Aktuelle Urol 2013; 44(02): 95-97
DOI: 10.1055/s-0033-1343916
Referiert und kommentiert
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Induratio Penis plastica – Collagenase C. histolyticum:
wirksam und sicher?


J Urol 2012;
187: 2268-2274
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Publication Date:
16 April 2013 (online)

 
 

Die Plaquebildung bei der Induratio Penis plastica (IPP) ist assoziiert mit Veränderungen auf Kollagenbasis in der Tunica albuginea. Die medikamentösen Therapieoptionen, eingesetzt im frühen Stadium der IPP, sind meist unbefriedigend. Eine aktuelle US-amerikanische Phase-IIb-Studie hat nun gezeigt, dass die Behandlung mit Collagenase C. histolyticum eine sichere, nicht invasive Alternative für Patienten mit IPP sein könnte.
J Urol 2012; 187: 2268–2274

mit Kommentar

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Ganzkörper-MRT: Akuter Schub einer Induratio Penis plasica. Die sagittale T1w TSE-Aufnahme zeigt eine aufgelockerte Tunica albuginea (Pfeile) (a). Im axialen Bild nach Kontrastmitelgabe kommt es in dem Plaque zu einem deutlichen Enhancement als Zeichen eines akuten Schubs (Pfeil) (b). Laut der aktuellen US-amerikanischen Phase-IIb-Studie ist die Behandlung mit Collagenase Clostridium histolytikum im frühen Stadium der IPP eine vielversprechende Therapieoption. (Abbildung aus Hamm et al. Pareto-Reihe Radiologie. Urogenitales System. Thieme Stuttgart; 2007)

Martin Gelbard, Urology Associates Medical Group, Burbank / Kalifornien, und Kollegen schlossen 147 Patienten mit IPP (auch Peyronie-Krankheit genannt) in ihre randomisierte, doppelblinde und placebokontrollierte Phase-IIb-Studie ein. Die Studie wurde unter maßgeblicher Beteiligung von Auxilium Pharmaceuticals Inc., Chesterbrook / USA, durchgeführt. Die Autoren teilten die Patienten in 4 Gruppen ein: Sie behandelten 75 % der Patienten (n = 111) mit Collagenase C. histolyticum und 25 % (n = 36) mit Placebo. Jeweils die Hälfte der Patienten aus beiden Gruppen erhielt zusätzlich ein Penis-Modeling. Das Alter der Patienten lag zwischen 45 und 64 Jahren und 78 % der Patienten berichtete von keinem spezifischen Penistrauma. Mehr als die Hälfte der Patienten (54 %) hatte keine IPP-assoziierten Schmerzen, 44 % eine erektile Dysfunktion.

Pro Behandlungszyklus erhielten die Patienten entweder 2 Collagenase-C.-histolytikum-Injektionen (0,58 mg) oder Placebo im Abstand von 24–72 Stunden (insgesamt bis zu 3 Zyklen in 6-wöchigen Intervallen). Injiziert wurde direkt in den Hauptplaque am Punkt der maximalen Krümmung. Falls vorgesehen erfolgte das Penis-Modeling 24–72 Stunden nach der 2. Injektion in Form einer stufenweisen, behutsamen Streckung des nicht erigierten Penis in die entgegengesetzte Richtung der Krümmung. Der Arzt erhielt die Streckung 30 s aufrecht, bevor der Penis für 30 s wieder in seinen Ausgangszustand zurückkehren konnte. Diesen Streckvorgang wiederholte der Arzt 3 x.

Die Penislänge und Plaques maßen die Autoren am gestreckten schlaffen Penis mittels Messschieber, den Grad der Peniskrümmung (30–60 °, >60 °) nach einer Prostaglandin-E1-Injektion am erigierten Penis mithilfe eines Goniometers. Sie erfassten außerdem den "Peyronie disease patient reported outcome" (PD-PRO), um den Einfluss der Erkrankung auf die Lebensqualität des Patienten zu beurteilen, und den "International Index of Erectile Function" (IIEF), um die erektile Funktion zu bewerten. Den PD-PRO unterteilten die Autoren weiterhin in

  • Beschwerden und Einschränkungen beim Geschlechtsverkehr,

  • Penisschmerzen und

  • störende Symptome der IPP ("Peyronie disease symptom bother scores").

Endpunkte der Studie waren die absolute Änderung und prozentuale Änderung der Peniskrümmung zwischen Baseline und Woche 36 sowie die der Punktzahl des IIEF und die in jedem Bereich des PD-PRO.

Peniskrümmung verringert in beiden Kollagenase-Gruppen

Zu Studienbeginn lag die mittlere Peniskrümmung bei 54,4 ° ± 15,1 ° in der Verum- Gruppe und 50,6 ° ± 15,1 ° in der Placebo-Gruppe. Nach der 36-wöchigen Kollagenase-Therapie war die Peniskrümmung der Patienten in der Verum-Gruppe um 29,7 % ( 16,3 ° ± 14,6 °) vermindert im Vergleich zu 11,0 % ( 5,4 ° ± 13,8 °) in der Placebo-Gruppe (p = 0,001). Eine um mindestens 25 %ige Verbesserung der Peniskrümmung fanden die Autoren bei 61 % der Patienten in der Kollagenase-Gruppe und bei 25 % der Patienten in der Placebo-Gruppe. Die Punktzahl der störenden Symptome der IPP nach PD-PRO verbesserte sich zudem signifikant in der Kollagenase-Gruppe, die Punktzahlen für Beschwerden und Einschränkungen beim Geschlechtsverkehr und Penisschmerzen sowie der IIEF-Score unterschieden sich nicht.


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Penis-Modeling unterstützt Wirkung der Enzyminjektion

Bei den Patienten, die zusätzlich ein Penis-Modeling erhielten, verbesserte sich die Peniskrümmung in der Kollagenase-Gruppe um 32,4 % (-17,5 ° ± 15,3 °), bei denen der Placebo-Gruppe verschlechterte sie sich um 2,5 % (+ 0,6 ° ± 13,2 °) (p < 0,001). Zusätzlich war bei Patienten der Kollagenase-Modeling-Gruppe die Punktzahl der störenden Symptome der IPP signifikant besser. Die Änderung der Peniskrümmung beider Gruppen ohne Penis-Modeling unterschied sich nicht (mit Kollagenase-Injektion Verbesserung um 27,1 %, ohne 27,9 %). Die meisten unerwünschten Ereignisse in den beiden Kollagenase-Gruppen traten an der Einstichstelle auf und waren von leichtem oder mittlerem Schweregrad. Es traten keine behandlungsassoziierten, schwerwiegenden unerwünschten Ereignisse auf.

Fazit

In der aktuellen Studie vertrugen die Patienten mit Induratio Penis plastica die Collagenase-C.-histolyticum-Intervention gut. Die Peniskrümmung und störende Symptome der IPP besserten sich in der Verum-Gruppe signifikant. Nach Aussage der Autoren könnte die Kollagenase-Injektion eine sichere Alternative zu einer medikamentösen oder operativen Therapie sein. Momentan laufen placebokontrollierte Phase-III-Studien, um die Sicherheit und Wirksamkeit der Collagenase-C.-histolyticum-Behandlung eingehender zu prüfen.

pta

Kommentar

Die neue Erstlinien-Therapie bei der IPP?

Obwohl die Induratio Penis Plastica (IPP, auch Peyronie-Krankheit) bereits 1743 von dem französischen Chirurgen Francois de la Peyronie beschrieben wurde, sind die Ursachen dieser Erkrankung bis zum heutigen Tage unbekannt. Vieles spricht dafür, dass wiederholte Mikrotraumen der Tunica albuginea ursächlich für die Krankheit sind. Zunehmend werden auch entzündliche immunologische und metabolische Störungen des kollagenen Bindegewebes vermutet. Patienten mit IPP haben ein leicht erhöhtes Prostatakrebsrisiko. Parallel dazu kann es zu ähnlichen Veränderungen an anderer Stelle kommen (z. B. Dupuytren-Kontraktur der Hand).

Die Therapie der Induratio Penis Plastica gestaltet sich generell als schwierig. Die oralen Therapeutika (z. B. Kalium-Aminobenzoesäure und Vitamin E) stellten sich in placebokontrollierten Studien als nicht signifikant wirksam heraus. Für die Stoßwellentherapie und die Radiotherapie wurde in prospektiven und randomisierten Studien ebenfalls kein Effekt nachgewiesen. Die meisten Autoren kommen zu dem Schluss, dass nach Ablauf der ersten 6 Monate, in denen der Patient auf eine Spontanheilung hoffen darf, die operative Behandlung die einzig erfolgsversprechende ist [ 1 ].

Kein Zusatznutzen?

Seit Februar 2011 ist eine mikrobielle Kollagenase aus Clostridium histolyticum in Europa prinzipiell für die Dupuytren- Krankheit zugelassen. Diese enthält ein Gemisch von clostridialen Kollagenasen der Klasse I (AUX-I) und Klasse II (AUX-II), die als Injektion direkt in den Dupuytren’schen Strang injiziert werden und dessen Struktur aufbrechen. Ein Dupuytren’scher Strang besteht zum größten Teil aus interstitiellem Kollagen vom Typ I und III und kann daher enzymatisch durch Kollagenasen hydrolytisch lokal abgebaut werden. Seit dem 16. Mai 2012 wird die im Februar 2011 zugelassene Kollagenase in Deutschland nicht mehr vertrieben. Dies erfolgte, nachdem der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) festgestellt hatte, dass kein Zusatznutzen im Vergleich zu anderen Behandlungsmethoden (z. B. Operation) nachgewiesen wurde. Die Einstellung des Vertriebs in Deutschland erfolgte daraufhin aus Preisgründen und nicht wegen gesundheitlicher Bedenken.

Ziel der Therapie einer IPP ist die Reduktion der Verkrümmung, die Verbesserung der vorhandenen Erektionsstörung und eine Beseitigung der Schmerzen bei Erektion. Die Phase-IIb-Studie von Gelbard et al. ergab signifikante Verbesserungen in Penisverkrümmung und der krankheitsspezifischen Symptome infolge der Behandlung mit der clostridialen Kollagenase im Vergleich zu Placebo. Auch wurde in der Arbeit gezeigt, dass die clostridiale Kollagenase meist gut toleriert wird und Nebenwirkungen in der Regel ohne Intervention abheilen.

Kleines Patientenkollektiv und kurze Nachbeobachtungszeit

Positiv hervorzuheben ist, dass die Autoren die Collagenase Clostridium histolyticum (CCH) gegen ein Placebo untersucht haben. In einem Großteil der publizierten Studien zur IPP wurde auf einen Placeboarm verzichtet, obwohl dieser gerade bei diesem Krankheitsbild angesichts der variablen Krankheitsverläufe von enormer Wichtigkeit ist. Leider ist das Patientenkollektiv mit 147 Patienten in 4 Gruppen relativ klein und die Nachbeobachtungszeit mit 36 Wochen recht kurz. Einschränkungen der Arbeit zeigen sich in der für amerikanische Verhältnisse begrenzten charakteristischen Vielfalt der randomisierten Patienten, die v. a. aus weißen Männern mit moderater Penisdeviation bestand. Auch wurden Patienten mit verkalkten Plaques ausgeschlossen.

Kritisch sind auch beide signifikanten Erfolgsparameter anzumerken. Eine objektive, standardisierte Messung der Penislänge und Penisverkrümmung ist kaum möglich und damit eine Vergleichbarkeit zu verschiedenen Zeitpunkten der Studien schwierig. Um die Variabilität in der Messung von Penisverkrümmung möglichst gering zu halten, wurde bei dieser Arbeit Prostaglandin E1 injiziert und die Messung erfolgte in erigiertem Zustand. Da jedoch eine standardisierte Dosis von Prostaglandin E1 verwendet wurde, kam es nicht in allen Fällen zu einer E5-Erektion, sodass trotz dieses Aufwands ein erheblicher Bias vorliegt. Für den anderen Erfolgsparameter, die krankheitsspezifischen Symptome, fehlen ebenfalls standardisierte Erfassungsmethoden.

Weitere Wirksamkeitsstudien

Martin Gelbard, Erstautor der hier kommentierten Arbeit, präsentiert aktuell neben dieser Studie auch noch eine Zusammenfassung von 2 identischen Phase-IIIStudien zum gleichen Thema [ 2 ]. In die 2 prospektiv-randomisierten, doppelblinden, placebokontrollierten Multicenterstudien (IMPRESS I und IMPRESS II) wurden in den USA und Australien 832 Patienten eingeschlossen. Die Patienten wurden abhängig vom Grad der Penisdeviation stratifiziert (30–60 ° oder 61–90 °) und in eine Kollagenase Clostridium histolyticum und eine Placebo-Gruppe (2:1) randomisiert. Die Behandlung erfolgte in Zyklen zu je 2 Injektionen von CCH (0,58 mg) oder Placebo direkt in den Plaque am Punktum Maximum der Penisverkrümmung, mit einem Abstand von etwa 24–72 Stunden zwischen jeder Injektion. In beiden Studien zeigten die mit dem Verum behandelten Männern eine signifikante Reduktion der Penisdeviation (p = 0,0005, p = 0,0059) und eine signifikante Verbesserung der krankheitsspezifischen Symptome im Vergleich zur Placebo-Gruppe.

Die Post-hoc-Metaanalyse zeigte eine noch größere Verbesserung (in %) gegenüber dem Ausgangswert (in %) für die CCH behandelten Patienten (Rückgang der Penisdeviation, p < 0,0001). Unter der Therapie mit CCH kam es zu keiner Penisverkürzung. Auch wurde in den Phase-III-Studien die gute Verträglichkeit der Medikation erneut bestätigt. Die Nebenwirkungen befanden sich meist lokal im Bereich der Injektionsstelle und heilten in der Regel ohne Intervention vor der nächsten Injektion ab.

Fazit

Auch wenn diese Studien vom Design und der Durchführung eine hohe Qualität aufweisen, so können die Ergebnisse derzeit noch nicht in eine generelle Empfehlung übersetzt werden, Collagenase Clostridium histolyticum als primäre Therapie der IPP einzusetzen. Es bleibt abzuwarten, ob die vorliegenden Studien genutzt werden, um eine Zulassungserweiterung der im Februar 2011 zugelassenen mikrobiellen Kollagenase aus Clostridium histolyticum bei der FDA und der EMEA zu beantragen. Für den Fall einer Zulassung müsste in Deutschland weiterhin der Ausgang des AMNOK-Verfahrens abgewartet werden, ob auch bei der IPP ein Zusatznutzen im Vergleich mit bestehenden Behandlungsmethoden wie der operativen Intervention (ähnlich der Dupuytren-Krankheit) nachgewiesen werden muss. Sicherlich spannend bleiben auch die Kosten der Therapie.

Dr. Sebastian Rogenhofer, Bonn


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Dr. Sebastian Rogenhofer


ist Oberarzt an der Klinik und Poliklinik für Urologie und Kinderurologie, Universitätsklinik Bonn

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Ganzkörper-MRT: Akuter Schub einer Induratio Penis plasica. Die sagittale T1w TSE-Aufnahme zeigt eine aufgelockerte Tunica albuginea (Pfeile) (a). Im axialen Bild nach Kontrastmitelgabe kommt es in dem Plaque zu einem deutlichen Enhancement als Zeichen eines akuten Schubs (Pfeil) (b). Laut der aktuellen US-amerikanischen Phase-IIb-Studie ist die Behandlung mit Collagenase Clostridium histolytikum im frühen Stadium der IPP eine vielversprechende Therapieoption. (Abbildung aus Hamm et al. Pareto-Reihe Radiologie. Urogenitales System. Thieme Stuttgart; 2007)