abb. 4]). Bei Verwendung einer offenen Flamme darf der Abstand zum Präparat nicht zu gering ausfallen, da der Schrumpfschlauch andernfalls schmelzen würde. Durch die Erwärmung zieht sich der Schrumpfschlauch zusammen, wodurch die parallel liegenden Haare aneinander gepresst werden.

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Abb. 1 Das Haar wird mit einem Nahtfaden mit doppelt geknoteter Schleife zusammengebunden.
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Abb. 2 Der Faden wird durch das angespitzte Ende des Schrumpfschlauches eingeführt.
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Abb. 3 Haarbündel im Schrumpfschlauch.
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Abb. 4 Erwärmen des Schrumpfschlauches mit einer Heißluftpistole.

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Mikroskopische Aufarbeitung des SSP

Das SSP wird mit einem Skalpell an einem Ende waagerecht abgeschnitten. Anschließend das Schnittende mit einem Tropfen Collodion (Fa. Merck) benetzen und 20 Sekunden einwirken lassen, bis die Haare verklebt sind. Eventuell vorhandene Tropfenreste abstreifen. Von dem so bearbeiteten Ende des SSP werden nun mit einer scharfen Klinge Querschnittsscheiben in einer Stärke von 100 – 200 µm abgeschnitten. Nach jedem Schnitt das Ende des SSP mit Collodion verkleben, 20 Sekunden einwirken lassen und erneut schneiden. Als Alternative zu dieser Methode kann das SSP auch konventionell in Parafin eingebettet und nach Aushärtung mit einem Mikrotom geschnitten werden [7]. Die Querschnittsscheiben werden auf einem Objektträger, der mit Immersionsöl (z. B. Fa. Roth) oder mit einem wässrigen Eindeckmedium (z. B. Aquatex®, Fa. Merck) benetzt ist, aufgetragen und unter einem Deckglas mit einem 10-fachen Objektiv mikroskopiert [1]. Die Auswertung der Befunde erfolgt in der Regel am Nativpräparat, wobei auch Färbungen möglich sind, z. B. mit HE ([Abb. 5 – 7]).

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Abb. 5 Haarschaftquerschnitte einer 50-jährigen Frau ohne Haarerkrankung. Runde bis ovale Querschnitte (Nativpräparat × 200).
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Abb. 6 Detailaufnahme der [Abb. 5] (Nativpräparat × 400).
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Abb. 7 Haarschaftquerschnitte eines 8-jährigen Kindes mit Syndrom der unkämmbaren Haare. Trianguläre Querschnitte (HE × 400).

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Diskussion

Die SST ist eine wenig bekannte, in Vergessenheit geratene Methode zur Herstellung von Haarschaftquerschnitten. Nach der Erstbeschreibung 1981 fanden sich in der uns zugänglichen Literatur bis 1989 nur 3 Publikationen sowie 2 weitere in den Jahren 2000 und 2003, in denen die SST Erwähnung fand, in der Regel allerdings nur als Hinweis auf eine diagnostische Möglichkeit zum Nachweis struktureller Haarschaftanomalien ohne Beschreibung der Methode [1] [2] [7] [8] [9] [10].

Dabei handelt es sich um eine technisch einfach durchzuführende Methodik, die auch in der Praxis angewendet werden kann und die, soweit man auf die Einbettung in Paraffin verzichtet, kein Equipment eines histopathologischen Labors voraussetzt. Mit der SST können in kürzester Zeit eine große Anzahl von Haarschaftquerschnitten hergestellt werden, wobei die Querschnitte gebündelt, in einer mikroskopisch leicht auszuwertenden Form zur Darstellung kommen. Durch die kompakte Struktur eignen sich die Präparate zur qualitativen und quantitativen Bestimmung verschiedener Querschnittsparameter, die in der Kosmetologie zur Definition von Haarschafteigenschaften herangezogen werden ([Abb. 5], [Abb. 6]). Unter anderem lassen sich die kleine und große Achse, die Querschnittsfläche, die Elliptizität, der Querschnittsumfang und der Anteil der medullierten, markhaltigen Haare bestimmen. Die Kenngrößen wiederum ermöglichen einen Vergleich individueller Haareigenschaften, z. B. die Kämmbarkeit, die Fülle, die Wellstabilität oder den Glanz. Darüber hinaus erlauben einzelne Kenngrößen die Berechnung der Haaroberfläche als Voraussetzung für die Entwicklung chemischer Behandlungsverfahren zum Färben oder Bleichen der Haare oder für Dauerwellen. Die durch die SST gewonnenen Querschnittsparameter können digital ausgewertet werden, was die Datenerhebung und statistische Auswertung deutlich erleichtert [1]. Neben der Verwendung in der Kosmetologie stellen Strukturstörungen der Haare, insbesondere bei longitudinaler Manifestation, eine weitere Indikation für die SST dar. Ein typisches Beispiel ist das Syndrom der unkämmbaren Haare mit dem Nachweis von Pili trianguli et canaliculi [11]. Dabei zeigt der Haarschaft eine charakteristische longitudinale Furchenbildung, die sich in der konventionellen Lichtmikroskopie nicht darstellt und nur in einer rasterelektronenmikroskopischen Untersuchung nachgewiesen werden kann [12] [13]. Die Rasterelektronenmikroskopie steht jedoch nicht überall zur Verfügung, ist kostenintensiv und zeitaufwändig, Nachteile, die für die SST nicht gelten. Durch die SST wird die Furchenbildung der Pili trianguli et canaliculi durch elliptische, trianguläre oder ovale Haarschaftquerschnitte zuverlässig nachgewiesen ([Abb. 7]), sodass die Methode als alternatives Verfahren zur Rasterelektronenmikroskopie angesehen werden kann [3]. Darüber hinaus ist mithilfe der SST eine Aussage zur Häufigkeit der Furchenbildung möglich. So gilt das Syndrom der unkämmbaren Haare erst dann als diagnostisch gesichert, wenn mehr als 50 % der Haare eine Furchenbildung aufweisen [12] [14]. Neben der Bedeutung für das Syndrom der unkämmbaren Haare und der damit verbundenen Differenzialdiagnosen können mit der SST weitere Haarschaftanomalien nachgewiesen werden. Hierzu zählen die Strukturstörungen bei losem Anagenhaar und bei der Hypotrichosis congenita hereditaria Marie Unna [2] [4] [9].


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Interessenkonflikt

Die Autoren geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.

  • Literatur

  • 1 Teasdale D, Philippen H, Blankenburg G. Querschnittsparameter von Haaren. Teil 1: Grundlagen und Meßtechniken. Ärztliche Kosmetologie 1981; 11: 161-170
  • 2 Nödl F, Zaun H, Zinn KH. Gesteigerte Epilierbarkeit von Anagenhaaren bei Kindern als Folge eines Reifungsdefektes der Follikel mit gestörter Verhaftung von Haarschaft und Wurzelscheide. Akt Dermatol 1986; 12: 55-57
  • 3 Wagner G, Heine M, Sachse MM. Die Schrumpfschlauchtechnik – Eine einfache Methode zur Herstellung von Haarschaftquerschnitten. J Dtsch Dermatol Ges [im Druck]
  • 4 Wirth G, Bindewald I, Küster W et al. Hypotrichosis congenita hereditaria Marie Unna. Hautarzt 1985; 36: 577-580
  • 5 Abts G. Kunststoff – Wissen für Einsteiger. 2. Aufl. München: Karl Hauser; 2014
  • 6 Schwarz O, Ebeling FW. Kunststoffkunde. 9. Aufl. Würzburg: Vogel Business Media; 2007
  • 7 Korge B. Neues und Bewährtes in der Diagnostik von Haarerkrankungen. Hautarzt 2003; 54: 699-702
  • 8 Beringer K, Botzi C, Hemmer W et al. Pili trianguli et canaliculi. Hautarzt 2000; 51: 266-269
  • 9 Hamm H, Trampe H. Loose anagen hair of childhood: The phenomenon at easily pluckable hair. J Am Acad Dermatol 1989; 20: 242-248
  • 10 Ludwig E. Pili canaliculi, eine Art von unkämmbaren Haaren. Hautarzt 1987; 38: 727-732
  • 11 Braun-Falco O, Ryckmanns F, Heilgemeier GP et al. Zum Syndrom: Unkämmbare Haare. Hautarzt 1982; 33: 366-372
  • 12 Boccaletti V, Zendri E, Giordano G et al. Familial uncombable hair syndrome: Ultrastructural hair study and response to Biotin. Pediatr Dermatol 2007; 24: 14-16
  • 13 Schubert E, Korge B. Syndrom der unkämmbaren Haare. HuG 1996; 71: 126-128
  • 14 Rest EB, Fretzin DF. Quantitative assessment of scanning electron microscope defects in uncombable hair syndrome. Pediatr Dermatol 1990; 7: 93-96

Korrespondenzadresse

Dr. med. Gunnar Wagner
Klinik für Dermatologie, Allergologie und Phlebologie
Klinikum Bremerhaven Reinkenheide
Postbrookstr. 103
27574 Bremerhaven

  • Literatur

  • 1 Teasdale D, Philippen H, Blankenburg G. Querschnittsparameter von Haaren. Teil 1: Grundlagen und Meßtechniken. Ärztliche Kosmetologie 1981; 11: 161-170
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  • 13 Schubert E, Korge B. Syndrom der unkämmbaren Haare. HuG 1996; 71: 126-128
  • 14 Rest EB, Fretzin DF. Quantitative assessment of scanning electron microscope defects in uncombable hair syndrome. Pediatr Dermatol 1990; 7: 93-96

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Abb. 1 Das Haar wird mit einem Nahtfaden mit doppelt geknoteter Schleife zusammengebunden.
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Abb. 2 Der Faden wird durch das angespitzte Ende des Schrumpfschlauches eingeführt.
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Abb. 3 Haarbündel im Schrumpfschlauch.
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Abb. 4 Erwärmen des Schrumpfschlauches mit einer Heißluftpistole.
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Abb. 5 Haarschaftquerschnitte einer 50-jährigen Frau ohne Haarerkrankung. Runde bis ovale Querschnitte (Nativpräparat × 200).
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Abb. 6 Detailaufnahme der [Abb. 5] (Nativpräparat × 400).
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Abb. 7 Haarschaftquerschnitte eines 8-jährigen Kindes mit Syndrom der unkämmbaren Haare. Trianguläre Querschnitte (HE × 400).