Zentralbl Chir 2013; 138(01): 12
DOI: 10.1055/s-0033-1341296
Kurz referiert – Schwerpunkt Thoraxchirurgie
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Deszendierende nekrotisierende Mediastinitis – Schnelles und aggressives Vorgehen entscheidend

Contributor(s):
Richard Kessing
Kocher GJ et al.
Diffuse descending necrotizing mediastinitis: surgical therapy and outcome in a single-centre series.

Eur J Cardiothorac Surg 2012;
42: e66-77
Saute M.
Descending necrotizing mediastinitis: an old issue with a new approach.

Eur J Cardothorac Surg 2012;
42: e73
Further Information

Publication History

Publication Date:
06 March 2013 (online)

 
 

Die deszendierende nekrotisierende Mediastinitis beginnt als Infektion, die sich schnell ausbreitet und lebensbedrohlich wird. Eine früh bestätigte Diagnose und ein unter Umständen aggressives chirurgisches Vorgehen verhindern hohe Morbidität und Mortalität.
Kocher GJ et al. Diffuse descending necrotizing mediastinitis: surgical therapy and outcome in a single-centre series. Eur J Cardiothorac Surg 2012; 42: e66–72. Saute M. Descending necrotizing mediastinitis: an old issue with a new approach. Eur J Cardothorac Surg 2012; 42: e73

Die deszendierende (abszedierende) nekrotisierende Mediastinitis (DNM), erstmals 1938 von Pearse beschrieben, wird meist von einer Infektion im Mund und Halsbereich verursacht, die sich dann entlang der Fascienlogen in das Mediastinum ausbreitet. Hauptursachen sind odontogene Infektionen oder para- bzw. retropharyngeale Abszesse. Die DNM ist eine lebensbedrohliche Infektion. Sie birgt die Gefahr einer Sepsis und eines Multiorganversagens. Die Mortalitätsrate liegt zwischen 11 und 40 %.

Je nach Lokalisation der Infektion ergibt sich ein unterschiedliches chirurgisches Vorgehen. Endo et al. unterteilten daher die DNM in einen Typ I oder eine lokalisierte Form, bei der die Infektion sich auf einen Bereich oberhalb der Carina beschränkt, und einen Typ II, mit einer diffusen Infektion unterhalb der Trachealbifurkation. Dieser zweite Typ wird nochmals in einen Subtyp II A, mit Infektionen im Bereich des unteren vorderen Mediastinums, und einen Subtyp II B, mit einem Infektionsbereich im unteren vorderen und hinteren Mediastinum, unterteilt.

Eine Schweizer Arbeitsgruppe wertete retrospektiv die Ergebnisse der Behandlung von 17 Patienten mit einer diffusen abszedierenden nekrotisierenden Mediastinitis vom Typ II aus und verglich ihre Daten mit den Daten aus einer umfangreichen Literaturrecherche. Alle Patienten wurden an der Universitätsklinik Bern, Schweiz in der Zeit von November 1999 bis Oktober 2011 behandelt. Damit stellt Untersuchung eine der größten monozentrischen Studien der jüngsten Zeit hinsichtlich der Therapie der DNM dar.

Die Sicherung der Diagnose erfolgte anhand klinischer, radiografischer und intraoperativer Parameter. In allen Fällen erfüllten die Patienten die von Estrera et al. definierten Diagnosekriterien. Patienten mit einer akuten Mediastinitis und Patienten mit einer nekrotisierenden Mediastinitis Typ I nach Endo wurden aus der Studie ausgeschlossen.

Von den 17 Patienten erfolgte bei 8 der Zugang zum Mediastinum mittels medianer Sternotomie, bei weiteren 8 Patienten durch die Clamshell-Inzision. Im Mittel betrug die Zeit zwischen Diagnose der DNM durch eine zervikothorakale Computertomographie und thoraxchirurgischem Eingriff 6 Stunden. Ein Patient wurde von einer anderen Klinik überwiesen. In diesem Fall betrug die Zeitspanne zwischen CT und Operation 48 Stunden; der Patient verstarb 2 Tage nach der Operation. Eine Zervikotomie wurde bei 11 Patienten begleitend ausgeführt, 9 Patienten wurden tracheotomiert. Der Klinikaufenthalt betrug im Mittel 16 Tage inklusive eines im Mittel 4tägigen Aufenthalts auf der Intensivstation.

Fazit

Für eine deszendierende nekrotisierende Mediastinitis, die sich auf den oberen Bereich des Mediastinums beschränkt – vermutlich die meisten Fälle – ist nach Auffassung der Autoren ein transzervikaler Zugang und eine Drainage in der Regel ausreichend. Bei fortgeschrittener Erkrankung mit einer Ausdehnung unter die Carina tracheae ist ein schnelles und aggressives chirurgisches Vorgehen entscheidend, um die lebensbedrohliche Infektion zu beherrschen. Das rechtzeitige und situative Vorgehen via medianer Sternotomie oder Clamshell-Inzision hat nach Auffassung der Autoren in ihrem Krankengut zu einer geringen Morbiditäts- und Mortalitätsrate sowie zu einer geringen Rate von erneut notwendigen Operationen geführt, und dies ohne größere Komplikationen.


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Zum Kommentar

Es handle sich um eine beeindruckende Studie, so Milton Saute vom Rabin Medical Center, Petah Tiqva, Israel, in einem Kommentar. Hilfreich ist in seinen Augen die Verwendung der Endo-Klassifikation, um die Operationsstrategie festzulegen. Verwundert zeigt sich Saute hingegen über die gewählte operative Vorgehensweise via medianer Sternotomie oder Clamshell-Inzision. Schließlich, so Saute, sei das Durchsägen gesunder Konchen bei einer Infektion keine regelgerechte chirurgische Praxis. Nach seiner Auffassung ist die posterolaterale Thorakotomie das beste Verfahren. Transzervikale Chirurgie alleine oder in Kombination mit der Thorakotomie sind auch diejenigen Techniken, die in den 6 Studien der umfangreichen Literaturrecherche mit 228 Patienten ausschließlich zur Anwendung kamen. Andererseits seien die Ergebnisse dieser monozentrischen Studie sehr überzeugend, konstatiert Saute. Obwohl die Morbiditätsrate in dieser Untersuchung recht hoch sei, sei es zu keiner Wundinfektion gekommen, und die Mortalitätsrate sei im Vergleich zu anderen Ergebnissen aus der Literatur sehr gering. Sicherlich sei dies auf eine bessere Patientenversorgung und potentere Antibiotika zurückzuführen, nicht zuletzt aber auch auf den Einsatz des Medizinerteams.


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