Geburtshilfe Frauenheilkd 2014; 74(9): 829-834
DOI: 10.1055/s-0034-1383025
Geschichte der Gynäkologie
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

1914–1918. Die deutschen Gynäkologen und der Erste Weltkrieg

Andreas D. Ebert
,
Matthias David
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Publication Date:
25 September 2014 (online)

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Der Kaiser ruft zu den Waffen

Vom Balkon des Berliner Stadtschloßes rief Kaiser Wilhelm II. ([Abb. 1]) am 6. August 1914 „seinem“ Volk zu: „… Seit der Reichsgründung ist es durch 43 Jahre Mein und Meiner Vorfahren heißes Bemühen gewesen, der Welt den Frieden zu erhalten und im Frieden unsere kraftvolle Entwickelung zu fördern. Aber die Gegner neiden uns den Erfolg unserer Arbeit. (…) So muss denn das Schwert entscheiden. Mitten im Frieden überfällt uns der Feind. Darum auf zu den Waffen! Jedes Schwanken, jedes Zögern wäre Verrat am Vaterlande. Um Sein oder Nichtsein unseres Reiches handelt es sich, das unsere Väter neu sich gründeten. Um Sein oder Nichtsein deutscher Macht und deutschen Wesens …“ [2]. Diesen Worten soll ein unglaublicher Jubel gefolgt sein, während sich eine fast unbegrenzte Kriegsbegeisterung durch alle sozialen Schichten des Deutschen Reiches zog. Am 4. 10. 1914, wenige Kriegswochen später, veröffentlichten 93 hochrangige Vertreter der deutschen Wissenschaft und Kultur ein Manifest [3], [4], in dem die damalige Sichtweise – hier gekürzt – zum Ausdruck kommt: „… Wir als Vertreter deutscher Wissenschaft und Kultur erheben vor der gesamten Kulturwelt Protest gegen die Lügen und Verleumdungen, mit denen unsere Feinde Deutschlands reine Sache in dem ihm aufgezwungenen schweren Daseinskampfe zu beschmutzen trachten. (…) Es ist nicht wahr, dass der Kampf gegen unseren sogenannten Militarismus kein Kampf gegen unsere Kultur ist, wie unsere Feinde heuchlerisch vorgeben. Ohne den deutschen Militarismus wäre die deutsche Kultur längst vom Erdboden getilgt. Zu ihrem Schutz ist er aus ihr hervorgegangen in einem Lande, das jahrhundertelang von Raubzügen heimgesucht wurde wie kein zweites. Deutsches Heer und deutsches Volk sind eins. Dieses Bewusstsein verbrüdert heute 70 Millionen Deutsche ohne Unterschied der Bildung, des Standes und der Partei (…) Euch, die Ihr uns kennt, die Ihr bisher gemeinsam mit uns den höchsten Besitz der Menschheit gehütet habt, Euch rufen wir zu: Glaubt uns! Glaubt, dass wir diesen Kampf zu Ende kämpfen werden als ein Kulturvolk, dem das Vermächtnis eines Goethe, eines Beethoven, eines Kant ebenso heilig ist wie sein Herd und seine Scholle. Dafür stehen wir Euch ein mit unserem Namen und mit unserer Ehre!“.