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DOI: 10.1055/s-0034-1377288
Pathogenität von Mycobacterium kansasii [*]
Pathogenicity of Mycobacterium kansasii- Zusammenfassung
- Abstract
- Einleitung
- Material und Methoden
- Ergebnisse
- Genetische Typisierung von M. kansasii
- Diskussion
- Schlussfolgerung
- Literatur
Zusammenfassung
Hintergrund: In einer prospektiven Studie der Wissenschaftlichen Arbeitsgemeinschaft für die Therapie von Lungenkrankheiten (WATL) über pulmonale nicht-tuberkulöse Mykobakteriosen wurde bei Patienten mit Nachweis von M. kansasii im Gegensatz zu anderen nicht-tuberkulösen Mykobakterienspezies (NTM) regelhaft eine Infektion mit Krankheitswert gefunden. Wir haben den Verdacht einer derart hohen Pathogenität monozentrisch überprüft.
Methoden: Retrospektiv wurden die Krankenunterlagen sämtlicher Patienten der Lungenklinik Heckeshorn evaluiert, bei denen im Zeitraum vom 1. 1. 2003 bis zum 30. 6. 2013 kulturell M. kansasii aus respiratorischen Materialien nachgewiesen wurde. Der Krankheitswert wurde anhand der ATS-Kriterien bemessen. Zur Genotypisierung der Stämme wurde die 16S-23S rDNA internal transcribed spacer-Region sequenziert.
Ergebnisse: Insgesamt wurden 43 konsekutive Fälle untersucht, nur zu 38 Patienten verfügten wir über vollständige Krankenakten. In einem Fall gelang ein molekularbiologischer Nachweis, ein kultureller Nachweis gelang bei 37 Fällen. Nur bei 25/37 Patienten (68 %) lag nach ATS-Kriterien eine behandlungsbedürftige Erkrankung durch M. kansasii vor (Grunderkrankungen: u. a. COPD 8/25 (32 %), Bronchiektasen 5/25 (20 %), postspezifische oder Operations-Narbe 3 /25 (12 %), Alkoholabusus 4 /25 (16 %)). Bei 12/37 (32 %) Patienten musste von einer Kolonisation und/oder einer nicht therapiewürdigen Infektion ausgegangen werden (Grunderkrankungen: u. a. COPD 7 /12 (58 %), Bronchiektasen 3 /12 (25 %), TB- oder Operations-Narbe 3/12 (25 %)). Bei 32 Proben gelang eine weitere Typisierung durch Sequenzierung, 30 Stämme wurden dem Genotyp I und 2 Stämme dem Genotyp II zugeordnet. In 22/30 Fällen (73 %) ging die Isolierung von Genotyp I mit Pathogenität einher.
Schlussfolgerungen: Die Vermutung einer besonders hohen Pathogenität von M. kansasii ließ sich in unserem Krankengut nicht bestätigen. Auch ließ sich für die Subtypen von M. kansasii keine unterschiedliche Pathogenität erkennen. Die klinischen und semiquantitativen mikrobiologischen Kriterien für die Diagnose einer nicht-tuberkulösen Mykobakteriose durch M. kansasii sind einzuhalten.
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Abstract
Background: In a recent prospective study on pulmonary infections with non-tuberculous mycobacteria (NTM) led by the WATL group, disease rates in patients with M. kansasii infection were found to be 100 %. In the present study we re-evaluated the pathogenicity of M. kansasii infections in a large lung diseases treatment center in Berlin (Lungenklinik Heckeshorn).
Methods: All patients in whose respiratory specimen cultures M. kansasii was detected between January 2003 and June 2013 were included. The 2007 ATS diagnostic criteria were applied to differentiate disease from asymptomatic infection. The strains were further investigated by sequencing of the 16S-23S rDNA internal transcribed spacer (ITS) region.
Results: We evaluated 43 consecutive cases. Complete patient data were available in 38 cases. In one patient, no culture results were obtained, in 37 patients M. kansasii was isolated and patient data could be retrieved. In 25/37 patients (68 %) clinical disease was present so that a specific treatment was initiated (underlying diseases were COPD in 8/25 (32 %), bronchiectasis in 5/25 (20 %), TB scar or scar due to prior chest surgery in 3/25 (12 %) and alcohol abuse in 4/25 (16 %)). Twelve out of 37 patients (32 %) were found to be colonized or asymptomatically infected (underlying diseases were COPD in 7/12 (58 %), bronchiectasis in 3/12 (25 %) and TB scar or scar due to prior chest surgery in 3/12 (25 %)). Sequencing results identified 30 strains as genotype I, and 2 strains as genotype II. In 22/30 cases (73 %) genotype I was considered pathogenic.
Conclusions: In our cohort, we could not confirm the high M. kansasii pathogenicity of 100 % found in a previous multi-center study; we therefore support the clinical and semiquantitative microbiologic diagnostic criteria also for infection with M. kansasii.
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Einleitung
Die häufigste klinische Manifestation einer Infektion mit nicht-tuberkulösen Mykobakterien (NTM) beim Immungesunden ist die Erkrankung der Lunge [1] [2] [3] [4] [5]. Neben M. avium-Komplex und M. xenopi gehört M. kansasii zu den am häufigsten nachgewiesenen NTM-Spezies in Europa [6] [7].
Das Risiko einer pulmonalen Infektion mit NTM wird maßgeblich durch strukturelle Lungenschäden und die Immunabwehr des Betroffenen bestimmt [8] [9] [10]. Des Weiteren gibt es zwischen den verschiedenen NTM-Spezies Unterschiede in der Pathogenität.
In einer frühen Serie aus den USA war aufgefallen, dass in 96 % aller Fälle eines Kollektivs von 180 Patienten mit mehrfachem Nachweis von M. kansasii im Röntgenbild Kavernen als Ausdruck einer Lungenerkrankung zu finden waren [11]. In einer neueren Studie von Davies et al. waren 93 % aller Patienten mit Nachweis von M. kansasii erkrankt, sodass die Autoren schlussfolgerten, der Nachweis von M. kansasii sei prädiktiv für eine klinische Erkrankung [12]. Andere Arbeitsgruppen kamen hingegen zu dem Ergebnis, dass die Pathogenität von M. kansasii derjenigen anderer häufiger Mykobakterienspezies wie M. avium oder M. xenopi entsprach, d. h. ein Nachweis aus dem Sputum war nur in etwa der Hälfte der Patienten mit einer Krankheit verbunden [6] [13] [14].
In einer Studie der Wissenschaftlichen Arbeitsgemeinschaft für die Therapie von Lungenkrankheiten (WATL) über pulmonale NTM wurde bei 15/15 Patienten (100 %) mit kulturellem Nachweis von M. kansasii eine Infektion mit Krankheitswert gefunden, im Gegensatz zu anderen Mykobakterien-Spezies (M. xenopi 11/15 (73 %), M. avium-Komplex 29 /51 (57 %)) [8].
In der vorliegenden Arbeit haben wir die Pathogenität von M. kansasii an einem Zentrum für Pneumologie und Thoraxchirurgie, das nicht an der WATL-Erhebung teilgenommen hatte, reevaluiert.
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Material und Methoden
Wir haben retrospektiv die Krankenunterlagen sämtlicher Patienten der Lungenklinik Heckeshorn evaluiert, bei denen im Zeitraum von 1. Januar 2003 bis 30. Juni 2013 M. kansasii kulturell oder molekularbiologisch aus respiratorischen Materialien nachgewiesen wurde. Die Proben wurden gemäß mykobakteriologischer Standardprozeduren gefärbt und prozessiert [15]. Die Isolate wurden auf 7H10-Agar- und Löwenstein-Jensen Medium bei 37 °C kultiviert und anhand von Wachstumsraten, Pigmentproduktion, biochemischer und molekularbiologischer Tests charakterisiert [16] [17] [18]. Die weitere genetische Differenzierung erfolgte anhand der Sequenzierung der 16S-23S rDNA internal transcribed spacer-Region [18] [19].
Der Krankheitswert wurde anhand der ATS-Kriterien von 2007 sowie der aktuellen DZK/DGP-Empfehlungen von 2013 bemessen [6] [20]. Für eine Infektion mit Krankheitswert müssen bestimmte klinische, radiologische und mikrobiologische Kriterien erfüllt sein; andere Krankheitsursachen und Kontaminationen müssen ausgeschlossen sein.
Die Kriterien sind:
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Respiratorische Symptome und
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Bildgebung mit
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nodulären Verschattungen bzw. kavernösen Veränderungen im Röntgen-Thorax oder
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multilokuläre Bronchiektasen im HR-CT
und
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Kultureller Nachweis von M. kansasii in
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mindestens einer bronchoalveolären Lavage oder
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mindestens zwei Sputumproben oder
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transbronchiale oder andere Lungenbiopsie mit typischer Histopathologie und kulturellem Nachweis von M. kansasii aus respiratorischem Sekret oder Bioptat.
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Patienten, bei denen eine M. kansasii Infektion mit Krankheitswert diagnostiziert wurde, wurden entsprechend der ATS-Empfehlungen mit einer Kombinationstherapie aus Isoniazid, Rifampicin und Ethambutol behandelt.
Die Gruppe der Patienten ohne Krankheitswert nach den ATS-Kriterien beinhaltete folgende Patienten [21]:
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Kolonisation: reine Besiedlung ohne Gewebereaktion, und
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Infektion ohne Krankheitswert: Patient hat Granulome und/oder Infiltrate, aber keine Beschwerden und keine Behandlungsnotwendigkeit.
Für die Auswertung wurde nicht zwischen den beiden Patientengruppen unterschieden.
Die statistische Auswertung erfolgte mit STATA 12,0 (StataCorp, College Station, Texas, USA). Der arithmetische Mittelwert wurde errechnet und der T-Test für unabhängige Stichproben wurde zur Ermittlung der statistischen Signifikanz zwischen den Vergleichsgruppen gewählt. Häufigkeiten wurden mit dem Fisher Exact Test verglichen (doppelseitig). Ein p < 0,05 wurde als signifikant eingestuft.
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Ergebnisse
Insgesamt wurden 43 konsekutive Fälle mit kulturellem und/oder molekularbiologischem Nachweis von M. kansasii recherchiert. Bei fünf Patienten reichten die Daten für eine Auswertung nicht aus. Ein kultureller Nachweis gelang bei 37 aller ausgewerteten Fälle, in einem Fall wurde aus dem Operationspräparat die speziesspezifische PCR positiv getestet. Nur bei 25 /37 der kulturell positiven Patienten (68 %) lag nach ATS-Kriterien eine behandlungsbedürftige Erkrankung durch M. kansasii vor. Bei 12/37 (32 %) Patienten muss trotz des wiederholten Mykobakterien-Nachweises von einer Kolonisation oder Infektion ohne Krankheitswert ausgegangen werden ([Tab. 1]). In 7/12 Fällen waren die klinischen Kriterien nicht erfüllt (keine typischen respiratorischen Symptome wie Husten, Auswurf), in 5/12 Fällen waren die radiologischen Kriterien und in 2/12 Fällen die mikrobiologischen Kriterien nicht erfüllt (jeweils nur einmaliger Nachweis von M. kansasii im Sputum).
COPD: Chronisch obstruktive Lungenerkrankung; TB: Tuberkulose; BAL: Bronchoalveoläre Lavage; α1-AT: α1-Antitrypsin
Alle Patienten waren zum Zeitpunkt der Diagnosestellung im Großraum Berlin wohnhaft. Das mittlere Alter bei Diagnosestellung betrug 65 Jahre in der Gruppe der Infektionen mit Krankheitswert (Spannweite: 24 – 85 Jahre), verglichen mit 69 Jahren in der Gruppe der Infektionen ohne Krankheitswert (Spannweite: 45 – 90 Jahre, p = 0,44). Insgesamt 14/25 der Patienten in der Gruppe der Erkrankten waren weiblich (56 %), wohingegen die Geschlechterverteilung in der Gruppe der Infektionen ohne Krankheitswert ausgeglichen war (6/12 weiblich; 50 %).
Die am häufigsten dokumentierte Grunderkrankung war die chronisch obstruktive Lungenerkrankung (COPD) in 8/25 (32 %) Fällen bei den Erkrankten und 7/12 (58 %) Fällen bei den kolonisierten oder ohne Krankheitswert infizierten Patienten. An zweiter und dritter Stelle folgten Bronchiektasen mit 5/25 (20 %) versus 3/12 (25 %) und TB- oder Operations-Narben mit 3/25 (12 %) versus 3/12 (25 %). Alkoholabusus konnte in 4/25 Infektionen mit Krankheitswert verzeichnet werden (16 %). Der Häufigkeitsunterschied lokaler und immunologischer Risikofaktoren in den beiden Gruppen ist nicht signifikant. In zwei Fällen der Erkrankten und in einem Fall der kolonisierten Patienten lag gar kein dokumentierter Risikofaktor vor. Keiner der Patienten war HIV-positiv.
In 13/25 Fällen einer Infektion mit Krankheitswert bestand eine kavernöse Lungenerkrankung (52 %), in den übrigen Fällen sahen wir infiltrative Veränderungen. Die Kavernen könnten Ausdruck der pulmonalen Infektion durch M. kansasii sein, gleichwohl stellt eine Kaverne vermutlich einen wichtigen Risikofaktor für eine anfängliche Besiedlung mit nachfolgender Infektion dar. Kavernen kamen in der Gruppe der Erkrankten signifikant häufiger vor (p < 0,05). In einem Fall war CT-morphologisch ein Rundherd im linken Oberlappen aufgefallen. Eine diagnostische Segmentresektion (S1/2) führte zur Diagnose einer NTM mit kulturellem Nachweis von M. kansasii. Histologisch wurde granulomatöses Gewebe mit zentraler Nekrose nachgewiesen ([Abb. 1]). Die Manifestationsform einer NTM Infektion als Rundherd ist selten, wurde aber bereits in der Literatur beschrieben [22].
Abb. 1 Rundherd im linken Oberlappen (a durchgehender Pfeil) und rechts-mediastinale Verkalkungen (a gestrichelter Pfeil) bei einer 70-jährigen Patientin, die sich initial mit progredientem Husten vorstellte. Anamnestisch waren eine zurückliegende Tuberkulose und ein Mamma-Karzinom bekannt. Der intrapulmonale Herd zeigte eine Anreicherung im PET-CT (b). Auch im konventionellen Röntgen-Thorax ist der Rundherd erkennbar (c Kreis) (Mit freundlicher Genehmigung durch Dr. Roland C. Bittner, Institut für Diagnostische und Interventionelle Radiologie, Helios Klinikum Emil von Behring, Berlin).
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Genetische Typisierung von M. kansasii
Im Rahmen der weiteren Speziesidentifizierung durch Sequenzierung der 16S-23S rDNA internal transcribed spacer-Region von insgesamt 32/37 (86 %) kulturell positiven Patientenproben wurden 30 Stämme dem M. kansasii Genotyp I (94 %) und weitere 2 Stämme dem Genotyp II (6 %) zugeordnet ([Tab. 2]). Während Typ I sowohl aus infizierten als auch aus kolonisierten Patienten isoliert wurde, wurde der Typ II ausschließlich in 2 Fällen einer Kolonisierung gefunden. In 22/30 Fällen (73 %) ging die Isolierung von Genotyp I mit Pathogenität einher.
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Diskussion
Bei den nicht-tuberkulösen Mykobakterien (NTM) handelt es sich in den meisten Ländern nicht um meldepflichtige Erkrankungen, sodass weltweit keine systematischen Daten zur Häufigkeit von Erkrankungen verfügbar sind. Die Entscheidung, ob eine klinisch relevante Infektion mit Behandlungsbedarf vorliegt, bleibt trotz weitläufig akzeptierter Kriterien der American Thoracic Society (ATS) [6] und den daran angelehnten aktuellen deutschen Empfehlungen [20] vom individuellen Behandler abhängig.
Die Wahrscheinlichkeit einer Infektion mit Krankheitswert durch NTM ist von der Mykobakterien-Spezies abhängig. O’Brien et al. werteten 1987 die Surveillance-Daten von 5469 US-Patienten aus und fanden in 75 % aller Nachweise von M. kansasii das Vorliegen einer Erkrankung (n = 668). Nur M. marinum zeigte eine höhere Pathogenität (88 %) bei jedoch deutlich geringerer Fallzahl (n = 60). Bei der am häufigsten nachgewiesenen Spezies M. avium lag in 47 % der Fälle (n = 2758) eine Infektion mit Krankheitswert vor [3]. Die im Vergleich mit anderen Mykobakterien-Spezies hohe Pathogenität von M. kansasii wurde auch durch andere bevölkerungsbasierte Studien bestätigt, Berichte über eine obligate Pathogenität von M. kansasii sind den Autoren über die Studie von Matthiessen et al. [8] hinaus jedoch nicht bekannt.
Auch wenn M. kansasii prinzipiell beide Geschlechter sowie alle Altersgruppen und Rassen betreffen kann, so gibt es Hinweise darauf, dass diese NTM-Spezies besonders häufig zu Infektionen in kaukasischen Männern mittleren Alters führt [6]. In der Auswertung von O’Brien et al. waren 70 % aller Erkrankten männlichen Geschlechtes, bei einem mittleren Alter von 57 Jahren [3]. Eine Analyse französischer Surveillance-Daten von 2001 – 2003 hatte ebenso eine Geschlechter-Verteilung unter den Erkrankten zugunsten der Männer mit 3:1 ergeben (mittleres Alter 54 Jahre) [23]. In einem großen spanischen Kollektiv waren im Zeitraum von 1994 – 2002 185 Männer von insgesamt 220 Patienten (84 %) an einer M. kansasii-Infektion erkrankt [13]. Andere Arbeitsgruppen bestätigen diese demografischen Charakteristika [24]. In unserer Erhebung waren mit 56 % aller Fälle etwas mehr weibliche Patienten erkrankt, und das mittlere Alter war mit 66 Jahren im Vergleich zu diesen Populationen erhöht.
Für eine Reihe von Grunderkrankungen konnte ein erhöhtes Risiko für M. kansasii-Infektionen nachgewiesen werden. So stellen Erkrankungen mit strukturellem Lungenschaden sowie Erkrankungen, die mit systemischer Immunsuppression einhergehen, einen besonderen Risikofaktor dar (Lungenerkrankungen, Krebs, Alkohol [9] [25], Pneumokoniose [26], COPD [27], HIV [25]). In unserem Krankengut traten Kavernen signifikant und Diabetes mellitus, Alkohol und Kachexie nicht signifikant häufiger bei Infektionen mit Krankheitswert auf. Die übrigen ermittelten lokalen und systemischen Komorbiditäten sahen wir häufiger mit einer Kolonisation/Infektion ohne Krankheitswert durch M. kansasii als mit einer therapiewürdigen Infektion durch diesen Erreger assoziiert ([Tab. 1], nicht signifikant).
Die vermutete obligate Pathogenität von M. kansasii in der WATL-Studie [8] könnte folglich durch einen Bias in der Studienpopulation zu erklären sein. Es waren überwiegend Männer in dieser Studie untersucht worden (Geschlechterratio 13:2), die, wie oben erläutert, ein erhöhtes Erkrankungsrisiko zu haben scheinen. Das mittlere Alter war zudem mit 54 Jahren deutlich jünger als in unserer Population, allerdings scheint dies das typische Alter für M. kansasii Infektionen zu sein. Eine besondere Bedeutung kommt vermutlich der Verteilung der Risikofaktoren zu, wobei die geringe Fallzahl von nur 15 Patienten mit M. kansasii-Infektion in dieser Studie keine aussagekräftigen statistischen Analysen erlaubte.
NTM kommen regional in geographischen Clustern gehäuft vor [7] [28]. Neben demografischen Faktoren spielen für das Auftreten der ubiquitär in Boden und Wasser vorkommenden NTM auch lokale Umweltbedingungen eine wichtige Rolle, da diese das Expositionsrisiko mitbestimmen. Eine Populationsstudie aus den USA konnte zeigen, dass in bestimmten Schwerpunktregionen mit hoher NTM-Prävalenz höhere Lufttemperaturen und Oberflächenwasser-Mengen sowie besondere geochemische Bodenbeschaffenheiten vorherrschen [28]. Eine Studie aus Kroatien macht für die unterschiedliche Häufigkeitsverteilung pulmonaler NTM zwischen küstennahen und städtischen Gebieten auch eine unterschiedliche Wasserversorgung verantwortlich [29].
Auch wenn für M. kansasii bis heute sieben verschiedene Genotypen beschrieben wurden, so wurden aus humanen Proben mit Krankheitswert bisher fast ausschließlich Typ I (und seltener Typ II) isoliert [30] [31]. In der Schweizer Studie von Taillard et al. mit 114 Patienten wurde der Genotyp I in 67 % aller Isolate nachgewiesen, die Genotypen II und III-VII nur in 21 % und 8 %. Die Genotypen I und II gingen hier in 81 % und 67 % mit Pathogenität einher, während von den weiteren Genotypen nur ein Patient mit Genotyp VII als infiziert eingestuft wurde [30]. Unsere molekulargenetischen Untersuchungen wiesen den Typ I in 30 Fällen nach, den Typ II nur in zwei Fällen einer Kolonisation/Infektion ohne Krankheitswert. In 22/30 Fällen (73 %) ging die Isolierung von Genotyp I mit Pathogenität einher. Dieser Genotyp scheint darüber hinaus weltweit hoch-klonal zu sein, sodass ca. 90 % aller Erkrankungsfälle durch nur einen Klon dieses Genotyps hervorgerufen werden [32] [33] [34] [35] [36]. Zu den 15 M. kansasii Fällen der WATL-Studie aus der von Berlin ca. 200 km entfernten Region Coswig (Sachsen) wurden keine molekularbiologischen Ergebnisse berichtet.
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Schlussfolgerung
Auch die Isolierung von M. kansasii muss stets zur Überprüfung eines Krankheitsgeschehens Anlass geben, da sich die Vermutung einer obligaten Pathogenität von M. kansasii nicht bestätigen ließ. Insofern sollten die klinischen und semiquantitativen mikrobiologischen ATS-Kriterien für die Diagnose einer NTM auch für M. kansasii weiter eingehalten werden.
Im Laufe der letzten Jahre wurden durch Arbeitsgruppen verschiedenster geographischer Regionen eine zunehmende Prävalenz von Erkrankungen durch NTM ermittelt [37] [38] [39] [40]. Dies kann zum Teil durch die zunehmende Qualität diagnostischer Testverfahren sowie durch eine gesteigerte Aufmerksamkeit gegenüber NTM erklärt werden. Auf der anderen Seite könnte ein Teil dieses Anstieges durch den demografischen Wandel und die weltweit ansteigende Inzidenz von Erkrankungen mit strukturellem Lungenschaden wie COPD, Bronchiektasen und Lungenfibrose sowie durch den vermehrten Einsatz iatrogener Immunsuppression bedingt sein.
Die Heterogenität von M. kansasii könnte eine Bedeutung für die regional möglicherweise unterschiedliche Pathogenität dieser Mykobakterien-Spezies und damit für das Management klinisch relevanter Infektionen haben. Eine regelmäßige Bestimmung des Genotyps bei Infektionen mit Krankheitswert sollte prospektiv, in verschiedenen Regionen und mit größeren Fallzahlen untersucht werden, um die möglicherweise differenzierte Behandlungsbedürftigkeit besser beurteilen zu können.
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Interessenkonflikt
Die Autoren geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.
* Die Auswertung wurde durch die Oskar-Helene-Heim Stiftung unterstützt.
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Literatur
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Korrespondenzadresse
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