Flugmedizin · Tropenmedizin · Reisemedizin - FTR 2013; 20(04): 189
DOI: 10.1055/s-0033-1353753
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Ein Nestor der Tropenmedizin verstorben – Zum Tode von Professor Wolfgang Bommer

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Publication Date:
22 August 2013 (online)

 
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    Die deutsche Tropenmedizin hat einen renommierten Lehrer und Forscher für immer verloren: Am 2. Mai 2013 verstarb Prof. Dr. med. Wolfgang Bommer im 93. Lebensjahr in Göttingen.

    Bis ins hohe Alter waren die Tropenmedizin und die Studentenausbildung ebenso wie die Patientenversorgung Bommers Herzensangelegenheit. Noch 2 Tage vor seinem Tode hielt er an der Göttinger Uniklinik seine traditionelle Tropenmedizinvorlesung zu seinem Lieblingsthema Malaria. Er war bis zum Schluss geistig rege und arbeitete noch an weiteren Lehrprojekten sowie an einer medizinischen Publikation.

    Neben der Forschung und der Patientenbetreuung waren Bommer vor allem die studentische Lehre und der Kontakt zum Nachwuchs wichtig.

    Offenheit und menschliche Wärme

    Viele Studenten teilten seine Liebe zur Tropenmedizin und die damit verbundenen Reisen in tropische Länder. Sie lernten von den jährlichen Exkursionen aber auch durch Auslandsaufenthalte als Famulatur, in Forschung oder humanitären Hilfsprojekten aller Art. Stets pflegte Bommer mit seinen Studenten ein herzliches, ja sogar freundschaftliches Verhältnis. Jeder der ihn kannte, war von seinem Charisma, seinem liebenswerten Charme und seiner Authentizität beeindruckt.

    Ich selbst hatte das Glück, mit Professor Bommer zusammen in den letzten 7 Jahren das Tropenmedizinische Beratungszentrum und die angegliederte Gelbfieberimpfstelle in Göttingen zu führen. Dabei profitierte ich von seiner reichen tropenmedizinischen Erfahrung und seinem breitgefächerten Wissen.


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    Medizinische Kompetenz

    Neben seiner fachlichen Kompetenz begegnete er allen seinen Patienten mit Offenheit und menschlicher Wärme. Selbstverständlich war er stets "up-to-date" – in den aktuellen Aspekten der Therapie, Impfprophylaxe und Diagnostik von Tropenkrankheiten. In den letzten Jahren engagierte er sich zudem, das Medikament Miltefosin (Impavido®) zur Behandlung der viszeralen Leishmaniose zu etablieren.

    Professor Bommer wurde 1920 in Heidelberg geboren. Er studierte Medizin in Berlin, Freiburg, Münster und Marburg. Nach der Promotion 1951 in Marburg ("Unbekannte Entwicklungsformen bei Streptokokken") und Assistententätigkeit im dortigen Institut für Hygiene und Mikrobiologie sowie in der Marburger Frauen- und Poliklinik wechselte er an die Universität Würzburg. Dort erwarb er 1960 die Facharztbezeichnung für Kinderheilkunde.

    Er habilitierte 1963 mit einer Arbeit zum Thema "Untersuchungen zur Ätiologie der interstitiellen plasmazellulären Pneumonie" für das Fach Medizinische Mikrobiologie und Hygiene an der Universität Marburg. Nach mehrjähriger Tätigkeit als Oberarzt wurde er dort 1969 zum außerplanmäßigen Professor ernannt. 1971 wurde er zum Universitätsprofessor in Heidelberg berufen; dort erwarb er im gleichen Jahr auch die Facharztanerkennung für Laboratoriumsmedizin.


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    Forschungsschwerpunkte in Marburg

    Während seiner Marburger Zeit arbeitete Bommer anfangs vor allem auf dem Gebiet der klinischen Virologie (Durchführung und Etablierung erster Schutzimpfungen gegen Poliomyelitis in Bayern). Später waren seine Forschungsschwerpunkte die medizinische Parasitologie (unter anderem die filmische Darstellung der Entwicklung von Toxoplasmose in Zellkulturen) und insbesondere die Tropenmedizin.

    In diesen Jahren gründete er eine klinische und wissenschaftliche Partnerschaft mit der "Eastern Clinic Mobai" in Sierra Leone, die er mithilfe von Spenden und Unterstützung der Marburger Universität sowie des Landes Hessen in eine langjährig bestehende Stiftung überführte. Dadurch wurden jahrelang regelmäßige Aufenthalte von Studenten, Famulanten, Doktoranden und jungen Ärzten in der afrikanischen "Buschklinik" von Dr. Kobba in Sierra Leone ermöglicht. Alle für den Aufenthalt in Afrika vorgesehenen Teilnehmer wurden von Professor Bommer in speziellen tropenmedizinischen Vorlesungen und Kursen ausgebildet und intensiv auf ihre klinische oder wissenschaftliche Tätigkeit vorbereitet.

    Während seiner Marburger Zeit intensivierte er auch die Beziehungen zu anderen tropischen Ländern, sodass zahlreiche wissenschaftliche Untersuchungen in Afrika, Lateinamerika und Asien durchgeführt werden konnten.


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    Engagement über Göttingen hinaus

    1974 folgte Professor Bommer dem Ruf an die Universität Göttingen, wo er den Lehrstuhl für Allgemeine Hygiene übernahm. Diesen erweiterte er um die Bereiche Tropenhygiene, Tropenmedizin und klinische Parasitologie in Forschung und Lehre. Neben einem Tropenkurs für angehende Ärzte wurde eine tropenmedizinische Ambulanz einschließlich Reiseberatung eingerichtet. Zugleich setzte er seine Studien in tropischen Ländern fort, sodass auch zahlreiche Göttinger Mediziner die Gelegenheit hatten, medizinische Erfahrungen im tropischen Ausland zu sammeln und dort wissenschaftlich zu arbeiten.

    Mit dem Hamburger Bernhard-Nocht-Institut für Tropenmedizin pflegte Bommer über mehr als 40 Jahre eine intensive Beziehung. Mindestens einmal jährlich besuchte er das Institut mit seinen Studenten und die in diesem Zusammenhang gehaltenen legendären "Bommer Lectures" sowie die obligatorische Hafenrundfahrt bildeten einen einmaligen Erfahrungsaustausch zwischen angehenden Tropenmedizinern aus Göttingen und Hamburg. 1994 wurde Professor Bommer nach 20 Jahren Tätigkeit in der Tropenmedizin und Tropenhygiene als Direktor des Hygiene-Instituts der Universität Göttingen emeritiert.

    Im Juli 1995 gründete er in Zusammenarbeit mit dem Labor WagnerStibbe und Partner das Göttinger Tropenmedizinische Beratungszentrum für Tropenkranke, Reisende und Ärzte und wirkte dort bis Ende 2012. Zu der Einrichtung gehörten eine tropenärztliche Ambulanz sowie eine Gelbfieberimpfstelle, von der jährlich mehrere hundert Reisende und Patienten über die Landesgrenzen Niedersachsens hinaus beraten und betreut wurden.

    2002 wurde Professor Bommer für seine besonderen Verdienste um das Gesundheitswesen neben seiner beruflichen Tätigkeit und sein vielfältiges Engagement in tropischen Ländern mit der Ehrenplakette der Ärztekammer Niedersachsen ausgezeichnet.

    Wir haben ihm viel zu verdanken!

    Dr. Kristiane Kuhnt-Lenz, Göttingen


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