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DOI: 10.1055/s-0033-1343920
Orthotope Ileum-Neoblase – Roboterassistierte radikale Zystektomie bald Standard?
Publication History
Publication Date:
16 April 2013 (online)
Die roboterassistierte radikale Zystektomie hat in letzter Zeit immer größere Akzeptanz erlangt. Mit der Beschreibung ihres Vorgehens bei der roboterassistierten radikalen Zystektomie mit anschließender intrakorporaler Anlage einer Ileum-Neoblase hoffen die Autoren durch ihre aktuelle Studie zur Ausbildung eines effizienten, standardisierten Vorgehens beizutragen. Begrenzt wird die Aussagekraft der Studie jedoch durch die geringe Fallzahl und die relativ kurze Nachbeobachtungszeit.
Eur Urol 2012; 62: 891–901
mit Kommentar
Bei roboterassistierten radikalen Zystektomien wird die Neoblase bislang meist extrakorporal angelegt – die intrakorporale Diversion gilt als technisch komplex und schwierig. Außerdem lösten frühere Berichte Zweifel an der langfristigen Funktionalität derart angelegter Harnableitungen aus.
Nun erläutern Alvin C. Goh, University of Southern California, Los Angeles / USA, et al. detailliert ihre Operationstechnik. Am Hillard and Roclyn Center for Robotic Surgery unterzogen sich zwischen Juli 2010 und Mai 2012 insgesamt 24 Patienten einer roboterassistierten radikalen Zystektomie mit erweiterter Lymphadenektomie bis zur der Arteria mesenterica inferior. Bei 15 Patienten (13 Männer, 2 Frauen) wurde der Eingriff erfolgreich laparoskopisch robotisch assistiert durchgeführt. Die Nachbeobachtungszeit betrug mindestens 90 Tage. Eine intrakorporal angelegte Ileum-Neoblase erhielten 8 Patienten, 7 ein Ileumconduit.
Im Durchschnitt waren die Behandelten 68 Jahre alt und hatten einen Body-Mass-Index von 27 kg / m2. Der stationäre Aufenthalt dauerte im Mittel 8 Tage (Range: 5–27 Tage). Im Lauf der ersten 30 Tage nach dem Eingriff traten bei 73 % der Patienten (n = 11) Komplikationen auf, die in 67 % der Fälle (n = 10) geringgradig waren (Clavien Grad 1–2). Zu hochgradigen Komplikationen (Clavien Grad 3–5) kam es bei 2 Patienten (13 %). Im weiteren Verlauf (31–90 Tage postoperativ) entwickelten sich bei 2 Patienten aus der Studiengruppe mit Neoblase höhergradige Komplikationen, die in einem Fall Clavien Grad 2, im anderen Clavien Grad 3b zuzuordnen waren.
75 % der operierten Patienten waren tagsüber kontinent
Von den 8 Patienten mit Neoblasen waren 6 während der 3-monatigen Nachbeobachtungszeit tagsüber komplett kontinent. Einer benötigte im Mittel 1,59 Einlagen täglich, während eine Patientin permanent inkontinent blieb.
In ihrer aktuellen Studie berichten die Autoren über ihre Vorgehensweise bei der roboterassistierten radikalen Zystektomie mit intrakorporaler Anlage einer Neoblase. Damit hoffen sie, zur Ausbildung einer effizienten, standardisierten Operationstechnik beizutragen und die Lernkurve anderer Chirurgen zu verkürzen. Zwar dauerten die für die Untersuchung dokumentierten Eingriffe mit durchschnittlich 7,5 Stunden länger als eine extrakorporale Anlage, die benötigte Operationsdauer nahm jedoch mit zunehmender Operationserfahrung ab. Langfristig hoffen die Autoren, dass sich durch die intrakorporale Anlage der Neoblase das Ausmaß der Belastungen für die Patienten, deren Morbidität und Mortalität und letztlich auch die Kosten der Behandlung reduzieren lassen.
"Never change a winning team" oder "Aufbruch in neue Welten"?
Aufgrund exzellenter Langzeitdaten stellt bereits seit geraumer Zeit die offene radikale Zystektomie mit Harnableitung den therapeutischen Goldstandard des muskelinvasiven Urothelkarzinoms der Harnblase dar [ 1 ]–[ 3 ]. Dennoch ist es wichtig anzumerken, dass trotzdem die Zystektomie mit einer hohen Komplikationsrate vergesellschaftet sein kann. Shabshigh und Kollegen zeigten 2009 in einer sehr guten und aufrichtigen Analyse, dass selbst in "geübten Händen" bis zu 64 % der operierten Patienten irgendeine Form von post-operativer Komplikation erlitten, wovon 13 % sog. Major-Komplikationen darstellten [ 4 ].
Roboter-assistiert zystektomierte Patienten hatten weniger postoperative Major-Komplikationen
Zur Verbesserung dieses operativen / postoperativen Outcomes hat man daher bereits früh Fallbeispiele laparoskopischer Zystektomien durchgeführt – Menon et al. dann auch robotisch-assistierte Zystektomie-Fallserien mit dem Ansatz der Verbesserung perioperativer Parameter wie z. B. geringerem Blutverlust und post-operative Schmerzen, schnellere Konvaleszenz der Darmtätigkeit, kürzere Liegezeit, schnellere Mobilisierung, geringere äußere und innere Wundheilung sowie bessere kosmetischer Ergebnisse [ 5 ]–[ 8 ]. Darüber hinaus konnten Ng und Kollegen 2010 für die robotisch-assistierte Zystektomie anhand einer prospektiven Arbeit mit dem Endpunkt Komplikationen 30 bzw. 90 Tage post-OP einen Vorteil für die minimal-invasive vs. offen-chirurgische Technik bestätigen. Im Vergleich zur offenen Zystektomie hatten die Roboter-assistiert zystektomierten Patienten signifikant weniger post-operative Major-Komplikationen [ 9 ].
Wie korrekt in der vorliegenden Arbeit von Goh et al. dargestellt [ 10 ], handelt es sich bei den publizierten robotischen Zystektomie Daten v. a. um die sog. Hybrid-Technik, die eine robotisch-assistierte Zystektomie mit einer offenen Harnableitung kombiniert [ 11 ]–[ 15 ]. Die Rationale für eine solche Technik stammt aus der laparoskopischen Erfahrung, wo klar gezeigt werden konnte, dass eine reine laparoskopische Operation mit verlängerten OP-Zeiten und in der Folge mit signifikant erhöhten Komplikationsraten assoziiert war [ 16 ].
Hybrid-Technik vs. "reine" roboterassistierte Zystektomie
Daher gibt es eine laufende Debatte zum Stellenwert der "reinen" Roboter-assistierten Zystektomie mit intrakorporaler Harnableitung. Obwohl weltweit die meisten robotischen Zentren die Hybrid-Technik verwenden, berichten die Autoren der vorliegenden Arbeit von ihren ersten Zystektomie-Erfahrungen mit intrakorporaler Ileumneoblase in der Studer-Technik [ 17 ].
Was ist nun interessant an dieser Arbeit, denn es hat bereits einige Publikationen zur intrakorporalen Harnableitung gegeben [ 18 ]–[ 20 ]? Im Gegensatz zu den zuvor publizierten Arbeiten zeigt die aktuelle Studie nicht nur, dass
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die gesamte OP inklusive Studer-Neoblase rein robotisch-assistiert durchführbar ist, sondern auch, dass
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dabei spezifische, bewährte, offenchirurgisch technische Prinzipen auf die minimal-invasive Ebene mit akzeptabler OP-Dauer und Komplikationsraten übertragen werden können.
Haben die Ergebnisse Einfluss auf den Klinikalltag?
Welchen Einfluss haben diese Ergebnisse auf unseren klinischen Alltag und wie ist die Arbeit für die Urologie zu bewerten? Im Grunde genommen wird diese Arbeit unseren Alltag kaum beeinflussen, da man kritisch anmerken muss, dass die Arbeitsgruppe dieses Papers eine Ansammlung von minimal-invasiven "Superspezialisten" darstellt, die eine chirurgische Erfahrung vereinen, die ihresgleichen sucht.
Wie bereits eingangs dargstellt, stellt die Zystektomie eine komplikationsreiche Operation dar. Allein unsere Patientenverantwortung gebietet uns, denjenigen operativen Zugang zu wählen, bei dem die meiste Erfahrung vorliegt, um beste Ergebnisse zu erzielen. Somit kann man in diesem Zusammenhang den Slogan: "Never change a winning team" gerne bemühen.
Fazit
Abschließend bleibt kritisch anzumerken, dass größere Fallserien bzw. prospektiv randomisierte Daten sowie onkologische, funktionelle und QoL-Langzeiterfahrungen ausstehen, um die vorgestellte OPTechnik vollkommen zu beurteilen. Dennoch bleibt der Beitrag wertvoll, denn er zeigt, dass – technische Innovationen intelligent eingesetzt – operativ-technische Verfeinerungen nach sich ziehen, sodass in der Zukunft ein neuer Standard definiert werden kann.
PD Dr. Felix Chun, Hamburg
Eine Videoaufzeichnung, in der die Autoren ihre Operationstechnik konkret beschreiben und demonstrieren, finden Sie auf der Homepage der European Association of Urology unter:
http://www.europeanurology.com/surgery-in-motion/detail/136
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Literatur
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