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DOI: 10.1055/s-0033-1334918
Neue Berufsgruppen im Schulungsteam: Wer kann den aktuellen Ärztemangel kompetent ausgleichen? 1. Qualitätszirkel der Mitglieder des Zentrums Patientenschulung vom 22. November 2012 in München
New Members for the Patient Education Team: Can Other Health Professions Take Over Physicians’ Competencies? 1st Quality Circle of the Center of Patient Education, November 22, 2012 in MunichPublication History
Publication Date:
24 April 2013 (online)
Mitglieder des Zentrums Patientenschulung können seit 2012 in Qualitätszirkeln unter hoher Fachexpertise aktuelle Themen der Patientenschulung diskutieren. Der erste Qualitätszirkel fand am 22. November 2012 mit 12 Teilnehmern in der Deutschen Rentenversicherung Bayern Süd in München statt. Thema war „Neue Berufsgruppen im Schulungsteam – Wer kann den aktuellen Ärztemangel kompetent ausgleichen?“
Die meisten Schulungskonzepte sehen eine multidisziplinäre Durchführung von Schulungen (z. B. [1]) mit Ärzten und Psychologen, Therapeuten, Ernährungsfachkräften und Pflegepersonal vor. Eine Bestandserhebung in der medizinischen Rehabilitation [2] ergab, dass Schulungen häufiger von Ärzten und Psychologen und weniger häufig von anderen Berufsgruppen durchgeführt werden. Aufgrund aktueller personeller Strukturbedingungen sind Ärzte in Reha-Einrichtungen häufig überlastet und können dadurch ihren vielfältigen Anforderungen nur bedingt gerecht werden (Stichworte: unbesetzte Arztstellen, mangelnde Ausbildung in didaktischen und kommunikativen Kompetenzen, Fremdsprachlichkeit). Der Qualitätszirkel widmete sich der Frage, ob und durch wen Ärzte in der Durchführung von Patientenschulungen ersetzt bzw. ergänzt werden können. 3 Impulsreferate beleuchteten das Thema aus unterschiedlichen Perspektiven. Die Inhalte der 3 Impulsreferate und die Ergebnisse der Diskussion werden hier zusammenfassend dargestellt.
Dr. Jürgen Höder (Universität Lübeck) schlug mögliche Änderungen im Schulungsteam vor. Sowohl das Rahmenkonzept der medizinischen Rehabilitation als auch die Curricula der Deutschen Rentenversicherung sehen ein multidisziplinäres therapeutisches Team unter Federführung der leitenden Ärzte vor. Anforderungen an Schulungsdozenten sind darüber hinaus vielfältig, sie umfassen neben berufsfachlichen auch didaktische, soziale und personale Kompetenzen (z. B. [3]). Internationale Befunde zeigten aber in Abhängigkeit von der Profession der Schulenden keine Unterschiede in den Effekten der Schulungen (z. B. [4]). Höder schlägt angesichts dessen und wegen des Ärztemangels vor, den Arzt zwar als Unterstützer des Schulungsteams, aber nicht notwendigerweise als Schulungsdozenten einzusetzen. Andere Berufsgruppen (s. o.) könnten nach entsprechender Fortbildung ebenso als Schulungsdozenten geeignet sein. Eine weniger arztzentrierte Patientenschulung ist deshalb aus Sicht von Höder durchaus denkbar und sollte in der medizinischen Rehabilitation empirisch geprüft werden.
Prof. Carl-Walter Kohlmann (Pädagogische Hochschule Schwäbisch Gmünd) berichtete von den Bachelor- und Masterstudiengängen zur Gesundheitsförderung seiner Hochschule. Die Ausbildung ist interdisziplinär, wissenschaftlich fundiert und projektorientiert. Der Bachelor zielt auf Gesundheitsförderung und Prävention in Familie, Schule, Beruf und Freizeit, der Master vermittelt Kompetenzen zu Forschung und Konzeptentwicklung in der Gesundheitsförderung. Bereits jetzt absolvieren knapp 30% der Studierenden Praktika in überwiegend ambulanten Rehabilitationseinrichtungen und Mutter-Kind-Kuren. Beispiele von Projektarbeiten im Masterstudiengang belegen die hohe fachliche Kompetenz in der Konzeptentwicklung und Evaluation von Präventionsangeboten. Aus Sicht von Kohlmann sind die Studienabgänger auch zur Patientenschulung und Gesundheitsförderung in der medizinischen Rehabilitation in der Lage.
Dr. Ulrike Worringen (Deutsche Rentenversicherung Bund, Berlin) berichtete von Anforderungen der Rentenversicherung an Schulungsleiter. Qualitätsmerkmal standardisierter Schulungen in der Klassifikation therapeutischer Leistungen ist die multiprofessionelle Leistungserbringung. Analysen zu Schulungsleitervoraussetzungen im Gesundheitstraining ergaben für alle 103 Module der Curricula der DRV Bund, dass am häufigsten Ärzte (35 Module) und Psychologen (24 Module) als Dozenten festgelegt sind. Die Schulungsziele sind je nach Indikation unterschiedlich gewichtet und liegen in der Wissensvermittlung (39–58%), gefolgt von Einstellungsänderung (14–48%) und Vermittlung von Handlungskompetenzen (13–29%). Der interaktive Vortrag wird am häufigsten empfohlen (69%), gefolgt von Diskussion (21%) und Demonstration, Rollenspiel oder Übung (10%). In Modulen, die für Ärzte festgelegt sind, überwiegt der interaktive Vortrag (56%), in jenen für Psychologen die Diskussion (54%) und bei optional nicht-akademischen Berufsgruppen die Demonstration, Rollenspiel oder Übung (67%). Die Berufsgruppe der Ärzte und die Wissensvermittlung über den interaktiven Vortrag sind im Gesundheitstrainingsprogramm der DRV Bund dominierend. Eine mögliche Flexibilisierung ist in knapp einem Viertel der Module vorgesehen.
Die Diskussion der 12 anwesenden Mitglieder des Vereins betraf a) Berufsgruppen im Schulungsteam sowie erforderliche Kompetenzen und deren Förderung, b) den Studiengang Gesundheitsförderung/Gesundheitspädagogik und seine engere Verzahnung mit der Rehabilitation und c) die Strukturanforderungen und das Klassifikationssystem der Deutschen Rentenversicherung. Die Diskussion wurde mit folgenden Thesen abgeschlossen:
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Berufsgruppen und erforderliche Kompetenzen
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Die Mitwirkung von Ärzten im Schulungsteam stellt ein Qualitätsmerkmal dar. Ärzte sind im Schulungsteam unabdingbar, um krankheitsspezifische Kompetenz zu vermitteln (Medikamenteneinnahme usw.).
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Leitende Ärzte sollten das Patientenschulungskonzept aktiv gegenüber den Rehabilitanden und Mitarbeitern vertreten.
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Eine Flexibilisierung des Schulungsteams ist möglich und erstrebenswert. Neben Ärzten und Psychologen können und sollen auch Therapeuten, Pflegekräfte und Gesundheitspädagogen eingesetzt werden.
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Die Beurteilung der individuellen Eignung von Schulungsdozenten sollte sich an fachlichen, aber auch didaktischen, sozialen und personalen Kompetenzen orientieren. Die Berufsgruppe ist dabei nur eines von mehreren Qualifikationsmerkmalen.
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Insbesondere die Handlungsorientierung sollte sowohl bei den Schulungszielen als auch bei der Wahl der didaktischen Methoden eine zentrale Rolle spielen.
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Eine Kompetenzentwicklung sollte für alle Berufsgruppen durch geeignete Fortbildungen und Train-the-Trainer-Angebote geschaffen und genutzt werden.
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Die differenzielle Eignung verschiedener Berufsgruppen sollte empirisch geprüft werden. Hierzu sind entsprechende Studien wünschenswert.
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Im Sinne der Patientenorientierung sollten die Rehabilitanden auch bei der Konzeption von Patientenschulungen und der Bestimmung der beteiligten Berufsgruppen eingebunden werden.
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Für alle Mitarbeiter der Rehabilitation sollten Fortbildungen zur Patientenschulung angeboten werden, sodass eine engere Verzahnung der Schulungsinhalte mit anderen Therapieangeboten erfolgen kann.
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Studiengänge zur Gesundheitspädagogik
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Damit Absolventen eines Studiengangs aus dem Bereich der Gesundheitspädagogik in der medizinischen Rehabilitation tätig werden können, sollten sie im Studium auch klinische und rehabilitative Fächer belegen können. Der Umgang mit und die Bewältigung von chronischen Erkrankungen und die Rehabilitation als sekundäre bzw. tertiäre Prävention sollten ins Curriculum aufgenommen werden.
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Praktikumsplätze und Projektarbeiten der Hochschule könnten vermehrt in Rehabilitationseinrichtungen vermittelt werden.
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Eine engere Verzahnung zwischen den Hochschulen und den rehabilitativen Versorgungsfeldern erscheint erstrebenswert.
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Strukturanforderungen und Klassifikationssystem der Deutschen Rentenversicherung
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Die Strukturanforderungen der Deutschen Rentenversicherung für Rehabilitationseinrichtungen geben einen detaillierten Stellenschlüssel vor. Dieser wird an neue Berufsgruppen kontinuierlich angepasst. Nach der Anpassung von 2010 bzw. 2012 werden Ärzte und (Master- bzw. Diplom-)Psychologen innerhalb einer Funktionsgruppe geführt. Diese Stellen sind konzeptabhängig zu besetzen. Für Psychologen wurden die Stellenpläne hinsichtlich der Master- bzw. Bachelorstudienabgänger differenziert. Die potentiellen Tätigkeiten der Bachelor-Psychologen in der medizinischen Rehabilitation umfassen insbesondere edukative Aufgaben, für die auch Gesundheitspädagogen ausgebildet werden. Allerdings fehlen letzteren in ihrer Ausbildung bislang klinisch-psychologische Fachkompetenzen (s. o.).
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In der nächsten Überarbeitung des Klassifikationssystems therapeutischer Leistungen sollte die maximale Gruppengröße bei standardisierten Schulungen flexibilisiert werden. Interaktive Vorträge zur Wissensvermittlung könnten möglicherweise auch in größeren Gruppen angeboten werden. Diese sollten dann inhaltlich enger verzahnt sein mit patienten- und handlungsorientierten Schulungseinheiten in Kleingruppen.
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Die Professionen in der Patientenschulung sind bisher selten kritisch diskutiert worden. Die Qualität der Schulung hängt jedoch von der Kompetenz und Professionalität der Dozenten und Dozentinnen ab. Der Qualitätszirkel hat deshalb erste wichtige Impulse für eine notwendige Diskussion gegeben. Die Ergebnisse weisen darauf hin, in welche Richtung eine Weiterentwicklung gehen könnte.
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Literatur
- 1 Deutsche Rentenversicherung Bund Hrsg Gesundheitstraining in der medizinischen Rehabilitation (Version 2010). Berlin: DRV Bund; 2010. verfügbar unter: www.deutsche-rentenversicherung.de
- 2 Reusch A, Schug M, Küffner R et al. Gruppenprogramme der Gesundheitsbildung, Patientenschulung und Psychoedukation in der medizinischen Rehabilitation 2010 – Eine Bestandsaufnahme. Rehabilitation 2013; 52 (im Druck)
- 3 Quaschning K, Wohlfahrt R, Spörhase U. Anforderungen an Train-the-Trainer-Seminare und Trainer für Patientenschulungen für chronische Erkrankungen im Erwachsenenalter. In: Deutsche Rentenversicherung Bund. Hrsg Tagungsband, „Rehabilitation – Flexible Antworten auf neue Herausforderungen“, 21. Rehabilitationswissenschaftliches Kolloquium, 5. bis 7. März 2012 in Hamburg. DRV-Schriften; 2012. (98). 166-168
- 4 Alam R, Sturt J, Lall R et al. An updated meta-analysis to assess the effectiveness of psychological interventions delivered by psychological specialists and generalist clinicians on glycaemic control and on psychological status. Patient Education and Counseling 2009; 75: 25-36