ergopraxis 2012; 5(10): 18-21
DOI: 10.1055/s-0032-1329315
ergotherapie
© Georg Thieme Verlag Stuttgart - New York

Handtaping – Streifen mit Wirkung

Cornelia Paries
,
Rainer Zumhasch

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Publication Date:
11 October 2012 (online)

 

Immer öfter sieht man Menschen mit Tapestreifen auf der Haut. Auch in der Handtherapie greifen Therapeuten auf die bunten Streifen zurück, um verschiedene Störungen zu behandeln. Je nach Indikation legt man unterschiedliche Tapes an. Sie sollen stabilisieren, Schmerzen lindern oder Bänder entlasten.


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Cornelia Paries, Rainer Zumhasch

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Cornelia Paries, Ergotherapeutin, Handtherapeutin und Dozentin der kademie für Handrehabilitation, hat die fachliche Leitung eines Therapiezentrums in Berlin inne. Zurzeit absolviert sie den Bachelor-Studiengang Medizinalfachberufe an der Diploma-FH-Nordhessen.
Rainer Zumhasch, Ergotherapeut und Dozent der Diploma-FH-Nordhessen, gründete die Akademie für Handrehabilitation und ist dort als erster Geschäftsführer und Referent tätig. Außerdem schreibt er als Autor verschiedene Fachartikel und Fachbücher.

Mit dem von Paul Beiersdorf 1892 erfundenen Leukoplast legte ein New Yorker Chirurg den ersten funktionellen Verband an. Mit den ersten Tapeverbänden reduzierte man schmerzhafte Bewegungen oder stabilisierte Gelenke. Das Material war starr und stabil. Vor allem in der Sportmedizin erlangten die Tapeverbände große Popularität. Ab 1964 setzte man Tapes auch in Deutschland ein, zur Prävention und Therapie von Gelenksverletzungen.

Elastische Tapes lassen Bewegungen zu

1980 entwickelte der japanische Chiropraktiker Dr. Kenzo Kase das kinesiologische Tape (Kinese = griech.: Bewegung). Dieses war elastisch und schenkte den Patienten mehr Bewegungsfreiheit. Seine Tapes erfüllten weitere Verwendungszwecke. Zu den häufigsten Tapeanlagen zählen heute die Muskel-, Ligament-, Korrektur-, Faszien- und die Lymphtechnik. Je nach Anlage reguliert man Muskelspannungen, entlastet Bänder, Sehnen und Gelenke, korrigiert Fehlstellungen, löst fasziale Spannungen oder fördert den Lymphabfluss. Auch aus der traditionellen chinesischen Medizin ergeben sich Ziele für das Taping: Indem man bestimmte Meridiane oder Akupunkturpunkte überklebt, lassen sich Schmerzen lindern. Bei Kombitapes verwendet man sowohl stabiles als auch elastisches Material in einer Anlage (Tab. 1).

Tab. 1

Tapes und ihre Anlagemöglichkeiten

Klassisches Tape (stabil)

Kinesiotape (elastisch)

Kombitapes

  • > komplette Tapeverbände

  • > einzelne Tapestrips

  • > Muskelanlage

  • > Ligamentanlage

  • > Korrekturanlage

  • > Faszienanlage

  • > Lymphanlage

  • > ...

  • > Kombination aus elastischem und stabilem Tape


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Wofür eignet sich welches Tape?

Klassische Tapes stabilisieren Gelenke und festigen Wundauflagen. Zudem eignen sie sich im Akutstadium von Überlastungssyndromen, bei Erkrankungen des Sehnenansatzes und bei Kapselreizungen. Nach Ablauf der Entzündungsphase - je nach Gewebe drei bis fünf Tage - greift man dann auf Kinesio- oder Kombitapes zurück. Indikationen sind etwa Schmerzen, Muskelverletzungen und leichte bis mittelgradige ligamentäre Hypermobilitäten. Mit diesen Tapes kann man von einem kompletten Tape- oder Gipsverband allmählich in die Aufbau- oder Belastungsphase übergehen. So beugt man einer erneuten Gewebetraumatisierung vor und unterstützt die Wiedereingliederung der pathogen veränderten Strukturen in den Alltagsgebrauch.


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Wirkung bis unter die Haut

Eine Tapeanlage fördert zudem die Heilung im Gewebe: Die Muskelpumpe kann Metaboliten (Stoffwechselprodukte) weiterhin durch Venen und Lymphgefäße abtransportieren. Die Bewegungsfreiheit ermöglicht Muskelaktivität, und das Knorpelgewebe degeneriert nicht. Auch der Wassergehalt im Kapsel- und Bandgewebe bleibt unverändert. Physiologisch liegt der Wasseranteil bei circa 60 Prozent. Es dient als Puffer, der das Kollagen, etwa in Kapseln oder Bändern, vor Überdehnung schützt. Bei einer vierwöchigen Ruhigstellung würde sich der Wassergehalt um etwa die Hälfte reduzieren. Mit der Folge: Dem dehnbaren Kollagen fehlt der schützende Puffer, und es kommt leichter zu Kapseloder Bandrupturen. Stabiles Tape sollte daher nur in der Akutphase oder für die Dauer der Belastung appliziert werden. Kinesiotapes hingegen dürfen Patienten über einen längeren Zeitraum tragen.

Man nimmt an, dass Tapes die Epidermis gegenüber der Dermis leicht anheben und bei Bewegung verschieben. Der Gewebedruck sinkt, Durchblutung und Lymphabfluss verbessern sich. Des Weiteren geht man davon aus, dass das gegenläufige Verschieben der Hautschichten sogar auf die darunter liegenden Muskeln, Sehnen oder Bänder wirkt und sanft Gewebeverklebungen löst.

Sobald das Tape klebt, setzt eine Schmerzlinderung ein. Das liegt zum einen am gesenkten Gewebedruck, zum anderen setzt das Tape mechanische Reize (= Mechanozeption), welche die Schmerzreize (= Nozizeption) auf Rückenmarksebene hemmen.


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Tapes in der Handtherapie

Ergotherapeuten befunden die pathologischen Strukturen und schließen Kontraindikationen aus. Es gilt: keine Tapes bei Verbrennungen, allergisch bedingten Hautreizungen, Pergamenthaut, Neurodermitis, Frakturen oder Ähnlichem. Vor jeder Anlage entfettet man die Applikationsfläche, damit die Tapes lange haften. Es reicht, wenn sich die Patienten die Hände gründlich mit Seife waschen. Wer an der Hand stark behaart ist, rasiert sich die Haare einen Tag vorher ab. So bleibt das Tape länger haltbar und das Entfernen schmerzt weniger. Therapeuten runden die Ecken des Tapes vor dem Anbringen ab und berühren nicht die Klebefläche.

Zwar sind die kleinen „24-Stunden-Therapeuten“ keine Allheilmittel, aber sie bieten Ergotherapeuten vielfältige Möglichkeiten, um den Therapiefortschritt zu unterstützen oder zu sichern. Im Folgenden werden exemplarisch einige Tapeanlagen aus dem Alltag der Handtherapie vorgestellt.

Tapeanlagen an Finger- und Daumengelenken

Stabilisierung des MCP-Gelenks (Ligamenta collateralia)

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(alle Fotos: R. Zumhasch, C. Paries)

Indikation

Ziel

Tape und Anlage

Distorsionen, Kontusionen, schmerzhafte Fingerflexion

stabilisiert Fingergelenke, reduziert Schmerzen

Kinesiotape als Ligamentanlage

Ausführung

  • den betroffenen Finger in Ruheposition halten (leichte Flexion)

  • einen schmalen Tapestreifen mit Zug dorsal und proximal des MCP-Gelenkes anbringen, schräg über die proximale Phalanx nach palmar führen, das Ende ohne Zug auslaufen lassen

  • einen zweiten Streifen in entgegengesetzter Richtung verlaufen lassen

Stabilisierung des PIP-Gelenks (Ligamenta collateralia)

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(alle Fotos: R. Zumhasch, C. Paries)

Indikation

Ziel

Tape und Anlage

Distorsionen und Kontusionen des PIP

stabilisiert das PIP-Gelenk

Kombitape

Ausführung

  • das PIP-Gelenk in Ruheposition halten (leichte Flexion)

  • zwei schmale, elastische Tapestreifen radial und ulnar am PIP von der Mitte her unter maximalem Zug anbringen, proximales und distales Ende laufen ohne Zug aus

  • je zwei schmale stabile Streifen fixieren X-förmig beide Seiten des PIP (von proximal palmar nach distal dorsal und umgekehrt)

  • am proximalen und distalen Ende des Kombitapes zwei elastische schmale Zügel zirkulär anbringen, um die Haltbarkeit zu verlängern; die Enden überlappen

Schmerzreduktion des CMC-I-Gelenks

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(alle Fotos: R. Zumhasch, C. Paries)

Indikation

Ziel

Tape und Anlage

leichte bis mittelgradige Hypermobilität im CMC-I-Gelenk, Schmerzen bei Rhizarthrose

Schmerzenreduktion, Prävention einer Subluxation der Os-metacarpale-I-Basis

Kinesiotape als Korrekturanlage

Ausführung

  • Daumen in Ruheposition bringen

  • einen Streifen des breiten Kinesiotapes Y-förmig zuschneiden, einen Streifen I-förmig zuschneiden

  • die Basis des Y-Tapes an die radiale Seite des Os metacarpale II (distal) kleben, einen Zügel ohne Zug dorsal um das CMC-I-Gelenk führen und palmar am Handgelenk auslaufen lassen

  • den zweiten Zügel palmar um den Thenar führen und mit Zug um die Os-metacarpale-I-Basis nach dorsal führen

  • den I-Streifen palmar von der Basis des Os metacarpale III mit Zug nach radial über das CMC-I-Gelenk führen und dorsal über den Basen der Ossa metacarpalia II-III fixieren

Entlastung des MCP-I-Gelenks

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(alle Fotos: R. Zumhasch, C. Paries)

Indikation

Ziel

Tape und Anlage

Skidaumen, Arthrose des MCP-I, Kontusionen, Distorsionen

Kollateralbänder stabilisieren und entlasten

Kinesiotape als Ligamentanlage

Ausführung

  • > den Daumen in Ruheposition halten

  • > einen schmalen Tapestreifen mit Zug von der palmaren proximalen Phalanx nach dorsal über das MCP-I führen und um das Handgelenk legen (Enden ohne Zug)

  • > einen zweiten Streifen in entgegengesetzter Richtung anlegen

  • > die Tapes kreuzen sich dorsal auf dem MCP-I

Lymphanlage der Finger

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(alle Fotos: R. Zumhasch, C. Paries)

Indikation

Ziel

Tape und Anlage

lymphatische Schwellung der Hand

den Lymphabfluss unterstützen

Kinesiotape als Lymphanlage

Ausführung

  • > ein breites Tape fächerförmig in 5-6 Streifen schneiden

  • > die Haut vordehnen, indem man Hand- und Fingergelenke beugt oder manuell dehnt

  • > die Basis des Fächers dorsal auf das MCP III kleben und die Zügel ohne Zug wellenförmig nach proximal laufen lassen (über den gesamten Handrücken)

  • > korrekt: das Tape bildet Wellen, wenn die Hand entspannt ist

Tapeanlagen am Handgelenk

Stabilisierung des Handgelenkes

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(alle Fotos: R. Zumhasch, C. Paries)

Indikation

Ziel

Tape und Anlage

Schmerzen im Handgelenk, leichte Hypermobilitäten, etwa bei Arthrose oder Kapsel-Band-Verletzungen

Stabilisierung im Handgelenk, Schmerzen reduzieren

Kinesiotape als Ligamentanlage

Ausführung

  • das Handgelenk in Ruheposition halten

  • einen I-Streifen dorsal aufkleben, mit Zug nach palmar um das Handgelenk herumführen, die Enden ohne Zug anbringen

  • elastisches Tape darf zirkulär geklebt werden, falls aber dennoch Parästhesien oder Farbveränderungen der Haut auftreten, entfernt man das Tape sofort; man kann das Tape auch mit weniger Zug oder semizirkulär anbringen

Tonusregulierung des ersten dorsalen Sehnenfachs

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(alle Fotos: R. Zumhasch, C. Paries)

Indikation

Ziel

Tape und Anlage

Sehnenscheidenentzündung

Detonisierung des M. abductor pollicis longus und M. extensor pollicis brevis, Lösen von faszialen Crosslinks (= Querverbindungen in bindegewebigen Strukturen)

Kinesiotape als Muskelanlage in Verbindung mit Faszientechnik

Ausführung

  • die Muskeln des ersten dorsalen Sehnenfaches vordehnen

  • einen schmalen, elastischen I-Streifen ohne Zug im Verlauf des Sehnenfaches anbringen

  • ein weiteres elastisches Tape in Y-Form mit leichtem Zug quer zum Faserverlauf der Sehnen anbringen, die Basis wird beim Anlegen des Tapes nicht fixiert

Tonusregulierung des dritten palmaren Sehnenfachs

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(alle Fotos: R. Zumhasch, C. Paries)

Indikation

Ziel

Tape und Anlage

Karpaltunnelsyndrom (zu 85 Prozent liegt dem eine Entzündung des palmaren Sehnenfaches zugrunde)

Detonisierung der Mm. flexor digitorum superficiales und profundus

Kinesiotape als Muskelanlage

Ausführung

  • > die Muskeln des dritten palmaren Sehnenfaches vordehnen

  • > einen schmalen I-Streifen ohne Zug im Verlauf der Muskulatur bis zu den Basen der Ossa metacarpalia kleben


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