Ist es wirklich so einfach?
Neben den onkologischen Ergebnissen ist die Lebensqualität nach den unterschiedlichen Therapieoptionen für das Prostatakarzinom ein wichtiger Faktor für die Zufriedenheit eines Patienten mit der gewählten Therapieform. Daher sollte die Möglichkeit der Änderung von Potenz und Kontinenz nach einer Therapieform im Beratungsgespräch von Arzt und Patient sorgfältig im Rahmen der Therapieentscheidung abgewogen werden. Auch das Auftreten einer Penisverkürzung nach Hormonentzugstherapie [
1
] sowie nach kombinierter Hormon- und Strahlentherapie ist in der Literatur beschrieben [
2
]. Die Diskussion um eine Penisverkürzung nach Prostatektomie wird kontrovers geführt. Während eine signifikante Penisverkürzung kurz nach Prostatektomie beobachtet wurde [
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]–[
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], zeigte sich dieser Effekt im weiteren Verlauf als vollständig rückläufig [
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] bzw. trat gar nicht erst auf [
6
]. Zudem zeigte sich, dass Alter, Ausmaß der Nervschonung sowie die postoperative Erholung der Erektionsfähigkeit unabhängige protektive Faktoren gegen die Penisverkürzung sind [
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].
Tritt im Verlauf nach einer gewählten Prostatakarzinomtherapie Bedauern über die gewählte Therapieoption auf, so kann dies auf multiple Faktoren zurückgeführt werden. Bisherige Arbeiten zeigen, dass das onkologische Ergebnis, die Angst vor einem Rezidiv, Inkontinenz, erektile Dysfunktion und weitere Aspekte, wie z. B. die Qualität des Aufklärungsgesprächs vor der Therapie, die Zufriedenheit des Patienten nach der Therapie maßgeblich beeinflussen [
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]–[
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].
Zahlreiche Limitationen aufgrund hoher Komplexität des Themas
In der aktuell vorliegenden Arbeit wird bei Prostatakarzinompatienten erhoben, ob eine postinterventionelle Penisverkürzung Einfluss auf das Bedauern der initialen Therapieentscheidung hat. Dieser interessanten Frage ist ein hochkarätiges Autorenteam nachgegangen. Trotz der großen Patientenzahl, weist die Studie relevante Limitationen auf. Diese Limitationen sind größtenteils auf die Komplexität von „Untersuchungen zur postinterventionellen Penislänge“ zurückzuführen. Beispielsweise wurde in der vorliegenden Studie keine standardisierte Messung der Penislänge durchgeführt. Ein weiterer Aspekt ist, dass das Bedauern der initialen Therapieentscheidung wahrscheinlich durch das eingetretene Rezidiv beeinflusst wurde.
Durch Erhebung der individuellen Patienteneinschätzung versuchen die Autoren der Studie diese Einschränkungen zu reduzieren. Die individuelle Einschätzung des Patienten hat selbstverständlich ein großes Gewicht, muss jedoch nicht zwangsläufig mit einer objektiv messbaren Penisverkürzung einhergehen und wurde darüber hinaus mithilfe nicht validierter Fragen durchgeführt [
6
]. Eine weitere Limitation ist die mangelnde Berücksichtigung von Informationen zur präund postinterventionellen Potenz, zur Verwendung von PDE-5-Hemmern, zur gewählten Therapieform (z. B. einseitig vs. beidseitig nerverhaltendes Vorgehen bei der Operation) sowie der Qualität des präinterventionellen Aufklärungsgesprächs. Neben diesen Limitationen wird mit der großen Heterogenität der eingeschlossenen Zentren ein weiterer Unsicherheitsfaktor in die Analyse integriert. Ein entsprechend großer Bias ist daher bei der Interpretation der Ergebnisse vorauszusetzten.
Umfassende und transparente Patientenaufklärung wichtig
Zusammenfassend ist die angeführte Methodik der Erhebung der Penislänge eingeschränkt und die Wahl der Kovariablen für die multivariate Analyse so überschaubar, dass die Ergebnisse z. T. spekulativ sind. Obwohl die Autoren eine wichtige Frage adressieren, sind die Daten leider so limitiert, dass die Analysen der gesamten Komplexität des Themas der Beeinflussung der Patientenzufriedenheit durch eine Penisverkürzung nicht ausreichend gerecht werden konnten. Basierend auf dieser Arbeit zeigt sich erneut, dass neben einer guten Therapie, auch eine im Vorfeld umfassende und transparente Patientenaufklärung zu potenziellen postinterventionellen Einschränkungen der Lebensqualität notwendig ist, um eine hohe postinterventionelle Patientenzufriedenheit zu gewährleisten.
Dr. Jonas Schiffmann, PD Dr. Lars Budäus, Hamburg