Pneumologie 2014; 68(03): 199-205
DOI: 10.1055/s-0034-1365237
Übersicht
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

50 Jahre WATL (Wissenschaftliche Arbeitsgemeinschaft für die Therapie von Lungenkrankheiten e.V.)

50 Years WATL (Scientific Working Group for the Therapy of Lung Diseases)
H. Wirtz
1   Abteilung Pneumologie, Universitätsklinikum Leipzig AöR
,
R. Kropp
2   Petersberg
,
J. Behr
3   Medizinische Klinik und Poliklinik V, Klinikum der Ludwig-Maximilians-Universität München
,
U. Costabel
4   Abt. Pneumologie/Allergologie, Ruhrlandklinik, Universitätsklinik Essen
,
R. Bonnet
5   Zentralklinik Bad Berka GmbH
,
N. Schönfeld
6   Lungenklinik Heckeshorn, Berlin
,
A. Prasse
7   Klinik für Pneumologie, Universitätsklinikum Freiburg
,
P. Kardos
8   Gemeinschaftspraxis Pneumologie, Klinik Maingau, Frankfurt/M.
,
V. Seehausen
9   Berlin
,
R. Loddenkemper
10   Berlin
› Author Affiliations
Further Information

Korrespondenzadresse

Prof. Dr. Hubert Wirtz
Abteilung Pneumologie
Universitätsklinikum Leipzig AöR
Liebigstr. 20, Haus 4
04103 Leipzig

Publication History

Publication Date:
04 March 2014 (online)

 

Zusammenfassung

Anlässlich des 50. Geburtstags der Wissenschaftlichen Arbeitsgemeinschaft für die Therapie von Lungenkrankheiten (WATL) wird ihre Geschichte von der Gründung bis zur heutigen Situation dargestellt. Es werden die Forschungsthemen der WATL über diese lange Zeit hinweg benannt und wesentliche Studien der WATL kurz charakterisiert. Früh vor allem mit Studien zur Tuberkulose beschäftigt, hat sich das Spektrum der WATL dann erheblich verbreitert und Krankheiten wie die Sarkoidose, die pulmonale Langerhans-Zell-Histiozytose, das Lungenemphysem beim α1-Antitrypsin-Mangel, die chronisch-obstruktive Bronchitis und das Asthma bronchiale sowie die nichttuberkulösen Mykobakteriosen ins Visier genommen. Schließlich in der Erkenntnis, dass die methodischen Möglichkeiten für große Studien bei den klassischen Lungenkrankheiten unter aktuellen Anforderungen nicht ausreichen, hat die WATL begonnen, sich eine Kompetenz auf dem Sektor der seltenen Lungenkrankheiten wie Lymphangioleiomyomatose und Alveolarproteinose zu erwerben. Zusätzlich hat sich die WATL mit ihren nun zum dritten Mal durchgeführten Kongressen in Berlin ein edukatives Ziel im Bereich der nicht zum Mainstream gehörenden Fragen in der Pneumologie auf die Fahnen geschrieben.


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Abstract

On the occasion of the 50th anniversary of the Scientific Working Group for the Therapy of Lung Diseases (WATL) the history is described from its foundation to the present situation. Research topics during this long period are specified and the studies are briefly outlined. In the beginning, WATL was engaged mainly in studies on tuberculosis, later on, the spectrum of WATL was broadened considerably to diseases like sarcoidosis, pulmonary Langerhans’ cell histiocytosis, pulmonary emphysema due to α1-antitrypsin deficiency, chronic obstructive bronchitis and bronchial asthma as well as nontuberculous mycobacterioses. Finally, realising that the methodological capabilities of WATL were not sufficient to conduct large trials in classical lung diseases considering current requirements, WATL has begun to acquire competence in rare lung diseases such as lymphangioleiomyomatosis and alveolar proteinosis. In addition, WATL is dedicated to educative aims by organising conferences on topics which are not part of main stream respiratory medicine.


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Einleitung

Nicht alle deutschen Pneumologen und erst recht nicht andere ärztliche Kollegen können mit den vier Buchstaben WATL etwas anfangen. Dabei ist die Wissenschaftliche Arbeitsgemeinschaft für die Therapie von Lungenkrankheiten keine neue Institution, sondern eher eine mit Tradition. 2014 jährt sich die Gründung zum 50. Mal. Wir wollen das zum Anlass nehmen, die Geschichte der WATL, den Grund für ihr Dasein, ihren Werdegang und ihre immer neue Ausrichtung bis heute darzustellen. Wer sich für weitere Details interessiert, dem sei das aus demselben Anlass erschienene Buch „50 Jahre WATL“ empfohlen, welches in einer Auflage von 500 Exemplaren unter der Federführung von Robert Loddenkemper, Robert Kropp und Vera Seehausen mit Beiträgen vieler WATL-Mitglieder erstellt wurde. Dieses Buch wurde mit Mitteln der WATL und mit Unterstützung der Stiftung Oskar-Helene-Heim in Berlin erstellt.


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Der Anfang

In den frühen 1960er-Jahren begriffen einige Pneumologen in Deutschland, damals noch stark mit der Therapie der Tuberkulose beschäftigt, dass international schon nach neuen, stringenteren Methoden der klinischen Forschung gearbeitet wurde. Dies traf in besonderer Weise auf die Austestung neuer Wirkstoffe zur Therapie der Tuberkulose zu. Es wurde immer klarer, dass kooperativ gearbeitet werden musste, nach vorher vereinbarten Standards und mit Parametern, die von allen akzeptiert waren, mit Methoden, die auf gleiche Art und Weise gehandhabt wurden, und nach Möglichkeit so, dass die Wirkung einer Substanz auch deutlich wurde, also nicht im Vergleich unterschiedlicher Kombinationen. Sie waren der Meinung, dass klinische Kooperativstudien die Voraussetzung jeder einwandfreien Therapieprüfung geworden seien, da Patientenkollektive mit ausreichender Homogenität und Anzahl, mit der Notwendigkeit von Untergruppierungen, ethischen Einschränkungen usw. für bestimmte Fragestellungen von einzelnen Kliniken nicht mehr bereitgestellt werden könnten. Aus heutiger Sicht scheinen derartige Einsichten banal, aber die klinische Forschung erlebte zu dieser Zeit eine grundlegende Veränderung, und in Deutschland war sie nach Jahren der Abgeschiedenheit und erst allmählichen Wiederaufnahme klinisch wissenschaftlicher Tätigkeit längst nicht Allgemeingut und wurde anfänglich kritisch gesehen.

Hierzu lohnt es sich auch, den Initiator der WATL, Friedrich Trendelenburg, damals (1963) noch Chefarzt des Sanatoriums Wolfgang der Stiftung „Deutsche Heilstätte Davos und Agra“, ausführlich zu zitieren:

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Friedrich Trendelenburg 1916 – 2004; Initiator der WATL; Ehrenmitglied der WATL, Träger des Bundesverdienstkreuzes.

„Die moderne Chemotherapie der Tuberkulose ist heute auch für den Fachkollegen in ihren ‚Einzelheiten‘ kaum mehr überschaubar. Wir erinnern dabei an die Fülle experimenteller Ergebnisse, an die Zahl- und Wirkungsunterschiede der Medikamente wie auch die Vielfalt der Kombinationen, an die diffizilen Dosierungskontrollen über Blut- bzw. Urinspiegel, an komplizierte Kontrollen der Nebenwirkungen und schließlich an die bakteriellen Probleme (Resistenz, partielle und totale Kreuzresistenzen, atypische Erreger usw.). Hieraus resultieren vermehrte Schwierigkeiten für die Prüfung neuer Chemotherapeutika.

Umso bedeutsamer, aber auch verantwortungsvoller ist bei dieser Situation jede Publikation über neue chemotherapeutische Erfahrungen. Wissenschaftliche Ehrlichkeit verlangt, daß derartige Arbeiten genaue und vollständige Angaben über die ‚Versuchsanordnung‘ enthalten und dabei bestimmten kritischen Voraussetzungen genügen. Die Notwendigkeit exakter klinischer Prüfung von Medikamenten, die oft Monate oder gar jahrelang gegeben werden, steht heute außer Zweifel.

Obwohl solche Forderungen schon seit Jahrzehnten erhoben wurden, ignorierte die große Mehrzahl von 22 chemotherapeutischen Arbeiten zur Tuberkulose, die in den letzten 3 Jahren in der deutsch-sprachigen Fachliteratur erschienen, wenigstens ein oder zwei derjenigen Kriterien, die wir für schlüssige Ergebnisse voraussetzen müssen. Es handelt sich um die im Folgenden dargestellten methodischen Postulate (hier [Tab. 1]).

Tab. 1

Methodische Postulate der WATL-Gründer (in Klammern jeweils die Zahl der 22 analysierten Arbeiten, die in dem betreffenden Kriterium nicht genügten).

 1. Genaue und vollständige Deklaration der methodischen Anordnung (11).

 2. Ausreichende Fallzahl (je nach Krankengut, mindestens aber 50) (6).

 3. Art und Homogenität des Krankengutes (9).

 4. Einheitliche und ausreichende Dosierung (2).

 5. Mindestdauer der Medikation von 3 Monaten kontinuierlich (8).

 6. Monotherapie mit neuem Chemotherapeutikum, nur unter bestimmten Voraussetzungen zulässig (6).

 7. Vermeidung einer Kombination mit stark wirksamen Medikamenten, die eine Erfolgsbeurteilung erschweren (5).

 8. Vermeidung alternierender, vor allem stärker wirksamer Kombinationen während der Prüfphase (7).

 9. Angabe der bakteriellen Resistenz gegenüber bisherigen Mitteln, besonders, wenn sie zur Kombination herangezogen werden (9).

10. Elimination sog. Mitursachen, vor allem aktiver Therapie (1).

11. Schlüssige, möglichst quantitative Beurteilungskriterien (7).

12. Vergleichsbasis, bei chronischen Tuberkulosen durch Vorbeobachtung, bei Frischfällen durch parallele oder retrospektive Kollektive (21).

Es wird angeregt, derartige Voraussetzungen zur Abfassung und Publikation chemotherapeutischer Arbeiten für verbindlich zu erklären.“

Am 17. Dezember 1963 trafen sich die in [Tab. 2] aufgeführten Gründungsmitglieder in der II. Medizinischen Universitätsklinik Frankfurt am Main und gründeten die „Wissenschaftliche Arbeitsgemeinschaft für die Therapie von Lungenkrankheiten e. V.“ (WATL), eine damals in Deutschland einzigartige Institution. Der Eintrag in das Vereinsregister erfolgte am 5. März 1964, dieser Tag gilt daher als Gründungsdatum. Die Satzung von 1965 hält als Zweck ausdrücklich fest:

Tab. 2

Gründungsmitglieder.

PD Dr. med. Karl Bartmann

Heckeshorn, Berlin

Dr. med. Hans-Jürgen Brandt

Heckeshorn, Berlin

Dr. med. Gerhard Forschbach

Überruh, Großholzleute

Dr. med. Erich Picht

Agra/Schweiz

Prof. Dr. med. Karl Ludwig Radenbach

II. Med. Univ.-Klinik, Frankfurt/M.

Dr. med. Ingeborg Schütz

Heckeshorn, Berlin

Dr. med. Helmut Seidel

Schillerhöhe, Gerlingen

Dr. med. Friedrich Trendelenburg

Davos-Wolfgang/Schweiz

Dr. med. Karl Unholtz

Havelhöhe, Berlin

Dr. med. Dietrich Wentz

Waldhof-Elgershausen

„Aufgabe des Vereins ist die unabhängige, in gemeinschaftlicher Arbeit der Mitglieder durchgeführte Prüfung von verschiedenen Behandlungsformen bei Lungenkrankheiten nach den anerkannten Grundsätzen der Wissenschaft und ärztlichen Ethik.“ Eine Beschränkung nur auf die Therapie der Tuberkulose (TB) war also von Anfang an nicht vorgesehen.

Zu Beginn wurden Studien zur Austestung neuer TB-Medikamente entworfen, und aufgrund der nicht so häufigen Zusammenkünfte dauerten die Entwürfe länger, die Veröffentlichungen ebenso. Dies war auch Anlass zur Kritik, die dann verstummte, als erste Veröffentlichungen aus der WATL auch international Beachtung fanden. Es wurden dabei Fragen diskutiert, wie z. B. die Frage, ob nur Frischinfektionen oder auch Rezidivfälle für die Studien rekrutiert werden können.

WATL-Mitglieder haben eine Reihe wichtiger Studien zur Therapie der TB veröffentlicht ([Tab. 3]).

Tab. 3

Tuberkulose-Studien der WATL.

Studie I

Klinische Prüfung der Wirkung des Thiocarlid (DATC)

Studie II

Vergleich der therapeutischen Wirkungen je einer antituberkulösen Dreifachkombination mit den Standardmitteln INH + SM + PAS und mit den Zweitrangmitteln ETH + CS + PAS

Studie III

Vergleich der antituberkulösen Mittel Rifampicin, Ethambutol und PAS in Monotherapie bei vorbehandelter kavernöser Lungentuberkulose

Studie VI

Multizentrische kontrollierte klinische Studie zum Vergleich der Standardtherapie mit neuen Therapieformen der erstbehandelten bazillären Lungentuberkulose, zugleich Pilotstudie zur Erfassung der Nebenwirkungen von Rifampicin als Modell einer prospektiven Untersuchung auf Nebenwirkungen eines Arzneimittels

Studie VIII

Prüfung der Verträglichkeit und der Wirksamkeit der neu angebotenen antituberkulösen Festkombination INH + PTH + Dapson

Studie XI

Behandlung der ausgedehnten Lungentuberkulose mit Vierfachkombinationen in der Intensiv-Anfangsphase

Studie XVII

Kontrollierte doppelt blinde klinische Prüfung zur Ermittlung des Wertes von Ciprofloxacin in der anfänglichen kombinierten Intensivbehandlung der offenen Lungentuberkulose mit sensiblen Keimen

Die erste nicht mit der Tuberkulose befasste Studie der WATL war, aktuell bis heute, eine Studie zur „Chemotherapie rezidivierender Infekte bei chronischer Bronchitis“ (vorgeschlagen gemeinsam von Forschbach, Trendelenburg und Bartmann/WATL und Paul Ehrlich Gesellschaft).

Auch zur Sarkoidose, eine zu der Zeit noch mit langen stationären Krankenhausaufenthalten belastete Erkrankung, wurden von den WATL-Mitgliedern Studien geplant und mit wechselndem Erfolg durchgeführt. 1978 wurde die erste Therapiestudie erfolgreich beendet, koordiniert von dem niedergelassenen Pneumologen Robert Kropp in Fulda [1]. Eine 2. Therapiestudie wurde von 1982 bis 1984 von Robert Loddenkemper, Lungenklinik Heckeshorn, koordiniert. In einer multizentrischen Studie unter Beteiligung Schweizer Kollegen wurde eine 6-monatige mit einer 12-monatigen Corticosteroidtherapie verglichen. Letztendlich resultierte daraus aber nur eine Veröffentlichung zu den klinischen Befunden bei den 715 eingeschlossenen Patienten, da die Verlaufsdaten nur ungenügend zu ermitteln waren. Der Grund dafür lag auch an den nicht ausreichend vorhandenen Mitteln für eine nach heutigen Maßstäben professionelle Studienzentrale, mit der Möglichkeit, eine so große Anzahl von Patienten telefonisch nachzuverfolgen. Jedoch dürfte die Studie zusammen mit anderen eine zurückhaltendere Einstellung zur Corticosteroidtherapie der Sarkoidose in Deutschland bewirkt haben [2].

Weitere WATL-Therapiestudien wurden beim Lungenkarzinom, bei der idiopathischen Lungenfibrose (IPF), beim Asthma bronchiale (z. B. zur Wirksamkeit von Reinigungsmaßnahmen mit dem Acarizid Benzylbenzoat) geplant oder durchgeführt. Auf diese Studien wird in dem Buch „50 Jahre WATL“ im Detail eingegangen, und dort sind auch Ergebnisse nachzulesen. Wolfgang Matthiesen, damals Lungenklinik Heckeshorn, schildert eindrücklich die Schwierigkeiten der zeitweise sehr aktiven onkologischen Arbeitsgruppe in der WATL bei dem damals revolutionären Konzept der neoadjuvanten Therapie, welches in einer Studie erprobt werden sollte, deren Zeit jedoch noch nicht gekommen war, und die logistischen Probleme, die ohne eine übergreifende zentrale „CRO“, über die die WATL nicht verfügte, nicht zu lösen waren.

Mit den stürmischen Fortschritten in der Humangenetik rückten auch die gar nicht so seltenen Erbkrankheiten mit Beteiligung der Lunge in den Fokus des Interesses. Während die Mukoviszidose traditionell in Händen der Pädiater lag, kümmerte sich in den 1960er und 1970er Jahren kaum jemand um den Alpha-1-Antitrypsin-Mangel, man rechnete ihn den „orphan diseases“ zu. Die WATL nahm sich Anfang der 1980er Jahre unter Koordination von Nikolaus Konietzko, Ruhrlandklinik Essen, der Patienten mit dieser Erbkrankheit an und gründete eine Arbeitsgemeinschaft „Lungenemphysem bei Alpha-1-PI-Mangel“. Die Ergebnisse zweier multizentrischer Studien, zum einen zum Verlauf dieser Krankheit [3] und zum anderen zur Substitutionstherapie [4] [5], führten auf der Basis des damals weltweit größten Kollektivs zu mehreren, auch international sehr beachteten Veröffentlichungen und zu Empfehlungen zur Substitutionstherapie [6]. Dieser Teil der Aktivität soll im Folgenden mit Textpassagen von Nikolaus Konietzko aus dem Buch „50 Jahre WATL“ näher dargestellt werden:

1988 wurde Prolastin® der Firma Bayer als erstes AAT-Konzentrat aus humanem Plasma in Deutschland zugelassen, ein Jahr später auch in den USA. Kontrollierte klinische Langzeitstudien lagen nicht vor, die Freigabe erfolgte aufgrund des biochemischen Nachweises der Wirksamkeit vor Ort, so wie sie vom NIH erbracht worden war. Die Zulassung wurde jedoch von der Zulassungsbehörde mit der ausdrücklichen Auflage einer Anwendungsbeobachtung verbunden. Da viele Patienten mit schwerem AAT-Mangel bereits im Patientenregister der WATL erfasst waren, gelang es in relativ kurzer Zeit, die Substitutionstherapie bundesweit aufzunehmen. Hinzu kam, dass die Verteilung des teuren Pharmakons nicht dezentral über die Apotheken erfolgte, sondern das Präparat ging – analog den Gerinnungsfaktoren bei der Therapie der Hämophilie – von der Firma Bayer direkt an die behandelnden Ärzte. Anfangs kam es immer wieder zu Engpässen bei der Produktion, aber die Zuteilung funktionierte irgendwie immer. Das hatte auch mit der Person des leider früh verstorbenen Ressortleiters bei Bayer, Herrn Haas, zu tun, dem stets zuerst der Patient am Herzen lag. Bis 1998 waren 443 Patienten mit Dauersubstitution in die Anwendungsbeobachtung einbezogen. Die Standarddosis musste in Einzelfällen angepasst werden, schwere Nebenwirkungen oder Infektionen traten nicht auf. Die halbjährigen Kontrollen unter Einschluss der Lungenfunktion wurden in Subzentren vorgenommen, die über das Bundesgebiet verteilt waren. Die Koordinierung der Studie erfolgte ebenso wie die Erfassung und Auswertung der Daten an der Ruhrlandklinik in Essen.

Über einen Zeitraum von 12 Jahren, beginnend mit der Zulassung von Prolastin®, wurde auf diese Weise ein stattliches Datenmaterial angesammelt und man konnte an die Auswertung gehen. Allerdings stand eine Kontrollgruppe ohne Substitution für den statistischen Vergleich in Deutschland nicht zur Verfügung. Da Prolastin® in Deutschland bereits zugelassen war, ließ sich ein Placebo-Arm nicht realisieren. So kam der Gedanke auf, ein vergleichbares Kollektiv aus dem Dänischen Alpha-1-Antitrypsin-Register heranzuziehen. Unsere dänischen Kollegen, allen voran Kai Viskum, Niels Seersholm und Aasgar Dirksen, erwiesen sich als sehr kooperativ, und so konnte die „Deutsch Dänische Vergleichsstudie“ zügig abgeschlossen werden. Darin konnte erstmals nachgewiesen werden, dass die Substitutionstherapie in der Lage ist, die Progredienz des Lungenemphysems bei schwerem AAT-Mangel zu verlangsamen.

Zumindest für die leichten bis mittelschweren Formen des Lungenemphysems (FEV1 % = 31 – 65 % Soll) zeigte sich bei den dauersubstituierten deutschen Patienten im jährlichen FEV1-Abfall ein statistisch signifikanter Unterschied im Vergleich zu den nicht substituierten dänischen Patienten. Die parallel gestartete US-amerikanische Alpha-1-Antitrypsin Deficiency Registry Study Group wurde ein Jahr später publiziert und bestätigte die Ergebnisse in den wesentlichen Punkten.

Die umfängliche, über zwei Dekaden fortgesetzte Datensammlung der WATL erbrachte ausreichend Substanz für eine Longitudinalstudie: Bei 96 Patienten wurde die Lungenfunktion über 4 Jahre zuerst ohne und danach weitere 4 Jahre mit Prolastin® verglichen. In der Publikation konnten Wencker et al. nachweisen, dass sich die Progredienz des Lungenemphysems, gemessen am jährlichen Lungenfunktion-Verlust (FEV1/Jahr), unter Substitution signifikant verlangsamen, wenn auch nicht komplett aufhalten ließ. Bei einer Subgruppe mit auffällig rascher Verschlechterung der Lungenfunktion erwies sich die Substitutionstherapie als besonders wirksam [4].

Mit der Auswertung dieser Studien und ihrer Publikation in angesehenen englischsprachigen Zeitschriften war die raison d’être der WATL-Arbeitsgruppen zum Thema AAT-Mangel erfüllt.

Aber so wie jede Studie wieder eine neue gebiert, hatten auch hier die Ergebnisse zu Diskussionen und neuen Fragestellungen geführt, u. a. zur Frage, ob es nicht besser sei, statt der Lungenfunktion die computertomografisch gemessene Lungendichte als Surrogat-Parameter für die Progredienz des Lungenemphysems heranzuziehen. Zwei prospektive, randomisierte Studien wurden dazu aufgelegt, wenn auch nicht komplett zu Ende geführt. Bei einer zusammenfassenden Auswertung zeigte sich im Verum-Arm unter Substitution ein positiver Effekt. Die Substitutionstherapie mit Alpha-1-Antitrypsin-Konzentrat bei Mangelträgern steht also auf recht sicherem Boden. Weltweit werden gegenwärtig über 4000 Patienten mit schwerem AAT-Mangel substituiert – augenfälliger Ausdruck des wissenschaftlichen Erkenntnisgewinns, an dem auch die WATL ihren Anteil hat.

Das deutsche Alpha-1-Register wurde zunächst in Essen weitergeführt, Ende 2003 dann nach Marburg transferiert und in die Obhut von Herrn Bals und Claus Vogelmeier übergeben. Ein Teil der Daten wurde in das zwischenzeitlich gegründete internationale Register mit dem schönen Akronym „AIR“ = Alpha 1 International Registry eingebracht, dessen Mitbegründer und erster Präsident Nikolaus Konietzko war. 11 nationale Patientenregister lieferten Daten an AIR – leider ohne die USA, die auf einer eigenen Datenbank bestanden – und bis zum Jahr 2004 waren dort 2665 Patienten mit schwerem AAT-Mangel registriert, davon 480 aus dem Alpha-1-Register Deutschland [7] – eine Pioniertat, die ohne die WATL nicht so effektiv gelaufen wäre.

Wie in jeder Fachgesellschaft gelingen nicht alle Projekte – aus ganz unterschiedlichen Gründen. Nicht realisiert wurden trotz zum Teil intensiver Diskussion die „Erfassung und Therapie der multiresistenten Tuberkulose“ (1995 vorgeschlagen von Karl Häußinger, Gauting), die „Wirkung von inhalativen Corticosteroiden bei Sarkoidoserezidiv und chronischer Sarkoidose“ (Vergleich inhalativer und systemischer Steroidgaben, eventuell zusätzlich Azathioprin bei chronischem Verlauf), die Präventivstudie im Rahmen des Programms „Klasse 2000 – rauchfrei“ (1995 angeregt von Pal Bölcskei, Nürnberg) und schließlich der „Stellenwert der langwirksamen Bronchodilatatoren Salmeterol und Tiotropium in der Therapie der chronischen Bronchitis“ (hierzu wurde 1999 von Wolfgang Matthiessen, Coswig, sogar ein Entwurf vorgelegt).

Schon frühzeitig wurde auch eine Studie zu einer bekannteren seltenen Lungenkrankheit, der pulmonalen Langerhans-Zell-Histiozytose (pLCH), nach dem Muster der Sarkoidose-Studien konzipiert [1] [2]. Federführend waren hier Nicolas Schönfeld und Robert Loddenkemper. Zwischen 1994 und 2002 wurden 77 pLCH-Patienten aus 27 Zentren gesammelt und ausgewertet, eines der größten pLCH-Kollektive [8]. Es zeigte sich wie auch schon in anderen Studien der Zusammenhang mit dem bisher einzig erkannten Risikofaktor Rauchen, aber auch, dass es keinen wirklich signifikanten Unterschied im Spontanverlauf der Erkrankung gab, unabhängig davon, ob die Patienten mit dem Rauchen aufhörten oder nicht. Ein Einfluss von Steroiden sollte getestet werden, war aber wegen regelwidriger Steroidbehandlung bei relativ vielen pLCH-Patienten schließlich nicht sicher auswertbar. Der Trend sprach gegen einen guten Therapieeffekt von Steroiden. Schon vor dieser Studie waren andere Arbeiten zur pLCH auch von dem WATL-Gründungsmitglied Karl Ludwig Radenbach veröffentlicht worden [9] [10] [11].


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Nichttuberkulöse Mykobakteriosen

Schon die Gründungsmitglieder Forschbach und Radenbach hatten bereits in den 1970er- und 1980er-Jahren Publikationen zum Thema verfasst [12] [13], die im deutschsprachigen Raum eine ähnliche Rolle einnahmen wie die sehr ausführliche englischsprachige Kompilation des seinerzeitigen anekdotischen Wissens über nichttuberkulöse Mykobakteriosen von Emanuel Wolinsky [14]. 1993 wurde von Wolfgang Matthiesen, Coswig, und Herwald Dürschmied, Beelitz-Heilstätten, das erste Studienprotokoll zur Epidemiologie der nichttuberkulösen Mykobakteriosen bei Nicht-AIDS-Patienten vorgelegt. Damit sollte das Vorkommen von nichttuberkulösen Mykobakterien in Deutschland und deren Häufigkeit im Verhältnis zum Bakteriennachweis untersucht werden. Die Inzidenz sollte nicht nur national, sondern regional beobachtet, die Empfindlichkeit der Mykobakterienstämme in vitro im Nationalen Referenzlabor für Mykobakterien in Borstel untersucht und die Praktikabilität und Erfolgsrate von Rifabutin und Clarithromycin in der klinischen Kombinationstherapie von nichttuberkulösen Mykobakteriosen geprüft werden.

Die Erhebung fand dann allerdings nahezu monozentrisch statt. Die Rekrutierung von Patienten für die Studie, die von vornherein ohne Dokumentationsgelder durchgeführt wurde, erfolgte fast ausschließlich im Fachkrankenhaus Coswig (W. Matthiessen, C. Schmidt). Am Ende wurde jedoch die stattliche Zahl von 111 Patienten erreicht. Die Ergebnisse führten zu präziseren Einschätzungen der Relevanz der jeweiligen Erreger und flossen ein in DZK- und DGP-Empfehlungen zur Therapie von nichttuberkulösen Mykobakteriosen [15] [16].


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25 Jahre-Jubiläum

Am Freitag, den 14. April 1989 beging die WATL ihren 25. Geburtstag mit einer Jubiläumsfeier in Frankfurt am Main, dem Ort ihrer Gründung. Aus diesem Anlass war federführend vom Vorsitzenden, Friedrich Trendelenburg, eine 70-seitige Broschüre vorbereitet worden, die nicht nur einen Beitrag von F. Trendelenburg, G. Forschbach, I. Schütz und J. Jungbluth mit dem Titel „25 Jahre kontrollierte multizentrische Studien der W.A.T.L.“ enthielt, sondern ebenso eine sorgfältige Zusammenstellung und Beschreibung aller bis dahin durchgeführten und veröffentlichten 9 (sowie weiterer 7 geplanten) Studien und aller 62 Publikationen, die im Zusammenhang mit der WATL stehen – eine recht eindrucksvolle Bilanz.


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Suche nach einer neuen Ausrichtung

Mit dem Erstarken der DGP und den zunehmenden Anforderungen an multizentrische Studien, die die Möglichkeiten der nur mäßig mit finanziellen Mitteln ausgestatteten WATL übertrafen, ging eine Reduktion der aktiven Tätigkeit der WATL einher und viele Diskussionen über die Weiterführung und mögliche Neuausrichtung. Nicht ausreichend finanzierte Studien durchzuführen wurde zudem auch durch die wesentlich stringenter nach finanziellen Gesichtspunkten ausgerichtete Ressourcenverteilung in praktisch allen Kliniken schwieriger, und da sind mittlerweile universitäre Häuser keine Ausnahme. Klar war jedoch immer auch, dass die Berechtigung der WATL, die kooperative Sammlung und Durchführung von Studien zum Erkenntnisgewinn in unabhängiger Konzeption, Durchführung und Ergebnisbewertung, nicht nur weiterhin, sondern eigentlich umso mehr ihre Berechtigung behielt. Im November 2004 kam es zu einem Antrag, die WATL aufzulösen, aus den oben angeführten Gründen. Die Diskussionen beinhalteten auch eine Veränderung des Namens und andere wesentliche Punkte. Diese Themen beherrschten eine Zeitlang die Sitzungen der WATL, kamen aber im Jahr 2007 zu einem Ende, und man war sich einig geworden, den Namen weiterzuführen und die Ausrichtung der Gesellschaft mehr in Richtung der seltenen Lungenkrankheiten (Definition s. [Tab. 4]) zu führen.

Tab. 4

Seltene Lungenerkrankungen versus Orphan Lung Disease.

Keine allgemeingültigen Definitionen für „selten“

EU: Prävalenz von weniger als 5 Fälle auf 10 000 Einwohner

In Deutschland demnach unter 41 000 Fälle

Jedoch keine Definition nach Inzidenz/Jahr, bezieht sich also eher auf chronische Krankheiten

„Orphan Diseases“ sind dagegen nicht unbedingt selten, aber sie sind zu wenig beforscht

Auf der Sitzung in Lübeck (DGP-Kongress 2008) wurde der Vorstand neu gewählt und neu gewählte Mitglieder wurden aufgenommen. Es wurde beschlossen, Patientenregister für die Lymphangioleiomyomatose (LAM), die Alveolarproteinose und die pulmonale Langerhans-Zell-Histiozytose (pLCH) als nächste Projekte in Angriff zu nehmen.

Zunächst soll eine Datenbank am Beispiel der LAM erstellt und gefördert werden – dazu wird das neu gegründete Institut für Lungenforschung (ILF e. V.) als Sitz der Datenbank und Organisator der Erhebung einbezogen. Inzwischen sind nahezu 100 Patientinnen in der Datenbank mit zum Teil langen Lungenfunktionsverläufen, vielen anamnestischen Details, Angaben über Begleiterkrankungen, Pneumothoraces, Operationen, und auch über Therapiezeiten. Ebenfalls schon eingeschlossen sind einige Patienten mit der seit zwei Jahren als effizient erkannten Sirolimus-Therapie. Derzeit befindet sich die Datenbank in der Phase der statistischen Auswertung. Die LAM Selbsthilfe Deutschland wird die von der WATL geförderte Erhebung mit einer finanziellen Unterstützung der Auswertung ergänzen. Ein gutes Beispiel für die gemeinschaftliche private Förderung von Projekten. Über die aktuellen Projekte LAM, Asbestose, Alveolarproteinose und IPF sind weitere Informationen im Buch „50 Jahre WATL“ nachzulesen.


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WATL-Kongresse

Unter der Präsidentschaft von Reiner Bonnet wurde das Konzept der WATL-Tagungen entwickelt. Damit sollen verschiedene Ziele erreicht werden: Die WATL unter den deutschen Pneumologen bekannter zu machen, das Wissen über diese selteneren Lungenkrankheiten zu fördern und schließlich eine Einnahmequelle für mehr finanzielle Beweglichkeit der WATL zu erreichen.

Der erste Kongress wurde an Torsten Bauer vergeben, der zusammen mit Nicolas Schönfeld ja in Berlin auch schon vor Ort war. Dies war insofern günstig, als Berlin mittlerweile als zentraler und attraktiver Standort vom Vorstand der WATL für den Kongress ausgewählt worden war. Er fand in Andels Hotel statt, und übertraf unsere Erwartungen an den Besuch einer solchen Veranstaltung gleich deutlich. Der Raum war voll, die Vorträge, allesamt unter dem Motto „Herausforderungen in der Pneumologie“ ausgesprochen interessant und zum Teil lebhaft diskutiert. Der Kongress wurde abschließend noch mit einer Patientenveranstaltung ergänzt, wo LAM-Patientinnen, Sarkoidosepatienten und andere Patientengruppen mit vielen Fragen auf geduldige Experten stießen. Das Konzept war also aufgegangen, das Interesse für die nicht so häufigen Fragen in der Pneumologie groß, und es war klar, dass es weitergehen würde. Nur finanziell zahlte die WATL drauf, weil die Veranstaltung nicht in ausreichendem Maße von der Industrie angenommen wurde.

Der zweite Kongress fand am selben Ort unter der Präsidentschaft von Detlef Kirsten schon unter dem Motto „seltene Lungenerkrankungen“ statt und beinhaltete wiederum viele komplexe Probleme und interessante Facetten der Pneumologie. An dieser Stelle sei besonders der herausragende Vortrag von H. Omron am Freitag Abend erwähnt, der noch länger für Diskussionen über die Rolle der Zilien bei verschiedenen Lungenkrankheiten sorgte. Am Samstag spielten auch besondere und seltenere Aspekte der großen Lungenerkrankungen Asthma und COPD eine thematische Rolle. Wiederum war die Zahl der Gäste groß, die Vorträge wurden sehr gut angenommen, es gab ausgesprochen positive Beurteilung; aber wiederum war, finanziell gesehen, das Ziel für die WATL nicht erreicht.

Zum Zeitpunkt des Verfassens dieses Textes liegt der dritte Kongress der WATL gerade hinter uns, wiederum in Berlin, aber an neuem Ort im Hotel Melia, dieses Mal unter der Präsidentschaft von Ulrich Costabel und mit professioneller Organisation durch die Agentur Konsens. Das Programm war ähnlich hochkarätig wie schon bei den beiden letzten Veranstaltungen, und es war eine exzellent besuchte Tagung mit lebhaften Diskussionen, hervorragenden Präsentationen und einer ebenfalls gut besuchten und herausfordernden Patientenveranstaltung. Der vierte Kongress der WATL wird im Januar 2016 wiederum in Berlin stattfinden, und Herr Prof. Jürgen Behr aus München wurde zum Tagungspräsidenten gewählt.


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Mitglieder

Neue WATL-Mitglieder wurden von Beginn an von Mitgliedern vorgeschlagen und sollten natürlich ein Interesse an den Zielen der WATL haben sowie die Möglichkeit besitzen, sich an diesen Zielen zu beteiligen. Dies heißt im Allgemeinen, dass sie Patienten zu den Registern oder Studien beitragen können/müssen, und somit sind es vor allem Kollegen aus (Fach-)Kliniken oder Universitäten, die zu den Mitgliedern gehören; aber auch spezialisierte Fachpraxen, die über geeignete Patienten verfügen, finden sich unter den Mitgliedern. Unter den Gründungsmitgliedern galt eine eigene Interpretation der Abkürzung WATL: „Wir alle tun es aus Leidenschaft“.

Einige Ehrenmitglieder hat (hatte) die WATL (siehe [Tab. 5]). Heute gibt es 36 Mitglieder der WATL. Weitere Mitglieder werden bei jeder Sitzung der WATL vorgeschlagen und soweit bekannt ist, wurde die Mitgliedschaft in der WATL bisher nie ausgeschlagen. Interessenten, die den Wunsch verspüren, in dieser Gesellschaft mitzuwirken, sind herzlich eingeladen, sich an den Vorstand, oder ein Mitglied zu wenden, um vorgeschlagen zu werden.

Tab. 5

Ehrenmitglieder der WATL.

1985

Dr. med. Ingeborg Schütz

1985

Dr. med. Hans Jürgen Hussels

1991

Dr. med. Gerhard Forschbach

1994

Prof. Dr. med. Friedrich Trendelenburg

1998

Prof. Dr. med. Heinrich Jungbluth

2014

Prof. Dr. Robert Loddenkemper

2014

Dr. Robert Kropp


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Ausblick

Die Deutsche Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin e. V. (DGP) ist inzwischen eine größere Gesellschaft in der Gruppe der Fachgesellschaften der Inneren Medizin geworden – auch der Einfluss hat sich vergrößert, wenn auch nicht so, dass überall Zufriedenheit herrschen könnte, aber der eingeschlagene Weg ist erkennbar und notwendig. Mit der Erweiterung der Aufgaben gingen auch strukturelle Veränderungen einher, die letzte ist die Umwandlung des Amtes des Geschäftsführers in eine professionelle, vollzeitig und angestellt durchgeführte Tätigkeit. Eine solche strukturelle Aufrüstung ist auch deshalb in vielen Fachgesellschaften als notwendig erachtet worden, weil die Anforderungen an Fachgesellschaften heute vielgestaltig sind und sie sich einmischen müssen in einem Umfeld, in welchem ökonomische Anforderungen in einem Ausmaß zugenommen haben, dass sie beginnen, die Medizin auch inhaltlich zu verändern. Wir erleben das auch in der Pneumologie. Wer sein Fach nicht als zentral darstellt, wer es versäumt, ständig in allen Ausläufern des Faches präsent zu sein, der wird hinnehmen müssen, dass Erlöse sich verschlechtern, Maßnahmen nicht ausreichend gewürdigt, anerkannt und entlohnt werden und dass andere Fachgesellschaften versuchen, lukrative Behandlungsmaßnahmen zu übernehmen und als ihr Territorium auszugeben.

Gerade die Pneumologie, die ein besonders vielseitiges Fachgebiet ist, aber auch gerade deshalb so attraktiv – von der Schlafmedizin bis zur invasiven Endoskopie, von der pneumologischen Onkologie zur nichtinvasiven Beatmung, von der Intensivmedizin bis zur Allergologie, von der pulmonalen Hypertonie bis zur klassischen und wieder aktuellen Tuberkulose – ist risikobehaftet. Mit neuen Anstrengungen auf dem Sektor der COPD und spannenden Erkenntnissen auf dem Sektor der IPF, neuen Entwicklungen, welche Radiologie und Pneumologie enger verbinden, und aufkommenden Technologien, mit deren Hilfe sich immense Information aus der Atemluft gewinnen lässt – längst nicht nur über die Lunge: Wir müssen in besonderer Weise aufpassen, dass uns diese Vielfalt in der Pneumologie nicht abhanden kommt.

Innerhalb der Pneumologie gibt es schon eine Reihe von Organisationen, Arbeitsgruppen und Vereine, die helfen, diese Felder nicht aus den Augen zu verlieren, sie aktuell zu bewerten, sie mit verbindenden Studien weiterzubringen, zu zertifizieren, auszubilden, anzuwerben und dazu beizutragen, das Ganze unter dem Dach der DGP zusammenzuhalten. Jedem fallen Aufgaben zu oder besser gesagt: Jeder wächst in ein Spektrum von Aufgaben hinein. Auch wenn sich das noch mit weniger Überschneidung und mehr Effizienz in der Zukunft organisieren ließe, ist es nicht nur redundant, sondern gelegentlich auch durch Kompetition förderlich, variabel, kreativ. Es verschieben sich auch „Keimzellen“ und Schwerpunkte. Man denke an die Bochumer Ära und die Gießener Ära, das deutsche Lungenzentrum etc. Gelegentlich redundant wirkende Strukturen sind auch ein Vorteil in der Anpassung an sich ändernde Voraussetzungen; wir denken an regionale pneumologische Gesellschaften, die in Zeiten nachlassender oder gesetzlich wesentlich mehr regulierter Sponsorentätigkeit an Bedeutung gewinnen könnten.

In der Gruppe der assoziierten Gesellschaften der DGP ist die WATL ein Puzzlestein, der sich zunächst einmal mit besonderem Interesse den nicht alltäglichen Dingen in der Pneumologie widmet. Hier geht es um die Formulierung von Fragen, Problemen und Bedarf. Wo die Information nicht existiert, soll das Zusammentragen von Daten dazu führen, sich ein Bild zu machen, die Situation in Deutschland zu erkennen. Soweit möglich wird das mit Hilfe der in der WATL vertretenen Zentren erfolgen. Hier besteht aber keineswegs Exklusivität, sondern derartige Gruppen werden sich immer an den Erfordernissen und nie an Zugehörigkeiten orientieren.

In gleicher Weise werden die Themen im Hinblick auf die Information und Weiterbildung von Kollegen im Fokus stehen. Das wesentliche Mittel hierzu werden die alle 2 Jahre im Januar geplanten WATL-Kongresse darstellen.

Wir würden uns wünschen, dass die WATL die Chance behält und nutzt, einer der „think tanks“ in der deutschen Pneumologie zu sein, gespeist von erfahrenen, neugierigen und auch kritischen Damen – hier muss die WATL nachlegen – und Herren. Ein „think tank“, der an frühere Kreativität und Fortschrittlichkeit anknüpft, aus dem heraus sich spezielle Fragen und Lösungen oder Anleitungen ergeben für KollegInnen und für Patienten in schwierigen Situationen.


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Interessenkonflikt

Die Autoren geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.

  • Literatur

  • 1 Kropp R, Goebel D, Matthiessen W et al. Vergleich dreimal wöchentlicher mit täglicher Corticosteroid-Gabe bei der Sarkoidose. Prax Klin Pneumol 1986; 40: 123-128
  • 2 Loddenkemper R, Kloppenborg A, Schoenfeld N et al. Clinical findings in 715 patients with newly detected pulmonary sarcoidosis – results of a cooperative study in former West Germany and Switzerland. WATL Study Group. Wissenschaftliche Arbeitsgemeinschaft für die Therapie von Lungenkrankheiten. Sarcoidosis Vasc Diffuse Lung Dis 1998; 15: 178-182
  • 3 Konietzko N, Schulz V, Eckert G. Die Progredienz des Lungenemphysems bei schwerem Alpha-1-PI-Mangel – eine retrospektive, multizentrische Studie der „Wissenschaftlichen Arbeitsgemeinschaft für die Therapie von Lungenkrankheiten (WATL)“. Med Klinik 1988; 83: 1-8
  • 4 Wencker M, Fuhrmann B, Banik N et al. Longitudinal follow-up of patients with alpha-1-protease inhibitor deficiency before and during therapy with IV alpha-1-protease inhibitor. Chest 2001; 119: 737-744
  • 5 Chapman KR, Stockley RA, Dawkins C et al. Augmentation therapy for alpha1 antitrypsin deficiency: a meta-analysis. COPD 2009; 6: 177-184
  • 6 American Thoracic Society, European Respiratory Society Statement. Standards zu Diagnose und Therapie von Patienten mit Alpha-1 Antitrypsin Mangel. (Stoller JK, Snider GL, Brantly ML, Fallat RJ, Stockley RA, Turino GM, Konietzko N, Dirksen A, Eden E, Fallat RJ, Luisetti M, Stolk J, Strange C). Pneumologie 2005; 59: 36-68
  • 7 Stockley RA et al. Alpha 1 International Registry. Eur Respir J 2007; 29: 582-585
  • 8 Schönfeld N, Dirks K, Costabel U et al. Wissenschaftliche Arbeitsgemeinschaft für die Therapie von Lungenkrankheiten. A prospective clinical multicentre study on adult pulmonary Langerhans’ cell histiocytosis. Sarcoidosis Vasc Diffuse Lung Dis 2012; 29: 132-138
  • 9 Radenbach KL, Brandt H-J, Freise G et al. Diagnostische und therapeutische Beson- derheiten bei zwölf Fällen von pulmonaler Histiocytosis X. Z Erkrank Atm-Org 1977; 147: 26-40
  • 10 Radenbach KL, Buchbender W, Loddenkemper R et al. Untersuchungen zur Klinik und Therapie der pulmonalen Histiocytosis X anhand von 37 Fällen 1969–1982. Prax Klin Pneumol 1983; 37: 535-545
  • 11 Schönfeld N, Frank W, Wenig S et al. Clinical and radiologic features, lung function and therapeutic results in pulmonary histiocytosis X. Respiration 1993; 60: 38-44
  • 12 Forschbach G. Nichttuberkulöse Infektionen durch Mycobakterien. Internist (Berl) 1975; 16: 393-400
  • 13 Radenbach KL. Diagnostische und therapeutische Fortschritte bei nichttuberkulösen Mykobakteriosen. Prax Klin Pneumol 1985; 39: 43-49
  • 14 Wolinsky E. Nontuberculous mycobacteria and associated diseases. Am Rev Respir Dis 1979; 119: 107-159
  • 15 Matthiessen W, Schmidt C, Rüsch-Gerdes S et al. Bedeutung der lokalen und allgemeinen Risikofaktoren für die Pathogenese der pulmonalen nicht-tuberkulösen Mykobakteriosen bei Nicht-AIDS-Patienten. Eine Untersuchung der Wissenschaftlichen Arbeitsgemeinschaft für die Therapie von Lungenkrankheiten (WATL). Pneumologie 2010; 64: 281-290
  • 16 Schönfeld N, Haas W, Richter E et al. Empfehlungen zur Diagnostik und Therapie nichttuberkulöser Mykobakteriosen des Deutschen Zentralkomitees zur Bekämpfung der Tuberkulose (DZK) und der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin (DGP). Pneumologie 2013; 67: 605-633

Korrespondenzadresse

Prof. Dr. Hubert Wirtz
Abteilung Pneumologie
Universitätsklinikum Leipzig AöR
Liebigstr. 20, Haus 4
04103 Leipzig

  • Literatur

  • 1 Kropp R, Goebel D, Matthiessen W et al. Vergleich dreimal wöchentlicher mit täglicher Corticosteroid-Gabe bei der Sarkoidose. Prax Klin Pneumol 1986; 40: 123-128
  • 2 Loddenkemper R, Kloppenborg A, Schoenfeld N et al. Clinical findings in 715 patients with newly detected pulmonary sarcoidosis – results of a cooperative study in former West Germany and Switzerland. WATL Study Group. Wissenschaftliche Arbeitsgemeinschaft für die Therapie von Lungenkrankheiten. Sarcoidosis Vasc Diffuse Lung Dis 1998; 15: 178-182
  • 3 Konietzko N, Schulz V, Eckert G. Die Progredienz des Lungenemphysems bei schwerem Alpha-1-PI-Mangel – eine retrospektive, multizentrische Studie der „Wissenschaftlichen Arbeitsgemeinschaft für die Therapie von Lungenkrankheiten (WATL)“. Med Klinik 1988; 83: 1-8
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  • 5 Chapman KR, Stockley RA, Dawkins C et al. Augmentation therapy for alpha1 antitrypsin deficiency: a meta-analysis. COPD 2009; 6: 177-184
  • 6 American Thoracic Society, European Respiratory Society Statement. Standards zu Diagnose und Therapie von Patienten mit Alpha-1 Antitrypsin Mangel. (Stoller JK, Snider GL, Brantly ML, Fallat RJ, Stockley RA, Turino GM, Konietzko N, Dirksen A, Eden E, Fallat RJ, Luisetti M, Stolk J, Strange C). Pneumologie 2005; 59: 36-68
  • 7 Stockley RA et al. Alpha 1 International Registry. Eur Respir J 2007; 29: 582-585
  • 8 Schönfeld N, Dirks K, Costabel U et al. Wissenschaftliche Arbeitsgemeinschaft für die Therapie von Lungenkrankheiten. A prospective clinical multicentre study on adult pulmonary Langerhans’ cell histiocytosis. Sarcoidosis Vasc Diffuse Lung Dis 2012; 29: 132-138
  • 9 Radenbach KL, Brandt H-J, Freise G et al. Diagnostische und therapeutische Beson- derheiten bei zwölf Fällen von pulmonaler Histiocytosis X. Z Erkrank Atm-Org 1977; 147: 26-40
  • 10 Radenbach KL, Buchbender W, Loddenkemper R et al. Untersuchungen zur Klinik und Therapie der pulmonalen Histiocytosis X anhand von 37 Fällen 1969–1982. Prax Klin Pneumol 1983; 37: 535-545
  • 11 Schönfeld N, Frank W, Wenig S et al. Clinical and radiologic features, lung function and therapeutic results in pulmonary histiocytosis X. Respiration 1993; 60: 38-44
  • 12 Forschbach G. Nichttuberkulöse Infektionen durch Mycobakterien. Internist (Berl) 1975; 16: 393-400
  • 13 Radenbach KL. Diagnostische und therapeutische Fortschritte bei nichttuberkulösen Mykobakteriosen. Prax Klin Pneumol 1985; 39: 43-49
  • 14 Wolinsky E. Nontuberculous mycobacteria and associated diseases. Am Rev Respir Dis 1979; 119: 107-159
  • 15 Matthiessen W, Schmidt C, Rüsch-Gerdes S et al. Bedeutung der lokalen und allgemeinen Risikofaktoren für die Pathogenese der pulmonalen nicht-tuberkulösen Mykobakteriosen bei Nicht-AIDS-Patienten. Eine Untersuchung der Wissenschaftlichen Arbeitsgemeinschaft für die Therapie von Lungenkrankheiten (WATL). Pneumologie 2010; 64: 281-290
  • 16 Schönfeld N, Haas W, Richter E et al. Empfehlungen zur Diagnostik und Therapie nichttuberkulöser Mykobakteriosen des Deutschen Zentralkomitees zur Bekämpfung der Tuberkulose (DZK) und der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin (DGP). Pneumologie 2013; 67: 605-633

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Friedrich Trendelenburg 1916 – 2004; Initiator der WATL; Ehrenmitglied der WATL, Träger des Bundesverdienstkreuzes.