Diabetes aktuell 2013; 11(04): 146
DOI: 10.1055/s-0033-1349915
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Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Gastroenterologie – Exokrine Pankreasinsuffizienz – Folge oder Ursache eines Diabetes?

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Publication Date:
08 July 2013 (online)

 

Gastrointestinale Probleme bei Diabetikern sind häufig. Doch sie können nicht nur Folge der Erkrankung sein, sondern auch Ausdruck ihrer Ursache – eines Typ-3-Diabetes aufgrund einer exokrinen Pankreaserkrankung oder einer Pankreasinsuffizienz. Denn die Pankreasenzyme spielen eine zentrale Rolle bei der Aktivierung des Inkretinhormons GIP (Glukoseabhängiges insulinotropes Peptid), das die Insulinausschüttung aus den Betazellen des Pankreas stimuliert. Daher kann die exokrine Pankreasinsuffizienz (ePI) zu einer unzureichenden Insulinausschüttung führen, die in einem Diabetes mellitus Typ 3c resultieren kann.

Abklärung durch Funktionstest

Bei Diabetikern legen Fettstühle und Gewichtsverlust die Verdachtsdiagnose einer ePI nahe. Neben Fettstühlen können auch vermehrte Blähungen auf eine reduzierte Fettverwertung hindeuten, während abdominale Schmerzen eher selten mit einer ePI assoziiert zu sein scheinen. Allerdings entwickelt ein erheblicher Teil der Diabetiker mit ePI trotz Fett-Malabsorption keine Fettstühle. Die Leitlinien der Deutsche Gesellschaft für Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten (DGVS) empfehlen daher bei Verdacht auf ePI die Abklärung durch einen Funktionstest [ 1 ]. Dazu hat sich der Test auf Elastase 1 im Stuhl bewährt. In einer Reihe von Studien konnte gezeigt werden, dass die Prävalenz einer ePI (Elastase I < 200 µg/g) unter Diabetikern erheblich ist. Sie beträgt über die Studien gemittelt 51 % für Typ-1-Diabetiker und 32 % für Typ-2-Diabetiker (Abb. [ 1 ]).

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Abb. 1 Gemessene Prävalenz der exokrinen Pankreasinsuffizienz (Elastase 1 < 200 µg/g) bei Typ-1- und Typ-2-Diabetikern.

Die Genese der ePI bei Diabetes mellitus ist unklar, diskutiert wird insbesondere ein Einfluss des Insulinmangels auf die Regulation des exokrinen Pankreas durch die Betazellen des endokrinen Pankreas (insulo-azinäre Achse). Eine chronische Pankreatitis kann aber auch die Ursache des Diabetes mellitus sein. Diesem pankreopriven Diabetes (Typ 3c) wird in Lehrbüchern eine Prävalenz von 0,5–1,5 % zugeschrieben, doch möglicherweise ist diese Einschätzung Ergebnis einer "diagnostischen Lücke". Die retrospektive Prüfung der Diagnosedaten einer großen deutschen Universitätsklinik auf gleichzeitige Diagnosestellung von Diabetes mellitus, ePI, pathologischer Pankreasmorphologie und Abwesenheit endokriner Antikörper ergab eine Prävalenz dieser Symptomkombination als Ausdruck eines pankreopriven Diabetes von 8 %.


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In bestimmten Fällen Pankreasenzyme substituieren

Die Leitlinien der DGVS betonen, dass auch bei Fehlen einer Steatorrhoe und geringgradigen Funktionseinschränkungen des exokrinen Pankreas Auswirkungen auf den Ernährungszustand bei Diabetikern beschrieben sind [ 1 ]. Diese betreffen in erster Linie Gewichtsverlust sowie ein erhöhtes Osteoporose- und Frakturrisiko aufgrund unzureichender Resorption fettlöslicher Vitamine. Für Patienten mit entsprechenden Risikokonstellationen kann daher eine Abklärung der Pankreasaktivität sinnvoll sein.

Bei Patienten, die Fettstühle oder steatorrhoe-assoziierte Symptome aufweisen und Gewicht verlieren, sollten Pankreasenzyme substituiert werden, um einer qualitativen Mangelernährung vorzubeugen. Dies bezieht sich sowohl auf den Mangel an Makro- wie an Mikronährstoffen. So hat eine gerade publizierte Studie aus Kanada gezeigt, dass die Spiegel von Vitamin D und E unter Substitution von Pankreasenzymen ansteigen. Bei vulnerablen, insbesondere geriatrischen Patienten ohne Gewichtsverlust kann die Substitution dazu dienen, der Mangelernährung vorzubeugen, die zu einer erheblichen Zunahme von erkrankungsassoziierten Komplikationen führen kann [ 2 ].

Möglicherweise kann die Substitution von Pankreasenzymen bei ePI über den Ernährungsstatus hinaus auch die Glukosehomeostase unterstützen. Physiologische Studien haben belegt, dass die Ausschüttung des Inkretinhormons GIP und die Insulinantwort durch exogene Pankreasenzyme stimuliert werden [ 3 ]. In einer aktuellen Studie konnte gezeigt werden, dass dies gleichermaßen für GLP-1 (Glucagon like peptide 1) gilt [ 4 ]. Diese Hormone, deren Abbau auch durch die neue Substanzklasse der DDP-4-Hemmer verzögert wird, spielen eine zentrale Rolle in der Insulinantwort nach kohlenhydratreichen Mahlzeiten. Daher wird zurzeit untersucht, ob die Substitution von mikronisierten Pankreasenzymen die Inkretinantwort bei Diabetikern verbessern kann.

Prof. Dr. med. Philip Hardt
Zentrale Interdisziplinäre Viszeralmedizinische Endoskopie
Med. Klinik II, IV/V und Allgemeinchirurgie
Universitätsklinikum Gießen und Marburg GmbH


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  • Literatur

  • 1 Hoffmeister H et al. S3-Leitlinien chronische Pankreatitis: Definition, Ätiologie, Diagnostik und konservative, interventionell endoskopische und operative Therapie der chronischen Pank. Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten (DGVS). Z Gastroenterol 2012; 50: 1176-1224
  • 2 Drey M, Kaiser M. Mangelernährung im Alter. Dtsch med Wochenschr 2011; 136: 176-178
  • 3 Ebert R, Creutzfeldt W. Reversal of impaired GIP and insulin secretion in patients with pancreatogenic steatorrhea following enzyme substitution. Diabetologia 1980; 19: 198-204
  • 4 Knop FK et al. Increased postprandial responses of GLP-1 and GIP in patients with chronic pancreatitis and steatorrhea following pancreatic enzyme substitution. Am J Physiol Endocrinol Metab 2007; 292: E324-E1330

  • Literatur

  • 1 Hoffmeister H et al. S3-Leitlinien chronische Pankreatitis: Definition, Ätiologie, Diagnostik und konservative, interventionell endoskopische und operative Therapie der chronischen Pank. Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten (DGVS). Z Gastroenterol 2012; 50: 1176-1224
  • 2 Drey M, Kaiser M. Mangelernährung im Alter. Dtsch med Wochenschr 2011; 136: 176-178
  • 3 Ebert R, Creutzfeldt W. Reversal of impaired GIP and insulin secretion in patients with pancreatogenic steatorrhea following enzyme substitution. Diabetologia 1980; 19: 198-204
  • 4 Knop FK et al. Increased postprandial responses of GLP-1 and GIP in patients with chronic pancreatitis and steatorrhea following pancreatic enzyme substitution. Am J Physiol Endocrinol Metab 2007; 292: E324-E1330

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Abb. 1 Gemessene Prävalenz der exokrinen Pankreasinsuffizienz (Elastase 1 < 200 µg/g) bei Typ-1- und Typ-2-Diabetikern.