"Never change a winning team" oder "Aufbruch in neue Welten"?
Aufgrund exzellenter Langzeitdaten stellt bereits seit geraumer Zeit die offene radikale Zystektomie mit Harnableitung den therapeutischen Goldstandard des muskelinvasiven Urothelkarzinoms der Harnblase dar [
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]. Dennoch ist es wichtig anzumerken, dass trotzdem die Zystektomie mit einer hohen Komplikationsrate vergesellschaftet sein kann. Shabshigh und Kollegen zeigten 2009 in einer sehr guten und aufrichtigen Analyse, dass selbst in "geübten Händen" bis zu 64 % der operierten Patienten irgendeine Form von post-operativer Komplikation erlitten, wovon 13 % sog. Major-Komplikationen darstellten [
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].
Roboter-assistiert zystektomierte Patienten hatten weniger postoperative Major-Komplikationen
Zur Verbesserung dieses operativen / postoperativen Outcomes hat man daher bereits früh Fallbeispiele laparoskopischer Zystektomien durchgeführt – Menon et al. dann auch robotisch-assistierte Zystektomie-Fallserien mit dem Ansatz der Verbesserung perioperativer Parameter wie z. B. geringerem Blutverlust und post-operative Schmerzen, schnellere Konvaleszenz der Darmtätigkeit, kürzere Liegezeit, schnellere Mobilisierung, geringere äußere und innere Wundheilung sowie bessere kosmetischer Ergebnisse [
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]–[
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]. Darüber hinaus konnten Ng und Kollegen 2010 für die robotisch-assistierte Zystektomie anhand einer prospektiven Arbeit mit dem Endpunkt Komplikationen 30 bzw. 90 Tage post-OP einen Vorteil für die minimal-invasive vs. offen-chirurgische Technik bestätigen. Im Vergleich zur offenen Zystektomie hatten die Roboter-assistiert zystektomierten Patienten signifikant weniger post-operative Major-Komplikationen [
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].
Wie korrekt in der vorliegenden Arbeit von Goh et al. dargestellt [
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], handelt es sich bei den publizierten robotischen Zystektomie Daten v. a. um die sog. Hybrid-Technik, die eine robotisch-assistierte Zystektomie mit einer offenen Harnableitung kombiniert [
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]. Die Rationale für eine solche Technik stammt aus der laparoskopischen Erfahrung, wo klar gezeigt werden konnte, dass eine reine laparoskopische Operation mit verlängerten OP-Zeiten und in der Folge mit signifikant erhöhten Komplikationsraten assoziiert war [
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].
Hybrid-Technik vs. "reine" roboterassistierte Zystektomie
Daher gibt es eine laufende Debatte zum Stellenwert der "reinen" Roboter-assistierten Zystektomie mit intrakorporaler Harnableitung. Obwohl weltweit die meisten robotischen Zentren die Hybrid-Technik verwenden, berichten die Autoren der vorliegenden Arbeit von ihren ersten Zystektomie-Erfahrungen mit intrakorporaler Ileumneoblase in der Studer-Technik [
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].
Was ist nun interessant an dieser Arbeit, denn es hat bereits einige Publikationen zur intrakorporalen Harnableitung gegeben [
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]? Im Gegensatz zu den zuvor publizierten Arbeiten zeigt die aktuelle Studie nicht nur, dass
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die gesamte OP inklusive Studer-Neoblase rein robotisch-assistiert durchführbar ist, sondern auch, dass
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dabei spezifische, bewährte, offenchirurgisch technische Prinzipen auf die minimal-invasive Ebene mit akzeptabler OP-Dauer und Komplikationsraten übertragen werden können.
Haben die Ergebnisse Einfluss auf den Klinikalltag?
Welchen Einfluss haben diese Ergebnisse auf unseren klinischen Alltag und wie ist die Arbeit für die Urologie zu bewerten? Im Grunde genommen wird diese Arbeit unseren Alltag kaum beeinflussen, da man kritisch anmerken muss, dass die Arbeitsgruppe dieses Papers eine Ansammlung von minimal-invasiven "Superspezialisten" darstellt, die eine chirurgische Erfahrung vereinen, die ihresgleichen sucht.
Wie bereits eingangs dargstellt, stellt die Zystektomie eine komplikationsreiche Operation dar. Allein unsere Patientenverantwortung gebietet uns, denjenigen operativen Zugang zu wählen, bei dem die meiste Erfahrung vorliegt, um beste Ergebnisse zu erzielen. Somit kann man in diesem Zusammenhang den Slogan: "Never change a winning team" gerne bemühen.
Fazit
Abschließend bleibt kritisch anzumerken, dass größere Fallserien bzw. prospektiv randomisierte Daten sowie onkologische, funktionelle und QoL-Langzeiterfahrungen ausstehen, um die vorgestellte OPTechnik vollkommen zu beurteilen. Dennoch bleibt der Beitrag wertvoll, denn er zeigt, dass – technische Innovationen intelligent eingesetzt – operativ-technische Verfeinerungen nach sich ziehen, sodass in der Zukunft ein neuer Standard definiert werden kann.
PD Dr. Felix Chun, Hamburg