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DOI: 10.1055/s-0034-1389202
Pickwick-Syndrom – Wie gefährlich ist die Gabe von Sauerstoff?
Publication History
Publication Date:
18 August 2014 (online)
Das Pickwick-Syndrom ist gekennzeichnet durch eine massive Adipositas mit alveolärer Hypoventilation und restriktiver Lungenfunktionsstörung. Wegen der Hypoventilation erhalten die Patienten oft Sauerstoff, doch der Einfluss dieser Maßnahme auf den pH-Wert im Blut war in diesem Zusammenhang bisher nur wenig untersucht.
Thorax 2014; 69: 346–353
Beim Pickwick-Syndrom oder Obesitas-Hypoventilationssyndrom (OHS) führt schon die Gabe herkömmlicher inspiratorischer Sauerstoffkonzentrationen zu einer Hypoventilation und in der Folge zu erhöhten arteriellen CO2-Partialdrücken mit begleitender respiratorischer Azidose. Zu diesem Ergebnis kommen C. A. Hollier et al. in einer randomisierten Crossoverstudie.
Untersucht wurden 14 Patienten mit stabilem OHS, definiert als Body-Mass-Index (BMI) ≥ 30 kg / m2 und eine auch im Wachzustand bestehende Hyperkapnie mit einem paCO2 von > 6 kPa. Ihnen wurden 14 nach Geschlecht und Alter gematchte gesunde Kontrollpersonen mit einem BMI < 30 kg/ m2 und laut Spirometrie normaler Lungenfunktion gegenübergestellt. Alle Teilnehmer atmeten für 20 min über ein Kreissystem eine inspiratorische Sauerstofffraktion (FiO2) von 0,28 oder 0,5 ein. Es folgte eine Auswaschperiode von 45 min. Danach atmeten die Teilnehmer die jeweils andere FiO2 ein. Beurteilt wurden die Auswirkungen der beiden Sauerstoffgaben auf den paCO2 im arterialisierten venösen Blut, auf den pH-Wert, das Atemminutenvolumen (AMV) sowie den Totraumanteil (Verhältnis physiologischer Totraum zu Atemzugvolumen) und zwischen Gesunden und OHS-Patienten verglichen.
Die Auswertung zeigte bei den Patienten unter beiden Sauerstoffkonzentrationen eine Sauerstoffsättigung von 98 bis 100 %. Unter der FiO2 von 0,28 kam es nach 20 min zu einer deutlichen Zunahme des paCO2 um im Mittel 0,3 kPa, bei nur minimaler Veränderung des AMV und einer Zunahme des Totraumanteils um im Mittel 1 %. Bei einer FiO2 von 0,5 stieg der paCO2 weiter an (im Mittel um 0,5 kPa), begleitet von einer Azidose mit einem pH-Wert von im Mittel 7,346. Das AMV sank innerhalb von 5 min um 1,2 l/ min, nahm dann in unterschiedlichem Ausmaß wieder zu und erreichte bzw. übertraf den Ausgangswert bei jeweils 4 Patienten. Bei 6 Patienten blieb das AMV unterhalb des Ausgangswerts. Diese Verminderung des AMV war bei gleichbleibender Atemfrequenz auf ein verringertes Atemzugvolumen zurückzuführen. Der Totraumanteil stieg um 3 %. Es fand sich eine negative Korrelation zwischen der Veränderung des paCO2 und der des AMV (r: -0,60). In der Kontrollgruppe veränderte keine der beiden Sauerstoffkonzentrationen den paCO2 oder pH-Wert; unter der FiO2 von 0,5 kam es allerdings bei einer leicht erhöhten Atemfrequenz zu einem Anstieg des AMV und des Totraumanteils (um 15 bzw. 4 %).
Die Autoren kommen zu dem Schluss, dass eine zusätzliche Sauerstoffgabe in durchaus üblichen Dosierungen bei Patienten mit Pickwick-Syndrom zu einer klinisch relevanten Hypoventilation führen kann, die sich auf den pH-Wert auswirkt. Bei instabilen Patienten könnte diese Veränderung sogar noch stärker ausfallen. Dementsprechend sollte die Sauerstofftherapie bei Pickwick-Syndrom nur unter Überwachung der Sauerstoffsättigung erfolgen, mit Zielwerten zwischen 88 und 92 %. Regelmäßige Blutgasanalysen seien empfehlenswert.
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