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DOI: 10.1055/s-0033-1359391
Katzenverhalten in der Tierarztpraxis – Wichtiges zu Vorbereitung, Transport und Handling
Subject Editor:
Publication History
Publication Date:
23 June 2014 (online)
Checken Sie, wie katzenfreundlich Ihre Praxis in puncto Beratung, Handling und Management ist und was Sie dafür tun können, dass Tier und Besitzer immer wieder gerne zu Ihnen kommen!
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Die Katze ist ein wichtiger Patient in der Kleintierpraxis und der freundliche, versierte Umgang mit ihr macht nicht nur mehr Freude bei der täglichen Arbeit, sondern verbessert auch die Bereitschaft der Besitzer, frühzeitig und für Routinechecks gerne in die Praxis zu kommen.
Jede Katze, die in die Praxis kommt, bringt ihre Persönlichkeit, ihre bisherigen Erfahrungen und ihre aktuelle Tagesstimmung mit sich. Der überwiegende Anteil der Katzen neigt in der Praxis zu passivem Widerstand, Vermeidung oder dem verzweifelten „Freezing“ (Erstarren), was alles weder einer aufschlussreichen Untersuchung dienlich noch Ausdruck des Wohlbefindens ist. Glücklicherweise sind es nur wenige Katzen, die ihr ganzes Verteidigungspotential an Wehrhaftigkeit schon beim leisesten Verdacht und in aller Heftigkeit einsetzen, als stünde ihr Leben auf dem Spiel.
Basiswissen
Für Katzen ist schon das Verlassen ihres vertrauten heimischen Umfeldes ein großer Stressfaktor - weit mehr als für den Hund, für den es meist normal ist, mit seinem Besitzer auch einmal in unbekannten Gebieten unterwegs zu sein. Alle weiteren Schwierigkeiten, die sich mit Katzen in der Praxis ergeben können, lassen sich mehr oder weniger auf die Unsicherheit, Angst und den ursprünglichen Auslöser „Verlassen des vertrauten Umfeldes“ zurückführen. Somit werden die Weichen dafür, ob ein Praxisbesuch zum Desaster oder zur stressarmen Routine wird, schon lange gestellt, bevor die Katze überhaupt in der Praxis anwesend ist. In manchen Fällen können leider die Panik und Verteidigungsbereitschaft der Katze in der Praxis auch durch das beste Handling nicht mehr ausgeglichen werden, wenn davor schon zu viel schief gelaufen ist. Die beste und sicherste Lösung für diese Fälle ist die rechtzeitige Sedierung. Um die Weichen beim Empfang in der Praxis allgemein auf „Wohlfühlen“ zu stellen, ist es sinnvoll, mit synthetischen Pheromonen (Duftstoffen), wie z. B. dem Feliway®-Zerstäuber, eine für Katzen entspannte und vertraute Atmosphäre zu schaffen. Deren alleiniger Einsatz kann allerdings weder katzenfreundliches Handling noch eine den Katzenbedürfnissen entsprechende Praxisorganisation ersetzen.
Erfolg bei Katzenhandling und Behandlung hängen maßgeblich von einer optimalen Vorbereitung ab!
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Katze in die Box
Gutes Katzenhandling beginnt schon zuhause mit der wichtigsten Frage für den Besitzer: „Wie bringe ich die Katze überhaupt in die Transportbox?“
Ein Praxisbesuch, der mit einem abgehetzten Besitzer beginnt, weil die Katze erst durchs Haus gejagt werden musste, die dann unter heftiger Gegenwehr und im dritten Anlauf doch in den Korb bugsiert wurde und nun mit großen Kulleraugen in Alarmstimmung und zu allem bereit in ihrer Höhle sitzt, steht schon unter sehr schlechten Vorzeichen. Langfristig ist die positive Gewöhnung an die Transportbox natürlich die beste Lösung - doch das braucht Zeit, Wissen und ausdauerndes Üben. Und selbst dann geht die Kosten-Nutzen-Rechnung aus Katzensicht nicht immer auf: „Die Kontrolle verlieren und im Schrankkoffer schaukelnd durch die Gegend getragen werden? OK, man kann sich dran gewöhnen, aber toll muss das wegen ein paar Leckerbissen noch lange nicht sein.“
Katzen sitzen an sich gerne in kleinen Höhlen und Behältnissen - sie haben kein grundsätzliches Problem mit der Box - sondern eher mit dem damit verbundenen Zwang. Eine Katze Kopf voran in eine unbekannte Höhle zu schieben kann schwierig sein. Sie verspreizt sich und passt nicht mehr durch die Öffnung. Ganz einfach wird es hingegen bei den meisten Katzen, wenn man sie umdreht und einfach mit dem Hinterteil voran in die Box setzt. Noch einfacher ist es, wenn sich die Box auch nach oben öffnen lässt und man die Katze nur hineinsetzen muss.
Katzen-Übung
Ein paar kleine Übungseinheiten, bei denen die Katze auch dann immer wieder einmal in die Transportbox kommt, wenn es nicht zum Tierarzt, sondern um die anschließende Verteilung besonderer Leckerbissen geht, lassen den emotionalen Aufruhr - vor allem des Besitzers - geringer werden. Am einfachsten und besten übt man das Ein- und Aussteigen schon mit der jungen Katze, aber auch erwachsene Katzen können bei entsprechender Konsequenz gut lernen.
Ganz entscheidend ist natürlich, dass die Katze während des Transports keine unnötig unangenehmen Erfahrungen wie Schaukeln, unachtsames Anstoßen und lautes Hantieren an der Box oder Übelkeit macht. Obwohl Reisekrankheit bei der Katze viel seltener als beim Hund vorkommt, gibt es Katzen, denen beim Autofahren übel wird.
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Boxen-Wahl
Die leider immer noch beliebten Weidenkörbe gehören ganz klar zu den völlig ungeeigneten Transportmöglichkeiten für Katzen. Ähnlich wie Kratzbäume werden auch Transportboxen oft eher nach ihrer Optik und nach menschlichen Maßstäben anstatt nach ihrem praktischen Wert für die Katze ausgesucht. Das Naturmaterial Weide mag zwar hübsch aussehen, aber es lässt sich schlecht reinigen. Außerdem ist die ungünstige Form der Körbe mit viel Innenraum und kleiner Einstiegsöffnung nicht stabil zu tragen und bietet der Katze alle Vorteile, wenn sie Gegenwehr leisten möchte.
Viel besser sind die bereits erwähnten Transportboxen aus Kunststoff, die unkompliziert sowohl nach vorne als auch nach oben zu öffnen und mit wenigen Handgriffen und möglichst leise in Ober-und Unterteil zu zerlegen sind (Abb. 1). Ein weiteres dem Besitzer wichtig erscheinendes Kriterium ist die Größe: Die Katze soll möglichst viel Platz haben, wenn sie schon eingesperrt ist. Das Ziel ist aber nicht, dass die Katze in ihrer Transportbox zu sportlichen Übungen in der Lage ist, sondern, dass sie sich beim Tragen und Fahren im Auto möglichst sicher und stabil fühlt. In einer kleineren Box, die an die Körperlänge und -breite der Katze angepasst ist, findet die Katze beim Transport Anlehnung und Rückhalt und der Schwerpunkt beim Transport liegt zentral und es ist weniger schaukelig.
Als Inneneinrichtung sind ein dickes Badehandtuch, Kuschelbetten oder eine Decke wesentlich besser geeignet als die kleinen Tüchlein oder Küchenpapier, die innerhalb kurzer Zeit in einer Ecke zusammengeschoben sind, während die Katze auf dem nackten Kunststoff hin- und herrutscht (Abb. 2).
Im Wartezimmer sollte die Katze in ihrer Box erhöht und eher abseits abgestellt werden, sodass sie sich nicht durch Hunde bedroht fühlt.
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Katze aus der Box
Katzen haben eine natürliche Tendenz, sich aus ihrer sicheren Höhle heraus zu verteidigen - sie befinden sich so auch eindeutig in der besseren Position. Die einfachste und beste Lösung ist daher immer, der Katze ausreichend Zeit zu geben, aus eigenem Antrieb aus der Box zu kommen (Abb. 3).
Die üblichen Verschlussgitter blockieren die Öffnung oft stark und sollten vollständig ausgehängt werden. In einem ruhigen Umfeld, ohne ungeduldig wartende Gesichter direkt vor der Box und eventuell einem Handtuch als Unterlage vor der Box, beginnen erstaunlich viele Katzen, selbst auszusteigen. Wenn die Katze nach einigen Minuten noch immer bewegungslos in der Box sitzt, ist es oft besser, deren Oberteil zu entfernen als die Katze herauszuholen. Die Höhle ist damit keine Höhle mehr- das Handicap der TFA somit ausgeglichen - und die Katze sehr viel zugänglicher. Das Unterteil bleibt für die Katze der letzte und einzige winzige Fleck der Vertrautheit, den sie in der Fremde noch hat - und gerade schüchterne Katzen fühlen sich besser, wenn man sie so trägt oder soweit wie möglich darin untersucht.
Bei unkooperativen Katzen kann zwischen die beiden Teile der Box ein grosses Handtuch eingezogen werden, mit dem die Katze nach Entfernung des Boxen-Oberteils bei Bedarf für weiteres Handling gehalten und eingewickelt werden kann (Abb. 4).
Katzen-Haltung
Grundsätzlich ist es sehr förderlich, wenn man im Umgang mit der Katze von ihrer Kooperation ausgeht und sie erst fixiert, wenn es unumgänglich erscheint. Auch dann ist es sinnvoll, gerade so viel und so lange zu fixieren, wie unbedingt notwendig - weniger kann hier oft mehr sein.
Für unsichere Katzen ist es angenehmer, in einer kleinen „Katzengarage“ zu sitzen, die aus dem Oberkörper und den beiden Unterarmen gebildet wird, in dem die Katze mit ihrem Hinterteil Anlehnung am Bauch hat. Manchen Katzen hilft es auch, wenn sie zunächst mit dem Kopf zuerst in die „Katzengarage“ eingesetzt werden. Wann immer eine Lageveränderung erforderlich ist, sollte der Körper der Katze flächig mit Händen oder dem ganzen Unterarm gestützt werden, sodass sie nie das Gefühl hat, den Halt zu verlieren. Halten oder Ziehen an den Pfoten mögen Katzen ausgesprochen ungern, körpernahes Strecken der Pfoten von Ellbogen- oder Knie-gelenk ausgehend wird hingegen viel eher toleriert. Bei Widerstand vonseiten der Katze ist es günstig, den Druck nicht sofort zu vergrößern, sondern für einige Sekunden nur zu halten und wenn die Katze besser versteht und etwas in der Spannung nachlässt, erneut zu positionieren.
Die Nackenfalte ist bei den meisten Katzen nach wie vor eine gute und sichere Stelle zum Fixieren, aber oft reicht es, den Griff an die Hautfalte nur als Signal - ich könnte fester, wenn ich wollte - leicht anzudeuten und sie nicht mehr als unbedingt notwendig zu halten.
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Katzen-Entspannung
Für viele Katzen gibt es eine Toleranzgrenze, ab der sie nicht mehr kooperieren, sondern sich zu wehren beginnen. Im Rahmen einer Untersuchung sollte daher immer vorausschauend ein Plan erstellt werden, der diese Toleranzgrenze möglichst weit hinausschiebt. Denn alle unnötigen Reize - Geräusche, Bewegung zur und von der Katze, Berührungen an mehr oder weniger intimen Zonen - summieren sich, bis das Limit erreicht ist und alle weiteren Manipulationen den Stress nun exponentiell steigern und gefährlich werden.
Das bedeutet: Während alle wichtigen Instrumente und Hilfsmittel vorbereitet, notwendige Untersuchungen besprochen und geplant werden, kann die Katze durchaus frei sein und sollte nicht fixiert oder unnötig manipuliert werden. In vielen Fällen hilft eine kleine Phase der Freiheit vor und zwischen 2 Untersuchungsblöcken, damit sich die Katze - und auch die beteiligten Menschen - entspannen können.
Vielen Katzen hilft es, wenn man ihre Augen bedeckt und einen Akupressurpunkt an der Stirn massiert oder sachte mit dem Finger beklopft. Das beste und einfachste Hilfsmittel für den Umgang mit etwas komplizierteren Katzen sind Handtücher. Sie sind flexibel und sicher einsetzbar - vom einfachen Zudecken des Kopfes bis zu diversen Wickeltechniken individuell an die Katze und die Untersuchungserfordernisse anzupassen (Abb. 5).
Wenn sich eine geplante Aktion mit einer Katze in der erwarteten Form als nicht durchführbar erweist, dann hilft die Strategie mehr desselben nur sehr selten. Ein äußerst wichtiges Element im erfolgreichen Umgang mit der Katze ist die Flexibilität, einen Plan B, C und allenfalls D kreativ zur Anwendung zu bringen. Zu guter Letzt steht in der modernen Katzenmedizin immer die Möglichkeit der Sedation zur Verfügung, deren frühzeitiger und großzügiger Einsatz der Sicherheit und dem Wohlbefinden aller Beteiligten dient.
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Katzen-Stress
Viele Besitzer tendieren dazu, Tierarztbesuche mit ihrer Katze so weit es geht zu vermeiden, um ihr den Stress zu ersparen. Nicht selten trägt genau diese Haltung dazu bei, dass viele durchaus therapierbaren Erkrankungen der Katze nicht oder erst viel zu spät erkannt werden - weil sie frisst ja und sieht gesund aus. Doch für die meisten Katzen wird der Stress viel größer, je seltener sie in die Praxis kommen - dieses eine Ereignis überragt ihren Alltag in schrecklicher Weise! Obwohl es dem Besitzer kontraproduktiv erscheint: je öfter die Katze in die Praxis kommt, desto weniger sticht der einzelne Besuch hervor - sie gewöhnt sich daran, immer vorausgesetzt natürlich, dass die Visiten tatsächlich stressarm und katzenfreundlich gestaltet werden. Und das gilt nicht nur für die Katze: Auch für den Besitzer sinkt der Stresspegel, denn auch für ihn ergibt sich eine Routine und damit mehr Sicherheit. Katzen nehmen erstaunlicherweise ziemlich viel Handling mit wenig Gegenwehr einfach zur Kenntnis, wenn es in einer gelassenen inneren Haltung, mit geduldiger Bestimmtheit und ohne emotionale Belastung stattfindet. Langfristig kann daraus eine positive Spirale entstehen - wenn der Besitzer seine Katze mit einer freundlichen Bestimmtheit in die Praxis bringt hat sie weniger Stress und dies ist wiederum für den Besitzer eine erfreuliche Erfahrung.
Katzen-Routine
Für Jungkatzen sind spielerische Sozialisierungsbesuche in der Praxis, bei denen sie mit der Routine einer Allgemeinuntersuchung und allgemeinem Handling vertraut werden, ebenso wichtig wie für junge Hunde. Sinnvoll ist es - wenn es sich durch die Grundimmunisierung nicht ohnehin ergibt -Jungkatzen bis zur Pubertät einige Male zu Praxisbesuchen einzuladen. In dieser Lebensphase sind die Jungkatzen noch recht aufgeschlossen, lernen schnell, sind verspielt und neugierig und es ist leicht, ihnen durch Leckerbissen, Spiel und die Erlaubnis zum freien Explorieren im Behandlungsraum positive Erlebnisse in der Praxis zu vermitteln. Selbst wenn sie mit dem Erwachsenwerden diese Aufgeschlossenheit teilweise ablegen und den Kontakt nicht mehr suchen, ist ihnen wenigstens die Routine einer Untersuchung vertraut - und genau diese Vorhersehbarkeit gibt der Katze eine gewisse Sicherheit. Auch wenn sich die Katze letztendlich oft immer noch nicht ausgesprochen wohl fühlt, sie kann mit der Situation umgehen und meint nicht mehr, ihr Leben mit allen Mitteln verteidigen zu müssen.
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Ruhiger, sanfter Umgang und friedliche Umgebung
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2-teilige Transportbox in passender Größe
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Warten, ob die Katze aus der Box kommt
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Manipulationen katzengerecht gestalten
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Frühzeitig abwägen: Fixieren oder Sedieren?
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Wild-Katze
Selbstverständlich - und leider - gibt es immer Katzen, die sich diesen allgemeinen Regeln entziehen und sich von vorneherein und immer in einer derartigen aggressiven Verteidigungsposition befinden, dass ihre Wahrnehmungs- und Denkfähigkeit keine positiven Erlebnisse ermöglicht. Für diese Katzen ist die rasche und unkomplizierte Sedierung die beste Lösung um Stress und Gefahren für alle Beteiligten zu reduzieren. Ein wichtiger Faktor bei der Entscheidung „pro Sedation“ sollte immer sein, dass die Katze beim nächsten Besuch nicht noch heftiger reagiert, weil sie durch Zwangsmaßnahmen gelernt hat, beim nächsten Mal einfach nur noch schneller und heftiger zum Angriff überzugehen.
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Fazit
Die Katze als Patient ist eine Herausforderung und auch mit vielen Jahren Erfahrung kann sich jeden Tag etwas Unerwartetes ereignen, das einer flexiblen Lösung bedarf.
Unverständnis, Ungeduld, Hektik und Zeitdruck sind dabei für die Untersuchung von Katzen die hinderlichsten Faktoren, die mit großer Wahrscheinlichkeit zu Unkooperativität führen.
Online
http://dx.doi.org/10.1055/s-0033-1359391
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