physiopraxis 2013; 11(01): 22-26
DOI: 10.1055/s-0033-1333594
physiowissenschaft
© Georg Thieme Verlag Stuttgart - New York

Internationale Studienergebnisse


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Publication Date:
11 January 2013 (online)

 

Sportmedizin – Zu viel trinken ist schädlich

Dehydration ist keine Krankheit, und ihr einziges Symptom ist der Durst - das erklärt der Humanbiologe und Sportwissenschaftler Timothy Noakes im renommierten British Medical Journal (BMJ). Läufer, die nach einem Marathon kollabieren, täten dies nach Noakes meist nicht aufgrund einer durch Wassermangel induzierten Überhitzung. Der Wissenschaftler führt Untersuchungen an, nach denen kollabierte Athleten weder überhitzter noch dehydrierter waren als Läufer, welche dieselbe Strecke ohne Zusammenbruch bewältigt hatten.

„Menschen haben die Kapazität, ihre Körpertemperatur während langer körperlicher Aktivität in trockener Hitze zu regulieren, und zwar trotz relativ großer Verluste der totalen Körperflüssigkeit“, erklärt Timothy Noakes. Der menschliche Körper sei nicht darauf angewiesen, seinen Flüssigkeitshaushalt von jetzt auf gleich zu regulieren.

Noakes führt einen 2012 von Carl Heneghan im BMJ publizierten Artikel an. In diesem hatten die Autoren keine Studie gefunden, die einen Grund dafür liefert, warum ein Sportler trinken sollte, bevor er durstig ist. Im Gegenteil berichten die Autoren von einer Untersuchung an Radfahrern, die trotz eines Körpergewichtsverlusts von 1,8-3,2 % (das entspricht etwa 1,5 Liter Schweiß bei einem 60 kg schweren Menschen) keine Leistungsfähigkeit eingebüßt hatten. Zudem fand Heneghans Team keine einzige Studie, die bei Todesfällen von Marathonläufern Dehydrierung als Ursache entlarvte. Dagegen gibt es jedoch in Studien beschriebene - seltene - Fälle, bei denen Sportler durch Hyponatriämie ums Leben kamen - also durch zu viel trinken. Trinken Sportler zu viel, verdünnen sich die Körperflüssigkeiten zu stark. Schon bei einem Anstieg von 2 % des körperlichen Wassergehalts können generalisierte Ödeme die Folge sein. Höhergradige „Überwässerungen“ münden unter Umständen in schweren Hirnödemen.

Athleten sollten also einfach auf ihr Durstgefühl vertrauen.

Hr

BMJ 2012; doi: 10.1136/bmj.e4171

Zitat

»DER GENERELLE RATSCHLAG, MÖGLICHST VIEL ZU TRINKEN, IST KOMPLETTER UNFUG.«

Dr. Jan Galle, Sprecher der deutschen Gesellschaft für Nephrologie


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Rekonstruktion der Rotatorenmanschette – Sinn früher Mobilisation fraglich

Eine frühe passive Mobilisation nach Rekonstruktion der Rotatorenmanschette hat möglicherweise keinen Vorteil gegenüber einer Ruhigstellung. Zu diesem Schluss kamen koreanische Forscher in einer Studie an 105 Patienten.

Das Autorenteam teilte die Probanden, die unter kleinen bis mittelgroßen Rupturen der Rotatorenmanschette litten, per Zufall in zwei Gruppen ein. Alle Studienteilnehmer bekamen für vier bis fünf Wochen ein Abduktionskissen und die Anweisung, regelmäßig die Hand und den Unterarm zu bewegen sowie die Skapula zu elevieren. Die erste Gruppe erhielt zusätzlich ab dem ersten postoperativen Tag durch einen Physiotherapeuten bis zu vier Mal täglich passive Mobilisationen der operierten Schulter in Flexion, Abduktion und Rotation - und zwar so lange, bis das Abduktionskissen abgenommen wurde. Die zweite Gruppe durfte dagegen während der ersten vier bis fünf Wochen nicht im Schultergelenk bewegen. Die Autoren maßen das Bewegungsausmaß und die Schmerzen vor der OP, nachdem das Abduktionskissen entfernt worden war sowie drei, sechs und zwölf Monate post-OP. Sie fanden heraus, dass sich beide Gruppen zu keinem Zeitpunkt signifikant unterschieden. Lediglich die Anzahl derer, bei denen sich die Rotatorenmanschette ablöste, war in der immobilisierten Gruppe etwas höher - allerdings nur um 6 %.

Somit zieht eine mehrwöchige Immobilisation nach einer Rekonstruktion der Rotatorenmanschette weder vermehrt Versteifungen nach sich, noch bringt sie schlechtere klinische Ergebnisse.

Jose

Am J Sports Med 2012; 40: 815-821


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Morbus Parkinson – Krankenhaustage

Anzahl der Tage, die Patienten mit primärem Parkinson-Syndrom imjahr2010 durchschnittlich in deutschen Krankenhäusern verbrachten

Gesundheitsberichterstattung des Bundes; 2010

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Morbus Parkinson – Stabil durch Berührung

Dass das Berühren eines fixen Gegenstandes das Schwanken im Stehen (engl.: postural sway) verringern und damit die Standstabilität verbessern kann, konnten Wissenschaftler bereits bei jungen Menschen und Senioren nachweisen sowie bei Patienten mit Gleichgewichtsstörungen, peripherer Neuropathie und nach Schlaganfall. Nun zeigt eine Studie von Erika Franzen und ihrem Team aus Oregon, USA, dass damit auch Patienten mit Morbus Parkinson stabiler stehen können.

Die Autoren untersuchten 14 Patienten und 14 gleichaltrige Gesunde. Alle hatten die Aufgabe, mit geschlossenen Augen in drei unterschiedlichen Positionen auf einer sich drehenden Kraftmessplatte zu stehen: einmal während sie eine fixe Stange leicht berührten, dann während sie die Stange fest umgriffen sowie mit gekreuzten Armen ohne Stangenberührung. Hatten die Probanden irgendeinen Kontakt zur Stange, verringerten sich bei ihnen die posturalen Schwankungen - ganz egal, ob sie an Morbus Parkinson litten oder nicht. Der Tonus der Hüftgelenkmuskulatur senkte sich außerdem bei den Erkrankten auf ein normales Maß, während es beim freien Stehen deutlich höher war als bei den Gesunden. Die Autoren empfehlen, besonders die Tatsache der Tonussenkung in der Rehabilitation zu berücksichtigen.

hoth

Neurorehabil Neural Repair 2012; 26: 1007-1014


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Haltung – Sway-back lässt Muskeln verfetten

Von einer Sway-back-Haltung spricht man, wenn das Becken nach dorsal rotiert und nach ventral translatiert ist, der Thorax nach dorsal geschoben wird und der Kopf in Protraktion steht. Haben Menschen eine solche Haltung, haben sie vermehrt Fetteinlagerungen im lumbalen M. multifidus. Das geht aus einer Studie brasilianischer Wissenschaftler hervor.

An der Studie nahmen 15 Menschen mit Sway-back-Haltung und Rückenschmerzen teil, neun mit Sway-back, aber ohne Schmerzen und 15 gesunde Kontrollpersonen. Alle pflegten einen eher bewegungsarmen Lebensstil. Alle Probanden mit Sway-back hatten mehr Fetteinlagerungen in den Rückenmuskeln als die Kontrollgruppe. Bei den Probanden mit Rückenschmerzen und Sway-back war die Fettkonzentration zudem durchschnittlich höher als bei den asymptomatischen mit der gleichen Haltung. Somit scheint bereits die Haltung einen Einfluss auf die Fettkonzentration zu haben. Schmerzen erhöhen den Fettanteil noch zusätzlich.

Josc

Eur Spine J 2012; 21: 2158-2164


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Querschnittlähmung – „Rollendes Stehpult“ verringert Spastik

Menschen mit Querschnittlähmung können ihre Spastik verringern, wenn sie mit einem sogenannten „Segway“ trainieren. Zu diesem Schluss kam eine Forschergruppe aus Kanada.

Acht Patienten, die entweder selbstständig oder mit Orthesen stehen konnten, nahmen an der Untersuchung teil. Sie übten vier Wochen lang dreimal wöchentlich für jeweils 30 Minuten. Während dieses sogenannten „dynamischen Stehprogramms“ navigierten die Probanden mit dem Segway durch eine Sporthalle und umfuhren Hindernisse, welche die Untersucher zu zunehmend anspruchsvolleren Parcours aufstellten. Einige der Übungseinheiten fanden auch im Freien statt. Vor und nach der Intervention untersuchte das Autorenteam, inwiefern das Training die Spastik, den Schmerz und die Fatigue der Teilnehmer beeinflusste.

Bei allen drei Ergebnismessungen stellten sie relevante Verbesserungen fest, die lediglich für die Fatiguesymptomatik nicht signifikant waren. Nun müssen weitere Studien klären, wie lange der Segway-Trainingseffekt anhält und ob er auch gegenüber anderen Interventionen besteht.

hoth

Spinal Cord 2012; 50: 595-598

2010

tödlich verunglückt

... ist der britische Unternehmer Jimi Heselden, der die Firma Segway Inc. 2009 übernommen hatte. Der makabre Grund: Er war eine zehn Meter hohe Klippe hinabgestürzt - beim Testen eines geländegängigen Segway-Prototypen.

Spiegel online;
27. September 2010


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HWS-Stabilitätstests – MRT belegt Zuverlässigkeit

Bevor man manuelle Techniken an der oberen HWS durchführt, sollte man die Stabilität der zervikalen Ligamente untersuchen. Peter Osmotherly, Darren Rivett und Lindsay Rowe aus Australien fanden nun heraus, dass sowohl der dafür verwendete Anterior-Shear- als auch der Distraktionstest offenbar tatsächlich die Strukturen provozieren, von denen man bislang in der Theorie ausging.

Beim Anterior-Shear-Test prüft der Untersucher die Stabilität des Lig. transversum atlantis. Der Patient liegt auf dem Rücken, der Untersucher steht am Kopfende. Er platziert beide Zeigefinger auf dem dorsalen Bogen des Atlas und fixiert mit beiden Daumen den Axis von ventral. Die restlichen Finger liegen von dorsal am Okziput. Nun versucht der Tester vorsichtig, den Atlas über einen Schub der Zeigefinger gemeinsam mit den Okziput gegenüber dem Axis nach ventral zu bewegen. Ist das Lig. transversum stabil, ist dabei keine Bewegung möglich, und es treten auch keine Symptome auf.

Mit dem Distraktionstest beurteilt der Untersucher, ob die Membrana tectoria ihre Rolle, eine kraniale Translation zu verhindern, ausreichend übernehmen kann. Bei diesem Test liegt der Patient ebenfalls auf dem Rücken, den Kopf auf einem Kissen platziert. Der Therapeut steht am Kopfende und fixiert mit einer Hand den Axis flächig von dorsal. Mit der anderen Hand umgreift er das Okziput und appliziert eine Traktion in drei verschiedenen Ausgangsstellungen: während die HWS in Flexion, Neutralposition und Extension eingestellt ist. Ist die Membrana tectoria intakt, sind maximal 1-2 mm Bewegungsausmaß möglich.

Für die Studie rekrutierten die Australier 16 gesunde Erwachsene, die nicht älter als 35 waren, und überprüften mittels MRT, inwieweit die beiden Tests tatsächlich die Strukturen beeinflussen, von denen man in der Theorie ausging. Sie fanden heraus, dass man mit dem Anterior-Shear-Test wirklich den Atlas gegenüber dem Axis verschieben kann. Wie groß die Bewegung jedoch sein muss, um eine klinisch bedeutsame Reaktion auszulösen, blieb unklar. Der Traktionstest scheint dagegen die Membrana tectoria tatsächlich in dem Maße zu verlängern, von dem man bislang auch klinisch ausging.

Josc

Man Ther 2012; 17: 416-421

257.107

Arbeitsunfähigkeitstage ...

... hatten AOK-Pflichtmitglieder im Jahr 2008 aufgrund von „Luxation, Verstauchung und Zerrung von Gelenken und Bändern in Halshöhe“.

Gesundheitsberichterstattung des Bundes; 2008


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Schlaganfall – Armtraining: Schneller ist besser

Patienten mit einer Armlähmung nach Schlaganfall können die Bewegungsqualität deutlich steigern, wenn sie Armbewegungen so schnell wie möglich ausführen. Das fand ein US-amerikanisches Forscherteam heraus.

Es untersuchte 16 Patienten mit Hemiparese und 11 Gesunde. Die Probanden sollten Greifund Hebebewegungen sowohl mit der komfortablen als auch mit der maximal möglichen Geschwindigkeit durchführen. Die Forscher fanden heraus: Bewegen die Patienten ihren Arm schnell, können sie die verschiedenen Parameter wie Geradlinigkeit, Fingeröffnung und Greifkraft deutlich steigern und kommen dabei fast an die Bewegungsgeschwindigkeit der Gesunden heran. Da die Autoren keine negativen Effekte bei der hohen Bewegungsgeschwindigkeit feststellen konnten, empfehlen sie die Instruktion zum schnellen Bewegen als einfache und kostenfreie Möglichkeit, um die Effektivität eines Armtrainings nach Schlaganfall zu steigern.

hoth

Neurorehabil Neural Repair 2012; 26: 362-373


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