Aktuelle Dermatologie 2014; 40(04): 124
DOI: 10.1055/s-0034-1375213
Derma-Fokus
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Gesundheitswesen – Neue Krankheitsdefinitionen durch Interessenkonflikte?

Contributor(s):
Frank Lichert
Moynihan RN et al.
PLoS Med 2013;
10: e1001500
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Publication History

Publication Date:
11 April 2014 (online)

 

    Neue Technologien und Erkenntnisse machen es erforderlich, bestehende Krankheitsdefinitionen zu prüfen und anzupassen. Problematisch sind Veränderungen dann, wenn zwischen den Expertengremien und der Industrie ökonomische Beziehungen bestehen. R. N. Moynihan et al. haben Leitlinien evaluiert, um herauszufinden, ob solche Anpassungen die Patientenzahlen erhöht haben, mögliche Risiken untersucht wurden und in welchem Ausmaß Beziehungen zur Industrie bestanden.
    PLoS Med 2013; 10: e1001500.

    Die Autoren identifizierten Publikationen zwischen 2000 und 2013 von Expertengremien in den USA, die Entscheidungen über die Definition von Krankheiten und / oder Diagnosekriterien, Klassifikationen oder ähnliches zum Inhalt hatten. Es wurde untersucht, ob die Krankheitsdefinitionen erweitert oder reduziert worden waren, ob eine Begründung dafür erfolgt war und ob mögliche Risiken für die Patienten kalkuliert worden waren. Zudem ermittelte die Studie das Ausmaß der ökonomischen Beziehungen zwischen den Mitgliedern der Expertengruppen und der pharmazeutischen Industrie.

    Die Studie berücksichtigte 16 Publikationen über 14 häufige Erkrankungen: ADHS, Morbus Alzheimer, Anämie bei chronischer Nierenerkrankung, Asthma, bipolare affektive Störung, hohes Cholesterin, COPD, Depressionen, Typ-2-Diabetes, Bluthochdruck, Refluxösophagitis, Herzinfarkt, Multiple Sklerose sowie rheumatoide Arthritis. 10 Studien empfahlen eine Erweiterung der Krankheitsdefinition und lediglich eine Studie eine Einengung. Bei 5 Studien war die Empfehlung unklar. Die durchschnittliche Anzahl der Gremienmitglieder betrug 21 (Spanne: 5–52).

    Im Fall der 14 Gremien, die Angaben über Kontakte zur Industrie machten, bestand im Durchschnitt bei 75 % der Mitglieder ein solcher (Spanne: 0–100%). 12 Gremien hatten Vorsitzende, die Interessenkonflikte angaben. Im Mittel standen die Gremienmitglieder jeweils mit 7 Firmen in Verbindung. Empfehlungen zu einer Erweiterung der Krankheitsdefinition basierten auf der Schaffung neuer Kategorien von Vorerkrankungen, einer Senkung diagnostischer Grenzwerte sowie der Empfehlung einer früheren Diagnose bzw. anderer Diagnosemethoden. Begründet wurden die Empfehlungen u. a. mit einer Standardisierung der Diagnosekriterien und neuen Beweisen über Risiken bei Patienten, die vorher als gesund galten. Keine der Publikationen enthielt Informationen über eine eingehende Beurteilung möglicher negativer gesundheitlicher Konsequenzen für die Patienten.

    Fazit

    Im Fall der in der Studie berücksichtigten Erkrankungen empfahl der überwiegende Teil der Expertengremien eine Ausweitung der Krankheitsdefinitionen, was zu einer Zunahme der Patientenzahlen führte. Bei den meisten Gremien unterhielt die Mehrzahl der Mitglieder ökonomische Beziehungen zur pharmazeutischen Industrie. Die Autoren sprechen sich für die Entwicklung neuer Verfahren zur Überprüfung von Krankheitsdefinitionen aus, die unbeeinflusst von finanziellen Interessen ablaufen und auf einer strengen Nutzen / Risiko-Analyse basieren.


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