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DOI: 10.1055/s-0034-1366692
S2k-Leitlinie Divertikelkrankheit/Divertikulitis[1]
S2k Guidelines Diverticular Disease/DiverticulitisPublication History
01 May 2014
23 May 2014
Publication Date:
15 July 2014 (online)
- Kapitel 1 Einleitung und Methodik
- Kapitel 2 Anatomie, Pathologie, Pathogenese, Risikofaktoren, Komorbidität, Medikation
- Kapitel 3 Klinisches Erscheinungsbild (Definitionen), natürlicher Verlauf, Komplikationen, Epidemiologie
- Kapitel 4 Diagnostik und Stadieneinteilung
- Kapitel 5 Konservative Behandlung, Medikamente, Ernährung, Lifestyle
- Kapitel 6 Indikationen: ambulante/stationäre Behandlung, konservative/chirurgische Behandlung
- Kapitel 7 Operationsverfahren
- Literatur
Inhaltsverzeichnis |
Seite |
|
Kapitel 1 |
Einleitung und Methodik |
664 |
1.1. |
Hintergrund |
664 |
1.2. |
Ziele der Leitlinie und Gültigkeitsdauer |
664 |
1.3. |
Organisatorischer Ablauf des Konsensusprozesses |
664 |
1.3.1. |
Zusammensetzung der Leitliniengruppe und Beteiligung der Fachgesellschaften |
664 |
1.3.2. |
Literatursuche |
664 |
1.3.3. |
Finanzierung/Interessenskonflikte |
665 |
1.3.4. |
Prozess der strukturierten Konsensfindung |
665 |
Kapitel 2 |
Anatomie, Pathologie, Pathogenese, Risikofaktoren, Komorbidität, Medikation |
665 |
2.1 – 2.6 |
Anatomie, Pathologie, Pathogenese |
665 |
2.7 – 2.9 |
Nicht beeinflussbare Risikofaktoren: Alter, Geschlecht und Genetik |
668 |
2.10 |
Risikofaktor Komorbidität |
671 |
2.11 |
Risikofaktor Medikamente |
673 |
Kapitel 3 |
Klinisches Erscheinungsbild (Definitionen), natürlicher Verlauf, Komplikationen, Epidemiologie |
675 |
Kapitel 4 |
Diagnostik und Stadieneinteilung |
677 |
4.1 – 4.6 |
Anamnese, Basisdiagnostik, Differenzialdiagnose |
677 |
4.7 – 4.13 |
Bildgebung/Schnittbildverfahren |
679 |
4.14 – 4.16 |
Endoskopie |
683 |
4.17 – 4.21 |
Besondere Situationen: Rezidivierende Divertikulitis, Divertikelblutung, Fisteln |
684 |
4.22 |
Klassifikationen |
686 |
Kapitel 5 |
Konservative Behandlung, Medikamente, Ernährung, Lifestyle |
687 |
5.1 |
Primärprophylaxe der Divertikulitis |
687 |
5.2 – 5.3 |
Therapie der akuten unkomplizierten Divertikelkrankheit/Divertikulitis (Typ 1a/Typ 1b) |
687 |
5.4 – 5.5 |
Therapie der komplizierten Divertikulitis (Typ 2a) |
688 |
5.8 |
Rechtsseitige Divertikulitis |
688 |
5.9 – 5.10 |
Chronische Divertikelkrankheit |
688 |
Kapitel 6 |
Indikationen: ambulante/stationäre Behandlung, konservative/chirurgische Behandlung |
689 |
6.1 |
Voraussetzungen der ambulanten Behandlung |
689 |
6.2 – 6.19 |
Konservatives versus operatives Prozedere |
690 |
6.2 – 6.5 |
Akute unkomplizierte Divertikulitis |
690 |
6.6 – 6.10 |
Akute komplizierte Divertikulitis |
691 |
6.11 – 6.12 |
Chronisch-komplizierte Divertikulitis |
692 |
6.13 |
Chronisch-rezidivierende Divertikulitis |
693 |
6.14 – 6.17 |
Divertikelblutung (endoskopisch, radiologisch, chirurgisch) |
694 |
6.18 – 6.19 |
Rezidivdivertikulitis nach Sigmaresektion |
695 |
Kapitel 7 |
Operationsverfahren |
695 |
7.1 – 7.3 |
Verfahrenswahl bei der elektiven Sigmaresektion |
695 |
7.4 – 7.6 |
Verfahrenswahl bei der perforierten Sigmadivertikulitis (frei/gedeckt) |
695 |
7.7 – 7.9 |
Welches Verfahren sollte bei der Divertikelblutung verwendet werden. |
697 |
7.10 – 7.14 |
Ausmaß der Sigmaresektion |
698 |
7.15 |
Stomaprotektion |
699 |
7.16 – 7.17 |
Technische Aspekte der Sigmaresektion |
699 |
Kapitel 1 Einleitung und Methodik
1.1. Hintergrund
Die Divertikulose, das asymptomatische Vorhandensein von Pseudodivertikeln des Dickdarms, sowie die Divertikelkrankheit, der Divertikulose mit klinisch signifikanten Symptomen, gehören zu den häufigsten Erkrankungen des Gastrointestinaltrakts. Die Prävalenz der Divertikulose liegt zwischen 28 und 45 % in der Gesamtbevölkerung und über 60 % bei den über 70-Jährigen [1] [2] [3] [4] [5] [6]. Hierbei ist in den westlichen Ländern in den letzten Jahrzehnten eine weitere Zunahme der Hospitalisierungsrate wegen Komplikationen der Divertikelkrankheit zu beobachten, die nun immer häufiger auch jüngere Patienten betrifft. Es können verschiedene Komplikationen auftreten, bei denen Entscheidungskriterien notwendig sind, welcher Patient einer stationären Behandlung bedarf und welcher im Rahmen einer ambulanten Therapie verbleiben kann. Häufige Komplikationen sind das Auftreten einer Divertikulitis, die zu einer gedeckten oder offenen Perforation führen kann und die mittel- bis langfristig rezidivierende schmerzhafte Schübe, Stenosen oder Fisteln zur Folge haben kann. Weiterhin können untere gastrointestinale Blutungen auftreten durch die Eröffnung von vasa recta, bedingt durch Scherkräfte am Divertikelrand.
Trotz der immensen Bedeutung des Krankheitsbilds hat es in der medizinischen Wahrnehmung, im Vergleich zu anderen Krankheitsbildern, bislang ein relatives Schattendasein geführt mit nur übersichtlicher Anzahl von randomisierten Therapiestudien und nur vergleichsweise wenigen Arbeiten zur Pathogenese der Erkrankung. Erst in jüngster Zeit sind zunehmende wissenschaftliche Anstrengungen erfolgt, die althergebrachte Vorstellungen sehr kritisch hinterfragen, wie bspw. zur bislang häufig sehr unkontrollierten Antibiotikagabe bei der unkomplizierten Divertikulitis ohne Risikofaktoren oder zur OP-Indikation („nach dem zweiten Schub“). Weitere Entwicklungen betreffen die gezielte Diagnostik der Divertikelkrankheit, welche insbesondere die Bildgebung des perikolischen Raumes beinhalten muss und bei der beispielsweise die Sonografie zunehmende Bedeutung gewonnen hat. Des Weiteren ist festzustellen, dass die bislang vorliegenden Klassifikationen der Divertikulitis, wie die im angloamerikanischen Raum weit verbreitete Klassifikation nach Hinchey [7] oder die im deutschsprachigen Raum verbreitete Klassifikation nach Hansen und Stock [8] nicht allen modernen Kenntnissen über Diagnose und Krankheitsverlauf gerecht werden, sodass die vorliegende Leitlinie einen Vorschlag einer weiterentwickelten Klassifikation erarbeitet hat.
Zusammenfassend war es von großer Bedeutung, das aktuelle Wissen zur Divertikelkrankheit/Divertikulitis interdisziplinär zu erarbeiten und zu bewerten und nun erstmals eine Leitlinie zu entwickeln, die die gegenwärtigen Erkenntnisse zusammenfasst und Handlungsvorschläge zum Umgang mit Betroffenen gibt.
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1.2. Ziele der Leitlinie und Gültigkeitsdauer
Ziel der Leitlinie ist eine Zusammenfassung und Bewertung des aktuellen Erkenntnisstands zur Divertikelkrankheit und der Aussprache von Empfehlungen zur Diagnostik und Therapie der Erkrankung. Die Empfehlungen der Leitlinie richten sich dabei an alle an der Diagnostik und Therapie beteiligten Ärzte von Patienten mit einer Divertikelkrankheit, sowohl im ambulanten als auch im stationären Bereich. Darüber hinaus soll sie dem Betroffenen die Möglichkeit geben, sich über die Erkrankung zu informieren. Der behandelnde Arzt kann im individuellen Einzelfall von den Empfehlungen abweichen. Sie hat eine Gültigkeitsdauer von 5 Jahren. (31.12.2018)
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1.3. Organisatorischer Ablauf des Konsensusprozesses
1.3.1. Zusammensetzung der Leitliniengruppe und Beteiligung der Fachgesellschaften
Die vorliegende Leitlinie wurde federführend erstellt durch die Deutsche Gesellschaft für Gastroenterologie, Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten (DGVS) sowie die Deutsche Gesellschaft für Allgemein- und Viszeralchirurgie (DGAV). Die DGVS beauftragte im Januar 2012 Herrn Prof. Dr. Wolfgang Kruis, Evangelisches Krankenhaus Kalk, Köln die Leitlinie zu erstellen. Herr Prof. Dr. Germer, Universitätsklinik Würzburg wurde von der DGAV benannt. Des Weiteren wurde Herr Prof. Dr. Ludger Leifeld, St. Bernward Krankenhaus, Hildesheim als Koordinator benannt. Die Leitungsgruppe lud weitere Fachgesellschaften sowie Patientenvertreter zur Teilnahme an der Leitlinie ein (beteiligte Fachgesellschaften siehe [Tab. 1]).
Die Leitungsgruppe stellte insgesamt 6 Arbeitsgruppen zusammen und benannte die Themenkomplexe und Schlüsselfragen der Arbeitsgruppen. Sie benannte die Leiter sowie die Teilnehmer der Arbeitsgruppen ([Tab. 2]). Die Auswahl der Mitglieder der Leitlinie erfolgte nach fachlichen Kriterien. Beteiligte Fachgesellschaften konnten jeweils mind. einen Fachvertreter benennen. Außerdem ermöglichte die DGVS ihren Mitgliedern sich um die Beteiligung an der Leitlinie zu bewerben. Es wurde ein ausgewogenes Verhältnis der einzelnen Fachvertreter hergestellt und sowohl Niedergelassene als auch Ärzte von Kliniken aller Versorgungsstufen beteiligt.
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1.3.2. Literatursuche
Es wurde eine systematische Literatursuche durchgeführt. Hierfür wurde eine PubMed-/MEDLINE-Suchstrategie festgelegt. Der Suchzeitraum beinhaltete den Zeitraum vom 1.9.1998 bis zum Tag der Leitlinienkonferenz am 16.3.2013. Literatur bis zum 1.9.1998 war in der EAES-Konsensuskonferenz [9] erfasst worden und wurde hiervon übernommen.
Zusätzlich wurden alle Arbeiten berücksichtigt, die die 2012 erschienene dänische Leitlinie ausgewählt hatte [10], mit deren Leitung bez. ihres Suchalgorithmus ebenfalls Kontakt aufgenommen worden war.
Die vom Koordinator nach Themengebieten vorsortierte Literatur wurde allen Mitgliedern der Leitlinie über das Portal Leitlinienentwicklung als Volltext zur Verfügung gestellt. Zusätzlich wurde allen Mitgliedern die Möglichkeit gegeben, Volltexte weiterer Arbeiten anzufordern und bei der Leitlinienerstellung zu berücksichtigen.
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1.3.3. Finanzierung/Interessenskonflikte
Die Leitlinie wurde vollständig von der Deutschen Gesellschaft für Gastroenterologie, Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten (DGVS) und der Deutschen Gesellschaft für Allgemein- und Viszeralchirurgie (DGAV) finanziert. Die Erarbeitung erfolgt in redaktioneller Unabhängigkeit von den finanzierenden Fachgesellschaften. Alle Mitglieder der Arbeitsgruppen haben sich ehrenamtlich an der Leitlinie beteiligt. Alle Beteiligten gaben Interessenskonflikterklärungen ab, die von der Leitungsgruppe gesichtet und als unkritisch bewertet wurden. Sie sind im Leitlinienreport veröffentlicht, der von der Internetseite der AWMF sowie der DGVS abrufbar ist.
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1.3.4. Prozess der strukturierten Konsensfindung
Von den Arbeitsgruppen wurden auf der Grundlage der vorhandenen Literatur Empfehlungen erstellt und kommentiert. Über die innerhalb der Arbeitsgruppen konsentierten Empfehlungen wurde über ein internetbasiertes Portal („Portal Leitlinienentwicklung“) online von allen Mitgliedern der Leitlinie abgestimmt (erstes Delphi-Verfahren). Alle hierin mit starkem Konsens (> 95 %) zugestimmten Empfehlungen galten als angenommen und wurden in der Konsensuskonferenz lediglich vorgestellt. Alle weiteren Empfehlungen wurden im Rahmen der Konsensuskonferenz von den Arbeitsgruppen vorgestellt. Die Arbeitsgruppen berücksichtigten hierbei online von Mitgliedern der Leitlinie im Vorfeld gegebene Kommentare und stellten sie zur Diskussion. Ebenfalls wurde Literatur berücksichtigt, die zwischen Abschluss des Delphi-Verfahrens und der Konsensuskonferenz erschienen war. Alle Empfehlungen wurden von den Arbeitsgruppenleitern vorgestellt. Die Diskussion wurde jeweils von Moderatoren geleitet, die nicht der Arbeitsgruppe angehörten. Anschließend wurde abgestimmt. Hierfür stand ein anonymes elektronisches Abstimmungssystem (TED) zur Verfügung. Wenige offene Punkte wurden in einem zweiten Delphi-Verfahren online über das Leitlinienportal abgestimmt.
Detaillierte Informationen zum Zeitablauf der Leitlinienentwicklung siehe [Tab. 3]. Nochmals sind weitere Details zur Organisation und Methodik einschließlich systematischer Literatursuche und Konsensuskonferenz im Leitlinienreport erläutert, der von der Internetseite der AWMF sowie der DGVS abrufbar ist ([Tab. 4], [5]).
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Kapitel 2 Anatomie, Pathologie, Pathogenese, Risikofaktoren, Komorbidität, Medikation
2.1 – 2.6 Anatomie, Pathologie, Pathogenese
Definition von Kolondivertikeln: Kolondivertikel sind erworbene Ausstülpungen der Mukosa und Submukosa durch muskelschwache Lücken der Kolonwand.
Konsensusstärke: starker Konsens
Kommentar zu Statement 2.1
Die Herniation der Mukosa mit Anteilen der Submukosa erfolgt durch präformierte Schwachstellen („Loci minoris resistentiae“) entlang intramuraler Blutgefäße (Vasa recta) [11] [12] [13] [14]. Reichen die sog. Pseudodivertikel bis in die Muskelschicht hinein, so handelt es sich um inkomplette, intramurale Kolondivertikel [15]. Werden alle Wandschichten bis zur serosalen Darmoberfläche durchwandert, so spricht man von kompletten, extramuralen Kolondivertikel. In westlichen Ländern entstehen Kolondivertikel überwiegend im linksseitigen Kolon, während bei der asiatischen Bevölkerung vorzugsweise das rechtsseitige Kolon betroffen ist [16] [17] [18]. Das gehäufte Auftreten von Kolondivertikeln im Sigma wird darauf zurückgeführt, dass in diesem Darmabschnitt zahlreiche Vasa recta zu finden sind, hohe intraluminale Drücke vorliegen und sich die peristaltischen Wellen prellbockartig vor dem Rektum brechen.
Mikroskopische und makroskopische Pathologie: Pathologisch ist die Divertikulitis durch einen Entzündungsprozess gekennzeichnet, der von Kolondivertikeln (Peridivertikulitis) ausgeht, auf die Darmwand übergreifen (fokale Perikolitis) und schwere Komplikationen (Abszess- und/oder Fistelbildung, gedeckte Perforation, offene Perforation mit Peritonitis, Stenosierung, divertikulitischer Tumor) zur Folge haben kann. Weitere Komplikationen der Divertikelkrankheit sind Kolondivertikelblutungen.
Konsensusstärke: starker Konsens
Kommentar zu Statement 2.2
Kolondivertikel sind besonders anfällig für entzündliche Veränderungen, da die durch die Herniation mitgeführten Blutgefäße komprimiert werden und die prolabierte Schleimhaut lokal minderversorgt ist [19]. Zusätzlich kann ein verengter Divertikelhals zur längeren Retention von keimbelasteten Stuhl im Divertikellumen sowie zur Bildung von Kotsteinen führen, die über eine mechanische Irritation des Divertikelrands Druckulzerationen hervorrufen können [20]. Histopathologisch zeigen sich prominente Schleimhautaufwerfungen mit gestörter Kryptenarchitektur und Kryptitis, Ulzerationen mit lymphozytären und neutrophilen Infiltraten, Fibrosierung der Lamina propria mucosae sowie eine Hyperplasie und Aufsplitterung der Lamina muscularis mucosae [21]. Rezidivierende Entzündungsschübe können langfristig zur lokalen Fibrosierung, Wandverdickung und Stenosierung führen, ggf. mit Bildung eines sog. divertikulitischen Tumors [22]. Klinisch kann es dabei zur Subileus-Symptomatik oder einem kompletten Dickdarmverschluss kommen. Gedeckte Perforationen entstehen im Gefolge lokaler Entzündungsprozesse und bilden den Ausgang für Abszedierungen und Fistelbildungen in benachbarte Organe. Eine offene Divertikelruptur in die freie Bauchhöhle kann auch ohne entzündliche Veränderungen erfolgen und ist zumeist durch eine Schwächung der dünnwandigen Divertikelkuppe bedingt [22]. In einigen Fällen lassen sich Überlappungen mit histopathologischen Befunden beobachten, wie sie typischerweise bei chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen vorliegen (z. B. Granulome, transmurale entzündliche Infiltrate, lymphoide Aggregate, Panethzell-Metaplasie) [23]. Weitere Differenzialdiagnosen sind verschiedenen Formen der Kolitis (lymphozytäre, kollagene, ischämische oder infektiöse Kolitits) sowie die selten assoziiert mit der Divertikelkrankheit auftretende Sigmoiditis, bei der die entzündlichen Veränderungen nicht auf peridivertikuläre Areale beschränkt sind, sondern den gesamten divertikeltragenden Darmabschnitt betreffen [24]. Die unter Spannung stehenden Blutgefäße am Divertikelhals und an der Divertikelkuppe sind besonders anfällig für mechanisch bedingte Rupturen bzw. Arrosionen, die die hohe Blutungsneigung bei der Divertikelkrankheit erklären und zumeist ohne entzündliche Begleitveränderungen auftreten [25].
Veränderungen der Muskulatur: Bei der Divertikelkrankheit liegt häufig eine Verdickung der Darmwandmuskulatur vor.
Konsensusstärke: starker Konsens
Kommentar zu Statement 2.3
Die Verdickung der Tunica muscularis betrifft sowohl die Ring- als auch die Längsmuskelschicht [26] [27] [28] [29] [30] [31]. Die Muskelverdickung wurde als häufiger Befund im divertikeltragenden Kolonsegment beschrieben und kann auch bei reizloser Divertikulose auftreten [26] [31]. Die Muskelverdickung korreliert zwar mit dem Ausmaß des Divertikelbefalls, nicht jedoch mit dem Schweregrad der klinischen Symptomatik [26]. Histopathologisch wurden mehrheitlich bandartige und weniger häufig zirkumferenzielle Muskelverdickungen beobachtet [26] [31]. Es ließen sich fischgrätenartige und aberrant verlaufende Muskelzüge beobachten [29]. Die als myostatisch gedeutete Muskelverdickung („Myochosis coli“) wird wahrscheinlich weniger durch eine Hyperplasie, sondern eher durch eine Hypertrophie der kontrakten Myozyten hervorgerufen [27] [30] [31]. Aufgrund des Nachweises einer vermehrten Elastineinlagerung in der Längsmuskulatur [28] [29] [32] wird angenommen, dass es dadurch zu einer Kontraktion der Taenien mit Verkürzung des Darmrohrs („Concertina-Kolon“) [29] [30] [31] kommt und die überschüssigen Schleimhautaufwerfungen als Pseudodivertikel durch die Darmwand nach außen gedrückt werden.
Veränderungen des Bindegewebes: Es gibt Hinweise darauf, dass bei der Divertikelkrankheit Veränderungen des Gehalts, der Zusammensetzung und Verknüpfung von Bindegewebsfasern sowie ein gestörter Metabolismus der bindegewebigen Matrix vorliegen.
Konsensusstärke: Konsens
Kommentar zu Statement 2.4
Aufgrund einer altersbedingten, generellen Erschlaffung des Bindegewebes und Abnahme des Gewebeturgors können sich die von Bindegewebe flankierten Blutgefäßdurchtritte erweitern und damit einer Divertikelausbildung mit zunehmendem Alter Vorschub leisten. Belege für eine pathogenetische Bedeutung von Bindegewebsveränderungen sind das gehäufte Auftreten von Kolondivertikeln bei Patienten mit systemischen Bindegewebserkrankungen aufgrund genetischer Defekte (z. B. Marfan- und Ehlers-Danlos-Syndrom) [33] [34]. In einzelnen Untersuchungen wurde gezeigt, dass der Gesamtkollagengehalt [28] [32] sowie die Verknüpfung (Cross-linking) der Kollagenfasern bei der Divertikelkrankheit erhöht sind [35]. Es wird vermutet, dass dadurch die Anpassungsfähigkeit des Darmrohrs an die wechselnden intraluminalen Drücke herabgesetzt ist. Darüber hinaus wurde eine Verschiebung des Kollagentyps I zugunsten des weniger stabilen Kollagentyps III beschrieben [36] [37], die zu einer lokalen mechanischen Schwächung der Darmwand führen könnte. Zwei Untersuchungen wiesen darauf hin, dass die für den Bindegewebsabbau maßgeblich verantwortlichen Enzyme bei der Divertikelkrankheit verändert sind (erniedrigte Matrix-Metalloproteinase 1, erhöhte Gewebeinhibitoren 1 und 2 der Matrix-Metalloproteinasen) [38] [39]. Ältere Untersuchungen zeigten einen erhöhten Gehalt an Elastinfasern innerhalb der Tänienmuskulatur auf (Elastosis coli), die zur Längskontraktur des Darmrohrs und damit zum Schleimhautüberschuss führen kann [28] [29] [32].
Veränderungen der Darminnervation: Es gibt Hinweise darauf, dass bei der Divertikelkrankheit eine enterische Neuropathie vorliegt, die durch strukturelle Veränderungen des enterischen Nervensystems und Störungen im enterischen Neurotransmittersystem gekennzeichnet ist.
Konsensusstärke: Konsens
Kommentar zu Statement 2.5
In mehreren Untersuchungen wurde gezeigt, dass bei der Divertikelkrankheit die intramuralen Ganglien verkleinert sind und einen erniedrigten Nervenzellgehalt aufweisen (oligoneuronale Hypoganglionose) [40] [41] [42] [43] [44]. In einer Studie fanden sich histopathologische Korrelate einer sog. intestinalen neuronalen Dysplasie [45]. Darüber hinaus wurden Veränderungen sowohl von exzitatorischen (Acetylcholin, Substanz P) und inhibitorischen (Stickoxyd, vasoaktives intestinales Polypeptid) Neurotransmittern als auch von Neurotransmitterrezeptoren (Serotonin-Rezeptor 4, Muskarin-Rezeptor 3) beschrieben [46] [47] [48] [49] [50] [51]. Es wird vermutet, dass diese strukturellen und funktionellen Veränderungen der Darminnervation zu intestinalen Motilitätsstörungen führen, die ihrerseits die Entwicklung einer Divertikulose fördern. Belege für diese Hypothese sind zurzeit noch relativ schwach, da lediglich in einer Studie auch Patienten mit reizloser Divertikulose vor Auftreten einer Divertikulitis eingeschlossen wurden, wobei sich auch in diesem Kollektiv bereits ein entsprechender Ganglienzellverlust beobachten ließ [42]. Darüber hinaus werden Störungen der Darminnervation verantwortlich gemacht für die insbesondere bei chronischen Verläufen der Divertikelkrankheit zu beobachtende Schmerzsymptomatik. In diesen Fällen wurden eine wahrscheinlich postinflammatorisch bedingte Erhöhung von schmerzvermittelnden Neurotransmittern (Galanin, Neuropeptid K) sowie eine Proliferation von schmerzleitenden Nervenfasern beobachtet, die auf eine viszerale Hypersensitivität bei chronifizierter Divertikelkrankheit schließen lassen – ähnlich wie beim postinfektiösen Reizdarmsyndrom [52] [53].
Veränderungen der Darmmotilität und -sensitivität: Passend zu den histopathologischen Veränderungen der Darmwand finden sich zumind. bei einem Teil der Patienten mit Divertikelkrankheit Störungen der Motilität und Sensitivität des Kolons.
Konsensusstärke: starker Konsens
Kommentar zu Statement 2.6
Eine Reihe von älteren Studien deutete bereits auf eine veränderte Darmmotilität im Rektosigmoidalbereich bei Patienten mit Divertikelkrankheit hin, insbesondere auf eine gesteigerte kontraktile Aktivität sowohl in Ruhe als auch in Antwort auf eine Mahlzeitgabe [54] [55] [56] [57] [58]. Vergleichbare Veränderungen zeigten sich auch bei rechtsseitiger Divertikelkrankheit des Kolons [59]. Es gab jedoch auch Studien, in denen solche Veränderungen nicht nachgewiesen wurden, sodass dieses Phänomen möglicherweise nur bei einem Teil der Divertikelpatienten relevant ist [60] [61]. Auch neuere Untersuchungen mittels 24-Stunden-Manometrie des gesamten Kolons deuten auf Motilitätsveränderungen bei Divertikelpatienten hin. Hierzu zählen z. B. eine gesteigerte kontraktile Aktivität in divertikeltragenden Darmsegmenten, eine gesteigerte spastische Tonussteigerung nach Mahlzeitgabe und eine erhöhte Anzahl von hochamplitudigen, propagierten Kontraktionen (HAPC), die für das manometrische Korrelat der Massenbewegungen im Darm gehalten werden [62] [63]. Diese HAPCs sind dabei gehäuft retrograd propagiert, was entweder als Zeichen einer gestörten motorischen Koordination oder gar als Antwort auf eine distal liegende (spastische?) Engstelle gedeutet werden könnte [62] [63] [64]. Eine sensomotorische Untersuchung des Rektums und des sigmoidalen Kolons mittels Barostat-Technik konnte gegenüber Gesunden bei symptomatischen Divertikelträgern eine erhöhte sensorische Empfindlichkeit gegenüber Ballondistension bei unveränderter Compliance zeigen [65]. Diese Hypersensitivität fand sich dabei nicht nur im divertikeletragenden Sigma, sondern auch im unbetroffenen Rektum [65].
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2.7 – 2.9 Nicht beeinflussbare Risikofaktoren: Alter, Geschlecht und Genetik
Es besteht ein klarer Zusammenhang zwischen der Prävalenz der Divertikulose bzw. der Divertikelkrankheit und zunehmendem Alter.
Neben Umweltfaktoren spielt auch eine genetische Prädisposition eine entscheidende Rolle in der Entstehung der Divertikulose bzw. der Divertikelkrankheit.
Konsensusstärke: starker Konsens
Kommentar zu Statement 2.7.1 – 2.7.2
2.7.1. Alter
Die Prävalenz der Divertikulose ist schwierig zu erfassen, nachdem die Präsenz von Divertikeln nicht notwendigerweise Beschwerden verursacht. Auf dem Boden von Kolonkontrastuntersuchungen und Obduktionen, die beide die Prävalenz überschätzen könnten, werden für westliche Industrienationen folgende Prävalenzen angegeben: ca. 13 % für Personen unter 50 Jahren, ca. 30 % für Personen zwischen 50 und 70 Jahren, ca. 50 % für Personen zwischen 70 und 85 Jahren sowie ca. 66 % für Personen älter als 85 Jahre [66] [67] [68] [69].
Auch die Inzidenz der Divertikelkrankheit zeigt eine klare Altersabhängigkeit, obgleich sich in Daten aus dem letzten Jahrzehnt ein Trend zur Zunahme bei jüngeren Patienten abzeichnet [70]. In einer US-amerikanischen Studie, gestützt auf das landesweite Register aller stationär behandelten Patienten, stiegen die stationären Behandlungen der Divertikelkrankheit in dem Zeitraum von 1998 – 2005 um 26 %. Das Durchschnittsalter der Betroffenen sank in diesem Zeitraum von 64,6 auf 61,8 Jahre. Die Inzidenz lag 1998 am höchsten mit 2447/1 000 000 (Mio.) für die über 75-Jährigen, gefolgt von 1360/Mio. für die 65 – 74-Jährigen, 659/Mio. für die 45 – 64-Jährigen und 151/Mio. für die 18 – 44-Jährigen [71]. Die Inzidenz stieg in dem Zeitraum jedoch am stärksten in der Gruppe der 18 – 44-Jährigen (auf 251/Mio.), gefolgt von der Gruppe der 45 – 64-Jährigen (auf 777/Mio.) während die Inzidenz in der Gruppe der 65 – 74-Jährigen stabil blieb und in der Gruppe der über 75-Jährigen fiel [71]. In einer ähnlichen Analyse, die den Zeitraum von 2002 – 2007 umfasste, waren 29,6 % der wegen Divertikulitis aufgenommenen Patienten jünger als 50 Jahre, 40,2 % waren zwischen 50 und 70 Jahren und 30,2 % älter als 70 Jahre. Auch in diesem Zeitraum nahmen die Aufnahmen in der Gruppe der über 75-Jährigen um 4,8 % ab, während sie in der Gruppe der unter 50-Jährigen um 1,3 % und in der Gruppe der 50 – 70-Jährigen um 3,5 % zunahm [72]. In einer neuen Arbeit wurden 2127 Personen, bei denen im Rahmen einer Koloskopie eine Divertikulose festgestellt wurde, über im Median fast 7 Jahre beobachtet. Die kumulative Wahrscheinlichkeit über 10,8 Jahre eine Divertikulitis zu entwickeln betrug 4,3 %, sie lag für 40-Jährige mit 11 % am höchsten und nahm mit steigendem Lebensalter mit jeder zusätzlichen Dekade um 24 % ab [73]. Der von einigen Autoren beschriebene aggressivere Verlauf der Divertikelkrankheit bei jüngeren Patienten [74] [75] scheint sich in neueren Arbeiten nicht zu bestätigen [76] [77] [78].
Die Daten zu einer Geschlechterpräferenz bei der Divertikulose sind inhomogen [67] [69]. Während frühe Studien ein Männerübergewicht bei Patienten mit Divertikelkrankheit berichteten [70], fanden die US-Studien 1998/1999 einen Anteil von 60,7 % Frauen bei den divertikelkrankheitbedingten Krankenhausaufnahmen, der bis 2007 auf 57,8 % zurückging [70] [72].
2.7.2. Genetik
Einige seltene genetische Syndrome weisen eine starke Prädisposition zur Ausbildung von Divertikeln des Kolons auf. Hierzu zählen das Marfan-Syndrom, das Ehlers-Danlos-Syndrom, das Williams-Beuren-Syndrom, das Coffin-Lowry-Syndrom sowie die polyzystische Nierenerkrankung [69] [79] [80] [81]. Die Betroffenen entwickeln die Kolondivertikel bereits in einem jungen Lebensalter [67] [82] [83]. Gemeinsam sind diesen Syndromen Defekte einer Komponente der extrazellulären Matrix bzw. Bindegewebsfasern, dies legt eine Rolle dieser Strukturen auch in der Pathogenese der spontanen Divertikulose nahe (siehe Kommentar zu Statement 4). Klinische Fallberichte wiesen bereits bislang auf familiäre Risikofaktoren für die Entwicklung der Divertikulose/Divertikelkrankheit in der allgemeinen Bevölkerung hin [69]. Eine Studie an 104 552 Zwillingen zeigt für die Entwicklung einer Divertikelkrankheit nun ein klares genetisches Risiko mit einer Odds Ratio (OR) von 7,15 für den monozygoten Ko-Zwilling und von 3,20 für den gleichgeschlechtlichen dizygoten Ko-Zwilling. Der Einfluss der genetischen Faktoren für die Entstehung der Divertikelkrankheit wurde auf 40 % gegenüber 60 % für Umweltfaktoren geschätzt [80].
Beeinflussbare Risikofaktoren Ernährung und Genussmittel
Risikoindikatoren für das Auftreten einer Divertikulose, Divertikulitis und Divertikelblutung sind in [Tab. 6] gelistet:
Konsensusstärke: starker Konsens
+ bedeutet das Risiko für die entsprechende Kondition wird durch den Einflussparameter gesteigert, o bedeutet das Risiko für die entsprechende Kondition wird durch den Einflussparameter nicht verändert, – bedeutet das Risiko für die entsprechende Kondition wird durch den Einflussparameter reduziert, eine Kombination von Zeichen bedeutet, dass Studien mit widersprüchlichen Aussagen vorliegen. Für die zugrunde liegende Studienbasis wurden folgende Abkürzungen gewählt: K = Kohortenstudie(n), FK-SR = systematischer Review von mehreren Fallkontrollstudien, FK = Fallkontrollstudie(n), FS = Fallserie(n), k. A. = keine Angabe
Kommentar zu Statement 2.8
Ballaststoffe
Diätetischer Ballaststoffmangel ist als wichtigster Lifestyle-bedingter Risikofaktor für die Entwicklung sowohl der Divertikulose als auch der Divertikelkrankheit seit den Arbeiten von Painter und Burkitt in den 60er- und 70er-Jahren des letzten Jahrhunderts in der Literatur fest verankert [81] [84] [85]. Sie stützten ihre Hypothese auf auffällige geografische und zeitliche Unterschiede in der Prävalenz von Divertikulose und Divertikelkrankheit. So fand sich die Divertikulose kaum in Afrika und Asien mit traditionell ballaststoffreicher Ernährung im Gegensatz zu westlichen Ländern. Die Prävalenz der Divertikelkrankheit war in Europa und den USA seit der Industrialisierung stark angestiegen und afroamerikanische und japanische Immigranten entwickelten die Divertikelkrankheit nach der Anpassung an westliche Ernährungsgewohnheiten [84]. Unterstützt wird die Hypothese des Ballaststoffmangels als Grundlage für die Ausbildung von Divertikeln ferner durch tierexperimentelle Daten an Ratten und Kaninchen [86] [87].
Ein Zusammenhang zwischen Diät und Divertikulose ist wegen der langen Entstehungszeit der Divertikel, ihrer Symptomlosigkeit und der methodisch aufwendigen Überprüfung der Ernährungsgewohnheiten wissenschaftlich schwierig zu erfassen. Eine Arbeit fand bei 56 Langzeitvegetariern mit 12 % eine geringere Prävalenz von Divertikeln als bei 264 Nichtvegetariern mit 33 %. Der Ballaststoffverzehr war bei den Vegetariern mit 41,5 g/Tag etwa doppelt so hoch wie bei den Nichtvegetariern mit 21,4 g/Tag [5]. Allerdings war der Ballaststoffverzehr bei divertikeltragenden und -freien Nichtvegetariern identisch, und divertikeltragende Vegetarier verzehrten mit 33,7 g/Tag deutlich mehr Ballaststoffe als divertikelfreie Nichtvegetarier mit 22,1 g/Tag [5]. Somit deutet diese Studie auf weitere Einflussfaktoren außer den Ballaststoffen. Zwei Fallkontrollstudien [88] [89] sowie 2 kürzlich erschienene Querschnittsstudien fanden entweder keinen Effekt des Ballaststoffverzehrs oder sogar einen positiven Zusammenhang zwischen Ballaststoffmenge und Divertikulose [90] [91]. Allerdings lagen in der koreanischen Studie bei 85 % der Betroffenen rechtsseitige Divertikel vor, deren Pathogenese sich von den linksseitigen unterscheiden mag. Diese Studie verwendete ein sehr einfaches Instrument zur Erfassung der Ballaststoffzufuhr und ließ den Zeitraum der Erfassung der Ernährungsgewohnheiten offen. In der amerikanischen Studie wurde nach den Ernährungsgewohnheiten im letzten Jahr gefragt. Es bleibt somit fraglich, ob die vorliegenden Studien das Ballaststoffdogma entkräften können [85] [92].
Zur Frage des Einflusses einer ballaststoffreichen Diät auf die symptomatische, unkomplizierte Divertikelkrankheit existieren einige unkontrollierte [93] [94] [95] sowie mind. 5 kleine randomisierte, kontrollierte Studien [96] [97] [98] [99] [100]. Alle bis auf eine Arbeit [96] fanden einen positiven Effekt der diätetischen Intervention auf den Symptomkomplex oder Surrogatparameter wie reduzierte Kolonpassagezeit, höheres Stuhlgewicht oder Normalisierung der Muskelaktivität des Sigmas. Die einzige negative Arbeit wurde wegen der niedrigen Ballaststoffdosierung kritisiert [85] [101] [102]. Jüngere Übersichtsarbeiten betonen die geringe Qualität (Level 2 und 3) der vorliegenden Studien [103] [104].
Mehrere Studien, darunter 2 große prospektive Kohortenstudien, legen nahe, dass eine ballaststoffreiche Ernährung zu einer Reduktion des Risikos für das Auftreten einer Divertikulitis mit oder ohne Komplikationen (akute unkomplizierte oder komplizierte Divertikulitis) führt. In der 48 000 Männer umfassenden Health-Professionals Follow-up-Kohorte (HPFS) hatten Personen mit dem höchsten Ballaststoffverzehr (> 32 g/Tag) eine Risikoreduktion um 42 % für das Auftreten einer Divertikelkrankheit gegenüber denjenigen mit der niedrigsten Zufuhr [105]. Für den protektiven Effekt werden v. a. die unlöslichen Ballaststoffe von Früchten und Gemüse verantwortlich gemacht [106]. Vergleichbare Daten fanden sich in einer 47 033 Männer und Frauen umfassenden Kohorte aus England und Schottland (EPIC) [107]. Personen mit der höchsten Ballaststoffzufuhr (≥ 25,5 g/Tag für Frauen und ≥ 26,1 g/Tag für Männer) hatten eine Risikoreduktion um 42 % für eine stationäre Aufnahme wegen Divertikelkrankheit im Vergleich zu Personen mit der geringsten Ballaststoffzufuhr (< 14 g/Tag für Männer und Frauen) [107]. Eine Fallkontrollstudie [108] sowie eine retrospektive Kohortenstudie [109] berichten ebenfalls einen protektiven Effekt einer ballaststoffreichen Ernährung.
Nüsse, Körner, Mais, Popcorn
Unter der Vorstellung, dass unverdaute Rückstände von Nüssen, Körnern, Mais oder Popcorn in Divertikelhälsen stecken bleiben und zu einer Häufung von Komplikationen führen könnten, wurden Divertikelträger und Patienten seit Langem beraten, auf diese Nahrungsmittel zu verzichten. Eine Analyse der HPFS-Kohorte zeigte jedoch, dass der Konsum von Nüssen und Körnerfrüchten das Risiko für das Auftreten einer Divertikulitis oder einer Divertikelblutung nicht erhöht. Im Gegenteil resultierte der Verzehr von Nüssen oder Popcorn mind. 2x/Woche in einer Risikoreduktion von 20 % für Nüsse und 27 % für Popcorn [110].
Rotes Fleisch
Die kürzlich publizierte koloskopiegestützte Querschnittsstudie an 2104 Teilnehmern fand keinen Zusammenhang zwischen dem Verzehr von rotem Fleisch und der Prävalenz der Divertikulose [91]. Eine taiwanesische Fallkontrollstudie untersuchte 86 Personen mit rechtsseitiger Divertikulose und 106 gematchte Kontrollen. Sie fand bei Personen, die mind. einmal pro Tag rotes Fleisch verzehren, gegenüber solchen, die weniger als einmal pro Woche rotes Fleisch zu sich nehmen, ein 25-fach erhöhtes Risiko für das Bestehen einer Divertikulose [89].
Eine Fallkontrollstudie sowie 2 große, prospektive Kohortenstudien weisen den häufigen Verzehr von rotem Fleisch als Risikofaktor für das Auftreten einer Divertikelkrankheit bzw. die Hospitalisierung wegen Divertikelkrankheit aus [105] [107] [108]. In der Arbeit von Manousos war das Risiko für eine stationäre Aufnahme bei mind. 2×/Woche Genuss von Rindfleisch bzw. Lammfleisch 1,89-fach bzw. 3,86-fach erhöht gegenüber nur 1×/Woche Verzehr [108]. In der HPFS-Kohorte führte der gehäufte Verzehr von rotem Fleisch zu einem erhöhten Risiko für das Auftreten einer Divertikelkrankheit, allerdings ohne Dosiseffekt. Genuss von 39,4, 65,9, 97,4 oder 144,4 g/Tag rotem Fleisch resultierte gleichermaßen gegenüber dem Verzehr von 16,0 g/Tag zu einem 1,5-fach erhöhten Risiko [105]. Wurde die Frequenz des Verzehrs von rotem Fleisch (Rind, Schwein, Lamm) als Hauptmahlzeit (113 – 170 g) ausgewertet, fand sich für Personen mit mind. täglichem Verzehr eines Fleischgerichts ein 3,23-fach erhöhtes Risiko gegenüber der Personengruppe mit einer Fleischhauptmahlzeit weniger als einmal im Monat [105]. Auch in der EPIC-Kohorte hatten Personen, die rotes Fleisch verzehren, gegenüber Vegetariern ein erhöhtes Risiko für eine Hospitalisierung wegen Divertikelkrankheit [107].
Andere Nahrungskomponenten/Kombinationen
In einer südkoreanischen Untersuchung war eine erhöhte Fettzufuhr mit einem 1,7-fach erhöhten Risiko für eine Divertikulose verbunden [90]. In der Arbeit von Peery et al. fand sich kein Unterschied im Fettverzehr zwischen Divertikelträgern und divertikelfreien Personen (70,2 vs. 69,2 g/Tag) [91]. Bezüglich der symptomatischen unkomplizierten Divertikelkrankheit liegen keine Daten vor.
Aldoori et al. fanden in der HPFS-Kohorte kein erhöhtes Risiko für die Entwicklung einer Divertikelkrankheit in Abhängigkeit der Fettzufuhr allein. Die Kombination von hoher Fettzufuhr (> 81 g/Tag) und niedriger Ballaststoffzufuhr (< 17 g/Tag) führte jedoch zu einem 2,35-fach erhöhtem Risiko gegenüber niedriger Fett- (< 47 g/Tag) und hoher Ballaststoffzufuhr (> 29 g/Tag) [105]. Die Kombination aus niedriger Ballaststoffzufuhr und Genuss von viel rotem Fleisch (> 116,6 g/Tag) erhöhte das Risiko für die Entwicklung einer Divertikelkrankheit auf das 3,22-Fache gegenüber einer hohen Ballaststoffzufuhr (29 g/Tag) und einer geringen Zufuhr an rotem Fleisch (< 28,5 g/Tag) [105]. In der multivariaten Analyse zeigte sich für die Mikronährstoffe Kalium, β-Karotin, Vitamin C und Magnesium keine Assoziation mit der Divertikelkrankheit [105].
Rauchen
In einer Querschnittsstudie fand sich für Raucher eine um 30 % höhere Wahrscheinlichkeit für das Bestehen einer Divertikulose, der Effekt war jedoch statistisch nicht signifikant [90]. Mehrere Fallkontrollstudien sowie große prospektive Kohortenstudien zeigen jedoch ein erhöhtes Risiko für das Auftreten einer Divertikelkrankheit bei Rauchern. In der schwedischen Kohorte mit 37 000 Frauen war das Risiko einer stationären Aufnahme wegen einer Divertikelkrankheit für Raucherinnen um 24 % erhöht [111]. Nikotinkarenz zeigte erst nach mehr als 10 Jahren einen günstigen Effekt und war dann am stärksten für die Perforation ausgeprägt [111]. In einer Kohorte mit 7500 schwedischen Männern fand sich bei Rauchern ein um 60 % erhöhtes Risiko für eine stationäre Aufnahme wegen Divertikelkrankheit [112], in der EPIC-Kohorte ein Dosiseffekt mit einem um 34 bzw. 86 % erhöhten Risiko für eine Hospitalisierung bei einem Konsum von < 15 bzw. > 15 Zigaretten/Tag [107]. In der HPFS-Kohorte, die nicht nur hospitalisierte Patienten berücksichtigte, erreichte der Effekt des Rauchens auf das Risiko für das Auftreten einer Divertikelkrankheit keine Signifikanz mehr [113]. Verschiedene Studien legen einen besonderen Zusammenhang des Rauchens mit schweren komplizierten Verlaufsformen der Divertikelkrankheit wie z. B. der Perforation nahe [114] [115] [116] [117]. Drei kleine Fallkontrollstudien sahen dagegen keinen Zusammenhang zwischen Rauchen und gehäuften Divertikelblutungen [118] [119] [120].
Alkohol
Die südkoreanische Querschnittsstudie von Song fand, dass Alkoholkonsumenten ein 2,2-fach erhöhtes Risiko für das Bestehen einer Divertikulose aufweisen. Allerdings stehen Daten zu Art, Menge und Dauer des Alkoholkonsums in der Arbeit nicht zur Verfügung [90]. In der großen, prospektiven HPFS-Kohorte fand sich für Männer mit einem Alkoholkonsum > 30 g/Tag ein statistisch nicht signifikant erhöhtes Risiko (36 %) für die Entwicklung einer Divertikelkrankheit gegenüber abstinenten Männern [113]. Der Effekt wurde signifikant nach Differenzierung nach Alkoholarten. So bestand für Bier und Wein kein Zusammenhang mit der Divertikelkrankheit, der Konsum von Schnäpsen führte jedoch zu einer Assoziation, wobei die Erhöhung des Risikos mit 50 % für einen Konsum von 1 – 3 Schnäpsen/Monat und mit 65 % für 2 – 3 Schnäpse/Tag keine Dosisabhängigkeit suggeriert. In der EPIC-Kohorte war ein Effekt des Alkoholkonsums auf die stationäre Aufnahme wegen einer Divertikelkrankheit nach Korrektur gegenüber den Rauchgewohnheiten nicht mehr signifikant [107]. Eine dänische Arbeit fand, dass Patienten, die wegen Alkoholismus stationär eingewiesen wurden, auch 2,9-mal so häufig wegen einer Divertikulitis hospitalisiert wurden als die generelle Bevölkerung. Die Arbeit, die einen Effekt eines schwerwiegenden Abusus nahelegt, korrigierte allerdings nicht bez. anderer Störfaktoren [121]. Eine Arbeit mit 80 Patienten fand vergleichbaren Alkoholkonsum bei Patienten mit leichter bzw. schwerer Verlaufsform der Divertikelkrankheit [114]. Kleine Fallkontrollstudien fanden keinen Zusammenhang zwischen Alkoholkonsum und gehäuften Divertikelblutungen [118] [119] [120].
Kaffee
In der HPFS-Kohorte fand sich kein Zusammenhang zwischen Kaffeekonsum und dem Auftreten einer Divertikelkrankheit [113].
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Beeinflussbare Risikofaktoren: Körpergewicht und körperliche Aktivität
Risikoindikatoren für das Auftreten einer Divertikulose, Divertikulitis und Divertikelblutung sind in [Tab. 7] gelistet:
Konsensusstärke: starker Konsens
+ bedeutet das Risiko für die entsprechende Kondition wird durch den Einflussparameter gesteigert, o bedeutet das Risiko für die entsprechende Kondition wird durch den Einflussparameter nicht verändert, – bedeutet das Risiko für die entsprechende Kondition wird durch den Einflussparameter reduziert, eine Kombination von Zeichen bedeutet, dass Studien mit widersprüchlichen Aussagen vorliegen. Für die zugrunde liegende Studienbasis wurden folgende Abkürzungen gewählt: K = Kohortenstudie(n), FK-SR = systematischer Review von mehreren Fallkontrollstudien, FK = Fallkontrollstudie(n), FS = Fallserie(n), k. A. = keine Angabe
Kommentar zu Statement 2.9
Körpergewicht
Eine Querschnittsstudie [90] und eine prospektive Kohortenstudie [122] fanden keinen Zusammenhang zwischen BMI und der asymptomatischen Divertikulose [85]. In einer israelischen koloskopiebasierten retrospektiven Fallkontrollstudie mit 3175 Personen war Adipositas mit einem BMI > 30 jedoch mit einem 1,4-fach erhöhten Risiko für das Bestehen einer Divertikulose assoziiert [123].
Kleinere Fallserien und Fallkontrollstudien stellen einen Zusammenhang zwischen Übergewicht, insbesondere bei jungen Menschen, und einem gehäuften Auftreten der Divertikulitis her [74] [124] [125] [126]. Drei große prospektive Kohortenstudien bestätigen diese Assoziation: Eine schwedische Arbeit an 7500 Männern fand ein 4-fach erhöhtes Risiko für das Auftreten einer komplizierten Divertikelkrankheit bei Männern mit einem BMI > 30 gegenüber Männern mit einem BMI von 20 – 22,5 [112]. Eine US-amerikanische Studie verfolgte 47 000 Männer über 18 Jahre und fand ein um 78 % erhöhtes Risiko für die Entwicklung einer Divertikulitis und ein 3-fach erhöhtes Risiko für das Auftreten einer Divertikelblutung bei Männern mit einem BMI > 30 im Vergleich zu Männern mit einem BMI < 21 [127]. Darüber hinaus blieb nach Korrektur für den BMI die Waist-to-hip-ratio (Taillen-Hüft-Verhältnis) ein unabhängiger Risikofaktor für das Auftreten von Komplikationen; dies gibt zu Spekulationen Anlass, dass die zentrale Fettleibigkeit durch die Freisetzung proinflammatorischer Zytokine aus dem viszeralen Fett eine besondere Bedeutung für die Entstehung der Divertikelkrankheit besitzt [85] [128]. Die dritte Arbeit beobachtete 36 592 schwedische Frauen über 12 Jahre. Frauen mit einem BMI zwischen 25 und 29,99 hatten ein 29 % erhöhtes Risiko und Frauen mit einem BMI ≥ 30 ein 33 % erhöhtes Risiko für eine Divertikelkrankheit im Vergleich zu Frauen mit einem BMI von 20 – 24,99. Das Risiko für einen Abszess oder eine Perforation war bei den Frauen mit dem BMI ≥ 30 2-fach erhöht [128].
Körperliche Aktivität
Eine kürzlich publizierte Querschnittsstudie an 2104 Teilnehmern, die Diät und körperliche Aktivität anhand von Fragebogen auswertete, fand keinen Zusammenhang zwischen Divertikulose und körperlicher Aktivität [91]. Andererseits konnte für Männer, die mind. 52 Stunden/Woche einer sitzenden Tätigkeit nachgehen, ein 30 % höheres Risiko für eine Divertikulose als Männer ermittelt werden, die weniger als 16 h/Woche sitzen [127]. Mehrere große prospektive Kohortenstudien zeigen hingegen eine Risikoreduktion für die komplizierte Divertikelkrankheit inklusive der Divertikelblutung durch körperliche Aktivität, wobei in mehreren Studien der Effekt nur für ein hohes Aktivitätslevel, nicht jedoch für leichte Belastung wie z. B. Gehen beobachtet wurde [127] [128] [129] [130]. Der Effekt der intensiven körperlichen Aktivität führte in einer Arbeit zu einer Reduktion des Risikos um 25 % für eine Divertikulitis und um 46 % für eine Divertikelblutung gegenüber den Männern, die am wenigsten intensiv trainierten [127]. In der schwedischen Arbeit fand für Frauen ein um 42 % erhöhtes Risiko für die Divertikelkrankheit bei einem Trainigsaufwand von ≤ 30 min/Tag gegenüber der Gruppe, die > 30 min/Tag übte [128]. Eine Arbeit fand keinen Effekt der körperlichen Aktivität auf die Krankenhausaufnahme wegen Divertikelkrankheit [112].
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2.10 Risikofaktor Komorbidität
Risikoindikatoren für das Auftreten einer Divertikulose, Divertikulitis und Divertikelblutung sind in [Tab. 8] gelistet:
Konsensusstärke: Konsens
+ bedeutet das Risiko für die entsprechende Kondition wird durch den Einflussparameter gesteigert, o bedeutet das Risiko für die entsprechende Kondition wird durch den Einflussparameter nicht verändert, – bedeutet das Risiko für die entsprechende Kondition wird durch den Einflussparameter reduziert, eine Kombination von Zeichen bedeutet, dass Studien mit widersprüchlichen Aussagen vorliegen. Für die zugrunde liegende Studienbasis wurden folgende Abkürzungen gewählt: K = Kohortenstudie(n), FK-SR = systematischer Review von mehreren Fallkontrollstudien, FK = Fallkontrollstudie(n), FS = Fallserie(n), k. A. = keine Angabe
Kommentar zu Statement 2.10
Komorbidität und Divertikulose
Hypothyreose
In einer israelischen retrospektiven Fallkontrollstudie mit 3175 Patienten wurde für die Diagnose einer Hypothyreose in der Anamnese ein 2,4-faches Risiko für das Bestehen einer Divertikulose beschrieben [123].
Diabetes mellitus
In jener israelischen Arbeit fand sich die Diagnose Diabetes mellitus als protektiver Faktor für das Bestehen einer Divertikulose mit einer OR von 0,49 [123]. In einer japanischen Querschnittsstudie mit 954 Patienten war die Prävalenz des Diabetes mellitus Typ 2 dagegen bei den Divertikelträgern (mehrheitlich rechtsseitig) mit 21,6 vs. 14 % bei den divertikelfreien Personen statistisch signifikant erhöht [131].
Arterielle Hypertonie
In der japanischen Arbeit fand sich die Prävalenz für die arterielle Hypertonie bei den Divertikelträgern mit 30,9 vs. 19,8 % bei den divertikelfreien Personen statistisch signifikant erhöht [131]. Die israelische Arbeit fand dagegen keinen Zusammenhang zwischen arterieller Hypertonie und dem Bestehen einer Divertikulose [123].
Polyzystische Nierenerkrankung
Von 6 Fallserien, mit insgesamt 186 Patienten mit polyzystischer Nierenerkrankung (PKD) [132] [133] [134] [135] [136] [137], machen 3 Angaben zur Prävalenz der Divertikulose. Scheff et al. [132] fanden eine Prävalenz von 10/12 (83 %), Dominguez Fernandez et al. [134] 15/28 (53,5 %) und Sharp et al. [135] 28/59 (47 %). Scheff et al. fanden in einer Vergleichsgruppe mit Nierenversagen ohne PKD eine Divertikelprävalenz von 10/31 (32 %) und in einer altersgematchten Vergleichsgruppe ohne Nierenversagen eine vergleichbare Divertikelprävalenz mit 45/120 (38 %). Sharp et al. [135] dagegen berichteten über eine Divertikelprävalenz von 35/59 (59 %) in ihrer Kontrollgruppe ohne PKD und ohne Nierenversagen und kamen damit zu dem Ergebnis, dass Patienten mit PKD kein höheres Risiko für eine Divertikulose bzw. Divertikelkrankheit aufweisen als die generelle Bevölkerung.
Komorbidität und akute unkomplizierte und komplizierte Divertikelkrankheit
Arterielle Hypertonie
Eine schwedische, prospektive Kohortenstudie an 7500 Männern fand in der univariaten Analyse ein je 1,8-fach erhöhtes Risiko für das Auftreten einer komplizierten Divertikelkrankheit bei Männern mit einem systolischen Blutdruck (RR) von 146 – 162 mmHg bzw. > 162 mmHg gegenüber Männern mit einem systolischen RR < 133 mmHg. Ein erhöhter diastolischer RR > 102 mmHg war in der univariaten Analyse mit einem 2,2-fach erhöhten Risiko gegenüber Patienten mit einem diastolischen RR < 88 mmHg vergesellschaftet. In der multivariaten Analyse wurde nur der diastolische RR ein signifikanter Risikofaktor mit einer Hazard Ratio von 1,02 für jeden mmHg ermittelt [112]. In dieser Arbeit sind Blutungen mitberücksichtigt, aber nicht extra ausgewiesen.
Nierenerkrankungen
Eine Studie aus dem Vereinigten Königreich erfasste retrospektiv 202 Patienten mit perforierter Divertikelkrankheit. Die Mortalität lag bei 24,3 %. Ein Risikofaktor für den Tod war eine präexistente Nierenerkrankung mit einer OR von 18,7 [138]. Von 6 Fallserien mit insgesamt 186 Patienten mit polyzystischen Nierenerkrankung [132] [133] [134] [135] [136] [137] machen 4 Angaben zur Inzidenz der Divertikelkrankheit. Scheff et al. [132], Lederman et al. [136] und Pourfarziani et al. [137] berichten mit 4/12 (33 %), 12/59 (20 %) bzw. 3/18 (17 %) hohe Inzidenzen insbesondere für schwere Verläufe der Divertikelkrankheit. Nur in der Arbeit von Lederman et al. wird die Inzidenz für die Divertikelkrankheit in einer Vergleichsgruppe mit Nierenversagen ohne PKD mit 4/125 (3 %) beziffert. Dominguez Fernandez et al. fanden mit 1/28 (4 %) selbst bei Patienten mit PKD keine erhöhte Inzidenz für das Auftreten einer Divertikelkrankheit [134]. Für Patienten mit PKD wird kein von der Normalbevölkerung abweichendes Management der Divertikelkrankheit empfohlen [139].
Immunsuppression
Verschiedene Arbeiten weisen auf einen schwereren Verlauf der Divertikelkrankheit bei Patienten unter Immunssuppression hin [137] [140] [141] [142] [143].
In der Arbeit von Hwang et al. wurden im Rahmen einer Literatursuche 25 Studien zu Divertikulitis bei immunsupprimierten Patienten identifiziert. Es handelt sich dabei ausschließlich um retrospektive Kohortenstudien. 21 Studien betrafen Organtransplantierte, davon 13 Nierentransplantationen und die übrigen 8 Herz-, Lungen oder kombinierte Herz-Lungen-Transplantationen. Vier Studien betrafen Patienten mit chronischer Kortikosteroidtherapie. Insgesamt wurden in die Studien 12 729 Patienten eingeschlossen [144]. Die Inzidenz der akuten Divertikulitis lag bei den immunsupprimierten Patienten mit 1 % bei variablem Follow-up zwischen 1 Monat und 17,3 Jahren und damit höher als in der allgemeinen Bevölkerung. Einen direkten Vergleich der Inzidenzen zwischen Immunsupprimierten und genereller Bevölkerung gab nur eine Arbeit mit 0,94 vs. 0,02 % an [145]. Bei Betrachtung ausschließlich der Patienten, bei denen eine Divertikulose vor Einleitung der Immunsuppression bekannt war, betrug die Inzidenz für eine Divertikulitis 15,1 % bei variablem Follow-up [144]. Die Mortalität aller konservativ oder chirurgisch behandelten Patienten mit Divertikulitis lag bei 25 %, für operativ behandelte Patienten lag diese Zahl bei 23 % und damit erheblich höher als die für die generelle Bevölkerung berichteten 1 – 5 % [71] [146].
Zu nicht transplantierten Patienten unter Immunsuppression liegen nur sehr spärliche Daten vor [144], die Aussagen zu Auswirkungen unterschiedlicher immunsuppressiver Regimes nicht erlauben. Auch zu Patienten unter Chemotherapie oder mit HIV/AIDS wurden keine Studien gefunden [144]. Sachar fasst 15 Arbeiten zur abdominellen Notfallchirurgie bei HIV-positiven Patienten zusammen. Er folgert, dass die Divertikelkrankheit bei HIV-/AIDS-Patienten nicht gehäuft vorkommt und keinen von der generellen Population unterschiedlichen Verlauf nimmt, solange die CD4-Zellen nicht 50 – 200/ul unterschreiten oder die Viruslast nicht 10 000 – 30 000Kopien/ml überschreitet [147].
Als Konsequenz aus erhöhter Inzidenz und Mortalität der Divertikelkrankheit bei Immunsupprimierten wurde diskutiert, vor Beginn der Immunsuppression ein Screening auf Divertikulose durchzuführen [144]. McCune berichtete hingegen, dass ein koloskopisches Screening von über 50-jährigen Patienten bez. posttransplant Kolonkomplikationen nicht effektiv ist [133]. Ein Screening oder gar eine prophylaktische Sigma- oder Kolonresektion werden nicht empfohlen [139] [144].
Allergische Prädisposition
Eine Arbeitsgruppe operierte 101 konsekutive Patienten entweder wegen komplizierter (gedeckte Perforation, freie Perforation, phlegmonöse Divertikulitis; n = 57) oder nicht komplizierter (chronisch rekurrierende Divertikulitis, elektiv wegen Komorbiditäten; n = 44) Divertikelkrankheit. Sie berichtete, dass 39 % der Patienten eine anamnestisch erhobene allergische Prädisposition gegen Gräser, Pollen, Nahrungsmittel, Medikamente, Haustiere und anderes aufwiesen. Patienten mit allergischer Prädisposition zeigten eine OR von 3,2 für eine Operation wegen einer komplizierten Divertikulitis [148].
Komorbidität und Divertikelblutung
Arterielle Hypertonie
Vier Arbeiten beschäftigen sich mit der Rolle der arteriellen Hypertonie für die Divertikelblutung. Yamada et al. fanden im Rahmen einer Fall-Kontroll-Studie bei 44 von 1753 Patienten mit Divertikulose eine Divertikelblutung. Die OR für eine Divertikelblutung lag bei Patienten mit arterieller Hypertonie bei 6,6 [120]. In einer weiteren japanischen Fallkontrollstudie fand sich von 254 Patienten mit einer Divertikulose bei 45 Patienten eine Divertikelblutung. Die OR für die Divertikelblutung lag für Patienten mit arterieller Hypertonie bei 2,2 [149]. Eine dritte japanische Fallkontrollstudie analysierte 51 divertikelbedingte untere gastrointestinale Blutungen und fand ein signifikantes Risiko für Patienten < 65 Jahre mit arterieller Hypertonie [118]. In der Arbeit von Jansen et al. wurden in einer retrospektiven Fallserie 30 Patienten mit einer Divertikelblutung von 140 Patienten mit einer Divertikelkrankheit identifiziert. In dieser Analyse war die arterielle Hypertonie kein unabhängiger Risikofaktor für eine Blutung, allerdings eine Medikation mit Kalziumantagonisten, die auf die Therapie der arteriellen Hypertonie abzielen könnte [119].
Hyperlipidämie
Die japanische Fallkontrollstudie von Tsuruoka et al. fand eine OR von 2,2 für eine Divertikelblutung bei Patienten mit Hyperlipidämie [118].
Koronare Herzkrankheit
Die japanischen Fallkontrollstudie von Tsuruoka et al. und Niikura et al. fanden eine OR von 1,9 bzw. 2,4 für eine Divertikelblutung bei Patienten mit koronarer Herzkrankheit [118] [149].
Chronisches Nierenversagen
In einer japanischen Fallkontrollstudie von Niikura et al. Fand sich eine OR von 6,4 für eine Divertikelblutung bei Patienten mit chronischem Nierenversagen [149].
Hyperurikämie
In der Arbeit von Jansen et al. wurde ein erhöhtes Risiko für eine Divertikelblutung bei Patienten mit Urikämie beschrieben. Sechs der 30 Patienten mit Divertikelblutung (20 %) litten unter einer Hyperurikämie bzw. nahmen Allopurinol ein. Von den 110 Patienten, die keine Blutung erlitten, wurde eine Hyperurikämie oder eine harnsäuresenkende Medikation nur bei 8 Patienten (7,3 %) dokumentiert [119].
Komorbidität und Indikation für die elektive, prophylaktische Resektion
Folgende Komorbiditäten und Konditionen, die zumeist in Fallserien mit erhöhter Morbidität bzw. Mortalität bei elektiven oder notfallmäßigen Eingriffen wegen einer Divertikelkrankheit in Zusammenhang gebracht werden, wurden beschrieben: Diabetes mellitus [150] [151], Herzinsuffizienz [152], COPD [152] [153], Niereninsuffizienz [154], Autoimmunerkrankungen/Vaskulitis [151] [154], Gichtarthritis [150], Immunsuppression [151] [154], Hypalbuminämie [153], Steroideinnahme [151] [153] und ASA-Kategorie III/IV [155]. Einige Autoren empfehlen daher, für diese Risikogruppen eine elektive, prophylaktische Sigmaresektion zu erwägen [150] [151] [154]. Andererseits waren in der Arbeit von Chapman et al. bei 89,5 % der Patienten, die an der Divertikelperforation starben, eine Divertikulose oder eine Divertikelkrankheit anamnestisch nicht bekannt, sodass sich diese Gruppe einem prophylaktischen Zugriff entzieht [151]. Sheer et al. kommen zum Schluss, dass die hohe Morbidität und Mortalität bei den Risikogruppen den potenziellen Benefit der elektiven Operation überwiegen könnte [152]. Für die Formulierung von Risikogruppen, die generell eine prophylaktische, elektive Resektion des divertikeltragenden Kolonsegmentes erhalten sollen, fehlen ausreichende Daten [151].
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2.11 Risikofaktor Medikamente
Risikoindikatoren für das Auftreten einer Divertikulitis und Divertikelblutung sind in [Tab. 9] gelistet:
Konsensusstärke: Konsens
+ bedeutet das Risiko für die entsprechende Kondition wird durch den Einflussparameter gesteigert, o bedeutet das Risiko für die entsprechende Kondition wird durch den Einflussparameter nicht verändert, – bedeutet das Risiko für die entsprechende Kondition wird durch den Einflussparameter reduziert, eine Kombination von Zeichen bedeutet, dass Studien mit widersprüchlichen Aussagen vorliegen. Für die zugrunde liegende Studienbasis wurden folgende Abkürzungen gewählt: K = Kohortenstudie(n), FK-SR = systematischer Review von mehreren Fallkontrollstudien, FK = Fallkontrollstudie(n), FS = Fallserie(n), k. A. = keine Angabe
Kommentar zu Statement 2.11
Medikamente und akute unkomplizierte und komplizierte Divertikelkrankheit
NSAIDS und Aspirin
Berichte über den negativen Einfluss von NSAIDS auf den Verlauf der Divertikelkrankheit existieren bereits seit fast 30 Jahren. Fallsammlungen bzw. Fallkontrollstudien berichten unter der Einnahme von NSAIDS über ein bis 4,85-fach erhöhtes Risiko für das Auftreten einer schweren, symptomatischen Divertikelkrankheit [156] [157] [158] bzw. über ein 1,8 – 3,56-fach erhöhtes Risiko für das Auftreten einer Perforation [159] [160] [161] [162] [163]. Morris berichtet unter Einnahme von NSAIDS ein 3,1-fach erhöhtes Risiko für den Tod durch eine perforierte Divertikulitis [164]. Die große HPFS-Kohorte wurde zweimal prospektiv auf den Einfluss von Aspirin und NSAIDS auf Komplikationen der Divertikelkrankheit untersucht. In der Arbeit von Aldoori et al. aus 1998 führte die regelmäßige Einnahme von NSAIDS, nicht aber von Aspirin, mit einem RR von 2,2 zu einer symptomatischen Divertikelkrankheit [165]. Für die zweite Auswertung standen deutlich mehr Daten zur Verfügung. Es fand sich nun ein 1,72-fach bzw. 1,25-fach erhöhtes Risiko für regelmäßige Konsumenten von NSAIDS bzw. Aspirin eine Divertikulitis zu entwickeln gegenüber Personen, die keines dieser Medikamente einnahmen [166]. NSAIDS waren stärker mit einer komplizierten Divertikulitis (Hazard Ratio (HR) 2,55) als mit einer unkomplizierten Divertikulitis vergesellschaftet (HR 1,65). Für Aspirin zeigte sich diesbezüglich kein Unterschied [166].
Bei der Bewertung des aspirinassoziierten Risikos stellen die in den meisten Arbeiten fehlenden Angaben zu Dosis und Häufigkeit der Einnahme ein besonderes Problem dar. Strate et al. versuchten eine Standardisierung und fanden bzgl. der eingenommenen Menge keine streng lineare Abhängigkeit. So lag bei Personen, die 2 – 5,9 Tabletten 325 mg Aspirin pro Woche einnahmen das Risiko für eine Divertikulitis mit einer HR von 1,26 höher als bei denjenigen die ≥ 6 Tabletten einnahmen (HR 1,11) [166]. Auf der anderen Seite brachte die tägliche Einnahme von Aspirin in unbekannter Dosis ein höheres Risiko für eine Divertikulitis mit sich (HR 1,46) als die 4 – 6 malige Einnahme pro Woche (HR 1,24) [166]. Piekarek und Humes fanden in ihren Fallkontrollstudien mit 54 bzw. 899 Patienten mit Divertikelperforationen kein erhöhtes Risiko durch die Einnahme von Aspirin[163] [167]. In der Arbeit von Humes war die aktuelle Einnahme von NSAIDS mit einem nicht signifikant erhöhten Risiko (OR 1,51), die Einnahme von NSAIDS in der Vorgeschichte jedoch mit einem signifikanten Risiko (OR 1,62) für eine Perforation vergesellschaftet [167].
Acetaminophen
In der ersten Auswertung der HPFS-Kohorte von 1998 fand sich für Personen mit regelmäßiger Einnahme von Acetaminophen ein 1,81-fach erhöhtes Risiko eine symptomatische Divertikelkrankheit zu entwickeln [165].
Coxibe
Humes et al. fanden in ihrer populationsbasierten Fallkontrollstudie mit 899 Patienten mit einer Divertikelperforation und 8980 Kontrollpersonen einen seltenen Einsatz von Coxiben. 7,8 % der Fälle und 3 % der Kontrollen hatten jemals diese Substanzen eingenommen. Im Vergleich hierzu berichteten 66 % der Fälle und 52 % der Kontrollen eine Einnahme von NSAIDS in der Anamnese. Die aktuelle Einnahme eines Coxibs war nach Korrektur von Störgrößen nicht mehr signifikant mit einem erhöhten Risiko für eine Perforation assoziiert.
Kortikosteroide
Fallsammlungen und kleine krankenhausbasierte Fallkontrollstudien berichten seit den 70-er-Jahren über ein 13 – 32-fach erhöhtes Risiko v. a. für Divertikelperforationen unter der Einnahme von Kortikosteroiden [156] [162] [163] [164] [168] [169]. Die populationsbasierte Fallkontrollstudie von Humes berichtet ein 2,74-fach erhöhtes Risiko für eine Divertikelperforation für die gegenwärtige Einnahme von Kortikosteroiden und ein 1,69-fach erhöhtes Risiko für die Steroideinnahme in der Anamnese. Ein besonders hohes Risiko besteht für Patienten mit fehlenden schweren Komorbiditäten (OR 6,45) [167].
Opioide
Die krankenhausbasierten Fallkontrollstudien von Morris und Piekarek berichteten über ein 1,8 – 4,5-fach erhöhtes Risiko für Divertikelperforationen unter der Einnahme von Opioiden [163] [164]. Die populationsbasierte Fallkontrollstudie von Humes fand ein 2,16-fach erhöhtes Risiko für eine Divertikelperforation für die gegenwärtige Einnahme von Opiatanalgetika und ein 1,88-fach erhöhtes Risiko für die Opiateinnahme in der Anamnese [167].
Kalziumantagonisten
Die krankenhausbasierten Fallkontrollstudien von Morris und Piekarek berichteten über einen protektiven Effekt von Kalziumantagonisten gegenüber Divertikelperforationen mit einer OR zwischen 0,14 und 0,41 [163] [170]. Die populationsbasierte Fallkontrollstudie von Humes fand ebenfalls eine potenziell protektive Rolle gegenüber Divertikelperforationen [167].
Statine
Die populationsbasierte Fallkontrollstudie von Humes fand eine Risikoreduktion (OR 0,44) für eine Divertikelperforation für die gegenwärtige Einnahme von Statinen, keinen Effekt jedoch für die Statineinnahme in der Anamnese [167].
Medikamente und Divertikelblutung
NSAIDS und Aspirin
Seit dem Bericht von Langman über die mögliche Rolle von NSAIDS als Risikofaktor für das Auftreten einer Divertikelblutung [159] berichteten 2 japanische Fallkontrollstudien über ein 7,5 – 15,6-fach erhöhtes Risiko für eine Divertikelblutung [118] [120]. Die erste Auswertung der großen HPFS-Kohorte durch Aldoori fand ein 4,64-fach erhöhtes Risiko für NSAID-Konsumenten [165]. In dem Update der prospektiven Kohortenstudie durch Strate et al. war das Risiko für eine Divertikelblutung für den regelmäßigen Konsum von NSAIDS allein 1,74-fach, für Aspirin allein 1,70-fach und für die Kombination von NSAIDS und Aspirin 2,02fach erhöht [166]. Es zeigt sich für Aspirin eine erstaunlicherweise fehlende lineare Dosis-Wirkungs-Beziehung mit dem höchsten Risiko für die Einnahme von 2 – 5,9 325 mg Tabletten pro Woche (HR 2,32), die Einnahme von 0,1 – 1,9 bzw. ≥ 6325 mg Tabletten weisen mit einer HR von 1,58 bzw. 1,65 ein niedrigeres Risiko in ähnlicher Größenordnung auf. Bezogen auf die Frequenz der Einnahme von Aspirin hatte eine 4 – 6-mal wöchentliche Einnahme (HR 3,13) ein wesentlich höheres Risiko für das Auftreten einer Blutung als die tägliche (HR 1,57) oder 2 – 3,9-mal wöchentliche Einnahme (HR 1,21) [166].
Acetaminophen
Aldoori et al. berichteten in der ersten Auswertung der HPFS-Kohorte ein 13,63-fach erhöhtes Risiko für eine Divertikelblutung unter der Einnahme von Acetaminophen [165].
Aspirin (low-dose) und andere Antikoagulantien
Eine einzige Studie hat das Risiko für eine Divertikelblutung unter der heute weitestgehend üblichen 100 mg Dosierung von Aspirin untersucht. Yamada et al. berichten in der krankenhausbasierten Fallkontrollstudie über eine OR von 3,7 in der univariaten Analyse [120]. Andere Thrombozytenaggregationshemmer wie Cilostazol, Sarpogelat und Dipyridamol erreichen in der univariaten Analyse eine OR von 2,3. In der multivariaten Analyse wurden ASS 100 und andere Thrombozytenaggregationshemmer zusammengefasst und erzielen eine OR von 3,0 [120]. Eine spanische, populationsbasierte Untersuchung identifizierte 2,130 Divertikelblutungen. Von 189 Fällen wurde die Begleitmedikation erhoben. Die Studie zeigt, dass „low-dose“ Aspirin mit 21,7 % die häufigste Begleitmedikation ist, etwa gleichauf liegen NSAIDS und Antikoagulantien mit 14,8 und 14,3 % [171].
Kortikosteroide
In der krankenhausbasierten Fallkontrollstudie von Jansen et al. wurden von 140 Patienten mit einer Divertikelkrankheit 30 mit einer Divertikelblutung identifiziert. 4/30 (13,3 %) Patienten mit Divertikelblutung nahmen Steroide ein gegenüber 4/110 (2,7 %) aus der Gruppe ohne Blutung. In einer Multivariatanalyse erwies sich die Steroideinnahme als ein unabhängiger Risikofaktor für die Divertikelblutung [119].
Kalziumantagonisten
In der Arbeit von Jansen nahmen 10/30 (33,3 %) der Patienten mit Divertikelblutung Kalziumantagonisten gegenüber 23/110 (20,9 %) aus der Gruppe ohne Blutung ein. In einer Multivariatanalyse erwies sich die Einnahme von Kalziumantagonisten als ein unabhängiger Risikofaktor für die Divertikelblutung [119] ([Tab. 6], [7], [8], [9]).
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Kapitel 3 Klinisches Erscheinungsbild (Definitionen), natürlicher Verlauf, Komplikationen, Epidemiologie
Die Literatur umfasst größtenteils retrospektive Analysen und Fallserien. Die Daten sind heterogen hinsichtlich der Definition der Krankheitsentitäten, der analysierten Patientenpopulation und der untersuchten Parameter.
Eine „Divertikelkrankheit“ des Kolons liegt vor, wenn eine Divertikulose zu Symptomen und/oder Komplikationen führt.
Konsensusstärke: starker Konsens
Als „symptomatische unkomplizierte Divertikelkrankheit“ werden persistierende oder rezidivierende, einer Divertikulose zuzuschreibenden Symptome – ohne Vorliegen einer apparenten Divertikulitis – bezeichnet.
Konsensusstärke: Konsens
Zur akuten „Divertikulitis“ kommt es bei Entzündung der Pseudodivertikel und angrenzender Strukturen. Eine akute, komplizierte Divertikulitis liegt bei Perforation, Fistel oder Abszess vor.
Konsensusstärke: starker Konsens
3.4 – 3.6 Natürlicher Verlauf und Komplikationen
Die chronische Divertikulitis ist gekennzeichnet durch rezidivierende oder persistierende Entzündungsschübe, die zu Komplikationen (Stenose, Fisteln) führen können.
Konsensusstärke: starker Konsens
Die Divertikulitis tritt vorwiegend linksseitig (C. sigmoideum) auf, kann jedoch auch rechtsseitig (C. ascendens oder Coecum) auftreten und wird dann oft als Appendizitis fehldiagnostiziert.
Konsensusstärke: Konsens
Eine Divertikelblutung hat eine Ruptur der Vasa recta zur Ursache. Sie äußert sich durch Hämatochezie, in schweren Fällen mit Kreislaufreaktion (RR-Abfall und Pulsanstieg).
Konsensusstärke: starker Konsens
Kommentar zu Statement 3.1 – 3.6
Die Definitionen der Divertikelkrankheit/symptomatische unkomplizierte Divertikelkrankheit und Divertikulitis sind in der Literatur nicht scharf, wobei v. a. die Abgrenzung Divertikulose mit Reizdarmsyndrom versus symptomatische unkomplizierte Divertikelkrankheit nicht präzise möglich ist [10] [73] [172] [173] [174].
Die Prävalenz der Divertikulose in der Gesamtbevölkerung der westlichen Industrienationen ist hoch, v. a. bei älteren Menschen.
Konsensusstärke: starker Konsens
Kommentar zu Statement 3.7
Die Prävalenz der Divertikulose wird in Studien mit verschiedenen Methoden (Endoskopie, Barium Kontrasteinlauf, Autopsie) zwischen 28 % (Screening Koloskopien; [1] (6)) und 45 % (Barium Kontrasteinläufen, [2] [3] [4] [5]) bis 60 % bei über 70-Jährigen (Autopsiestudien [6]) angegeben. Die Prävalenz der Divertikelkrankheit steigt mit dem Lebensalter an (z. B. von 0,17 auf 5,74 pro 1000 in den Altersgruppe bis 15 – 44 Jahre und > 75 Jahre) [66] [175].
Die Hospitalisierungsrate wegen Divertikulitis nimmt mit dem Lebensalter zu. In den westlichen Industrienationen ist eine Zunahme der Hospitalisierungsrate in den letzten Jahrzehnten zu beobachten.
Konsensusstärke: starker Konsens
Kommentar zu Statement 3.8
Die „relative“ Zunahme betrifft v. a. jüngere Patienten. Daten zu Hospitalisierungsrate wegen Divertikulitis wurden nach Analyse von Registerdaten u. a. aus den USA und England [71] [176] [177] [178] [179] [180] berichtet. Demnach werden jährlich 44 bis 120 Patienten/100 000 Einwohner wegen Divertikulitis stationär behandelt. In der letzten Dekade zeigt sich hierbei v. a. bei Patienten unter 45 Jahren eine deutliche Zunahme [71] [176]. Daten zur Behandlungshäufigkeit aus dem ambulanten Bereich liegen nicht vor. In einer prospektiven Beobachtungsstudie an 2127 Patienten mit dem endoskopischen Befund einer Divertikulose, traten während einer Nachbeobachtungszeit von fast 7 Jahren bei 4,3 % Symptome einer Divertikulitis auf (unter Zugrundelegung einer computertomografische Diagnosesicherung nur bei 1 % der Patienten). Das Risiko für eine Divertikulitis war für Patienten im höheren Lebensalter geringer [73]. In 2 großen prospektiven Kohortenstudien aus England und den USA mit einer Nachbeobachtungszeit von 18 bzw. 11,6 Jahren fand sich ebenfalls eine Divertikulitisinzidenz zwischen 1 – 2 % [107] [110].
Daten zur Häufigkeit der komplizierten (perforierten) Divertikulitis liegen populationsbezogen aus verschiedenen Ländern vor [138] [177] [181] [182]. Eine Divertikulitis unter immunsuppressiver Therapie [167] bzw. nach Organtransplantation hat einen schwereren Verlauf. Ein systematisches Review zu dieser Thematik gibt – bei unterschiedlichen Nachbeobachtungszeiten – die Inzidenz einer akuten Divertikulitis mit 1 % an (sofern Divertikel vorbekannt sind sogar 8 %); die Letalität der Divertikulitis beträgt in dieser Patientengruppe bis 25 % [144].
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Spontan- und Langzeitverlauf
Die Rezidivrate nach akuter Divertikulitis hängt von deren Schweregrad ab.
Konsensusstärke: starker Konsens
Kommentar zu Statement 3.9
Die retrospektiven Daten zu Rezidivraten nach akuter (stationär therapierter) Divertikulitis sind heterogen. In Abhängigkeit der analysierten Patientenpopulation werden Raten zwischen 2 % für die unkomplizierte Divertikulitis [183] und 35 % für Patienten mit schweren Verläufen berichtet, wobei in dieser Studie 26 % der Patienten notfallmäßig operiert wurden [184].
Es gibt Hinweise darauf, dass die Lebensqualität nach akuter Divertikulitis reduziert ist.
Konsensusstärke: Konsens
Kommentar zu Statement 3.10
Mehrere Studien legen nahe, dass die Lebensqualität von Patienten nach akuter Divertikulitis reduziert ist. Dies betrifft nicht nur gastrointestinale Symptome, sondern auch psychische Symptome wie Angst und Depression [185] [186] [187].
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Mortalität
Die komplizierte akute Divertikulitis hat eine relevante Letalität. Ein besonders Risiko besteht für Patienten unter immunsuppressiver Therapie.
Konsensusstärke: starker Konsens
Die Letalität der akuten Divertikelblutung ist abhängig von der Intensität und Aktivität sowie der Komorbidität.
Konsensusstärke: starker Konsens
Kommentar zu Statement 3.11, 3.12
Die Letalität der stationär therapierten akuten Divertikulitis liegt zwischen 0 und 13 %. Sie ist bei komplizierter Divertikulitis oder bei Patienten unter immunsuppressiver Therapie deutlich höher (8 – 24, 3 %; [144]). Eine notfallmäßige operative Intervention wird bei 2 – 62 % der Patienten erforderlich. Die weite Spannbreite reflektiert Unterschiede der retrospektiv analysierten Patientenpopulationen. Die Mortalität im ersten Jahr nach überstandener komplizierter Divertikulitis ist deutlich erhöht (nach Fistel 2,5-fach; nach Perforation 4,5-fach), wobei dies den bestehenden Komorbiditäten zugeschrieben wird [188]. Die Letalität der Divertikelblutung wird in einer größeren retrospektiven Serie mit 2,25 % angegeben [189].
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Assoziierte Erkrankungen
Eine Divertikulose kann selten mit einer segmentalen Kolitis assoziiert sein (SCAD).
Konsensusstärke: starker Konsens
Kommentar zu Statement 3.13
Neben den typischen klinischen Zeichen der Divertikelkrankheit wie abdominellen Schmerzen, Blutabgängen oder lokalem Peritonismus (s. o.) finden sich gelegentlich bei der Koloskopie entzündliche Veränderungen im Bereich des divertikeltragenden Darmsegments, die histologisch einer chronisch-entzündlichen Darmerkrankung ähneln. Das Krankheitsbild ist selten und es liegen nur wenige Fallserien vor [190] [191] [192].
Eine Assoziation einer Divertikulose mit dem Auftreten chronisch-entzündlicher Darmerkrankungen kann nicht belegt werden.
Konsensusstärke: starker Konsens
Kommentar zu Statement 3.14
In einem retrospektiven Vergleich war eine chronisch-entzündliche Darmerkrankung mit gleichzeitigem Vorliegen einer Divertikulose mit höherem Lebensalter, höherer Intensität der distalen Entzündungsaktivität und extraintestinaler Krankheitssymptomatik assoziiert [193]. Eine Divertikulose ist bei chronisch-entzündlicher Darmerkrankung seltener zu beobachten [194] [195]. Selbst wenn in der Biopsie Läsionen nachweisbar sind, die einer chronisch-entzündlichen Darmerkrankung ähnlich sind, ist der Nachweis solcher Läsionen nicht mit einer erhöhten Rate einer Kolitis assoziiert [23] [196].
Eine erhöhte Prävalenz von kolorektalen Karzinomen bei Patienten mit Divertikulose lässt sich nicht belegen.
Konsensusstärke: starker Konsens
Kommentar zu Statement 3.15
Obwohl Divertikulose und kolorektale Neoplasien epidemiologische Gemeinsamkeiten haben (zunehmende Inzidenz mit dem Lebensalter, gleichartige Risikofaktoren) liegen zur möglichen Korrelation widersprüchliche Daten vor, die durch unterschiedliche Analyseverfahren zu erklären sein dürften. Bei Patientinnen mit stark ausgeprägter linksseitiger Divertikulose fanden sich häufiger kolorektale Neoplasien im linken Kolon [197] [198] [199]; in anderen Studien traf dies v. a. für jüngere Patienten zu [200] [201]. Es gibt aber auch mehrere Studien, die keine Assoziation [202] [203] oder sogar geringere Rate von kolorektalen Karzinomen bei Patienten mit Divertikulose berichten [204] [205]. Die unterschiedlichen Ergebnisse dürften v. a. auf unterschiedliche Studienbedingungen und auf einen Bias im Sinne einer durch Symptome getriggerten Diagnostik zurückzuführen sein [206]. Diese Interpretation wird auch von einer aktuellen Arbeit gestützt, die eine 6fach höhere Karzinominzidenz im ersten halben Jahr nach Divertikulitis berichtet [207].
Die Symptomatik der symptomatischen unkomplizierten Divertikelkrankheit zeigt eine Überlappung zum Reizdarmsyndrom.
Konsensusstärke: starker Konsens
Kommentar zu 3.16
Das Beschwerdebild der symptomatischen unkomplizierten Divertikelkrankheit zeigt eine Überlappung zum Reizdarmsyndrom [173] [174]. In einer populationsbasierten Befragung wurden bei Patienten nach unkomplizierter Divertikulitis im Verlauf häufiger abdominelle Beschwerden berichtet, die eine Ähnlichkeit zum Reizdarmsyndrom aufweisen [208]. Eine symptomatische unkomplizierte Divertikelkrankheit geht mit einer gesteigerten viszeralen Sensibilität einher [65]. Ein kausaler Zusammenhang ist jedoch nicht belegt.
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Kapitel 4 Diagnostik und Stadieneinteilung
Vorbemerkung
Eine exakte Diagnose der Divertikelkrankheit ist Grundlage angemessener Therapie und gleichzeitig Voraussetzung, um unzureichende oder überschießende therapeutische Optionen zu vermeiden. Dies erscheint trivial, ist aber durchaus aktuell und praktisch bedeutsam [142] [209].
So wurden in einer älteren Untersuchung an 100 konsekutiven Resektaten bei elektiven Divertikulitisoperation in 24 % histologisch keine Entzündungszeichen nachgewiesen [210], andererseits besteht trotz unauffälliger Histologie in Biopsaten bei Patienten mit symptomatischer Divertikulose bereits eine signifikant veränderte Expressionen von Neuropeptiden des intestinalen Nervensystems [52] und schließlich weist die histologische Beurteilung bei Resektaten einer (im CT) „phlegmonösen“ Divertikulitis nach antibiotischer Therapie regelhaft einen Heilungserfolg auf, während nach antibiotischer Therapie bei gedeckter Perforation gravierende histologische Strukturanomalien verbleiben [211].
Diagnostisch bedeutsam sind dabei nicht nur die exakte diagnostische Erfassung der jeweils relevanten Situation im Spektrum der Divertikulitis und die differenzialdiagnostische Abgrenzung divertikulärer Symptome (Schmerz, Entzündung, Blutung) gegenüber einer Vielzahl anderer (extra)intestinaler Ursachen sondern – vor dem Hintergrund der Häufigkeit einer Divertikulose – auch die Berücksichtigung einer Koinzidenz mit anderen definierten Entitäten (z. B. mikrobieller Enteritis, kolorektales Karzinom, CED, Reizdarm).
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4.1 – 4.6 Anamnese, Basisdiagnostik, Differenzialdiagnose
Anamnese und klinische Untersuchung
Die Anamnese trägt wesentlich zur Einschätzung des potenziellen Krankheitswerts einer Divertikulose bei. Sie soll klären,
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ob Beschwerden durch Divertikel vorliegen und,
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ob Komplikationen zu erwarten sind.
In der Anamnese soll nach Medikamenten mit schädigendem Potenzial (u. a. NSAR, Immunsuppressiva) und Tabakkonsum gefragt werden.
Tabakkonsum
Konsensusstärke: starker Konsens, Empfehlungsstärke: starke Empfehlung
Kommentar zu Statement 4.1
Definitionsgemäß weist die asymptomatische Divertikulose keine Beschwerden auf; ihr kommt daher primär kein eigenständiger Krankheitswert zu. In der Klassifikation nach Hansen und Stock stellt die asymptomatische Divertikulose das Stadium 0 dar [8].
Prognostische Bedeutung erhält die Divertikulose jedoch aufgrund eines erhöhten Perforationsrisikos unter NSAR, Kortikosteroiden und Opiaten [167] sowie eines erhöhten Blutungsrisikos unter ASS und NSAR [166].
Raucher weisen ein erhöhtes Risiko für eine Divertikelperforation auf [111]. Der anamnestische Befund einer stattgehabten Divertikulitis kann für Komplikationen (Perforation) unter Immunsuppression (Transplantation, CED, Autoimmunerkrankungen) bedeutsam sein [151].
Blutungen aus Divertikeln/divertikulären Gefäßen sind i. d. R. schmerzlose, arterielle Blutungen, die spontan auftreten.
Differenzialdiagnose
Symptome bei Patienten mit Divertikeln (Divertikelkrankheit) sind schwer vom Reizdarmsyndrom abzugrenzen. Beides sind Erkrankungen, keine Befindlichkeitsstörungen [187]. Die Patienten weisen Beschwerden auf, Laboruntersuchungen (CRP, Leukozyten) können pathologisch ausfallen, die Endoskopie ist unauffällig, wohingegen subtile mikromorphologische und inflammatorische Veränderungen nachweisbar sind [212]. Laborchemisch kann Calprotectin im Stuhl bei einer Divertikelkrankheit diskret erhöht sein [213]. Der Parameter ist jedoch unspezifisch (pathologische Befunde u. a. bei CED, NSAR-Einnahme, Kolonkarzinomen und -adenomen) und nicht hinreichend diskriminierend.
Calprotectin sollte routinemäßig eher nicht zur Differenzialdiagnose eingesetzt werden.
Konsensusstärke: starker Konsens, Empfehlungsstärke: Empfehlung
Kommentar zu Statement 4.2
Patienten mit Divertikelkrankheit äußern überwiegend Schmerzen im linken unteren Quadranten, teils schneidend, mitunter rezidivierend, gelegentlich anhaltend, oft im Zusammenhang mit Meteorismus und Änderungen ihres Stuhlverhaltens. Die Lokalisation im linken Unterbauch erfährt jedoch durch die variable Lage des Sigmas und das Vorkommen von Divertikulitiden im rechten Kolon (14 % der Divertikulitiden) eine erhebliche Relativierung, worauf bereits frühe klinische Darstellungen hingewiesen haben [214] [215].
Flatulenz und/oder Stuhlentleerungen führen zu einer Erleichterung. Bei der Palpation ist das Sigma auf Druck empfindlich, gelegentlich aufgetrieben und bei der Perkussion tympanitisch. Eine derbe Walze als palpable Resistenz findet sich ebenso wenig wie objektive Hinweise auf eine Entzündung.
Reizdarmpatienten sind eher jünger, Patienten mit divertikuloseassoziierten Beschwerden eher älter; im Einzelfall ist dies jedoch nicht hilfreich. Überdies sind auch beim postinfektiösen RDS Veränderungen der enterochromaffinen Zellen und neurohumoraler Transmittersubstanzen beschrieben [216], sodass eine mikrobiell getriggerte viszerale Hypersensitivität als gemeinsamer Nenner angesehen werden kann.
Eine chirurgische stationäre Wiederaufnahme nach notfallmäßiger Sigmaresektion wird im Mittel mit 6,1 % (n = 19/317; R = 0 – 48 %) beschrieben, nach primär konservativer Therapie hingegen in 26,4 % (n = 141/534; R = 0 – 55 %) [217]. Diese in einer Subgruppe einer großen Patientenzahl erhobenen Daten (21 Studien mit n = 31 366 Patienten) beleuchten summarisch unterschiedliche Aspekte: residuale oder rekurrierende Befunde einerseits, die Notwendigkeit einer elektiven oder aufgeschobenen Operation für einen Teil der konservativ behandelten Patienten andererseits. Zur Frage z. B. der Differenzialdiagnose eines Reizdarms kann sie wenig beitragen, da diese Patienten i. a. nicht wieder chirurgisch stationär vorstellig werden.
Eine Persistenz des Beschwerdebildes nach Sigmaresektion unter der Indikation einer Divertikelerkrankung wird in etwa 22 – 25 % beschrieben [218] [219]. Neben einer rekurrierenden Divertikelentwicklung mit Symptomen und Verwachsungsbeschwerden als Operationsfolge kommt hierfür insbesondere das Vorliegen eines Reizdarmsyndroms infrage, dessen Symptomatik die Operationsindikation begünstigt hat. Ein gelegentlich hilfreiches Indiz, das gegen eine entzündliche Erkrankung/Divertikulitis spricht und als ein Hinweis auf funktionelle bzw. psychosomatische Beschwerden gewertet werden kann, ist das Schließen der Augen bei der abdominellen Palpation (closed eye sign) [220].
Entsprechend der deutschen Leitlinie zum Reizdarm beinhaltet die Diagnose eines Reizdarms abdominelle Beschwerden (Schmerz, Blähungen), die von Arzt und Patient auf den Darm bezogen werden, die länger als 3 Monate bestehen, die die Lebensqualität beeinträchtigen und damit die ärztliche Untersuchung veranlasst haben und die nicht durch andere Befunde bei symptomgeleiteter Diagnostik erklärt sind [221].
In diesem Zusammenhang ist von Bedeutung, dass die Rom-II-Kriterien eines Reizdarmsyndroms gehäuft (OR 1,8; im Alter > 65 Jahre: OR 9,4) bei Patienten mit einer Divertikulose (Frauen 17 %; Männer 9 %), nicht aber mit einer Divertikulitis gefunden werden [208]. Entsprechend sollte nicht von einer Divertikulitis gesprochen werden, wenn nicht durch bildgebende Verfahren entzündliche Veränderungen der Divertikel belegt sind [222].
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Basisdiagnostik
Die Untersuchung von Patienten mit V. a. eine Divertikulitis soll die Palpation, Perkussion und Auskultation des Abdomens, eine rektale Untersuchung, die Temperaturmessung sowie die Bestimmung der Leukozyten, des CRP und eine Urinanalyse beinhalten.
Bei klinischem Bild einer akuten Divertikulitis soll eine zeitnahe Befundkontrolle (Beschwerden, Abdominalbefund, Temperatur, CRP, Leukozyten) erfolgen.
Konsensusstärke: Konsens/starker Konsens, Empfehlungsstärke: starke Empfehlung/starke Empfehlung
Kommentar zu Statements 4.3
Akut einsetzende, lokalisierte, zunehmende Schmerzen im linken Unterbauch in Verbindung mit pathologischen Entzündungsparametern (Temperaturerhöhung > 37,6 – 38 °C, CRP > 5 mg/100 ml, Leukozytose > 10 – 12 000/µl) sind typische Symptome der Divertikulitis [223]. Dabei entwickeln sich die Entzündungsparameter i. d. R. erst über 1 – 2 Tage als Diskriminierungsmerkmal eines abszedierenden/komplizierten Verlaufs, sodass die „48 Std.-Regel“ mit klinischer Beobachtung des Patienten (Palpationsbefund, Temperatur) und Laborkontrollen (CRP) über diesen Zeitraum der diagnostischen Sicherheit dem Interesse des Patienten dient [224].
Die ambulante Diagnose ist an die gleichen Kriterien gebunden. Dass die Erfassung der notwendigen Daten einer kritischen Evaluation dabei u. U. nicht standhält, zeigt eine aktuelle Untersuchung, in der bei > 50 % der Patienten die Temperaturmessung (52,4 %) oder Leukozyten (65,5 %) nicht erfasst wurden. Bei > 75 % der ambulant als Divertikulitis apostrophierten Befunde fehlte mindestens eines der 3 Kriterien (Schmerzen LUQ, Fieber, Leukozytose). [209].
Das klinische Erscheinungsbild wird aufgrund der Symptomatologie gelegentlich als „linksseitige Appendizitis“ apostrophiert. Rektaler Luftabgang, eine spontane Stuhlentleerung, Übelkeit, Obstipation oder Diarrhoe können die Symptomatik ergänzen. Eine Pollakis-, Dys-, Pneumat- oder sogar Hämaturie sowie Schmerzen im Genitalbereich/Dyspareunie deuten auf lokale Komplikationen hin (Fistelung, Perforation in die Blase, Irritation des Plexus sacralis). Erbrechen kommt im Vergleich mit unspezifischen Beschwerden (z. B. Gastroenteritis) bei der Divertikulitis seltener vor [225] [226], ist aber als vegetative Symptomatik gelegentlich auch Teil der Symptomatik bei der komplizierten Divertikulitis. Bewegungsabhängigkeit des Schmerzes spricht eher für eine Sigmadivertikulitis. Die Gewichtung der anamnestischen und klinischen Befunde (i. e. Alter > 50 Jahre [OR 2,15], vorausgehende Episoden [OR 5,67], Druckschmerz LUQ [OR 2,96], Verstärkung des Schmerzes bei Bewegung [OR 3,28], CRP > 50 mg/l [OR 5,18], Lokalisation der Schmerzen im li Unterbauch [OR 1,73] und das Fehlen von Erbrechen [OR 1 vs. 0,38]) zeigt die typische Befundkonstellation der Divertikulitis auf und ermöglichte durch multivariate Regression die Erstellung eines Nomogramms, das für die klinische Diagnose eine Accuracy von 86 % erreicht. Die Anwendung dieses Scoresystems kann die Rate falsch negativer klinischer Befunde möglicherweise künftig reduzieren [226].
Die Divertikulitis sollte als Differenzialdiagnose akuter Bauchschmerzen auch bei jüngeren Patienten (< 40 Jahre) erwogen werden.
Konsensusstärke: Konsens, Empfehlungsstärke: Empfehlung
Kommentar zu Statement 4.4
Patienten mit dem Bild einer Divertikulitis sind überwiegend > 40 Jahre alt [227], das Problem der Divertikulitis bei jüngeren Patienten (18 – 44 Jahre) hat jedoch erheblich zugenommen [71]. Bei Frauen soll durch eine gynäkologische Anamnese die Differenzialdiagnose von Erkrankungen des inneren Genitale (z. B. Mittelschmerz, Adnexitis/Salpingitis, Endometriose, Ovarialcyste ± Einblutung, Eileiterschwangerschaft) in Betracht gezogen und ggfs. durch bildgebende Verfahren (US) und fachärztlich-gynäkologische Untersuchung weiter erhellt werden.
Die Palpation deckt im Allgemeinen regelhaft eine (linksseitige) primär umschrieben lokalisierte Druckschmerzhaftigkeit, bei peritonealer Reizung auch eine Abwehrspannung und Loslassschmerz im Unterbauch auf (fehlt z. B. bei dorsaler, retrovesikaler Lage des entzündeten Divertikels). Das Vorliegen eines Leistenbruchs wird durch Untersuchung der Bruchpforten differenzialdiagnostisch ausgeschlossen. Die rektale Untersuchung löst bei tiefem Sitz der Divertikulitis ggfs. Schmerzen aus. Das Schließen der Augen bei der Palpation (closed eye sign) gilt als Hinweis auf funktionelle bzw. psychosomatische Beschwerden [220]. Eine Tympanie ist nicht selten, aber unspezifisch. Auf Zeichen eines bereits bestehenden Ileus (Paralyse bei freier Perforation) ist insbesondere beim schwer kranken Patienten zu achten; zur Verlaufsbeurteilung sollte der Auskultationsbefund aber immer erfasst werden. Bei einer diffusen Peritonitis durch eine Perforation in die freie Bauchhöhle besteht ein akutes Abdomen.
Die Divertikulitis soll als Differenzialdiagnose akuter Bauchschmerzen auch bei rechtsseitiger oder suprapubischer Schmerzlokalisation erwogen werden.
Konsensusstärke: Konsens, Empfehlungsstärke: Starke Empfehlung
Kommentar zu Statement 4.5
Nicht nur eine rechtsseitige Divertikulitis (Divertikulitis im rechten Hemikolon), auch eine weit nach rechts ausladende Sigmaschleife kann eine rechtsseitige Symptomatik verursachen, zudem ist eine suprapubische Lokalisation nicht selten [214].
In der Akutdiagnostik und zur Verlaufsbeurteilung ist das CRP der am besten etablierte und validierte Laborparameter. Bei V. a. eine Divertikulitis soll daher grundsätzlich die Bestimmung des CRP zur Diagnosestellung und als Verlaufsparameter erfolgen. Ein Urinstatus gehört zur Basisdiagnostik.
Konsensusstärke: starker Konsens, Empfehlungsstärke: starke Empfehlung
Kommentar zu Statement 4.6
Eine Leukozytose > 10 – 12 000/µl, eine Erhöhung des C-reaktiven Proteins (CRP) > 5 mg/100 ml (0,8 mg/100 ml) und eine beschleunigte BSG > 15 mm/Std. reflektieren das Vorliegen einer Entzündung ebenso wie ein erhöhtes Calprotectin im Stuhl. Für die Akutdiagnostik in einer Aufnahmeeinheit ist die Bestimmung von Calprotectin im Stuhl nicht sinnvoll; gleiches gilt für andere Entzündungsindikatoren wie Fibrinogen, saures α1-Glykoprotein oder Interleukin-6 und LPS (lipopolysaccharidbindendes Protein). LPS findet sich zwar früh bei einer stenosierenden Divertikulitis erhöht, dies ist aber auch für bakterielle Gastroenteritiden der Fall [228] [229].
Am verlässlichsten erscheint das CRP geeignet, im klinischen Kontext eine Divertikulitis zu objektivieren. Die Höhe des CRP korreliert dabei tendenziell mit komplizierten/perforierten Verläufen.
Dabei spiegeln Werte > 5 mg/100 ml eine Divertikulitis wieder, während ein CRP > 20 mg/100 ml den Verdacht auf eine Perforation erweckt (PPV 69 %). CRP-Konzentrationen < 5 mg/100 ml beinhalten einen negativen prädiktiven Wert (NPV) für eine Perforation von 79 % [230]. Die Angabe derartiger Cut-off-Konzentrationen bedarf jedoch der Relativierung unter Bezug auf die methodenbedingten jeweiligen Normalwerte.
Leukozyten und Temperatur differenzieren demgegenüber perforierende Verläufe nicht von einer nicht perforierten Divertikulitis [227].
Angaben zur Häufigkeit eines positiven CRP-Befunds variieren beträchtlich; während eine italienische Arbeitsgruppe [231] ein erhöhtes CRP in 62 % der Divertikulitispatienten findet (BSG 57 %; Leukozytose 21 %), weisen in der Publikation von Toorenvliet aus den Niederlanden 56/57 Patienten mit der Diagnose Divertikulitis mind. einen Inflammationsbefund (Leukozyten > 12 000/µl, CRP > 0,8 mg/100 ml, BSG > 15 mm/1 Std. oder Temp. > 38 °C) auf. Wie viele Patienten die einzelnen genannten Parameter aufwiesen, ist hierbei jedoch nicht bekannt.
In der Untersuchung von Laurell et al. [227] wurde bei 16 % der Patienten mit der Entlassungsdiagnose Divertikulitis ein normaler CRP-Wert erhoben; bei 25 % waren die Leukozyten normal, bei 29 % die Körpertemperatur. Auffallend und als Einschränkung zu werten ist, dass in dieser Untersuchung bildgebende Verfahren praktisch keine Rolle spielten: bei unkomplizierter Divertikulitis wurde ein CT in nur 4 % durchgeführt, bei komplizierter Divertikulitis (Perforation) in 36 %. Da hier die Sonografie nicht zur Divertikulitisdiagnostik eingesetzt wurde, bleibt offen, wie korrekt die Einstufung „Entlassungsdiagnose Divertikulitis“ als Goldstandard tatsächlich ist.
Als Indikator einer komplizierten Divertikulitis kommt dem CRP mit 84 % in einer Serie von 101 operierten Patienten (95 % CI 71,7 – 92,4) die höchste Sensitivität zu (Leukozyten 79 % (66,1 – 88,6), Temperatur > 37,5 °C 38,6 % Sensitivität (95 % CI 26,0 – 52,4 %); [232].
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4.7 – 4.13 Bildgebung/Schnittbildverfahren
Zur Diagnosesicherung einer Divertikulitis soll ein Schnittbildverfahren durchgeführt werden.
Konsensusstärke: starker Konsens, Empfehlungsstärke: starke Empfehlung
Kommentar zu Statement 4.7
Die klinische Diagnose einer Divertikulitis (ohne bildgebende Untersuchungen) weist in verschiedenen Untersuchungen einheitlich eine substanzielle Fehlerrate auf. Die niederländischen Untersuchungen von Toorenvliet et al. (2010) sowie Laméris et al. (2010) dokumentieren eine Sensitivität von 68 % und einen positiven prädiktiven Wert von 65 % bzw. eine Sensitivität von 71 %. Laurell et al. (2007) haben hier trotz der genannten Einschränkungen eine ähnliche Sensitivität (64 %). Schwerk et al. [233] beschreiben eine falsch-positive klinische Einschätzung (highly suspected diverticulitis) in 9/28 Fällen und 44/68 Fällen mit weniger deutlichem klinischem Verdacht (possible but equivocal diverticulitis) sowie eine falsch negative Einschätzung in 9/34 Fällen (diverticulitis very unlikely).
Die Durchführung eines Urinstatus ist erforderlich, um Differenzialdiagnosen seitens des Harnwegssystems (z. B. Zystitis, Ureterolithiasis) oder Komplikationen einer Divertikulitis (Sigma-Blasenfistel, Begleitzystitis) zu erfassen.
Bildgebende Verfahren
Da die klinische Diagnose durch Anamnese, Untersuchungsbefund und Labor nicht hinreichend zuverlässig ist (Sensitivität 64 – 71 %), kommt bildgebenden Verfahren (Schnittbilduntersuchungen) für die Diagnostik der Divertikulitis eine entscheidende diagnostische und auch differenzialdiagnostische Bedeutung zu.
Ultraschalldiagnostik (US)
Die qualifizierte abdominelle Sonografie soll als aussagefähiges Schnittbildverfahren in der Primär- und Verlaufsdiagnostik der akuten Divertikulitis eingesetzt werden.
Konsensusstärke: starker Konsens, Empfehlungsstärke: starke Empfehlung
Kommentar zu Statement 4.8
Die Ultraschalluntersuchung ist geeignet, die Diagnose und den Schweregrad einer Divertikulitis abzubilden, wichtige Differenzialdiagnosen zu erkennen und das therapeutische Vorgehen stratifiziert zu lenken.
Vor dem Hintergrund fehlender oder geringer Erfahrungen mit der abdominellen Sonografie bei gastroenterologischen und viszeralchirurgischen Klinikern in den USA, England und Skandinavien ist die Unsicherheit bezüglich der Rolle der Sonografie in der Diagnostik der Divertikulitis in der englischsprachigen Literatur nachvollziehbar. In Kontinentaleuropa ist demgegenüber i. d. R. in größerem Umfang ein höheres Maß an sonografischer Expertise in Klinik (Gastroenterologie, Radiologie, Chirurgie) und Praxis etabliert, die eine andere Position rechtfertigt.
Da überdies in Deutschland die Röntgenverordnung von 2011 [in § 23 (1)] vorschreibt, dass eine Röntgenuntersuchung nur dann durchgeführt werden darf, wenn eine rechtfertigende Indikation vorliegt, wobei andere Verfahren mit gleichwertigem gesundheitlichem Nutzen, die keine …Strahlenexposition aufweisen, bei der Abwägung zu berücksichtigen sind, ist die Ultraschalluntersuchung als breit verfügbare, zuverlässige und sehr preiswerte Technik die Methode der ersten Wahl bei V. a. Divertikulitis.
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Durchführung/Kriterien der Sonografie
Die Sonografie bei V. a. eine Divertikulitis soll mit Schallfrequenzen von ≥ 3,5 MHz (optimal > 5 MHz) unter dosierter Kompression am Ort des Schmerzmaximums erfolgen; dabei sollten insbesondere auch die Umgebungsstrukturen sowie das restliche Abdomen standardisiert untersucht werden.
Konsensusstärke: starker Konsens, Empfehlungsstärke: starke Empfehlung
Kommentar zu Statement 4.9
Besondere technische Vorbereitungen sind zur Sonografie bei der Divertikulitis nicht erforderlich; die akute Divertikulitis ist überdies die einfachste Ultraschalldiagnose am Intestinaltrakt.
Die Verwendung eines hochauflösenden Schallkopfes (≥ 5 MHz) bietet eine optimale Auflösung bei i. d. R. ausreichender Schallbarkeit unter dosierter Kompression. Vorteil der Sonografie ist die unmittelbare und gezielte Erfassung des maximalen Schmerzpunkts anhand der Patientenschilderung und des Palpationsbefunds, die den Ort der Divertikulitis und ggfs. ihrer Komplikation vorgibt. Der charakteristische Befund findet sich regelhaft an dieser Stelle; er beinhaltet neben dem exakt lokalisierbaren Druckschmerz
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eine echoarme, zunächst asymmetrische Wandverdickung (> 5 mm) mit Aufhebung der Wandschichtung, geringer Verformbarkeit unter Druck und einer Einengung des Lumens,
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die (in Abhängigkeit von der Extrusion des ursächlichen Fäkolithen [234]) variabel echoarme Darstellung des entzündeten Divertikels, umgeben von
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einer echogenen Netzkappe (perikolische entzündliche Fettgewebsreaktion) und
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gelegentlich echoarmen Entzündungsstraßen [234] [235] [236].
Die hypoechogene Divertikelprotrusion mit echogenem Zentrum wurde (bei Patienten mit rechtsseitiger Divertikulitis) auch als Dom-Zeichen bezeichnet [237]. Als sonografische Kriterien eines Abszesses gelten die echoarme bzw. echofreie parakolische oder intramurale Herdbildung mit echogenen, Reverberationsechos bzw. Kometenschweifartefakte hervorrufenden Luftreflexen während Luftreflexe innerhalb echoarmer bandförmiger Strukturen Charakteristika von Fisteln sind. Leitstrukturen einer freien Perforation sind der Nachweis freier Luft sowie freier gemischt echogener Flüssigkeit.
Mit sehr hochauflösenden Schallfrequenzen (≥ 7,5 MHz) können die Darmwandschichten zuverlässig dargestellt werden. Die Muskelhypertrophie und Elastosis sowie die dadurch senkrecht durch die Sigmawand verlaufenden nutritiven Gefäße sind ein regelhafter Befund, der prärequisitär für die (linksseitige) Divertikelbildung ist. Etwa 85 % der endoskopisch verifizierten Divertikulosepatienten können sonografisch richtig erkannt werden, wobei die Zahl der entdeckten Divertikel im US stets geringer ist als bei der Koloskopie [238].
Bei der akuten Divertikulitis betragen die Sensitivität und Spezifität für die abdominelle Sonografie bei gerichteter Fragestellung und prospektiver Evaluation in der Hand des Erfahrenen jeweils 98 % [233]. Die direkte Darstellung des entzündeten Divertikels ist bei unkomplizierter akuter Divertikulitis mit einer Sensitivität von 96 % möglich, bei kompliziertem Befund aber erkennbar schwieriger (Sensitivität insgesamt 77 %, Spezifität 99 %) [236]. Während sich der Ultraschall zumeist direkt am (schmerzhaften) entzündeten Divertikel orientiert, kommt dem Nachweis des entzündeten Divertikels in der CT-Diagnostik der Divertikulitis bei 99 % Sensitivität, Spezifität und PPV für die Divertikulitisdiagnostik nur geringe Sensitivität (30 %; [215]) und Interobserverübereinstimmung zu [239].
Eine frühe systematische prospektive Vergleichsuntersuchung aus Frankreich weist für Sonografie und CT eine Accuracy von jeweils 84 % aus; die Sensitivität lag bei 85 vs. 91 %, die Spezifität bei 84 und 77 %, der PPV bei 85 vs. 81 %, NPV 84 vs. 88 %. Hinsichtlich anderer, alternativer Diagnosen lag die Sensitivität für das CT mit 50 vs. 33 % (US) ebenso höher wie für die Detektionsrate perikolischer Abszesse [240].
Eine retrospektive Analyse aus Spanien zeigt eine Sensitivität von 86 % bei operierten Patienten mit einer akuten Divertikulitis, aber 94 % Sensitivität in der Gesamtgruppe aller Patienten mit akuter Divertikulitis. Die Differenz lässt erkennen, dass insbesondere die unkomplizierte akute Divertikulitis eine Domäne der Sonografie ist; in dieser Untersuchung zeigte sich jedoch auch, dass 10 von 34 notfallmäßig operierten Patienten falsch negative US-Befunde aufwiesen (Sensitivität 70 %) [241].
In einer vergleichenden prospektiven Studie aus Deutschland mit 4 erfahrenen Ultraschalluntersuchern und den CT-Möglichkeiten einer Universitätsklinik wies die Sonografie eine Sensitivität von 100 % (CT 98 %) auf, die Spezifität betrug für beide Verfahren 97 %. Hinsichtlich einer ausgedehnten Peridivertikulitis und gedeckter Perforationen zeigte die CT eine deutliche Tendenz zum Überstaging, die Sonografie dagegen eine etwas weniger ausgeprägte Tendenz zum Understaging. Freie Perforationen oder Abszesse wurden mit keinem der beiden Verfahren übersehen [242].
Bei besonderen Lokalisationen (Distanzabszesse weit mesenterial, tief liegende Divertikulitiden im unteren Sigma) hat die US-Untersuchung Nachteile gegenüber der CT-immanenten Übersicht und Detektionsrate. Dies sollte insbesondere bei der Einschätzung der Lokalsituation bei notfallmäßiger OP-Indikation bedacht werden.
Konsensusstärke: Konsens, Empfehlungsstärke: Empfehlung
Kommentar zu Statement 4.10
Tief im unteren Sigma liegende Divertikulitiden entziehen sich auch bei erfahrenen Untersuchern leicht dem sonografisch geführten Nachweis. Hier ermöglichen neben der CT sowohl die endorektale wie auch bei Frauen insbesondere die transvaginale Sonografie mit Endfire-Sonden einen deutlichen diagnostischen Gewinn [243] [244].
Die hohe Aussagefähigkeit der abdominellen Sonografie (Sensitivität 84 %, Spezifität 93 %; PPV 93 %, NPV 84 %, Accuracy 88 %) bleibt auch dann weitgehend erhalten, wenn nicht ein virtuoser „Spezialist“, sondern eine Vielzahl von in einem Grundkurs und durch 3-monatigen US-Einsatz in der abdominellen Sonografie ausgebildeten Anwendern (hier: 11 chirurgische Ärzte einer Universitätsklinik) Ultraschalluntersuchungen zur Frage einer akuten Divertikulitis prospektiv durchführen [245].
Bei systematisch vergleichender prospektiver Evaluation im Rahmen der radiologischen Abklärung von Bauchschmerzen ohne fokussierende Fragestellung zeigen US (90 %) und CT (89 %) einen vergleichbaren PPV (NPV 95 und 98 %) und gleiche Spezifität (99 %) bei höherer Sensitivität für das CT (81 vs. 61 %) [246]. Die Befunde dieser Untersuchung sind partiell schwer interpretierbar. So wirft die Feststellung, dass die finale Diagnose (Goldstandard) bei 24 % erst durch eine Gruppendiskussion erreicht wurde ebenso Fragen auf wie die vergleichsweise sehr geringe Sensitivität der US-Diagnose einer Cholezystitis (73 %) mit einem PPV von 37 %. Die Teilnahme von Untersuchern mit weniger als 500 abdominellen Ultraschalluntersuchungen zeigte sich bezüglich der Divertikulitisdiagnose als Nachteil (Sensitivität 50 %); > 500 Untersuchungen: Sensitivität 100 %. Zum Vergleich: für die Appendizitisdiagnose zeigten sich eine Sensitivität von 64 bzw. 76 % bei o. g. Ausbildungsstandard als Indiz für die eingangs (3.3.1.1) getroffene Feststellung, dass die sonografische Divertikulitisdiagnostik die einfachste US des Intestinaltrakts darstellt und relativ rasch erlernbar ist. Und: auch für die Beurteilung einer CT-Kolonografie wird unter Radiologen eine Trainingserfahrung von 500 Untersuchungen mit endoskopischer Kontrolle für sinnvoll erachtet [247].
Zwei Metaanalysen vergleichen die methodische Qualität der Sonografie und des CT.
Liljegren et al. [248] belegen anhand der strikten Kriterien des Centre for Evidence-Based Medicine/Oxford, dass die diagnostische Genauigkeit des Ultraschalls für die Erfassung der akuten Divertikulitis bei klinischem Verdacht der des CT gleichwertig ist. Die Schlussfolgerung dieser Metaanalyse lautet: The scientific basis available to this review supports US as the method of choice in the diagnosis of acute diverticulitis.
Ausschlaggebend dabei war in erster Linie eine höhere Studienqualität in den Publikationen zum US im Vergleich zum CT und MRT [249].
Laméris et al. [250] testeten die prospektiven Studien mittels des QUADAS-Tools, einem Test zur Evaluation der Qualität von Studien. Die Sensitivität für US und CT war dabei vergleichbar (92 % [CI 80 – 97 %] vs. 94 % [CI 87 – 97 %], ebenso die Spezifität mit 90 % [CI 82 – 95 %] vs. 99 %[CI 95 – 100 %]) [251].
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Röntgenologische Verfahren und Magnetresonanztomografie (MRT)
Ultraschall und/oder Computertomografie (CT) sollen als diagnostische Verfahren bei V. a. Divertikulitis eingesetzt werden. Der Kolonkontrasteinlauf soll nicht mehr zur Diagnose der Divertikulitis eingesetzt werden.
Konsensusstärke: starker Konsens, Empfehlungsstärke: starke Empfehlung
Kommentar zu Statement 4.11
Die Schnittbildverfahren (US, CT) ermöglichen durch die Darstellung der extraluminalen Strukturen eine umfassende differenzialdiagnostische Beurteilung einer Divertikulitis bzw. ihrer Komplikationen.
Diagnostische Kriterien für eine Divertikulitis sind der direkte Nachweis von entzündeten Divertikeln, eine Darmwandverdickung auf über 3 (5)mm und eine vermehrte Kontrastmittelaufnahme in der CT und MRT (ggf. auch Kontrastmittelschall/CEUS [contrast enhanced ultrasound]). Indirekte Zeichen sind die perifokale mesenteriale Injektion sowie freie abdominelle Flüssigkeit als Ausdruck einer Entzündung. Gedeckte oder freie Perforationen sowie der Nachweis von Abszessen sind in allen bildgebenden Verfahren Zeichen einer komplizierten Divertikulitis.
Die CT-Untersuchung bei V. a. akute Divertikulitis ist eine praktikable und wertvolle Untersuchung. Sie ist geeignet, die Diagnose und des Schweregrad einer Divertikulitis abzubilden, wichtige Differenzialdiagnosen zu erkennen und das chirurgische Vorgehen stratifiziert zu lenken.
Für die Computertomografie haben bereits ältere Studien mit noch einzeiliger Detektorkonfiguration Sensitivitäten und Spezifitäten zwischen 87 und 100 % bzw. 90 – 100 % ausgewiesen [215] [252] [253] [254]. Dabei ist die Methode sehr gut geeignet, den Schweregrad der Erkrankung zu bestimmen und ggf. weitere chirurgische Konsequenzen zu veranlassen [255] [256]. Der Schweregrad der Veränderungen im CT gibt bei initial konservativ behandelten Patienten Hinweise auf die Operationsindikation im weiteren Verlauf, allerdings war auch bei schwerwiegenden CT-Befunden (perikolische Luft, Abszess) bei der überwiegenden Mehrzahl der Patienten im Verlauf keine OP-Indikation gegeben [255]. Die Beurteilung von Komplikationen wie Abszessen und gedeckten oder freien Perforationen ist in der CT mit hoher Sicherheit möglich [257]. Hier hat sich in Studien gezeigt, dass die CT der Sonografie überlegen ist [241]. Zusätzlich lässt sich radiologisch interventionell ggf. eine Abszessentlastung anstreben, die den Verlauf der Patienten vor einem chirurgischen Eingriff verbessern kann [258] [259] [260].
Die technische Durchführung der CT kann in Abhängigkeit von der klinischen Situation modifiziert werden. Dabei soll eine geeignete Methodik gewählt und auf die Verminderung der Strahlenexposition konsequent hingewirkt werden.
Konsensusstärke: Konsens, Empfehlungsstärke: starke Empfehlung
Kommentar zu Statement 4.12
Die Computertomografie wird gegenwärtig in Deutschland in den meisten Kliniken als Untersuchung mit intravenöser und oraler positiver Kontrastierung mit verdünnten Jodhaltigen Kontrastmitteln durchgeführt. Zusätzlich wird eine rektale Kontrastierung mit einem Einlauf mit wasserlöslichem Kontrastmittel zur besseren Beurteilung des Rektums und des Sigmas empfohlen. Die Untersuchung wird als reguläres Abdomen-CT in der portalvenösen Phase mit einer Röhrenspannung von 100 – 120 kVp und einem Röhrenstrom von etwa 120 mAs durchgeführt.
Die angegebenen Untersuchungsparameter sind eine Beschreibung des Ist-Zustands. In den letzten Jahren wurden Studien durchgeführt, die sowohl auf die intravenöse wie auch die orale bzw. rektale Kontrastierung verzichten; zusätzlich vermag die Verwendung moderner Mehrzeilen-CTs, die eine Low-Dose-Technik mit 30 mAs einsetzen, zu den gleichen diagnostischen Ergebnissen wie die reguläre CT zu kommen [239]. Dies könnte theoretisch die Strahlenexposition von durchschnittlich 10 mSv auf etwa 3 mSv reduzieren, was die Anwendbarkeit der Untersuchung erweitern würde. Ein Vergleich zwischen der Einzeilen- und der Mehrzeilentechnologie bei der CT existiert nicht. Da bereits in den Studien mit Einzeilentechnik Sensitivitäten und Spezifitäten von nahezu 100 % erreicht wurden, ist kein relevanter Benefit von der Mehrzeilendiagnostik zu erwarten. Andererseits kommen aktuell nur mehr Mehrzeilengeräte auf den Markt, sodass eine medizinische Diskussion hier überflüssig erscheint.
Somit kann für die CT bez. der Gerätetechnik konstatiert werden, dass alle heute eingesetzten modernen CTs für die Diagnose ausreichend und geeignet erscheinen. Bezüglich der intravenösen sowie der oralen und rektalen Kontrastierung gibt es vereinzelte Publikationen, die den Verzicht auf jede Kontrastierung möglich erscheinen lassen [239]. Der Evidenzgrad dieser einzelnen Studien scheint für eine allgemeine Anwendung noch nicht ausreichend zu sein, sodass gegenwärtig weiter die oben beschrieben Technik bei fehlenden Kontraindikationen angewandt werden sollte. Hier wird die Literatur der nächsten Jahre bezüglich einer evidenzbasierten Anwendung jedoch kritisch reevaluiert werden müssen.
Der Einsatz des CT ist in der älteren chirurgisch dominierten Divertikulitisliteratur oft das einzige und in variablem Umfang eingesetzte Schnittbildverfahren. Anlass zu einer kritischen Betrachtung gibt in diesem Zusammenhang eine Studie aus den Niederlanden, die die Validität der präoperativen CT-Untersuchung bei allen (n = 75) Patienten untersucht hat, die wegen einer perforierten Divertikulitis in zwei großen Kliniken notfallmäßig operiert wurden und innerhalb von 24 Std. zuvor ein CT erhielten. Die Beurteilung erfolgte retrospektiv anhand der CT-Datensätze durch zwei unabhängige Radiologen ohne Berücksichtigung der Klinik. Dabei stellte sich unerwartet die Accuracy des CT mit 71 – 92 % für unterschiedliche Stadien der Perforation deutlich geringer dar (PPV 45 – 89 %), als allgemein angenommen. Bei 42 % der Patienten im Stadium Hinchey 3 wies das CT ein Understaging (Hinchey Stadium 1 oder 2) aus (wodurch der PPV des CT für Hinchey Stadium 1 und 2 bei nur 61 % liegt) [249].
In einer vergleichbaren Untersuchung aus Deutschland wurde das präoperative CT mit dem intraoperativen Befund und der Histologie bei 204 Patienten verglichen. Dabei zeigte sich im Stadium Hansen & Stock (HS) IIa (Phlegmone) eine korrekte Detektion bei 52 % (OP-Befund) bzw. 56 % (Histologie). Ein Understaging bestand in 12 bzw. 11 %, ein Overstaging in 36 (33)%. Die Treffsicherheit bei den abszedierenden Stadien (HS IIb, Hinchey I/II) lag bei 92 % (OP-Befund) bzw. 90 % (Histologie) mit einem Understaging von 3 bzw. 0 % und einem Overstaging in 5 (10) %. Die freie Perforation (HS IIc, Hinchey 3/4) wurde in 100 % korrekt erfasst, sodass der PPV der Computertomografie für HS IIa, HS IIb und HS IIc bei 52 (56)%, 92 (90)% und 100 (100)% lag [251]. Die Wertigkeit der radiologischen Beurteilung erscheint somit im (wichtigen) Stadium HS IIa/IIb deutlich untersucherabhängig (Understaging in den Niederlanden, Overstaging in Deutschland). Zur präoperativen Differenzialdiagnose der phlegmonösen Divertikulitis (HS IIa) gegenüber perforierten Verläufen (HS IIb/IIc) ist das CT nicht einheitlich als Goldstandard zu bewerten.
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Magnetresonanztomografie (MRT)
MRT-Untersuchungen sollten eher nicht zur routinemäßigen Diagnostik der Divertikulitis durchgeführt werden.
Konsensusstärke: starker Konsens, Empfehlungsstärke: Negativempfehlung
Kommentar zu Statement 4.13
Die MRT zur Beurteilung der Divertikulitis des Kolons hat bisher in der Praxis und in Studien noch keine breite Basis gefunden. Für die praktische Durchführung finden sich mehrere Probleme: Häufig ergeben sich durch die starken abdominellen Schmerzen bei der lang andauernden Datenakquisition Bewegungsartefakte. Klaustrophobie verhindert gelegentlich eine adäquate Durchführung der Untersuchung. Zusätzlich ist eine MRT an vielen Kliniken nicht 24 Stunden für den Notfallbetrieb verfügbar und mit höheren Kosten im Vergleich zur CT verbunden. Gerade die klinisch und therapeutisch sehr wichtige Frage nach kleinen Luftmengen um das Kolon bei der Frage nach freier oder gedeckter Perforation ist mit der MRT nur schwierig zu beurteilen, was die Methode bei der komplizierten Divertikulitis sehr einschränkt. Hier gibt es keine Literatur, die systematisch die Nachweisbarkeitsgrenze kleiner Luftmengen abdominell evaluiert hat. Die Technik wurde nur an kleinen, meist selektionierten Patientenkollektiven evaluiert [261] [262] [263] [264]. Die Ergebnisse der Studien lassen lediglich den Schluss zu, dass die MRT mit oraler oder rektaler Kontrastierung und der intravenösen Kontrastmittelgabe ähnliche Ergebnisse wie die CT zulässt. Einschränkend muss jedoch erwähnt werden, dass keine dedizierten Studien bezüglich der komplizierten Divertikulitis und hinsichtlich geringer Mengen freier Luft bei gedeckter Perforation vorliegen.
Bei fehlender Studienlage kann keine definitive Empfehlung der technischen Durchführung der MRT Untersuchung bei Divertikulitis gegeben werden. Analog zur CT-Bildgebung sollte gegenwärtig eine kontrastmittelgestützte MRT mit intravenöser, oraler und rektaler Kontrastierung erfolgen. Hochauflösende T1-gewichtete 3D-Gradientenechosequenzen sowie T2-Sequenzen zur Beurteilung von akuten entzündlichen Situationen sollten im Protokoll enthalten sein. Die Frage der intraluminalen Kontrastierung bez. Dark-Lumen-Technik [263] oder der T1-positiven Kontrastierung zur besseren differenzialdiagnostischen Abklärung von Abszessen [262] ist in der Literatur noch nicht beantwortet.
Die MRT des Kolons zur Divertikulitisdiagnostik sollte daher weiter lediglich in Zentren mit kontrollierten Studien sowie in Einzelfällen (Untersuchungen bei Schwangeren oder pädiatrische Patienten aus Gründen der Strahlenreduktion) durchgeführt werden.
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4.14 – 4.16 Endoskopie
Koloskopie in der Akutphase der Divertikulitis
Zur Diagnose einer akuten Divertikulitis sollte keine Koloskopie erfolgen.
Konsensusstärke: starker Konsens, Empfehlungsstärke: Negativempfehlung
Kommentar zu Statement 4.14
Die Durchführung einer Koloskopie ermöglicht die Abklärung abdomineller Beschwerden und ist Methode der Wahl bei unterer GI-Blutung sowie zum Tumorausschluss. Sie ist geeignet zum Nachweis von Divertikeln und trägt entscheidend zur Differenzialdiagnostik mukosal-entzündlicher bzw. polypoider Befunde gegenüber der Divertikulitis bei untypischem Verlauf bzw. einer symptomatischen Divertikulose bei [262].
Für den Nachweis einer akuten Divertikulitis ist die Koloskopie nicht erforderlich [265].
Entzündliche Veränderungen von Divertikeln bei der Endoskopie kommen bei etwa 0,8 % der Koloskopien vor, ohne dass eine akute Divertikulitis vorliegt [266].
Luminale Veränderungen sind in der Pathogenese der Divertikulitis sekundär, da die Erkrankung als bakterielle Penetration in der Tiefe eines Divertikels beginnt und entscheidende Komplikationen (Phlegmone, Mikroperforation, Fistel, Abszess) transmural liegen. Bei einer Darmwandverdickung auf ≥ 11 mm in der Sonografie zeigt die Koloskopie eine spontane Eiterentleerung aus entzündeten Divertikeln [267].
Bei ausgewählten Indikationen (z. B. uncharakteristischem klinischem Bild oder Verlauf) kann eine Koloskopie (mit wahrscheinlich gering erhöhtem Risiko für eine Perforation) bei akuter Divertikulitis erfolgen, wenn eine gedeckte Perforation und Abszedierung im CT ausgeschlossen ist.
Konsensusstärke: starker Konsens, Empfehlungsstärke: offene Empfehlung
Kommentar zu Statement 4.15
Die Sicherheit und Bedeutung einer Koloskopie wird dabei auch innerhalb der gleichen Klinik unterschiedlich beurteilt.
In einer Serie bei 54 Divertikulitispatienten kam es zu einer Perforation durch die Koloskopie (1,9 %), bei weiteren 39 Patienten, bei denen mittels CT eine gedeckte Perforation oder ein Abszess ausgeschlossen worden waren, wurde hingegen keine Perforation beobachtet. Insgesamt konnten 2 CT-negative Adenokarzinome und ein Knochenfragment im entzündeten Divertikel als relevante Befunde festgestellt werden [268]. Die Koloskopien erfolgten 4 – 12 Tage nach stationärer Aufnahme (Median 5,8 Tage). Die Rate kompletter Koloskopien (Erreichen des Coecum oder einer Tumorstenose in 81,7 % der Fälle) war geringer als in einer elektiven Situation.
Aus der gleichen Klinik stammt eine Untersuchung zur frühen (im stat. Aufenthalt) vs. aufgeschobenen (nach 6 Wochen) Koloskopie bei CT-gesicherter Divertikulitis. Dabei ergaben sich weder vermehrte Perforationen noch ein diagnostischer Zugewinn [265]. Einen Nutzen erkennen die Autoren jedoch für atypische Verläufe mit persistierenden Beschwerden nach einwöchiger Antibiotikatherapie respektive einem Rezidiv binnen 2 Monaten. In dieser Situation (23/224 Patienten) fand sich in 4/23 Fällen (17 %) eine therapeutisch relevante Diagnose durch die Koloskopie: in 3 Fällen ein Adenokarzinom und in einem Fall ein Hühnerknochen in einem Divertikel, der endoskopisch entfernt werden konnte [269].
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Koloskopie nach akuter unkomplizierter Divertikulitis
Die Indikation zur Koloskopie nach einer konservativ behandelten Divertikulitis sollte großzügig gestellt werden.
Vor einer elektiven Sigmaresektion soll eine Koloskopie zum Ausschluss anderer relevanter Pathologien durchgeführt werden.
Eine geplante Koloskopie sollte nach Ausheilung der Indexdivertikulitis (i. d. R. nach 4 – 6 Wochen) erfolgen.
Konsensusstärke: Konsens, Empfehlungsstärke: Empfehlung/Starke Empfehlung/Empfehlung
Kommentar zu Statement 4.16
Eine Koloskopie wurde bisher häufig a) grundsätzlich nach einer konservativ behandelten akuten Divertikulitis und b) vor einer Sigmaresektion empfohlen. Hintergrund ist einerseits die Differenzialdiagnose anderer Erkrankungen mit ähnlicher Symptomatik, andererseits die Koinzidenz eines synchronen Karzinom- oder Adenombefundes.
Die Bedeutung und Notwendigkeit einer Koloskopie wird aktuell jedoch mit dem Hinweis auf die Qualität bei konsequenter CT-Diagnostik der Divertikulitis (und sicher auch vor dem Hintergrund gesundheitsökonomischer Erwägungen) durch einige Untersuchungen in anders gelagerten Gesundheitssystemen infrage gestellt.
In einer retrospektiven Longitudinalstudie an 205 Patienten mit CT-gestützter Diagnose einer akuten unkomplizierten Divertikulitis erbrachte die Koloskopie bei 9,3 % der Patienten Adenome, darunter 5,4 % fortgeschrittene Neoplasien [270]. Bei je einem Patienten wurde ein Sigmakarzinom und eine chronisch-entzündliche Darmerkrankung diagnostiziert (diese beiden Patienten berichteten jedoch Symptome, die ohnehin eine Koloskopie zur Folge gehabt hätten). Diese Rate an Adenomen und Karzinomen liegt eher niedriger als aufgrund der Auswertung von Daten von Vorsorgekoloskopien statistisch zu erwarten gewesen wäre.
Die Koloskopien bei 100 Patienten 4 – 6 Wochen nach Krankenhausbehandlung wegen einer akuten Divertikulitis (CT-gesicherte Diagnose) erbrachte in 32 % mindestens einen Polypen, nur in einem Fall ein fortgeschrittenes Adenom und bei keinem Patienten ein Malignom, somit bei kleiner Fallzahl nur eine geringe Anzahl (unmittelbar) relevanter Befunde [271].
Abgesehen davon, dass auch Adenombefunde grundsätzlich prognostisch als relevante Pathologie des Kolons gewertet werden sollten, lassen andere Untersuchungen in bedeutsamerem Umfang eine Koinzidenz mit dem Kolonkarzinom erkennen. Oft zitiert wird eine retrospektive Studie aus den USA, dass 5 von 73 (7 %) der Patienten, die im Zeitraum 1992 – 2001 im Universitätskrankenhaus von St. Louis an einer akuten Divertikulitis operiert wurden, ein zuvor nicht bekanntes Kolonkarzinom aufwiesen [272].
Eine Datenbankanalyse aus Australien [273] fand ebenfalls eine mit 2,1 % gering erhöhte Kolonkarzinomrate binnen eines Jahres nach der CT-gestützten Diagnose einer linksseitigen Divertikulitis (Auswertung von 1088 Patienten, Abgleich mit dem nationalem Krebsregister). Bei 319 Patienten war innerhalb eines Jahres nach der Divertikulitisdiagnose eine Koloskopie durchgeführt worden: Bei 9 dieser Patienten (2,8 %) wurde ein Kolonkarzinom festgestellt.
Eine systematische Literaturrecherche zum Nutzen der Koloskopie unter dem Aspekt des Kolonkarzinomnachweises bis 24 Wochen nach CT-Diagnose einer Divertikulitis identifizierte nur 10 Studien mit 771 dokumentierten Patienten [274]. Dabei lag die Rate an kolorektalen Karzinomen bei 2,1 % (95 % CI 1,2 – 3,2 %), mithin deutlich über der erwarteten Prävalenz (0,68 %) bei US-Bürgern im Alter > 55 Jahre.
Eine Empfehlung zur vollständigen Koloskopie beim klinisch durch eine Divertikelerkrankung auffälligen Patienten > 55 Jahre und ohne eine < 5 Jahre zurückliegende Koloskopie erscheint daher grundsätzlich gerechtfertigt.
Dass die Koloskopie zur weiteren diagnostischen Klärung einer im CT nachgewiesenen Verdickung der Kolonwand essenziell beiträgt, ist unstrittig [275] [276]. Ebenso sollte grundsätzlich im Falle einer Darmstenose, d. h. auch bei rezidivierender Divertikulitis mit OP-Indikation, eine Koloskopie zur Sicherung der Dignität der Stenose durchgeführt werden.
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4.17 – 4.21 Besondere Situationen: Rezidivierende Divertikulitis, Divertikelblutung, Fisteln
Rezidivierende/rekurrierende Divertikulitis
Der günstige konservative Verlauf akuter unkomplizierter Divertikulitiden im perikolisch phlegmonösen Stadium, bei Patienten mit Mikroperforationen und sogar einigen Patienten mit luminal selbstdrainierendem perikolischem Abszess unter antibiotischer oder allein symptomatischer Behandlung [234] verdeutlicht die Notwendigkeit individueller Therapieentscheidungen in diesen Situationen. Während eine chronische Inflammation nach antibiotischer Behandlung bei phlegmonöser (CT) Divertikulitis nicht mehr nachweisbar ist, verbleiben bei gedeckter Perforation trotz antibiotischer Therapie gravierende histologische Strukturanomalien [211]. Bei chronischen Beschwerden mit Entzündungszeichen, wofür gelegentlich gern der eher subsummierende als präzisierende Begriff Smoldering Diverticulitis verwendet wird [277] ist es eine individuelle Entscheidung, die Beschwerden des Patienten mit rezidivierend erhöhten Entzündungsparametern, rezidivierenden Schüben von Entzündungen mit Fieber, rezidivierendem Auftreten eines Abszesses, chronischen Schmerzen, einem Fistelnachweis oder einer narbigen vs. entzündlichen Stenosesymptomatik klinisch symptombezogen sachgerecht zu gewichten. Hierzu sollen die bei der akuten Divertikulitis genannten anamnestischen Angaben, körperlichen, laborchemischen und bildgebenden Untersuchungsbefunde sinnvoll genutzt werden.
Neben der Anzahl vorausgehender Divertikulitisschübe bzw. -episoden sind ihr klinisches Bild und die objektive Sicherung der Diagnose in der jeweiligen Situation relevante Größen für die klinische Einschätzung.
Hier spielt insbesondere die Differenzialdiagnose gegenüber dem Reizdarm eine bedeutsame Rolle. Höheres Alter und die Dominanz des Reizdarmsyndroms bei Frauen sind Hinweise, jedoch im Einzelfall keine sicheren Unterscheidungsmerkmale zwischen Divertikelkrankheit und Reizdarm. Erhöhte Angst- und Depressionsscores sprechen eher für ein Reizdarmsyndrom [278]. Kausale bzw. wechselseitige Beziehungen zwischen einer Divertikelkrankheit und dem Reizdarm mit viszeraler Hypersensitivität und einer Somatisierung sind dabei noch unzureichend verstanden [173].
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Divertikelblutung
Die schmerzlose untere GI-Blutung ist überwiegend auf Divertikelblutungen (35 %) und Angiodysplasien (21 %) zurückzuführen [279], beim älteren Patienten mit Divertikeln ist die Divertikelblutung in bis zu 50 % Ursache einer unteren GI-Blutung [280] [281]. Die Divertikelblutung ist dabei i. d. R. Komplikation der Divertikulose, nicht der Divertikulitis.
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Anamnese und Befund
Die Anamnese bei V. a. Divertikelblutung soll den Schweregrad der Blutung, Risikofaktoren für prolongierte Blutungen sowie ein Rezidiv erfragen.
Konsensusstärke: starker Konsens
Kommentar zu Statement 4.17
Anamnestische Angaben zur Schwere der Blutung ergeben sich aus der (bedingt zuverlässigen) Schilderung der Blutmenge. Blutdruck- und Pulsverhalten (Schockindex) zeigen die Kreislaufwirksamkeit der Blutung an [280]. Validierte Scores wie bei der oberen GI-Blutung (Rockall, Glasgow Blatchford) sind nicht beschrieben. Spontane Angaben zur Farbe der unteren GI-Blutung sind oft fragwürdig, während eine Farbvergleichstafel hilfreich sein kann [282].
Rezidivblutungen werden vermehrt bei aktiver Blutung unter der Endoskopie, Nachweis eines Gefäßstumpfs und koagelbedeckter Blutungsstelle gefunden sowie bei arterieller Hypertonie (RR 4,2), Thrombozytenaggregationshemmung (RR 2,4) und NSAR (RR 2,6) [283].
Die Untersuchung soll neben der Beurteilung des Schockindex Anämiezeichen, kardiovaskuläre Risikofaktoren und andere Komorbiditäten erfassen sowie die Palpation des Abdomens und eine rektale Untersuchung beinhalten.
Konsensusstärke: Konsens, Empfehlungsstärke: starke Empfehlung
Endoskopie
Bei akuter peranaler Blutung muss differenzialdiagnostisch eine obere GI-Blutung berücksichtigt werden, daher soll eine möglichst frühzeitige Ösophago-Gastro-Duodenoskopie erfolgen. Liefert die Gastroskopie keinen erklärenden Befund, soll eine Koloskopie mit der Option einer endoskopischen Blutstillung durchgeführt werden.
Der Verdacht auf eine Blutungsquelle im unteren GI-Trakt ist bei einer Hämatochezie mit frischem Blut hoch. Allerdings kann sich auch eine obere GI-Blutung bei starker Blutung und rascher Passagezeit mit peranalem Abgang von frischem Blut manifestieren. Deshalb sollte grundsätzlich eine frühzeitige Gastroskopie durchgeführt werden [280]. Allerdings gibt es klinische Situationen, in denen eine Gastroskopie nicht kurzfristig durchführbar ist (z. B. postprandial). Wenn es gelingt, den Patienten rasch zur Koloskopie vorzubereiten (Darmreinigung mit Einläufen und endoskopischer Spülung) kann es sinnvoll sein, die Koloskopie vor der Gastroskopie durchzuführen. Bei einem die Blutung erklärenden Befund in der Koloskopie kann dann auf die Durchführung der Ösophago-Gastro-Duodenoskopie verzichtet werden. Eine Prokto-Rektoskopie zur Klärung einer Hämorrhoidalblutung sollte frühzeitig erfolgen, wenn die Koloskopie erst nach Darmvorbereitung eingesetzt wird.
Die Reihenfolge der endoskopischen Verfahren sollte in Abhängigkeit von der klinischen Situation festgelegt werden.
Konsensusstärke: Konsens, Empfehlungsstärke: Empfehlung
Zeitpunkt der Koloskopie
Da eine Divertikelblutung in 90 % spontan sistiert, sind grundsätzlich eine antegrade Koloskopievorbereitung unter supportiver Therapie sowie die notfallmäßige Koloskopie mit Reinigung durch Einläufe und Einsatz eines Endowashers alternativ zu berücksichtigen.
Eine Koloskopie nach aktiver antegrader Koloskopievorbereitung sollte angestrebt werden.
Konsensusstärke: Konsens, Empfehlungsstärke: Empfehlung
Kommentar zu Statement 4.20
Zur Verkürzung der Zeit bis zur Koloskopie kann statt der üblichen Vorbereitung mit oraler Einnahme einer Koloskopievorbereitungslösung der Darm mit Einläufen entleert werden und verbliebene Stuhlreste, Blut und Koagel über das Koloskop gespült und abgesaugt werden. Für diese dringliche Koloskopie (Definition: < 12 Std. nach Aufnahme) ist allerdings größere Effektivität nicht belegt.
In einer Studie an 78 Patienten mit Verdacht auf Divertikelblutung wurde 0 – 59 Stunden nach stationärer Aufnahme eine Koloskopie durchgeführt [284]. Bei 27 % der Patienten erfolgte die Koloskopie binnen 12 Stunden, bei 50 % zwischen 12 – 24 Stunden, und bei 23 % erst später als 24 Stunden nach der Krankenhausaufnahme. Es bestand kein signifikanter Unterschied (p = 0,46, OR 0,98, 95 % CI 0,92 – 1,04) zwischen dem Zeitpunkt der Endoskopie und dem Befund einer noch laufenden Blutung oder dem Nachweis von sicheren Blutungsstigmata.
In einer weiteren retrospektiven Auswertung von 64 Patienten mit schwerer Divertikelblutung war die Zeit bis zur Koloskopie in den Gruppen mit oder ohne Nachweis von Stigmata einer kürzlich erfolgten Blutung gleich (Median 16 vs. 24 Std., mittlere Zeit 23 ± 19 Std. vs. 29 ± 16 Std, n. s.). In der Gesamtgruppe erfolgte die Koloskopie im Median nach 24 Std. (Mittelwert 27 ± 17 Std., Streubreite 6 – 76 Std.) [285].
Bei aktiver Hämatochezie und Divertikeln ist bei früher Koloskopie (< 12 Std.) nach antegrader Spülung in mindestens 20 % eine Divertikelblutung identifizierbar und eine interventionelle Behandlung möglich [286].
Stigmata aktiver Blutung finden sich (in einem Kollektiv mit unterer GI-Blutung) bei früher Koloskopie (24 Std.) in 10 %. Die diagnostische Zuverlässigkeit weist eine Tendenz zugunsten der Koloskopie nach 12 – 48 Std. im Vergleich zu < 12 Stunden aus [287].
Aggressive antegrade Darmlavage (4 – 6 l PEG-Lösung in 3 – 4 Std.) führte in einer prospektiven und randomisierten Untersuchung im Vergleich zu einer initial szintigrafischen und angiografischen Blutungsdiagnostik mit anschließend elektiver Koloskopie zu einer häufigeren sicheren Identifikation von Blutungsläsionen (42 vs. 22 %), dieses Vorgehen war jedoch ohne Einfluss auf prognostische und therapeutische Endpunkte. Entsprechend wird ein Vorgehen in Abhängigkeit von der individuellen Erfahrung und lokaler Expertise favorisiert [281].
Alternativen
CT-Angiografie und die konventionelle Angiografie (± DSA) sind bei aktiver Blutung valide Optionen zur Lokalisation einer Divertikelblutung. Ihr Einsatz ist in praxi jedoch selten erforderlich.
Die CT-Angiografie ermöglicht eine sichere Blutungslokalisation, wenn die Blutung zum Zeitpunkt der Untersuchung noch ausreichend aktiv ist [288]. Das gleiche gilt für die konventionelle Angiografie, die den zusätzlichen Vorteil einer möglichen Intervention (Blutstillung durch arterielle Embolisation: transcatheter arterial embolization TAE) bietet.
Mittels Szintigrafie kann zwar eine gastrointestinale Blutung nachgewiesen werden, die Blutungslokalisation ist jedoch ungenau und die Genese der Blutung kann nicht geklärt werden, weshalb die Szintigrafie bei der unteren GI-Blutung in Deutschland kaum Bedeutung hat.
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Diagnostik bei V. a. Sigma-Blasenfistel bzw. kolovaginale Fistel
Zur Diagnostik einer Sigma-Blasenfistel sollte ein Mohnsamentest durchgeführt werden, wenn der klinische Verdacht besteht und die Fistel nicht bereits morphologisch (US, CT, Koloskopie) vorbeschrieben ist.
Konsensusstärke: starker Konsens, Empfehlungsstärke: Empfehlung
Kommentar zu Statement 4.21
Fisteln zur Harnblase oder Vagina stellen eine relevante Komplikation der Divertikulitis dar. Etwa 90 % der Fisteln bei Divertikulitis betreffen diese beiden Entitäten während Fisteln zum Dünndarm, zur Haut, in Uterus oder Ovarien, die Psoasmuskulatur oder in die Hüftgelenke seltenere Befunde darstellen [289]. Die ganz überwiegende Zahl der Patienten (ca. 85 %) mit Sigma-Blasenfistel ist männlich.
Sonografisch bzw. im CT besteht bei der Sigma-Blasenfistel oft eine fokale Wandverdickung der (gefüllten) Harnblase; der Nachweis von Luft in der Blase belegt in dieser Situation die Fistel. Betroffene Patienten berichten oft erst auf Befragen, dass Luftblasen im Urin nachweisbar sind („Champagnerurin“); rezidivierende bzw. therapierefraktäre Harnwegsinfekte und Dysurie sind dagegen charakteristisch und weisen den diagnostischen Weg. Der direkte Nachweis der Fistel gelingt mit beiden Schnittbildverfahren nur in einem Teil der Fälle.
Während die Koloskopie residuale entzündliche Aktivität, einen Morbus Crohn als wichtige Differenzialdiagnose und eine Stenosierung diagnostisch erfassen kann, gelingt die endoskopische Diagnose einer Fistel nur selten (< 10 %; [289]). In gleicher Weise sind die Detektionsraten bei der Zystoskopie (10 %), Zystografie (17 %), Kolonkontrastdarstellung mit Barium (36 %), MRT (60 %) und CT (61 %) enttäuschend. Der qualitative Fistelnachweis wird am besten (Sensitivität 95 %) durch den sog. Mohnsamentest geführt, bei dem 250 g natürliche Mohnsamen abends eingenommen werden und der Urin während der nachfolgenden 48 Std. auf das Erscheinen von Mohnsamen kontrolliert wird [290] [291].
Inwieweit eine urologische Diagnostik vor einer Sigmaresektion und Fistelexzision sinnvoll bzw. erforderlich ist, muss daher in Einzelfall entschieden werden und wird dementsprechend häufiger von lokalen Faktoren geleitet werden.
In einer anderen Modifikation wurden 35 g Mohnsamen in 160 g Joghurt oder mit 340 ml Flüssigkeit konsumiert; auch hier war der Mohnsamentest mit 100 % Sensitivität der CT-untersuchung (70 % Sensitivität) signifikant (p = 0,03) überlegen, – bei 8,2 ‰ der Kosten [292].
Grundsätzlich eignet sich der Mohnsamentest auch zur Erfassung einer kolovaginalen Fistel; hierbei empfiehlt sich die Einlage eines Tampons oder Wattebausches zur Detektion nach Einnahme der Testsubstanz. Kolposkopie und vaginale resp. transrektale Endosonografie sind im Einzelfall ergänzende Methoden zu Sonografie und CT; allgemeingültige bzw. vergleichbare Angaben zu den jeweiligen Detektionsraten sind nicht verfügbar.
Diagnostischer Algorithmus
Den meisten klinischen Situation wird der nachfolgende Algorithmus zur Diagnostik bei V. a. eine Divertikulitis als eine praktikable und aktuell valide Orientierung gerecht; individuelle Ausnahmen aufgrund klinischer oder lokaler Besonderheiten sind dabei grundsätzlich unvermeidlich und zu akzeptieren ([Abb. 1]).
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4.22 Klassifikationen
Empfehlungen zur Verwendung von Klassifikationen
Die Diagnose einer Divertikelkrankheit soll eine Klassifikation beinhalten.
Die Leitlinienkonferenz empfiehlt die künftige Verwendung einer neuen Klassifikation ([Tab. 10]), die den gegenwärtigen diagnostischen und therapeutischen Anforderungen einer Stratifizierung Rechnung trägt.
Konsensusstärke: Konsens/starker Konsens, Empfehlungsstärke: starke Empfehlung/Empfehlung
Zahlreiche Klassifikationen und Modifikationen beschreiben die verschiedenen Stadien der Divertikelerkrankung. Kritische aktuelle Übersichten finden sich bei [293] [294].
Während die Klassifikation von Hinchey primär lediglich eine Stratifizierung der Operationsverfahren beim Vorliegen unterschiedlicher Ausprägungen einer makroskopisch perforierten Divertikulitis mit Abszess oder freier Perforation zum Ziel hatte und in der Folgezeit verschiedene Modifikationen erfahren hat, muss heute das Ziel einer viszeralmedizinisch anwendbaren Klassifikation der Divertikelkrankheit und Divertikulitis darin bestehen,
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die unterschiedlichen Verlaufsformen der Divertikelkrankheit unabhängig von einer Operation zu erfassen und
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eine Stratefizierung für unterschiedliche Prognosen und Therapieformen (ambulant/stationär; konservativ/operativ) bei der Erstdiagnose sowie rekurrierenden Verläufen zu ermöglichen.
Den genannten Zielen entsprechen in erster Linie die Klassifikation von Hinchey in der Modifikation von Wasvary [7] [295] sowie die Klassifikation von Hansen und Stock [8]. Erstere umfasst allerdings nur die unterschiedlichen Ausprägungen der Divertikulitis mit einer (für die ambulante Behandlungsoption relevanten) Kategorie der Mild-clinical-Divertikulitis, während die Klassifikation von Hansen und Stock (HS) die perforierten Verläufe (Mikro/Makroperforation, Abszessgröße und -lokalisation) nicht weiter differenziert.
Vorteil der HS-Klassifikation ist die Einbeziehung des chronisch-rezidivierenden (rekurrierenden) Verlaufs, ein möglicher Nachteil ist das Fehlen einer Klassifikation der symptomatischen Divertikulose und milden Divertikulitis in Abgrenzung zu klinischen Formen einer unkomplizierten Divertikulitis, da diese alle nicht perforierten Verläufe beinhalten sollte, d. h. die phlegmonöse Divertikulitis einbezieht. Insbesondere der sonografische Befund einer echoreichen Netzkappe als Korrelat peridivertikulitischer Veränderungen findet sich sowohl im Stadium HS I wie auch IIa (ohne dass es sich dabei um eine komplizierte Divertikulitis handelt). Die Grenze zwischen HS I und HS IIa ist sowohl im CT wie in der Sonografie schwer darstellbar und eine wünschenswerte Differenzierung Mikroperforation/Makroperforation fehlt.
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Kapitel 5 Konservative Behandlung, Medikamente, Ernährung, Lifestyle
5.1 Primärprophylaxe der Divertikulitis
Regelmäßige körperliche Aktivität, Erhalt von Normalgewicht und ballaststoffreiche, vegetarische Kost können zur Primärprophylaxe der Divertikulitis empfohlen werden.
Konsensusstärke: starker Konsens, Empfehlungsstärke: Empfehlung
Kommentar zu Statement 5.1
In prospektiven bevölkerungsbasierten Studien waren die regelmäßige Einnahme von Aspirin, Paracetamol und NSAR [165] [166], Übergewicht bzw. Adipositas [122] [128], geringe Ballaststoffzufuhr [105] [106] [113] sowie geringe körperliche Aktivität [128] mit einem erhöhten Risiko einer Divertikulitis, Rauchen mit einem erhöhten Risiko von Divertikulitiskomplikationen [111] assoziiert. Vegetarische und ballaststoffreiche Kost [105] [107] [113] sowie regelmäßige körperliche Aktivität [113] [127] [128] waren mit einem reduzierten Divertikulitisrisiko assoziiert (EL1b). Die empfohlenen Lebensstilmaßnahmen dienen auch der primären Prävention von anderen Erkrankungen, z. B. kardiovaskulären Erkrankungen und einigen Krebserkrankungen.
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5.2 – 5.3. Therapie der akuten unkomplizierten Divertikelkrankheit/Divertikulitis (Typ 1a/Typ 1b)
Bei akuter unkomplizierter linksseitiger Divertikulitis ohne Risikoindikatoren für einen komplizierten Verlauf kann unter engmaschiger klinischer Kontrolle auf eine Antibiotikatherapie verzichtet werden.
Konsensusstärke: Konsens, Empfehlungsstärke: offene Empfehlung
Eine Antibiotikatherapie einer akuten unkomplizierten linksseitigen Divertikulitis sollte bei Patienten mit Risikoindikatoren für einen komplizierten Verlauf durchgeführt werden.
Konsensusstärke: Konsens, Empfehlungsstärke: Empfehlung
Kommentar zu Statements 5.2 und 5.3
Risikoindikatoren für einen komplizierten Verlauf sind arterielle Hypertonie, chronische Nierenerkrankungen, Immunsuppression, allergische Disposition (siehe Kommentar zu Statement 2.10).
Eine randomisierte multizentrische Studie mit 623 Patienten mit CT-gesicherter unkomplizierte linksseitiger Divertikulitis zeigte keine statistisch signifikanten Unterschiede in der Komplikationsrate (Perforation, Notwendigkeit Resektion, Dauer Krankenhausaufenthalt) während des Krankenhausaufenthalts sowie der Wiederaufnahme wegen Divertikulitsrezidiv beim 1-Jahres-Follow-up in der Gruppe ohne Antibiotika im Vergleich zur Antibiotikagruppe. Die Abszessrate war in der Gruppe ohne Antibiotika im statistischen Trend höher (1 vs. 0 %; p = 0,08). Die Studie hat einige methodische Schwächen: Die Antibiotikatherapie (Art des Medikaments, Applikationsweg) war nicht standardisiert. Das CRP bei Aufnahme war in der Antibiotikagruppe im statistischen Trend höher (100 vs. 90 mg%; p = 0,07). Die Komorbiditäten wurden nicht mittels eines validierten Komorbiditätsindex erfasst und basierten auf den Daten der chirurgischen Krankenakte. Einige Ausschlusskriterien (z. B. Sepsis) waren unzureichend definiert [296].
Zwei retrospektive Fallkontrollstudien mit 191 und 311 Patienten fanden ebenfalls keine Unterschiede in der Häufigkeit von Komplikationen und eines Divertikulitisrezidivs bei Patienten mit milder Divertikulitis (nach Ambrosetti-Kriterien), welche mit und ohne Antibiotika behandelt wurden [297] [298].
Eine kontrollierte randomisierte Studie mit 123 Patienten zeigte keine Unterschiede zwischen einer 4- und 7-tägigen intravenösen (Ertapenem) Antibiotikatherapie in der Krankenhausverweildauer und der klinischen Erfolgsrate [299].
Die Empfehlung zur Antibiotikatherapie bei Risikogruppen gründet auf Expertenkonsens.
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5.4 – 5.5 Therapie der komplizierten Divertikulitis (Typ 2a)
Patienten mit einer komplizierten Divertikulitis sollen stationär behandelt werden.
Konsensusstärke: starker Konsens, Empfehlungsstärke: starke Empfehlung
Eine parenterale Flüssigkeitssubstitution sollte bei mangelhafter oraler Trinkmenge durchgeführt werden.
Konsensusstärke: starker Konsens, Empfehlungsstärke: Empfehlung
In Abhängigkeit von der klinischen Situation kann eine orale Nahrungszufuhr erfolgen.
Konsensusstärke: starker Konsens, Empfehlungsstärke: offene Empfehlung
Kommentar
Die Empfehlungen 5.4 – 5.6 beruhen auf Expertenkonsens.
Bei der komplizierten Divertikulitis soll eine Antibiotikatherapie durchgeführt werden.
Konsensusstärke: starker Konsens, Empfehlungsstärke: starke Empfehlung
Kommentar zu den Statement 5.4 – 5.7
Gezielte klinische Studien für diese Patientengruppe existieren nicht. Dies liegt daran, dass die Einteilung nach Hansen und Stock vorwiegend nur im deutschsprachigen Raum verwendet wird. In der Klassifikation nach Hinchey, welche vorwiegend in angloamerikanischen Ländern verwendet findet, ist diese Subgruppe nicht scharf definiert (modifizierte Hinchey-Kriterien Ia/Ib).
In den aktuellen Studien zur unkomplizierten Divertikulitis der letzten Jahre sind sicher auch Patienten mit dem Stadium Hansen-Stock-IIa vertreten und auch in älteren Therapiestudien der akuten Divertikulitis ist diese Patientengruppe als Untergruppe vertreten, die in den Studien jedoch nicht gesondert ausgewertet wird. Aus diesem Grund ist die Therapieempfehlung zur antibiotischen Therapie nicht durch gezielte Studien für diese Patientengruppe belegt, sondern muss aus den genannten älteren Studien [300] [301] [302] extrapoliert werden.
Es wird eine Antibiotikatherapie empfohlen, die das zu erwartende polymikrobielle Erregerspektrum erfasst. Es liegen derzeit keine Daten vor, die die Überlegenheit einer Kombinationstherapie gegenüber einer Monotherapie belegen. Bei der Applikationsart (intravenös oder oral) gibt es ebenfalls keine Evidenz, die eindeutige Präferenzen und Empfehlungen erlaubt. Die Auswahl und der Administrationsmodus der Antibiotikatherapie bedürfen einer individuellen Entscheidung, die den Allgemeinzustand und das Risikoprofil des Patienten sowie die lokale Resistenzlage berücksichtigt. In der klinischen Routine verwendete Medikamente sind Cefuroxim oder Ciprofloxacin, jeweils mit Metronidazol, Ampicillin/Sulbaktam, Piperacillin/Tazobaktam sowie Moxifloxacin.
Zu den genannten Medikamenten liegen Wirksamkeitsdaten aus randomisierten Studien zur antimikrobiellen Behandlung von komplizierten intraabdominellen Infektionen (inkl. Patienten mit Divertikulitis) vor. In diesen Studien ist das Stadium der Divertikulitis ist oft nicht genau bezeichnet. Entsprechend sind stadienabhängige Therapieergebnisse für Patienten mit Divertikulitis selten dokumentiert.
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5.8 Rechtsseitige Divertikulitis
Eine rechtsseitige Divertikulitis sollte nach denselben Therapieprinzipien behandelt werden wie eine linksseitige Divertikulitis.
Konsensusstärke: starker Konsens, Empfehlungsstärke: Empfehlung
Kommentar zu Statement 5.8
Zur konservativen Behandlung der rechtsseitigen Divertikulitis liegen keine RCTs, sondern nur Fallserien aus Asien vor. In einer koreanischen Fallserie von 158 Patienten wurden 135 Patienten (85,4 %) konservativ (Antibiotika, Nahrungskarenz) behandelt und (14,6 %) operiert. Bei einem Median der Beobachtungszeit von 37,3 Monaten, erlitten 17,5 % ein Rezidiv. Es fanden sich keine signifikanten Unterschiede in der Rezidivrate der konservativ und operativ behandelten Gruppen [303].
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5.9 – 5.10 Chronische Divertikelkrankheit
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Typ 3a: Divertikelkrankheit mit persistierenden Symptome Entzündungszeichen optional
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Typ 3b: Rezidivierende Divertikulitis ohne Komplikationen
Es wird die symptomatische, unkomplizierte Divertikelkrankheit (SUDD) von einer unkomplizierten rezidivierenden Divertikelkrankheit/Divertikulitis unterschieden. In der neuen Nomenklatur dieser Leitlinie werden sie als Typ 3a und Typ 3b bezeichnet.
Besonders der Typ 3a ist eine bisher unzureichend charakterisierte Patientengruppe bei der typische Symptome einer Divertikulitis persistieren, aber entzündliche Veränderungen nicht mehr nachweisbar sind. Es gibt jedoch Daten über neuropeptiderge Veränderungen in der Schleimhaut sowie histologische Hinweise für Entzündung und mäßig erhöhte Calprotectinwerte, sodass möglicherweise eine geringe chronisch-persistierende Entzündung vorliegt [73].
Für beide Entitäten gibt es nur wenige prospektive, randomisierte Studien in denen diese Patienten gezielt untersucht werden. In den vorliegenden Studien werden zumeist beide Patientengruppen sowie Patienten mit unkomplizierter Divertikulitis ohne klare Differenzierung untersucht.
Die symptomatische unkomplizierte Divertikelkrankheit kann mit Mesalazin (oral) behandelt werden.
Konsensusstärke: Konsens, Empfehlungsstärke: offene Empfehlung
Kommentar zu Statement 5.9
In einer 6-wöchigen placebokontrollierten RCT mit 117 Patienten war 3 × 1 g Mesalazin pro Tag Placebo in der Reduktion der Bauchschmerzintensität in der Per-Protocol-Analyse, nicht jedoch in der Intention-to-treat-Analyse überlegen. In die Studie wurden Patienten mit (nach aktuellen Kriterien) unkomplizierter Divertikulitis und Patienten mit symptomatischer unkomplizierter Divertikelkrankheit eingeschlossen. Eine getrennte Analyse der beiden Gruppen erfolgte nicht [304]. Mesalazin ist in Deutschland nicht zur Therapie der symptomatischen unkomplizierten Divertikelkrankheit zugelassen.
Ein Mitglied der Leitliniengruppe beantragte zu diesem Punkt ein Minderheitsvotum.
Mesalazin wurde in weiteren Studien bei Patienten mit unkomplizierter Divertikelkrankheit untersucht. Ein offener Vergleich in Dosen von 800 mg und 1600 mg täglich gegen Rifaximin 400 mg/800 mg/Tag) zyklisch gegeben (10 Tage/Monat) über insgesamt 3 Monate erbrachte in einem globalen Symptomenscore für alle Gruppen signifikante Verbesserungen [305].
Eine offene Studie mit nahezu identischem Design, allerdings mit einer Therapiedauer von 12 Monaten, bei 268 Patienten erbrachte sehr ähnliche Ergebnisse [306].
In einer randomisierten Studie war Mesalazin 1,6 g/d (59 Patienten) Rifaximin 800 mg/d (52 Patienten) in der Häufigkeit der anhaltenden klinischen (90 vs. 67 %) und endoskopischen Remission (92 vs. 40 %) überlegen [307].
Die Kombination aus dem nicht resorbierbaren Antibiotikum Rifaximin mit einem Quellmittel wurde in 4 Studien gegen das Quellmittel alleine untersucht. Die Behandlungszeit lag zwischen 12 und 24 Monaten und bestand entweder in täglicher oder Gabe. Es zeigte sich eine Überlegenheit der Rifaximintherapie für den Endpunkt symptomatische Besserung [308].
Zusammenfassend sind diese Studien jedoch so heterogen (unterschiedliche Patientengruppen, keine einheitlichen Zielkriterien, sehr komplexer Studienaufbau mit einer Vielzahl von verschiedenen Prüfsubstanzen) sodass zum jetzigen Zeitpunkt daraus keine valide Schlussfolgerung gezogen werden kann.
Aufgrund der Häufigkeit und Bedeutung dieses Krankheitsbilds (SUDD) ist es jedoch unbedingt notwendig, gut geplante, prospektive placebokontrollierte Studien mit eindeutigen Endpunkten durchzuführen.
Eine generelle Empfehlung zur konservativen Sekundärprophylaxe der rekurrierenden Divertikelkrankheit (Ernährung, Lebensstil, körperliche Aktivität, Medikamente [Mesalazin, Probiotika, Rifaximin]) kann aufgrund unzureichender Datenlage nicht gegeben werden.
Konsensusstärke: starker Konsens, Empfehlungsstärke: offene Empfehlung
Kommentar zu Statement 5.10
Im Vergleich zur primären Prophylaxe, gab es keine Studien, die einen Einfluss von Ernährung, Lebensstil, Erhalt von Normalgewicht und körperliche Aktivität auf die Sekundärprophylaxe der rekurrierenden Divertikelkrankheit (Typ 3b) zeigen.
Eine randomisierte placebokontrollierte Studie (DIVA) [309], die den Effekt von Mesalazin, Mesalazin plus Präbiotikum auf gastrointestinale Symptome von 117 Patienten mit stattgehabter im CT dokumentierter akuter Divertikulitis über 1 Jahr untersuchte, fand keine Reduktion der Divertikulitisrezidivrate nach 1 Jahr in den 3 Gruppen; allerdings war dies nicht der primäre Endpunkt dieser Studie. In einer randomisierten kontrollierten Studie mit 2 × 800 mg Mesalazin vs. Placebo fanden sich nach 24 Monaten keine Unterschiede in der Divertikulitisrate zwischen beiden Gruppen (13 vs. 28 %) [310].
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Kapitel 6 Indikationen: ambulante/stationäre Behandlung, konservative/chirurgische Behandlung
Prämisse: Zur Einteilung des Schweregrads der Divertikulitis wird die neue Einteilung (CDD) zugrunde gelegt.
6.1 Voraussetzungen der ambulanten Behandlung
Bei Patienten ohne Fieber, ohne Leukozytose, ohne Abwehrspannung und ohne Stuhlverhalt sowie ohne Hinweis auf Perforation oder komplizierte Divertikulitis (Typ 1a und 1b) in der Bildgebung sowie einem lediglich gering erhöhten CRP, kann bei adäquater Compliance, gewährleisteter oraler Nahrungs- und Flüssigkeitsaufnahme und engmaschiger ärztlicher Kontrolle eine akute Divertikulitis ambulant behandelt werden.
Konsensusstärke: starker Konsens, Empfehlungsstärke: offene Empfehlung
Kommentar zu Statement 6.1
In einem systematischen Review mit Literaturrecherche fanden Friend & Mills 2011 4 Studien zur Frage, ob eine ambulante orale Antibiotikatherapie zur Behandlung einer unkomplizierten Divertikulitis ausreichend ist [311]. Es handelte sich um eine randomisiert, kontrollierte Studie mit 79 Patienten, 2 prospektive Kohortenstudien (jeweils 70 Patienten) und eine retrospektive Kohortenstudie (693 Patienten). Quintessenz dieser Studien war, dass eine ambulante Behandlung unter folgenden Voraussetzungen möglich ist:
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orale Aufnahme (Flüssigkeit, Medikamente etc.) möglich,
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keine signifikanten Komorbiditäten,
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orale Antibiotika sind verfügbar,
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eine adäquate Schmerzkontrolle ist möglich,
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Zugang zum adäquaten Follow-up und ggf. Unterstützung im sozialen Umfeld liegt vor und
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Ultraschall oder CT zeigen eine Divertikulitis ohne signifikanten Abszess.
Eine weitere prospektive Kohortenstudie ging in das systematische Review nicht ein [312]. Von 176 Patienten einer Notfallambulanz mit im CT gesicherter unkomplizierter Divertikulitis mussten 33 (18 %) wegen Komorbiditäten stationär aufgenommen werden. Die übrigen wurden ambulant behandelt. Letzteres aber initial mit intravenöser Antibiose, die durch eine Krankenschwester appliziert wurde. Darüber hinaus waren regelmäßige, engmaschige Arztvisiten gewährleistet. In dieser Form war die ambulante Behandlung in allen Fällen erfolgreich.
In einer randomisierten, kontrollierten Studie, die 79 Patienten mit akuter, unkomplizierter Divertikulitis einschloss, war eine orale Antibiotikatherapie einer intravenösen nicht unterlegen (jeweils Ciprofloxacin + Metronidazol), sodass auch von dieser Seite die Voraussetzung für eine ambulante Behandlung gegeben ist [313].
Kritisch anzumerken bleibt, dass diese Ausführungen nur für Patienten, die auch antibiotisch behandelt wurden, gelten. Zur Behandlung der Divertikelkrankheit wird auf die Statements 5.4, 5.5 und 5.9 und die zugehörigen Kommentare verwiesen.
Voraussetzung zur ambulanten Therapie einer Divertikulitis ist der Ausschluss einer komplizierten Divertikulitis. Hierzu bedarf es zuverlässiger, rasch und ubiquitär zur Verfügung stehender Prädiktoren. Ein Kandidat ist das CRP. In einer Kohortenstudie von 247 Patienten war nur das CRP im Regressionsmodell signifikant mit einer Perforation korreliert. Die beste Treffsicherheit wurde bei einem CRP von 150 mg/l festgestellt mit einer Sensitivität von 44 % und einer Spezifität von 81 %. Bei einem CRP < 50 mg/l (Normwert: < 5 mg/dl) betrug der negative prädiktive Wert 0,79 und bei einem CRP > 150 mg/l der positive prädiktive Wert 0,57 [230]. Es bleibt aber festzuhalten, dass in dieser Studie auch Perforationen bei normalem CRP gefunden wurden. Zu beachten ist, dass sich die Entzündungsparameter i. d. R. erst über 1 – 2 Tage als Diskriminierungsmerkmal eines komplizierten Verlaufs entwickeln, sodass die „48 Std.-Regel“ mit klinischer Beobachtung des Patienten und Laborkontrollen (CRP) über diesen Zeitraum erfolgen sollte. Leukozyten und Temperatur differenzieren demgegenüber perforierende Verläufe nicht von einer nicht perforierten Divertikulitis.
Da die klinische Diagnose durch Anamnese, Untersuchungsbefund und Labor nicht mit hinreichender Sensitivität und Spezifität zwischen unkomplizierter und komplizierter Divertikulitis differenzieren können, sind bildgebende Verfahren (Sonografie oder CT) vor einer Entscheidung zur ambulanten Therapie unerlässlich.
Im Umkehrschluss kann man schlussfolgern, dass alle Patienten, die die Voraussetzungen für eine ambulante Behandlung nicht erfüllen, stationär behandelt werden sollten.
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6.2 – 6.19 Konservatives versus operatives Prozedere
6.2 – 6.5 Akute unkomplizierte Divertikulitis
Eine akute unkomplizierte Divertikulitis (Typ 1a und 1b) soll primär konservativ behandelt werden.
Konsensusstärke: starker Konsens, Empfehlungsstärke: starke Empfehlung
Kommentar zu Statement 6.2
Eine akute unkomplizierte Divertikulitis wird in der täglichen Routine praktisch immer konservativ behandelt. Eine Indikation zu einem primär operativen Vorgehen besteht nicht. Vergleichende Studien eines konservativen und operativen Vorgehens in der Akutsituation liegen nicht vor. In verschiedenen prospektiven und retrospektiven Fallserien zeigte die konservative Therapie der akuten unkomplizierten Divertikulitis hohe Erfolgsraten, auch waren die Rückfallraten gering [256] [314] [315] [316].
Führt eine adäquate konservative Therapie nicht zur Ausheilung der akuten unkomplizierten Divertikulitis, sollte nach Ausschluss einer Komplikation bzw. anderer Erkrankungen eine operative Therapie erwogen werden.
Konsensusstärke: starker Konsens, Empfehlungsstärke: Empfehlung
Kommentar zu Statement 6.3
Die überwiegende Mehrzahl an Patienten mit unkomplizierter Divertikulitis ist konservativ behandelbar. Kommt es trotz adäquater konservativer Behandlung (Doppelantibiose intravenös, z. B. Ciprofloxacin plus Metronidazol) zu einer Befundprogredienz oder Beschwerdepersistenz, sollte zunächst durch erneute Schnittbilddiagnostik eine bis dahin nicht erkannte oder neu entstandene komplizierte Divertikulitis ausgeschlossen oder nachgewiesen werden. Bei Nachweis einer komplizierten Divertikulitis besteht dann eine OP-Indikation (s. Statement 5.7) Patienten mit persistierenden, chronischen Beschwerden mit Entzündungszeichen („smoldering diverticulitis“) ohne Nachweis einer Komplikation können ebenfalls von einer Operation profitieren [277] [317]. Dagegen ist ein Effekt einer Operation auf Symptome bei Divertikulose ohne aktuelle Divertikulitis nicht belegt. In diesen Fällen ist klinisch eine Abgrenzung zum Reizdarmsyndrom auch praktisch nicht möglich.
Eine erfolgreich behandelte akute unkomplizierte Divertikulitis (Typ 1a und Typ 1b) stellt keine Operationsindikation dar.
Konsensusstärke: starker Konsens, Empfehlungsstärke: Negativempfehlung
Kommentar zu Statement 6.4
Das jährliche Rezidivrisiko nach erfolgreich konservativ behandelter unkomplizierter Divertikulitis liegt in manchen Untersuchungen nur bei ca. 2 % [316]. In einer prospektiven Studie mit einem medianen Follow-up von 9,5 Jahren traten bei 68 % der konservativ behandelten keine weiteren Komplikationen auf [314]. In einer anderen Studie aus England mussten nur 18,3 % der initial konservativ behandelten Patienten im weiteren Verlauf von bis zu 16 Jahren operiert werden, davon die weit überwiegende Zahl elektiv [256]. In einer Studie mit einem 7-Jahres-Follow-up von 252 konservativ behandelten Patienten, wurden nur 10 % im weiteren Verlauf operativ behandelt [318].
In einem evidenzbasierten Review der Literatur wurde die seit über 30 Jahren gegebene Empfehlung kritisch hinterfragt, dass nach zwei Divertikulitisschüben eine elektive Resektion erfolgen sollte [319]. Die Autoren kamen zu dem Schluss, dass diese Empfehlung unangemessen und auch nicht kosteneffektiv ist, da weder das Auskommen der Patienten noch die Mortalität und das Auftreten von Komplikationen günstig beeinflusst werden. Insgesamt müssen 18 Patienten elektiv operiert werden um eine Notfalloperation zu verhindern.
Nach erfolgreich behandelter akuter unkomplizierter Divertikulitis (Typ 1a und 1b) bei Patienten mit Risikoindikatoren für Rezidive und Komplikationen (z. B. Transplantation, Immunsuppression, chronisch-systemische Glukokortikoide; siehe [Tab. 6], [7], [8], [9]) kann eine OP-Indikation bestehen.
Konsensusstärke: starker Konsens, Empfehlungsstärke: offene Empfehlung
Kommentar zu Statement 6.5
Die Inzidenz einer akuten Divertikulitis ist bei transplantierten Patienten und bei solchen, die chronisch Glukokortikoide einnehmen, bei präexistierender Divertikulose hoch und hat mit 25 % eine wesentlich höhere Letalität als in der Normalbevölkerung [144]. Die betroffene Risikogruppe hat auch ein bis 5-fach erhöhtes Risiko, eine Perforation zu entwickeln, und spricht schlechter auf eine medikamentöse Therapie an [144] [154] [320]. Weitere Risikofaktoren für komplizierte Verlaufsformen der Divertikulitis sind in retrospektiven Serien identifiziert worden. Hierzu zählen Kollagenosen und andere Komorbidität wie z. B. Diabetes mellitus, Niereninsuffizienz oder chronisch-obstruktive Lungenerkrankung [151] [153] [154]. Die Datenlage ist allerdings kontrovers. In einer großen Kohortenstudie verglichen Biondo et al. den klinischen Verlauf der Divertikelkrankheit bei 166 immunsupprimierten Patienten und 765 Patienten ohne Beeinträchtigung des Immunsystems. Nach erfolgreicher medikamentöser Therapie hatten die immunsupprimierten Patienten eine vergleichbare Rezidivrate. Im Falle einer Notfalloperation war die Mortalität bei Immunsuppression allerdings mehr als doppelt so hoch: 33,3 vs. 15,9 % (p = 0,004) [321].
Wenngleich prospektiv randomisierte Daten hierzu fehlen, kann bei Patienten mit entsprechender Risikokonstellation unter Berücksichtigung der Komorbidität eine operativen Sanierung nach einer erfolgreich konservativ behandelten unkomplizierten Divertikulitis erfolgen.
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6.6 – 6.10 Akute komplizierte Divertikulitis
Bei Nichtansprechen einer adäquaten konservativen Therapie der komplizierten Divertikulitis (Typ 1 a–b) sollte eine Operation mit aufgeschobener Dringlichkeit durchgeführt werden.
Konsensusstärke: starker Konsens, Empfehlungsstärke: Empfehlung
Kommentar zu Statement 6.6
Ein Nichtansprechen auf eine initial konservative Therapie (intravenöse Doppelantibiose, z. B. Ciprofloxacin plus Metronidazol, Darmentlastung) inklusive interventioneller Abzessdrainage mit progredientem Abdominalbefund und/oder Zeichen der Sepsis sprechen für ein Nichtbeherrschen des septischen Fokus und erfordern eine chirurgische Intervention.
Definitionen:
Notfalloperation: OP, die unverzüglich durchgeführt werden muss
Dringliche OP: OP, die innerhalb eines definierten kurzen Zeitraums (24 Std.) vollzogen werden sollte
Frühelektive OP: OP, die innerhalb von 48 Stunden vorgenommen werden sollte.
Elektive OP: OP, die definitionsgemäß mehr als 72 Stunden aufgeschoben werden kann.
Bei Patienten mit erfolgreich behandelter komplizierter Divertikulitis (Makroperforation, Abszess) (Typ 1b) sollte die Operation im entzündungsfreien Intervall empfohlen werden.
Konsensusstärke: Konsens, Empfehlungsstärke: Empfehlung
Kommentar zu Statement 6.7
Obwohl auch die Frage nach der Indikation zur elektiven Resektion nach initialer primär konservativer Therapie der komplizierten Sigmadivertikulitis nur unzureichend in der Literatur mit prospektiven Daten belegt ist, so unterstützen doch die klinische Erfahrung und diverse retrospektive Arbeiten diese geübte Praxis. Histologische Untersuchungen von OP-Präparaten zeigen, dass im Gegensatz zur nicht mehr nachweisbaren chronische Inflammation nach antibiotischer Behandlung bei phlegmonöser Divertikulitis, bei gedeckter Perforation trotz antibiotischer Therapie gravierende histologische Strukturanomalien verbleiben [211]. Klinisch konnte die Arbeitsgruppe von Ambrosetti et al. zeigen, dass Patienten mit initial erfolgreich konservativ behandelter komplizierter Divertikulitis bei einem medianen Follow-up von 46 Monaten im weiteren Verlauf sekundär in 47 % der Fälle Divertikulitis bedingte Komplikationen entwickeln [255]. Kaiser et al. fanden bei Patienten mit gedeckt perforierter Divertikulitis, die ebenfalls initial erfolgreich konservativ behandelt worden waren, eine Rezidivrate von 41,2 % bei einem medianen Follow-up von 46,5 Monaten, unabhängig davon, ob initial eine Abszessdrainage erfolgt war oder nicht [315]. In einer Fragebogenstudie waren die Hausärzte von 176 Patienten kontaktiert worden, die mit der Diagnose einer komplizierten Sigmadivertikulitis nach initial konservativer Therapie nach Hause entlassen worden waren [322]. Von 120 Patienten, die auf die Therapie angesprochen hatten, waren 10 im Verlauf an einem Rezidiv der Sigmadivertikulitis gestorben, während 29 aus anderer Ursache gestorben waren. Vierzig der übrigen 110 Patienten waren immer noch symptomatisch oder waren symptomatisch zum Zeitpunkt ihres Todes aus anderer Ursache. Weitere 39 Patienten entwickelten eine schwere Komplikation nach der initialen Zuweisung, in 14 Fällen die gleiche Komplikation wie bei Erstmanifestation. Von 77 Patienten, die mit einer Sigmaresektion behandelt worden waren, entwickelten nur 2 ein Rezidiv im Vergleich zu 37 von 43 rein konservativ und ohne Resektion behandelten Patienten. Von den 110 an einem Divertikulitisrezidiv gestorbenen Patienten war bei 9 keine Sigmaresektion durchgeführt worden. Obwohl diese Arbeit wie jede fragebogenbasierte Studie einem relevanten Bias unterliegt, so unterstützt sie doch die Daten der anderen Fallserien, die die Strategie einer elektiven Sigmaresektion nach erfolgreicher Antibiotikatherapie bei komplizierter Sigmadivertikulitis stützen. In einer aktuellen, großen retrospektiven Studie mit 672 Patienten, die mit einer akuten Divertikulitis erfolgreich medikamentös behandelt wurden, fand sich eine 5-Jahres-Rezidivrate von 36 %. Risikofaktoren für ein kompliziertes Rezidiv (3,9 %) waren positive Familienanamnese einer Divertikulitis, Länge des betroffenen Darmsegments > 5 cm und insbesondere ein retroperitonealer Abszess (HR 4,5, 95 %-Konfidenzintervall 1,1 – 18,4). Nach rechtsseitiger Divertikulitis trat in keinem Fall ein Rezidiv auf [323].
In der Literatur sind nur wenige Daten verfügbar hinsichtlich des optimalen Operationszeitpunktes nach primär konservativer Therapie einer komplizierten Sigmadivertikulitis. Die Expertenmeinungen und Leitlinien sind hierzu ebenfalls uneinheitlich. So wird von der American Society of Kolon and Rectal Surgeons die elektive Resektion nach 6 – 8 Wochen empfohlen [324]. Die dänische Leitlinie legt sich nicht fest hinsichtlich einer Empfehlung des optimalen Operationszeitpunktes [10]. Allerdings wird aus der Literatur abgeleitet, dass die elektive Operation in einem „entzündungsfreien Intervall“ erfolgen sollte. Zitiert wird diesbezüglich eine prospektive Untersuchung [325]. In der Arbeit waren 210 einer elektiven laparoskopischen Sigmaresektion unterzogene Patienten untersucht worden, stratifiziert nach dem gewählten Operationszeitpunkt (Gruppe I, frühelektive Resektion nach 5 – 8 Tagen Antibiotikatherapie, Gruppe II OP nach 4 – 6 Wochen im angenommen „entzündungsfreien Intervall“). Die Autoren beschrieben eine statistisch signifikant höhere Konversionsrate in der frühelektiv operierten Gruppe I (9 von 116) im Vergleich zur Gruppe II (1 von 94; p < 0,05). Auch die Rate der Anastomoseninsuffizienzen war höher in der Gruppe I (8 von 116) im Vergleich zur Gruppe II (0 von 94; p < 0,05), ebenso wie die Wundinfektionen (Gruppe I 19 von 116 vs. Gruppe II 5 von 94). Obwohl diese Ergebnisse die späte Operation zu favorisieren scheinen, müssen sie aufgrund des nicht randomisierten Studiendesigns mit entsprechendem Bias mit Vorsicht interpretiert werden.
Gedeckte Perforation
Retroperitoneale oder parakolische Abszesse können interventionell (Sonografie, CT) drainiert werden. Bei kleinen, nicht sicher punktierbaren Abszessen sollte unter täglicher Kontrolle von Klinik und Entzündungswerten (CRP, Leukozyten) eine alleinige konservative Therapie durchgeführt werden.
Konsensusstärke: starker Konsens, Empfehlungsstärke: offene Empfehlung/Empfehlung
Kommentar zu Statement 6.8
Bei ca. 15 % der Patienten mit akuter Divertikulitis lassen sich im CT Abszesse nachweisen [272] [326]. Bei größeren Abszessen (z. B. > 4 cm) bietet sich prinzipiell die Möglichkeit einer perkutanen Abszessdrainage in Kombination mit einer Antibiotikatherapie zur Vermeidung von Notoperationen [315] [327]. Kleinere Abszesse (< 3 – 4 cm) können fast immer mit Antibiotika allein zur Ausheilung gebracht werden [326]. In einer Fallkontrollstudie war eine alleinige Antibiotikatherapie bei nicht punktierbaren Abszessen einer CT-gesteuerten Drainagetherapie plus Antibiotika nicht unterlegen [328]. Die nicht punktierbaren Abszesse wiesen einen kleineren Durchmesser auf. Zu einem vergleichbaren Ergebnis kamen die Autoren in einer Fallserie von 114 Patienten mit intraabdominalen Abszessen [329]. Die Mehrzahl (54 %) wurde mit alleiniger intravenöser Antibiotikatherapie erfolgreich behandelt. Diese Patienten wiesen mit einem mittleren Abszessdurchmesser von 4 cm deutlich kleinere Läsionen auf als diejenigen, die CT-gesteuert drainiert wurden (mittlerer Durchmesser 6,5 cm).
Insgesamt liegen zu diesem Therapiekonzept keine prospektiv bzw. randomisierten Daten vor. Die Evidenz aus retrospektiven Fallserien bzw. Fallkontrollstudien sowie die klinische Erfahrung zeigt, dass dieser Therapieansatz in der Mehrzahl der Patienten erfolgreich ist.
Patienten mit divertikulitisbedingten Abszessen, die nicht interventionell drainierbar sind oder deren klinischer Befund nicht innerhalb von 72 Stunden auf eine konservative Therapie anspricht, sollten operiert werden.
Konsensusstärke: starker Konsens, Empfehlungsstärke: Empfehlung
Kommentar zu Statement 6.9
Ein Nichtansprechen auf eine initial konservative Therapie inkl. interventioneller Abzessdrainage mit progredientem Abdominalbefund und Zeichen der Sepsis sprechen für ein Nichtbeherrschen des septischen Fokus und erfordern eine chirurgische Intervention. Hierzu liegen keine prospektiven bzw. vergleichenden Daten vor.
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Freie Perforation
Patienten mit freier Perforation und Peritonitis bei akut komplizierter Divertikulitis sollen unmittelbar nach Diagnosestellung operiert werden (Notfalloperation).
Konsensusstärke: starker Konsens, Empfehlungsstärke: starke Empfehlung
Kommentar zu Statement 6.10
Akutes Abdomen mit progredientem Abdominalbefund und Zeichen der Sepsis sprechen für einen nicht konservativ beherrschbaren septischen Fokus und erfordern eine chirurgische Intervention. Hierzu liegen keine prospektiven bzw. vergleichenden Daten vor.
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6.11 – 6.12 Chronisch-komplizierte Divertikulitis
Fisteln (verschiedene Formen)
Fisteln bei chronisch-komplizierter Divertikulitis sollten operativ behandelt werden. Die Operation kann elektiv erfolgen.
Konsensusstärke: starker Konsens, Empfehlungsstärke: Empfehlung
Kommentar zu Statement 6.11
Divertikulitisbedingte Fisteln können zur Harnblase, anderen Darmsegmenten, zur Haut oder bei hysterektomierten Patientinnen zur Vagina hin entstehen. Die Evidenz zur Behandlung von Fisteln beruht auf Fallberichten, kleinen Fallserien und Expertenmeinung [330] [331] [332]. Dabei stellen insbesondere Fisteln zum Harntrakt wegen der potenziellen Gefahr einer Urosepsis prinzipiell eine OP-Indikation dar. Bei den anderen Fisteln kann bei hoher Komorbidität und geringer klinischer Symptomatik auch konservativ vorgegangen oder ggf. nur ein Deviationsstoma angelegt werden.
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Stenose
Eine postdivertikulitische Stenose ist dann klinisch relevant, wenn sie zu einer behandlungsbedürftigen Behinderung der Stuhlpassage führt. Eine klinisch relevante Stenose sollte je nach klinischem Befund dringlich, frühelektiv oder elektiv operiert werden.
Konsensusstärke: starker Konsens, Empfehlungsstärke: Empfehlung
Kommentar zu Statement 6.12
Hierzu liegen keine prospektiven Daten vor. In retrospektiven Kohortenstudien ist die symptomatische Stenose im Rahmen einer Divertikelkrankheit eine der häufigsten Indikationen für eine elektive Operation [154].
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6.13 Chronisch-rezidivierende Divertikulitis
Die chronisch-rezidivierende, unkomplizierte Divertikulitis (Typ 2b) sollte nur nach sorgfältiger Nutzen-Risiko-Abwägung in Abhängigkeit vom individuellen Beschwerdebild nach Möglichkeit im entzündungsfreien Intervall operiert werden (individualmedizinische Entscheidung). Eine generelle elektive Intervalloperation in Abhängigkeit von der Anzahl der vorausgegangenen entzündlichen Schübe ist nicht gerechtfertigt.
Konsensusstärke: starker Konsens, Empfehlungsstärke: Empfehlung/Negativempfehlung
Kommentar zu Statement 6.13
Auch für die Operationsindikation bei der Divertikulitis Typ 2b, der chronisch-rezidivierenden Form, mit wiederholt auftretenden Episoden einer Divertikulitis und beschwerdefreiem Intervall, gibt es bislang keine Daten aus prospektiven, randomisierten Studien. Eine randomisierte Studie wird aber aktuell durchgeführt (DIRECT trial): Patienten mit persistierenden Abdominalsymptomen nach akuter Divertikulitis oder mehr als 3 Rezidiven in 2 Jahren werden in 2 Behandlungsgruppen mit konservativer bzw. operativer – bevorzugt laparoskopischer – Therapie randomisiert [333]. Für die Leitlinienempfehlung stehen aktuell nur Daten niedrigeren Evidenzlevels zur Verfügung.
Die ehemals bestehende Empfehlung zur Resektion nach dem 2. Schub [9] [13] [324] ist verlassen worden. Die Anzahl der Schübe allein wird heute nicht mehr als entscheidendes Kriterium für die Indikationsstellung zur Operation angesehen [334] [335]. Die Operationsindikation soll heute vielmehr „individuell“ erfolgen, unter Berücksichtigung der anerkannten, bereits oben diskutierten Risikofaktoren (siehe Statement 5.5), sowie abhängig vom Beschwerdebild des Patienten, dem Lebensalter, dem Schweregrad der Schübe (Komplikationen!), der Lebensumstände und der Komorbidität gestellt werden. Hierzu sollen die bei der akuten Divertikulitis genannten anamnestischen Angaben, körperlichen, laborchemischen und bildgebenden Untersuchungsbefunde genutzt werden.
Die frühere Empfehlung zur Resektion nach dem 2. Schub basierte auf der Annahme, dass nach zwei Schüben das Risiko für komplizierte Verläufe (vor allem mit freier Perforation und Peritonitis) ansteigt und sich das Ansprechen auf die konservative Therapie verschlechtert. Ziele der nach dem 2. Schub der Sigmadivertikulitis indizierten Operation waren
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Verhinderung divertikulitisbedingter septischer Komplikation,
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Vermeidung von Notoperationen,
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Vermeidung einer Kolostomie,
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Beseitigung divertikulitisbedingter Beschwerden und
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die Reduktion von Morbidität und Letalität.
Die Empfehlung zur Resektion nach dem 2. Schub stützte sich auf über 40 Jahre alte Daten von Parks zum Spontanverlauf der Erkrankung, Behandlungsergebnisse die also aus einer Ära vor den modernen Antibiotika stammen [336]. Die berichtete Ansprechrate nach dem 2. Schub betrug seinerzeit 60 %, die Ansprechrate nach dem 3. Schub < 10 %, die Rezidivrate innerhalb von 12 Monaten 50 %. Darüber hinaus stieg das Komplikationsrisiko mit zunehmender Zahl der Schübe an.
In einer neueren deutschen Arbeit zum Spontanverlauf der Sigmadivertikulitis wurden 363 Patienten analysiert [318]. Abzüglich der 111 notfallmäßig oder elektiv operierten Patienten (31 %) waren 252 Patienten (69 %) konservativ behandelt worden. Für ein Interview im Sinne der Nachbeobachtung standen 167 Patienten zur Verfügung. Von diesen waren 89 (53 %) asymptomatisch, 78 (47 %) symptomatisch und 1 Patient hatte eine Divertikelblutung erlitten. Bei 16 der 78 symptomatischen Patienten hatten die wieder aufgetretenen Beschwerden zu einer erneuten Krankenhausaufnahme geführt, und bei 13 Patienten war eine Resektion durchgeführt worden. Für ein weiteres Nachbeobachtungsinterview nach 13 Jahren standen immerhin noch 85 Patienten zur Verfügung. Davon gaben 54 (53 %) an, asymptomatisch zu sein, während 31 (37 %) symptomatisch waren und ein Patient eine Perforation erlitten hatte. Von den 31 symptomatischen Patienten waren 17 erneut hospitalisiert und 12 operiert worden.
In einer weiteren Arbeit zur konservativen Behandlung der rezidivierenden Sigmadivertikulitis aus Großbritannien wurden 232 wegen einer Sigmadivertikulitis zugewiesene Patienten evaluiert [256]. 38 Patienten (16,4 %) wurden operiert, wobei ein Patient starb (Letalität 2,6 %). Von den 191 ohne Resektion entlassenen Patienten wurde im Verlauf bei 35 Patienten (18,3 %) die Sigmaresektion erforderlich, bei 26 Patienten (13,6 %) als Elektivoperation und bei 9 Patienten (4,7 %) als Notfalleingriff. Ein Patient starb (Mortalität 0,5 %).
Die Risikofaktoren für die Perforation wurden in einer Publikation von Ritz et al. in einer Kohorte von 934 Patienten untersucht [337]. In dieser Arbeit wurde kein steigendes, sondern im Gegenteil ein sinkendes Perforationsrisiko in zunehmender Anzahl der vorangegangenen Sigmadivertikulitisschübe festgestellt: 114 von 450 Patienten (25 %) hatten eine Perforation ohne vorangegangenen Schub (Primärereignis), 29 von 228 Patienten (12,7 %) mit einem vorangegangen Schub, 8 von 136 Patienten (5,9 %) mit 2 vorangegangen Schüben, einer von 109 Patienten (0,9 %) mit 3 – 5 vorangegangen Schüben und keiner von 5 Patienten mit mehr als 5 vorangegangenen Schüben. Zu vergleichbaren Ergebnissen kamen retrospektive Kohortenstudien mit 271 Patienten (202 Erstmanifestation, 69 Rezidiv) sowie 150 Patienten mit mindestens einer vorangegangenen Divertikulitisepisode [338] [339].
In einem systematischen Review wurden 21 Studien evaluiert, die den Verlauf nach medikamentöser bzw. operativer Therapie einer Divertikulitis berichteten [217]. Nach konservativer Behandlung eines 1. oder 2. Schubes einer Divertikulitis wurden Operationsfrequenzen wegen Rezidiven bis zu 45 % beschrieben, in den größeren Studien lag die Rate aber durchweg unter 11 %.
In einer Analyse einer multizentrischen Datenbank (743 Patienten), unter Berücksichtigung der publizierten Literatur, fand sich insgesamt ein gutartiger Verlauf der Divertikelkrankheit. Das 5-Jahre-Rezidivrisiko lag bei 25 – 35 % mit abnehmendem Risiko für schwerwiegende Komplikationen (z. B. Perforationen), Risiko für Notoperationen im Follow-up von 2 – 14 % und Risiko für Stoma und Tod zwischen 0 und 2,7 % [340].
Eine zunehmende Inzidenz der Divertikulitis bei Patienten unter 40 Jahren wurde beobachtet. Initiale Daten suggerierten, dass es sich in dieser Altersgruppe um eine gefährlichere Erkrankung handelt als bei älteren Patienten, dies wurde aber in neueren Studien nicht bestätigt, sodass junges Alter per se kein Argument für eine operative Therapie ist [341].
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6.14 – 6.17 Divertikelblutung (endoskopisch, radiologisch, chirurgisch)
Patienten mit einer vermuteten Divertikelblutung sollten stationär aufgenommen werden.
Konsensusstärke: starker Konsens, Empfehlungsstärke: Empfehlung
Kommentar zu Statement 6.14
Diese Empfehlung folgt aktuellen Leitlinien zum Management der gastrointestinalen Blutung [342]. Vergleichende Studiendaten (ambulant versus stationär) liegen nicht vor.
Bei endoskopisch identifizierbarer Blutungsquelle soll eine endoskopische Blutstillung versucht werden. Ist eine endoskopische Identifikation/Therapie nicht möglich, kann eine Angiografie mit Embolisation bei Identifikation der Blutungsstelle durchgeführt werden. In allen anderen Fällen mit anhaltender Blutung oder bei klinisch relevantem Blutungsrezidiv nach endoskopischer bzw. angiografischer initialer Hämostase soll eine operative Therapie dringlich erfolgen.
Konsensusstärke: starker Konsens, Empfehlungsstärke: starke Empfehlung/offene Empfehlung/starke Empfehlung
Kommentar zu Statement 6.15
Grundsätzlich ist heute akzeptiert, dass beim therapeutischen Management der gastrointestinalen Blutung zunächst die Möglichkeiten der endoskopischen Diagnostik und Therapie ausgeschöpft werden [285] [286] [342] [343] [344], wenngleich die einzige randomisierte, kontrollierte Studie mit 100 Patienten keinen Vorteil einer initialen Koloskopie gegenüber einem Protokoll mit Angiografie gefolgt von einer planmäßigen Koloskopie nachweisen konnte [281].
Bei wiederholter oder anhaltender Blutung ohne endoskopisch eindeutig zu identifizierende Quelle sollte eine Angiografie (ggf. auch CT-Angiografie) zur Lokalisationsdiagnostik zum Zeitpunkt der vermuteten aktiven Blutung durchgeführt werden, da für ein erforderliches chirurgisches Vorgehen die exakte Kenntnis der Lokalisation entscheidend ist.
Patienten mit einer selbstlimitierenden oder interventionell erfolgreich behandelten, stattgehabten Divertikelblutung sollten nicht operiert werden.
Konsensusstärke: starker Konsens, Empfehlungsstärke: Negativempfehlung
Kommentar zu Statement 6.16
Die Divertikelblutung ist häufig selbstlimitierend (70 – 90 %). In einer prospektiven Studie wurden 133 Patienten mit Divertikelblutung untersucht [189]. Die Blutung sistierte spontan in 92,4 % der Fälle. Die übrigen 10 Patienten wurden interventionell behandelt. Nach einem mittleren Follow-up von 4 Jahren lag die Rezidivblutungsrate bei 13,8 %. Die Rezidivblutungen sistierten mit Ausnahme eines Falles (Patient gestorben) wieder spontan.
Diese Empfehlung folgt auch den aktuellen Leitlinien zum Management der gastrointestinalen Blutung [342].
Rezidivierende, klinisch relevante Divertikelblutungen (z. B. Hb-Abfall > 2 g/dl, Schock) ohne Option der konservativen Risikosenkung für ein erneutes Rezidiv sollten bei bekannter Blutungslokalisation nach individueller Nutzen-Risiko-Bewertung frühelektiv operiert werden.
Konsensusstärke: starker Konsens, Empfehlungsstärke: Empfehlung
Kommentar zu Statement 6.17
Bei rezidivierenden klinisch relevanten Blutungen ist nach Ausschöpfung der konservativen Therapiemöglichkeiten die Operationsindikation zu stellen. Wenngleich auch diesbez. die Datenlage äußerst spärlich ist – insbesondere prospektive randomisierte Studien liegen nicht vor – so können doch aus der klinischen Erfahrung, sowie aus retrospektiven Arbeiten Faktoren herausgearbeitet werden die bei der Operationsindikation berücksichtigt werden sollten. Diese sind:
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die Blutungslokalisation
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die Blutungsaktivität
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die Blutungsintensität
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der Allgemeinzustand des Patienten
Grundsätzlich haben Divertikelblutungen eine starke Tendenz spontan zu sistieren, Rezidive kommen aber vor. Eine typische klinische Beobachtungsstudie mit 115 Patienten mit transfusionspflichtiger Kolondivertikelblutung zeigt folgende Zahlen: n = 94 (82 %) der Blutungen sistierten spontan, während n = 21 (18 %) primär notfallmäßig reseziert wurden. Eine Rezidivblutung erlitten wiederum 19 der 94 Patienten (20 %), bei denen es wiederum in 63 % der Fälle (n = 12) zu einem spontanen Sistieren kam, während 37 % notfallmäßig operiert werden mussten [345]. Eine Abhängigkeit vom Transfusionbedarf als Marker für Blutungsaktivität bzw. -intensität wurde ebenfalls in der Literatur aufgezeigt [346]. In dieser Studie mit 108 Divertikelblutungen lag die Gesamtrate des spontanen Sistierens bei 78 %; beim Transfusionsbedarf von 1 – 2 Erythrozytenkonzentraten (EKs) pro Tag betrug sie 100 %, bei 3 EKs 88 %, bei 4 EKs 74 %, bei 5 EKs 43 % und bei 6 EKs oder mehr 0 %.
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6.18 – 6.19 Rezidivdivertikulitis nach Sigmaresektion
Unter einer Rezidivdivertikulitis nach Sigmaresektion versteht man eine eindeutig (Klinik, Entzündungsparameter, Bildgebung) gesicherte Divertikulitis.
Konsensusstärke: starker Konsens
Patienten mit Rezidivdivertikulitis sollten nach den gleichen Regeln behandelt werden wie Patienten mit Divertikelkrankheit ohne vorangegangene Sigmaresektion.
Konsensusstärke: starker Konsens, Empfehlungsstärke: Empfehlung
Kommentar zu Statement 6.19
Divertikulitisrezidive nach Sigmaresektion werden mit einer Häufigkeit von 2,7 – 9,6 % angegeben. In einem systematischen Review, das 21 Studien einschloss, lag die Rezidivrate nach konservativer Therapie bei 18,6 % (4358 von 23 446 Patienten) verglichen mit 6,1 % nach Operation (22 von 359 Patienten) [217]. Wichtigster Risikofaktor für ein Rezidiv ist ein inadäquates Resektionsausmaß nach aboral. Die Anastomose sollte im oberen Rektumdrittel liegen und es darf kein Sigmaanteil belassen werde.
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Kapitel 7 Operationsverfahren
7.1 – 7.3 Verfahrenswahl bei der elektiven Sigmaresektion
Laparoskopische versus offene Resektion
Die laparoskopische bzw. laparoskopisch-assistierte Operation ist der offenen Resektion vorzuziehen, sofern nicht triftige Gründe dagegen sprechen.
Konsensusstärke: starker Konsens, Empfehlungsstärke: Empfehlung
Kommentar zu Statement 7.1
Im Langzeitverlauf ist hinsichtlich der Ergebnisse, auch unter Berücksichtigung der Lebensqualität, kein Unterschied zwischen laparoskopischer Operation und offener Operation festzustellen, jedoch schneidet die laparoskopische Operation im kurzzeitigen Verlauf hinsichtlich der lokalen Komplikationen und dabei insbesondere der Inzidenz von Wundinfektionen, intraabdomineller Abszesse, des postoperativen Ileus und der Quote an Fasziendeshiszenzen günstiger ab. Ebenso ist die postoperative Lebensqualität im postoperativen Verlauf nach laparoskopischen kolorektalen Operationen besser, als nach konventionellen Eingriffen. Die Quote allgemeiner Komplikationen und die Letalität werden durch die laparoskopische OP-Technik nicht beeinflusst. Die laparoskopische Operation geht mit einer längeren Operationszeit einher.
Als triftige Gründe gegen eine laparoskopische Operation können beispielsweise gelten vor allem: mangelnde Expertise des Operateurs/Teams und der Patientenwunsch. Voroperationen und dadurch bedingte Verwachsungen stellen keine absolute Kontraindikation zur laparoskopischen Operation dar [347] [348] [349] [350].
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Total laparoskopische/laparoskopisch-assistierte versus Hand-Port-Verfahren
Total laparoskopische und laparoskopisch-assistierte sowie Hand-Port-Verfahren sind als gleichwertig anzusehen.
Konsensusstärke: starker Konsens
Kommentar zu Statement 7.2
Die unterschiedlichen Verfahren sind hinsichtlich ihrer technischen Machbarkeit hinreichend belegt. Vergleichende Untersuchungen zeigen keine nennenswerten Unterschiede, sodass diese unterschiedlichen Spielarten der laparoskopischen Vorgehensweise als gleichwertig anzusehen sind [351].
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Stellenwert von Single-Port-, NOS- und NOTES-Techniken bei der elektiven Sigmaresektion wegen Divertikelkrankheit
Single-Port-, NOS- und NOTES-Techniken bei der Sigmaresektion wegen Divertikelkrankheit sind hinsichtlich ihrer technischen Machbarkeit dokumentiert. Die Bedeutung dieser Techniken im Vergleich mit laparoskopischen Techniken ist unklar und sollte in klinischen Studien untersucht werden.
Konsensusstärke: starker Konsens
Kommentar zu Statement 7.3
Vergleichende Untersuchungen auf hohem Evidenzlevel liegen nicht vor, sodass hier eine adäquate vergleichende Beurteilung der verschiedenen Techniken nicht möglich ist. Grundsätzlich gilt aber, dass neue Techniken in klinischen Studien erprobt werden sollten, idealerweise im Vergleich mit herkömmlichen laparoskopischen Techniken [352] [353] [354] [355] [356] [357] [358] [359] [360].
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7.4 – 7.6 Verfahrenswahl bei der perforierten Sigmadivertikulitis (frei/gedeckt)
Beginn der Operation
Bei entsprechender Expertise ist es gerechtfertigt, bei perforierter Sigmadivertikulitis die Operation laparoskopisch zu beginnen.
Konsensusstärke: starker Konsens, Empfehlungsstärke: offene Empfehlung
Kommentar zu Statement 7.4
Entsprechende Fallserien belegen, dass auch in der Notfallversorgung die laparoskopische Sigmaresektion bzw. laparoskopische Drainage mit guten Ergebnissen einhergehen können. Eine entsprechende Expertise mit diesen Techniken ist jedoch vorauszusetzen [10] [352] [353] [359] [361] [362] [363] [364] [365] [366] [367] [368] [369] [370] [371] [372] [373] [374] [375] [376] [377] [378] [379].
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Sigmaresektion mit Kontinuitätswiederherstellung versus Diskontinuitätswiederherstellung nach Hartmann
Als Standardeingriff bei der perforierten Sigmadivertikulitis sollte als Operationsverfahren die Sigmaresektion mit primärer Kontinuitätswiederherstellung mit Anastomose bevorzugt werden, mit Vorschaltung eines Ileostoma.
Bei septischen und instabilen Patienten mit einer erschwerten Mobilisation der linken Flexur kann eine Hartmann-Operation durchgeführt werden.
Konsensusstärke: starker Konsens, Empfehlungsstärke: Empfehlung/offene Empfehlung
Kommentar zu Statement 7.5
Viele nicht randomisierte vergleichende Untersuchungen zeigen, dass die Sigmaresektion mit primärer Anastomose auch in der Notfallsituation sicher durchgeführt werden kann. Bei der frei perforierten Sigmadivertikulitis wird die notfallmäßige Sigmaresektion als Standard angesehen. Für die Rekonstruktion stehen prinzipiell die Diskontinuitätsresektion nach Hartmann, mit Anlage eines endständigen Kolostoma und Blindverschluss des Rektum (Hartmann-Stumpf) und die primäre Kontinuitätswiederherstellung mit primärer Anastomose mit Vorschaltung einer Ileostomie, zur Verfügung. Einige nicht randomisierte, retrospektive Vergleichsstudien haben gezeigt, dass die primäre Anastomose und Ileostomaschutz auch in der Notfallsituation sicher durchgeführt werden kann. Jüngst sind nun auch die Ergebnisse einer prospektiv randomisierten Studie aus der Schweiz publiziert worden [380].
Nicht randomisierte Vergleichsstudien
Eine systematische Übersichtsarbeit und Metaanalyse von Constantinides et al. [381] analysiert insgesamt 15 Studien Patienten [382] [383] [384] [385] [386] [387] [388] [389] [390] [391] [392] [393] [394] [395] [396] mit 416 einer Diskontinuitätsresektion nach Hartmann und 547 einer primären Anastomosierung unterzogen. Diese Arbeit legt eine statistisch signifikante Überlegenheit der Sigmaresektion mit primärer Anastomose gegenüber der Diskontinuitätsresektion nach Hartmann nahe. In dieser systematischen Übersicht wird eine signifikant (p = 0,006) höhere Gesamtletalität in der Hartmann-Gruppe (15,1 %) im Vergleich zur Gruppe mit primärer Anastomose (4,9 %) aufgezeigt. Diese statistische Signifikanz des Letalitätsunterschiedes bezieht sich in der Subgruppenanalyse insbesondere auf die Notfallresektion (15,6 vs. 7,4 %; p = 0,001). Die Subgruppenanalyse hinsichtlich der Hinchey-Stadien zeigte den Letalitätsunterschied zwischen Hartmann-Prozedur und primärer Anastomose statistisch signifikant für Hinchey II (15 vs. 5,2 %; p = 0,02), während sich dieser Unterschied bei den Hinchey III/IV-Stadien verlor (14,4 vs. 14,1 %, p = 0,71). Auch die Rate der Wundinfektionen (22,3 vs. 8,6 %; p 0,02) und die Peritonitis und Abszessrate (8,7 vs. 3,9 %; p = 0,04) war statistisch signifikant erhöht. Ein Unterschied hinsichtlich der tendenziell häufigeren Stomakomplikationen (13,6 vs. 8,3 %) erreichte keine statistische Signifikanz.
Bei einem großen Teil der Patienten, bei denen eine Diskontinuitätsresektion nach Hartmann durchgeführt worden ist, wird nie die Hartmann-Wiederanschlussoperation durchgeführt und diese Patienten behalten somit lebenslang das Stoma. Dies wird reflektiert durch eine retrospektive multizentrische Untersuchung aus den Niederlanden [397]: Im Zeitraum 1995 – 2005 notfallmäßig wegen perforierter Divertikulitis operierten Patienten wurden eingeschlossen (n = 139 Hartmann-Resektion; n = 19 primäre Anastomose + Ileostoma). Betrachtete Ergebnisvariablen waren die Rate der Durchführung einer Wiederanschlussoperation, respektive Ileostomarückverlagerung sowie die Morbidität in Abhängigkeit vom primären Operationsverfahren. Die Studie zeigte eine 45 % Hartmann-Wiederanschlussrate (n = 36) und eine Rate von 74 % Ileostomarückverlagerungen (n = 14). Es bestand hierbei kein Unterschied in der Schwere der initialen Erkrankung. Der Zeitraum zwischen Primäroperation und Hartmann-Wiederanschluss betrug 9,1 Monate, während der Zeitraum zur Ileostomarückverlagerung nur durchschnittlich 3,9 Monate betrug. Die Rate früh-postoperativer Komplikationen lag bei 35 vs. 7 %, die Rate spätpostoperativer Komplikationen bei 27 vs. 7 % und die Letalität bei 5 vs. 0 %. Eine Kontinuitätswiederherstellung nach Hartmann-Resektion erfolgt bei weniger als der Hälfte der Patienten und ist mit einer substanziellen Morbidität (44 %) und Letalität (5 %) behaftet. Das Hartmann-Verfahren resultiert häufig in einer permanenten Kolostomie.
Prospektiv randomisierten Studie
Eine prospektiv randomisierte Studie [380] berichtet über 62 Patienten aus vier Schweizer Zentren, die wegen akuter Perforation im linken Hemikolon operiert und in die prospektiv randomisierte Studie eingeschlossen worden sind. 30 Patienten wurden zur Hartmann-Operation und 32 Patienten zur primären Anastomose mit Diversionsileostomie randomisiert. Weiter war im Studienprotokoll die Wiederanschlussoperation respektive Ileostomarückverlagerung nach 3 Monaten vorgesehen. Die Mehrzahl der Patienten in beiden Gruppen waren Hinchey III (76 vs. 75 %), weniger Hinchey IV (24 vs. 25 %). In der Studie zeigte sich kein Unterschied hinsichtlich der Gesamtkomplikationsrate (80 vs. 84 %, p = 0,813). Auch hinsichtlich Morbidität (67 vs. 75 %) und Letalität (13 vs. 9 %) wurden keine signifikanten Unterschiede aufgezeigt. Weiter zeigt auch die prospektiv randomisierte Studie eine geringe Stomarückverlagerungsrate[2] nach der Diskontinuitätsresektion nach Hartmann (57 %) im Vergleich zur primären Anastomose mit Ileostoma (90 %; p = 0,005). Weiter war die Rate schwerer Komplikationen höher (20 vs. 0 %), die Operationszeit (bei Berücksichtigung auch des Zweiteingriffs) länger (183 Minuten vs. 73 Minuten, p < 0,001), ebenso der Krankenhausaufenthalt (6 vs. 9 Tage; p = 0,016) und die Krankenhauskosten (US $16 717 vs. vs. US $24 014). Insgesamt liegen somit zum ersten Mal Level-1B-Daten vor, dass die primäre Anastomose mit protektiver Ileostomie im Notfall ebenso sicher durchgeführt werden kann wie die Hartmann-Operation. Hinsichtlich der sekundären Ergebnisvariablen weist die prospektiv randomisierte Studie die Kontinuitätswiederherstellung als das überlegene Verfahren aus.
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Resektion versus laparoskopische Lavage und Drainage
Die laparoskopische Peritoneallavage und Drainage, ohne Resektion, ist als alternative Therapiestrategie bei der perforierten Divertikulitis mit eitriger Peritonitis (CDD Typ 2c1/Hinchey III) vorgeschlagen worden. Eine diesbezügliche Empfehlung kann bei inadäquater Datenlage bislang nicht gegeben werden. Die bisherigen Daten sind aber so vielversprechend, dass die individuelle Anwendung bei entsprechender Aufklärung gerechtfertigt ist.
Konsensusstärke: starker Konsens, Empfehlungsstärke: offene Empfehlung
Kommentar zu Statement 7.6
Über die als Alternative zur notfallmäßigen Sigmaresektion vorgeschlagene Therapiestrategie mit laparoskopischer Lavage und Drainage wird in der Literatur zunehmend und mit sehr vielversprechenden Ergebnissen berichtet. Die Strategie geht auf die Erstbeschreibung durch O’Sullivan et al. im Jahre 1996 zurück. Seither sind mindestens zwei prospektive Fallserien [365] [398], diverse retrospektive Fallserien [399] [400] [401] [402] [403] [404] [405] [406] [407] [408] [409] [410] und Case Reports [411] [412] publiziert worden. Weiter sind die Daten in mindestens drei systematischen Reviews und Metaanalysen aufgearbeitet worden sind [413] [414] [415].
Prospektiv randomisierte Studien zum Vergleich der Therapiestrategie mit den Standardverfahren, der chirurgischen Resektion mit oder ohne Kontinuitätswiederherstellung stehen bislang aus, sind allerdings bereits initiiert und rekrutieren aktuell [379] [416].
Ergebnisse einzelner Studien und Fallserien
Die größte bislang publizierte konsekutive, Patientenserie von Myers et al. [398] berichtet über 92 Patienten, die bei perforierter Sigmadivertikulitis mit eitriger Peritonitis (Hinchey III) mit laparoskopischer Peritoneallavage und Drainage und Antibiotikatherapie, aber ohne Resektion, behandelt worden sind. Die Studie zeigt eine sehr niedrige Morbidität (3 %) und Mortalität (4 %) auf. Während einer medianen Nachbeobachtungszeit von 36 Monaten wurden nur 2 Rezidive beobachtet.
Eine jüngst publizierte retrospektive, populationsbasierte Studie aus Irland [417] berichtet über 2555 Patienten, die wegen einer Divertikulitis operiert worden waren, von denen 427 mit der Strategie der laparoskopischen Lavage behandelt worden waren. In dieser Gruppe der für die laparoskopische Lavage selektierten Patienten zeigten sich dann im Vergleich zu den resezierten Patienten eine niedrigere Letalität (4,0 vs. 10,4 %; p < 0,001), niedrigere Komplikationsrate (14,1 vs. 25,0 %; p < 0,001) und Dauer des Krankenhausaufenthaltes (10 Tage vs. 20 Tage, p < 0,001).
In einer multiinstitutionalen retrospektiven Analyse haben Karoui et al. [409] prospektiv dokumentierte Ergebnisse dreier französischer Zentren mit gematchten retrospektiven Kontrollen publiziert: n = 35 Patienten wurden mit der laparoskopischen Lavage und mit n = 24 mit Diskontinuitätsresektion behandelten Patienten verglichen. Die Arbeit zeigt keinen Unterschied hinsichtlich Morbidität und Mortalität. Weiter wird über einen signifikant verkürzten Krankenhausaufenthalt (8 versus 17 Tage) berichtet. In weitere Folge wurden dann 25 der Patienten einer elektiven laparoskopischen Operation unterzogen.
Ergebnisse der systematischen Reviews/Metaanalysen
Die systematische Übersicht und Metaanalyse von Toorenvliet et al. [414] berichten über n = 231 Patienten aus zwei prospektiven Kohortenstudien, neun retrospektiven Fallserien und zwei Case Reports. Die Mehrzahl der Patienten (77 %) war wegen einer eitrigen Peritonitis (Hinchey III) mit der laparoskopischen Lavage und Drainagestrategie behandelt worden. Eine Kontrolle des abdominellen Fokus und der Sepsis wurde bei 95,7 % der Patienten erzielt, bei niedriger Mortalität (1,7 %) und Morbidität (10,4 %). Auch die Kolostomierate war mit 1,7 % sehr niedrig. Aus diesen Daten wird einerseits gefolgert, dass die laparoskopische Lavage und Drainagestrategie vielversprechende Ergebnisse liefert, mit hoher Effektivität, niedriger Mortalität, Morbidität und niedriger Kolostomierate. Andererseits muss auch zur Kenntnis genommen werden, dass es keine Publikationen von hoher methodischer Qualität zu dieser Fragestellung gibt und prospektiv randomisierte Studien zum Vergleich der Methode mit dem aktuellen Standard, der chirurgischen Resektion benötigt werden.
Die neuere systematische Übersicht und Metaanalyse von Afshar & Kurer [413] schließt 12 Studien ein [365] [370] [398] [400] [402] [403] [405] [406] [407] [408] [409] [410] mit einer Gesamtzahl von 301 Patienten, die mit der Strategie Antibiotikatherapie plus laparoskopische Lavage und Drainage behandelt worden sind. Berichtet wird über eine Gesamtletalität von 0,25 % und eine mittlere Komplikationsrate von 18,9 %, eine mittlere Konversionsrate von 4,9 % und eine Krankenhausverweildauer von im Mittel 9,3 Tagen. Eine elektive Resektion im Verlauf mit primärer Anastomose war bei 51 % der Patienten durchgeführt worden, die in der Mehrzahl erfolgreich auf laparoskopischem Wege durchgeführt worden war.
Laufende prospektiv randomisierte Studien
Zwei prospektiv randomisierte Studien sind zur Klärung dieser Frage initiiert worden und rekrutieren aktuell [379] [416].
In der skandinavischen DILALA[3]-Studie wird randomisiert zwischen laparoskopischer Lavage und der Diskontinuitätsresektion nach Hartmann. Primäre Ergebnisvariable ist die Anzahl der Reoperationen innerhalb von 12 Monaten. Sekundäre Endpunkte sind die Letalität, Lebensqualität, Wiederaufnahmerate, Gesundheitsökonomische Aspekte und das permanente Stoma.
In der holländischen LADIES[4] -Studie [379] wird die laparoskopische Lavage und Drainage mit der Resektion verglichen (sog. LOLA[5]-Arm der Studie). Im Resektionsarm der Studie (sog. DIVA[6]-Arm) wird weiter randomisiert zur Sigmaresektion mit oder ohne Kontinuitätswiederherstellung.
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7.7 – 7.9 Welches Verfahren sollte bei der Divertikelblutung verwendet werden.
Bei der eindeutig lokalisierbaren Divertikelblutung sollte der entsprechende Darmabschnitt reseziert werden. Bei Divertikelblutungen aus dem Sigma sollte eine Standardsigmaresektion durchgeführt werden.
Konsensusstärke: starker Konsens, Empfehlungsstärke: Empfehlung
Kommentar zu Statements 7.7
Es ist unbedingt anzustreben, eine Lokalisierung der Blutung zu erreichen, um gezielt chirurgisch vorzugehen.
Die Notfallendoskopie ist hierbei die Maßnahme der ersten Wahl [281]. Ist eine Lokalisation nicht möglich, ist eine Szintigrafie oder eine Angiografie zu erwägen. Letztere ermöglicht bei entsprechend starker Blutungsintensität (0,5 ml/min) die exakteste Blutungslokalisation. Ein vorher durchgeführtes Spiral-CT erhöht die Treffsicherheit der Koloskopie [418]. Wu 2010 [419] konnte in einer Metaanalyse auch für die CT-Angiografie eine hohe Spezifität (85 %) und Sensitivität (89 %) feststellen. Breitere Verfügbarkeit, geringere Invasivität und größere Untersucherunabhängigkeit sprechen für den Einsatz in der Primärdiagnostik der akuten UGI-Blutung.
Gelingt eine Lokalisation der Blutungsquelle nicht, kann nicht davon ausgegangen werden, dass die Blutung aus dem Sigma stammt.
Konsensusstärke: starker Konsens
Kommentar zu Statement 7.8
In einer retrospektiven Studie von Plummer et al. [420] fanden sich nach subtotaler Kolektomie als Blutungsursache eine Divertikelerkrankung (68 %), Angiodysplasie (12 %) oder beides (12 %).
Green et al. [281] fanden bei Notfallkoloskopien wegen UGI-Blutung nur in der Hälfte der Fälle Blutungen aus Divertikeln.
Die Divertikulose des Rechtskolons ist in der westlichen Bevölkerung seltener als in der asiatischen und kann ebenfalls Blutungsursache sein [421] [422]. Bei Asiaten überwiegt die Blutung aus Rechtskolondivertikeln die aus Linksseitendivertikeln zahlenmäßig [423].
In diesen sehr seltenen Fällen einer nicht lokalisierbaren Blutung muss eine subtotale Kolektomie mit Ileorektostomie diskutiert werden.
Konsensusstärke: starker Konsens, Empfehlungsstärke: starke Empfehlung
Kommentar zu Statement 7.9
Poncet et al. [189] fanden in einer prospektiven Studie eine hohe Rate spontanen Blutungsstillstands (92 %), hohe Effektivität interventioneller Maßnahmen sowie eine geringe Anzahl von Blutungsrezidiven (3,8 % innerhalb eines Jahres). Sie halten ein aggressives Vorgehen nicht für gerechtfertigt. Allerdings berichten sie auch über eine 30-Tages-Mortalität bei Erstblutung von 2,25 %.
Die Chance des Sistierens scheint von der Blutungsintensität abhängig zu sein: bei einem Transfusionsbedarf von 6 EK/Tag ist sie 0 % [346].
Die Indikation zur Operation ergibt sich bei fortbestehender, endoskopisch oder interventionell nicht beherrschbarer Blutung. Die Dringlichkeit wird bestimmt von der Kreislaufsituation, der Blutungsintensität und dem vorbestehenden Risikoprofil. Das präoperative Intervall muss zur Lokalisationsdiagnostik genutzt werden.
Liegt eine OP-Indikation vor, ist intraoperativ zunächst eine Blutung aus dem Dünndarm auszuschließen. In unklaren Fällen sind ggf. ein oder sogar mehrere Loop-Ileostomata anzulegen [424] [425].
„Blinde“ Kolonsegmentresektionen haben ein hohes Risiko der persistierenden oder Rezidivblutung und sollten nicht durchgeführt werden [424]. Bei unsicherer Lokalisation ist die subtotale Kolonresektion das Verfahren der Wahl [426].
Die mitgeteilten Fallzahlen dieser operativen Eingriffe bei Blutung sind allerdings klein.
Renzulli et al. [427] erzielten bei 32 Patienten durch subtotale Kolektomie eine komplette Blutungskontrolle. Signifikante Unterschiede im Outcome im Vergleich zu segmentalen Resektionen ergaben sich nicht, sodass die subtotale Kolektomie als effektives und sicheres Verfahren bei nicht lokalisierter Blutung bewertet wird.
Ältere Untersuchungen berichten über höhere Mortalität (33 %) [428].
Gerade für Risikogruppen wird daher zur frühzeitigen subtotalen Kolektomie geraten [150].
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7.10 – 7.14 Ausmaß der Sigmaresektion
Der orale Absetzungsrand sollte in jedem Fall proximal chronisch oder akut entzündlich veränderter Wandabschnitte in gesundem Darm gewählt werden.
Konsensusstärke: starker Konsens, Empfehlungsstärke: Empfehlung
Kommentar zu Statement 7.10
Wenngleich die Datenlage diesbez. äußerst schwach ist, wird angenommen, dass die Sigmadivertikulitis auf hohe Druckwerte („Hochdruckzone“) im (distalen) Sigma zurückzuführen ist. Folglich ist die Elimination dieses Abschnitts anzustreben, da somit a priori von einer reduzierten Rezidivwahrscheinlichkeit auszugehen ist. Nicht gesichert ist, ob in jedem Fall das gesamte proximale Sigma reseziert werden muss.
Aus Gründen der Anastomosensicherheit muss der anastomosierte Bezirk selbst frei von Divertikeln sein. Ist die Darmwand noch akut oder chronisch entzündlich „myostatisch“ induriert und somit nicht ausreichend dehnbar, kann eine ausreichend weite End-zu-End-Stapleranastomose nicht hergestellt werden.
Allerdings ist ein Zusammenhang zwischen Staplerdurchmesser und Rezidiv nicht belegbar [429].
Ob eine am oberen Absetzungsrand nachweisbare Entzündung ein Rezidiv begünstigt, bleibt fraglich: Thaler 2003 [429] fand eine Entzündungsreaktion nur in 1 von 12 Rezidiven. Auch Bergamaschi 1998 [430] gibt bei laparoskopischer Resektion trotz kürzerer Resektate mit deutlich häufigerer Entzündung am oralen Rand im Vergleich mit der offenen Chirurgie eine geringere Rezidivrate an. Beide betonen die Wichtigkeit der Anastomosierung im oberen Rektum.
Ein Zusammenhang eines krankhaft veränderten Resektionsrands mit postoperativen, symptomatischen Stenosen ist zu diskutieren. Ambrosetti 2008 [431] fand diese in 17,8 % nach laparoskopischer Sigmaresektion, ein Zusammenhang mit vorbestehender lokaler Entzündung wurde nicht untersucht.
Bei fehlender Datenlage empfehlen die bestehenden Leitlinien die Resektion in einem gesunden, d. h. nicht verdickten, dehnbaren Kolonabschnitt [10] [222] [324].
Der aborale Absetzungsrand sollte im oberen Rektum liegen, sodass eine Anastomose vom Colon descendens mit dem Rektum resultiert.
Konsensusstärke: starker Konsens, Empfehlungsstärke: Empfehlung
Kommentar zu Statement 7.11
Einzelne Arbeiten belegen, dass bei Anastomose auf das Rektum die Rezidivwahrscheinlichkeit reduziert ist.
Es gibt Hinweise auf das Vorliegen einer Hochdruckzone am rektosigmoidalen Übergang [432] [433]. Die Bedeutung für die Entstehung der Divertikulose des Colon sigmoideum bleibt spekulativ.
Benn 1986 und Thaler 2003 berichten, dass durch Anastomosierung im oberen Rektum (nach dem „Aufspreizen“ der Taenie, somit wohl unterhalb einer „Hochdruckzone“) die Rezidivhäufigkeit der Divertikulitis vermindert wird. Durch eine kolorektale anstelle einer kolosigmoidalen Anastomose konnte die Rezidivrate von 12,5 auf 2,8 % gesenkt werden [429] [434]. Auf die genannten zwei Autoren stützen sich mehrere Leitlinienempfehlungen [10] [222] [324].
Andere Untersucher bestätigen den Zusammenhang mit der Anastomosenlokalisation nicht [219].
Es ist die Resektion des gesamten Sigmas, mit den aktuell oder ehemals entzündlich veränderten Darmabschnitten erforderlich, nicht jedoch aller divertikeltragender Darmabschnitte.
Konsensusstärke: starker Konsens, Empfehlungsstärke: starke Empfehlung
Kommentar zu Statement 7.13
Obwohl hierzu keine validen Daten vorliegen, ist aus der Erfahrung bekannt, dass die Divertikel (außer bei der Rechtsdivertikulitis) fast immer nur im Bereich des Sigmas symptomatisch werden.
98 % der Divertikulitiden entstehen im Sigma, obwohl 30 % der Patienten auch Divertikel in oralen Kolonabschnitten haben [434]. Divertikel im Rektum gelten als Rarität [434].
Trotz erfolgreicher Sigmaresektion berichten 25 % der operierten Patienten über persistierende oder rezidivierende Beschwerden, Divertikulitiden wurden hierbei nicht beobachtet [218].
Andeweg 2008 [219] gibt eine Inzidenz des Divertikulitisrezidivs von 8,7 % an. Innerhalb von 15 Jahren wird das Rezidivrisiko auf 16 % geschätzt. Die Rate der erforderlichen Reoperationen wird mit 50 % angegeben, wobei die Entzündung proximale Divertikel betraf. An Verfahren wurden Hemikolektomie links, Transversumteilresektion und sogar subtotale Kolektomie vorgenommen.
Wolf 1984 [435] konnte bei 61 Patienten nach Sigmaresektion nur bei 14,7 % mittels Barium-KE eine Zunahme proximaler Divertikel feststellen. 11,4 % entwickelten eine Rezidivdivertikulitis, eine Reoperation war nicht erforderlich. Eine Resektion weiterer divertikeltragender Kolonabschnitte sei nicht indiziert, da die Progression gering und das Rezidivrisiko niedrig sei.
Bestehende Leitlinien schließen sich dieser Auffassung an [10] [324]. Die orale Resektionsgrenze müsse jedoch in einer Region ohne Wandhypertrophie und Entzündung liegen. Gelegentlich müsse die Absetzung deswegen „gut“ im Colon descendens bis hin zum linken Colon transversum erfolgen [324].
Die Rechtsseitendivertikulitis stellt möglicherweise eine eigene Entität dar. Sie betrifft vornehmlich jüngere Patienten asiatischer Herkunft [436]. Häufig kann sie konservativ behandelt werden, sofern durch Ultraschall oder CT Komplikationen oder die akute Appendizitis ausgeschlossen werden können [437]. Fang 2003 [438] befürwortet dagegen eine aggressive Resektion (Hemikolektomie), da weniger als 40 % auf Dauer konservativ behandelt werden konnten.
In westlichen Ländern ist die Rechtskolondivertikulitis dagegen eine seltene Differenzialdiagnose zur Appendizitis, sodass das primär operative Vorgehen eher im Vordergrund steht. Meist handelt es sich hier um erworbene Divertikel. Der betroffene Darmabschnitt sollte entfernt werden (Ileocoekalresektion, Hemikolektomie rechts), limitierte Techniken (Einstülpung/Übernähung) sind kritisch zu sehen [421] [439].
Es soll eine spannungsfreie, gut durchblutete und dichte Anastomose hegestellt werden. Sofern hierzu die Mobilisation der linken Flexur erforderlich ist, soll diese erfolgen.
Konsensusstärke: starker Konsens, Empfehlungsstärke: starke Empfehlung
Kommentar zu Statement 7.14
Eine Mobilisation der linken Flexur en principe ist durch die Literatur nicht hinreichend zu begründen. Die Rahmenbedingungen für eine primäre Anastomosenheilung müssen aber unbedingt geschaffen werden.
Viele Autoren führen die Mobilisation der linken Kolonflexur in laparoskopischer wie offener Technik standardmäßig durch [440] [441]. Andere machen die Notwendigkeit einer Mobilisation von der bestehenden Mobilität des Darmes abhängig [373]. Nach Thaler [429] hat die Lösung der linken Flexur keinen Einfluss auf die Rezidivrate.
Jones 2008 [440] berichtet bei prinzipieller Mobilisation vergleichbar niedrige Komplikationsraten bei unkomplizierter wie komplizierter Divertikulitis (laparoskopische Sigmaresektion).
Bergamaschi (1998) [430] bemängelt kürzere Resektate bei laparoskopischer OP und fordert deshalb die Flexurenmobilisation, um oralwärts ausreichend Darm entfernen und damit die Anastomose in gesunde Abschnitte platzieren zu können. Durch die routinemäßige Mobilisation werde dies („soft, compliant bowel“) und auch die Anastomose im oberen Rektum erleichtert [222] (Leitlinie GB/Irland).
US-amerikanische und dänische Leitlinien geben aufgrund der unsicheren Datenlage keine Empfehlungen [10] [324].
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7.15 Stomaprotektion
Bei Notfall – bzw. Hochrisikopatienten kann ein Schutz der Anastomose durch ein protektives Stoma erfolgen.
Konsensusstärke: starker Konsens, Empfehlungsstärke: offene Empfehlung
Kommentar zu Statement 7.15
Die Ausschaltung der Stuhlpassage durch ein protektives Stoma reduziert das Ausmaß der Folgen einer Anastomoseninsuffizienz, sodass dieses in entsprechenden Situationen angelegt werden kann. Für die Sigmaresektion bei Divertikulitis liegen hierzu jedoch keine Daten vor, hingegen ist dies für Patienten nach Rektumresektion mit Karzinom umfassend belegt (vgl. gesamte folgende Literatur) [442] [443] [444] [445].
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7.16 – 7.17 Technische Aspekte der Sigmaresektion
Stapler vs. Handnaht
Stapler- und Handnahtanastomose sind bei technisch korrekter Durchführung als gleichwertig anzusehen.
Konsensusstärke: Konsens
Kommentar zu Statement 7.16
Zur grundsätzlichen Frage, ob kolorektale Anastomosen (unabhängig von der Grunderkrankung) sicherer mit Stapler oder mit Handnaht auszuführen sind, kommt der aktuelle Cochrane-Review [446] ebenso wie ältere Metaanalysen zu dem Ergebnis, dass es bei 1233 Patienten aus 9 randomisierten Studien keinen Hinweis auf Unterschiede in Mortalität, gesamter und klinischer Insuffizienzrate, Wundinfektionen und Aufenthaltsdauer gibt – unabhängig von der Höhe der Anastomose. Einschränkend wird aber zu Recht darauf hingewiesen, dass hierzu Studien aus der letzten Dekade fehlen und dass separate valide Studien in Risikogruppen, z. B. bei akuter Entzündung fehlen. Auch eine aktuelle prospektive Kohortenstudie an 616 Patienten zeigte beim Vergleich Stapler versus Handnaht weder univariat noch multivariat einen Unterschied in der Insuffizienzrate [447].
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Zentrales oder peripheres Absetzen der Gefäße
Auch wenn die Datenlage unbefriedigend ist, wird der Erhalt der Art. mesenterica inferior empfohlen.
Konsensusstärke: starker Konsens, Empfehlungsstärke: Empfehlung
Kommentar zu Statement 7.17
Für eine zentrale Lymphknotendissektion mit hoher Gefäßabsetzung gibt es keinen Grund, solange kein Malignitätsverdacht besteht. Somit kann als Argument für eine zentrale Ligatur nur eine vereinfache Mobilisation des zuführenden Colon descendens bzw. der Flexur angeführt werden. Dem stehen – zumind. theoretisch – mögliche Beeinträchtigungen von Durchblutung und Innervation gegenüber, die sowohl das heruntergezogene Kolon als auch den Rektumstumpf betreffen können. Tatsächlich wird in nicht randomisierten Studien an onkologischen Patienten sowohl eine proximale Durchblutungsminderung als auch eine verminderte Kontinenzfunktion durch Ligatur der Art. mes. Inferior berichtet [448] [449]. Die einzige prospektiv randomisierte Studie zu dieser Frage bei 163 Patienten mit Resektion wegen Divertikulitis zeigte mehr Anastomoseninsuffizienzen bei zentraler Ligatur [450]. Der Unterschied war signifikant sowohl für klinisch apparente (2,3 vs. 10,4 %) als auch radiologische Leckagen (7 vs. 18,1 %). Auch wenn dies zur Grundlage einer Empfehlung in der dänischen Leitlinie gemacht wurde [10], lässt die insgesamt erstaunlich hohe Insuffizienzrate Zweifel an der Validität der Studie aufkommen.
Eine aktuelle prospektive Kohortenstudie hat an 616 Patienten (davon nur 86 mit Divertikulitis) die Frage des Einflusses der Gefäßabsetzung auf die klinische Insuffizienzrate sehr detailliert untersucht [447]. Dort war eine Ligatur der Sigmoidalarterien ebenso wie eine solche der Art rectalis sup. ohne Einfluss. Die Ligatur der Art. colica sinistra oder der Art. mes. inf. oberhalb des Abgangs der Art. colica sinistra gingen aber univariat und multivariat mit einer signifikant erhöhten Leckrate einher. Dem steht eine retrospektive Studie an 130 Divertikulitispatienten entgegen, die bei einer Gesamtinsuffizienzrate von 5,4 % keinen Einfluss der Gefäßabsetzung finden konnte [451]
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1 Gemeinsame Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Gastroenterologie, Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten (DGVS) und der Deutschen Gesellschaft für Allgemein- und Viszeralchirurgie (DGAV) in Zusammenarbeit mit Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE), Deutsche Röntgengesellschaft, Deutsche Gesellschaft für Neurogastroenterologie und Motilität (DGNM), Deutsche Gesellschaft für Ultraschall in der Medizin (DEGUM), Deutsche Morbus Crohn/Colitis ulcerosa Vereinigung (DCCV e. V.), AWMF Registernummer 021/20
2 Hartmann-Wiederanschlussoperation respektive Ileostomarückverlagerung.
3 DIverticulitis LAparoscopic LAvage.
4 LAparoscopic Drainage Is Effective and Safe.
5 LaparOscopic Lavage.
6 DIVerticulitis with or without Anastomosis.
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