Aktuelle Dermatologie 2014; 40(03): 108
DOI: 10.1055/s-0033-1353699
Interview
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Dermatologie ist wunderbar

Prof. Dr. med. Christiane Bayerl im Gespräch mit Prof. Dr. med. Ernst G. Jung
E. G. Jung
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Korrespondenzadresse

Prof. Dr. med. E. G. Jung
Maulbeerweg 20
69120 Heidelberg

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Publication Date:
10 March 2014 (online)

 

    Wie kamen Sie zur Dermatologie?

    Prof. E. G. Jung: Während des Studiums absolvierte ich ausführliche Praktika in der Inneren Medizin Winterthur, der Chirurgie Herisau, der Frauenklinik in Göttingen, der Pädiatrie in Zürich und der städtischen Poliklinik für Dermatologie und Venerologie bei Prof. Walter Burckhardt, ebenfalls in Zürich. Letzterer weckte in mir die Liebe zur klinischen Dermatologie. Nach dem Staatsexamen in Zürich promovierte ich mit einer experimentellen Arbeit in der Gerinnungsphysiologie, wo ich das Rüstzeug zur aktiven Forschung begriff, und suchte danach, allerdings vergeblich, eine bezahlte Assistentenstelle in Pädiatrie oder Gynäkologie. Eine solche fand ich in der Zürcher Dermatologie bei Prof. Hans Storck, wo ich mich, neben der klinischen Ausbildung, auch in den Forschungsgruppen Fotodermatologie (Prof. Kaspar Schwarz) und klinische Genetik (Prof. Urs W. Schnyder) aktiv betätigen durfte. So wurde ich Dermatologe mit Leib und Seele.
    Im Jahre 1965 wurde Prof. Urs W. Schnyder als Ordinarius auf den Lehrstuhl unseres Fachs an der Universität Heidelberg berufen, und er hat mich als Leitenden Oberarzt nach Heidelberg mitgenommen. So zogen wir, meine Frau Lilian mit unseren drei kleinen Kindern, nach Heidelberg. Es folgten zehn äußerst fruchtbare Jahre als Leitender Oberarzt an der Universitäts-Hautklinik Heidelberg. 1968 wurde ich an der Medizinischen Fakultät Heidelberg für das Fach Dermatologie und Venerologie habilitiert. So bin ich Hochschullehrer unseres Faches geworden. Im Jahre 1973 folgte dann die Ernennung zum apl. Professor.

    Welche Fälle sind in besonderer Erinnerung geblieben?

    Prof. E. G. Jung: Im Jahre 1971 etablierte ich in der Hautklinik Heidelberg zusammen mit dem leider früh verstorbenen Kollegen E. Schleiermacher vom Humangenetischen Institut in Heidelberg eine spezielle klinisch-genetische Sprechstunde, zu welcher wir auch Kollegen der Pädiatrie einluden (DMW 1974; 99: 1473/4). Diese Sprechstunde gestaltete sich bald zu einem überregionalen Sammelpunkt für seltene Erbkrankheiten (orphan diseases). Wir bemühten uns um saubere und sichere Diagnosen, mögliche Therapien und umfassende Betreuung der Patienten sowie deren Familien.
    Ein besonderes Vertrauensverhältnis entwickelte sich über Jahrzehnte zu bemerkenswerten Patienten und ihren Familien mit folgenden Krankheiten: Erythropoetische Protoporphyrie, Albinismus, Akrokeratoelastoidose, Incontinentia pigmenti Bloch-Sulzberger, Neurofibromatosis von Recklinghausen, Tuberöse Hirnsklerose, Ehlers-Danlos-Syndrom, Morbus Darier und natürlich in größerer Zahl Xeroderma pigmentosum. Letztere wurden in einem speziellen europaweiten Register erfasst, klassifiziert und sie wurden Gegenstand langfristiger Forschungsprogramme im SFB „Klinische Genetik“ und anschließend im SFB „Klinische Krebsforschung“ der DFG. Nach meiner Berufung auf das Ordinariat in Mannheim habe ich diese Familien dort persönlich weiter betreut, mehrere über zwei bis sogar drei Generationen. Diese Patienten sind mir sehr ans Herz gewachsen und in besonderer Erinnerung geblieben.

    Von wem haben Sie besonders viel gelernt?

    Prof. E. G. Jung: Vom fachübergreifenden Gespräch mit den Kollegen anderer klinischer Fächer und den Forschern der Naturwissenschaften. Einen ganz anderen, aber nicht minder wertvollen Lernprozess habe ich erfahren durch die Herausgabe des Dermatologie-Lehrbuches der Dualen Reihe in der Georg Thieme Verlagsgruppe (Stuttgart 1989), dem 4 weitere Auflagen folgten mit insgesamt deutlich über 100 000 Exemplaren. Frau Prof. Ingrid Moll (Hamburg) hat die Weiterführung übernommen bis zur nunmehr 7. Auflage.

    Welche wichtige Entwicklung prägt die Zukunft unseres Faches?

    Prof. E. G. Jung: Die Diagnostik, die phasengerechte, wissenschaftlich fundierte und umfassende Therapie und die ambulante Betreuung der Patienten mit chronischen Hautkrankheiten.

    Was raten Sie jungen Kollegen?

    Prof. E. G. Jung: Vergesst die klinische Dermatologie nicht! Und denkt daran, wir sehen unsere Krankheiten. Wir sind ein visuell orientiertes Fach, welches die Fotodokumentation mit professionellen Fotografen sowie speziellen Fotolabors meisterhaft entwickelt hat. Dadurch haben wir die besten Bilder. Und dies gilt es zu bewahren, denn die hohe Qualität unserer Bilder droht im Zuge der omnipräsenten Digitalkameras verloren zu gehen. Dem gilt es gegenzusteuern!

    Haben Sie ein Lebensmotto?

    Prof. E. G. Jung: Mache alles, was Du tust, mit Freude und voller Hingabe.

    Was treibt Sie seit der Emeritierung um?

    Prof. E. G. Jung: Während meiner Zeit als Prorektor der Uni Heidelberg hatte ich die Pflicht und Gelegenheit, die Kollegen anderer Fächer und Fakultäten sowie deren Inhalte und Anliegen kennenzulernen. Davon habe ich enorm profitiert. Nach der Emeritierung habe ich Vorlesungen und Kurse dieser Kollegen in Geschichte, Musikgeschichte, Kunstgeschichte, Germanistik und den Altertumswissenschaften besucht, mich in die Kulturgeschichte der Haut eingearbeitet und die Verbindungen zur Anthropologie erfahren. Dies habe ich dann in Vorträgen versucht zu vermitteln und in der „Aktuellen Dermatologie“ als „Wurzeln unseres Fachs“ in der Rubrik „Kleine Kulturgeschichte der Haut“ veröffentlicht (siehe auch Steinkopff, Darmstadt 2007).


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    Prof. Dr. Ernst G. Jung

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    Herr Professor Jung war Leitender Oberarzt der Universitäts-Hautklinik Heidelberg von 1965 bis 1975 und Ordinarius für Dermatologie und Venerologie sowie Direktor der Universitäts-Hautklinik der Medizinischen Fakultät Mannheim der Universität Heidelberg von 1975 bis 2000. Er diente seiner Fakultät drei Jahre als Dekan und fünf Jahre als Studiendekan sowie der Universität Heidelberg als Prorektor (1995 – 1997). Seit 1981 ist er ordentliches Mitglied der Heidelberger Akademie der Wissenschaften und seit 1997 korrespondierendes Mitglied der Schweizerischen Akademie der medizinischen Wissenschaften. Dreißig Jahre war er Mitherausgeber dieser Zeitschrift, davon drei Jahre federführend.

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