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DOI: 10.1055/s-0032-1328828
Spielwiese "Heimdialyse" im Seniorenheim
Kostendruck gefährdet PatientensicherheitPublikationsverlauf
Publikationsdatum:
17. September 2012 (online)
- Für Heimdialyse geeignete Patienten
- Definition für Heimdialyseverfahren (Hämo- und Peritonealdialyse)
- Fazit
- Literatur
Die Sparmaßnahmen im Gesundheitswesen haben zu neuen besorgniserregenden Entwicklungen geführt. Eine Möglichkeit, um Personalkosten und Transportkosten für die Nierenersatztherapie abzusenken, ist es, aus multimorbiden ambulanten Dialysepatienten, die in Altenpflegeheimen untergebracht sind, Heimdialysepatienten zu machen. Das klingt unmöglich, da doch gerade diese Menschen sich nicht selbstständig und "allein" versorgen können. Dies ist allerdings eine der Grundvoraussetzungen für die Heimdialyse.
Eine Altenpflegeeinrichtung und ein eingetragener Verein aus dem Bereich der Heimdialyse aus dem Saarland werben in einem Flyer für ein landesweites Serviceangebot für dialysepflichtige Heimbewohner. Sie führen die Heimhämodialyse in Seniorenheimen ohne fachärztliche Betreuung und nephrologisches Fachpflegepersonal durch. Grundsätzlich ist gegen eine vorübergehende Hilfestellung bei der CAPD (kontinuierliche ambulante Peritonealdialyse) durch besonders hierfür geschultes Personal im Seniorenheim nichts einzuwenden. Im Gegenteil: Das sollte sogar unterstützt werden, da hier mit geringem Aufwand dem Patienten geholfen werden kann. Er kann in seiner gewohnten Umgebung verbleiben und muss nicht ins Dialysezentrum oder gar an die Hämodialyse.
Aber eine chronische Hämodialyse als "Heimhämodialyse" zu deklarieren und abzurechnen, damit man im Dialysezentrum wieder Platz für weitere Dialysepatienten bekommt, Personalkosten spart und das Personal pflegerisch entlastet, ist eine abnorme Entwicklung, die nicht nur Patienten gefährdet, sondern unserer Meinung nach gesetzlich unzulässig ist. Noch unverständlicher ist, dass die Krankenkassen dies unterstützen, da gerade sie das größte Interesse an der Qualitätssicherung und -beobachtung haben.
Für Heimdialyse geeignete Patienten
Zunächst handelt es sich bei den Patienten im Pflegeheim nicht um den klassischen Patientenkreis, für den die Heimdialyse gedacht ist. Vielmehr sind dies zumeist schwerkranke, multimorbide und pflegebedürftige Patienten. Dieser Patientenkreis bedarf der besonderen ärztlichen und fachpflegerischen Versorgung und Betreuung in der nephrologischen Einrichtung [ 1 ].
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Definition für Heimdialyseverfahren (Hämo- und Peritonealdialyse)
Organisationsformen der Dialysebehandlung
"Unter Heimdialyse versteht man die Durchführung eines Dialyseverfahrens unter häuslichen Bedingungen durch den vorher ausgebildeten Patienten, in der Regel unter Assistenz eines ausgebildeten Partners. In der Heimdialyse werden Patienten behandelt, die physisch und psychisch dazu geeignet sind. Während der Heimdialysebehandlung muss eine Rufbereitschaft durch einen in der Heimdialyse erfahrenen Nephrologen oder Arzt gleicher Qualifikation bestehen. Es sollen eine examinierte Krankenpflegekraft und ggf. ein Techniker rufbereit sein." (aus Abs. B 6.1 Dialysestandard 2006) [ 2 ]
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Heimdialyse ist für Dialysepatienten, die die Behandlung im Griff haben
Das heißt: Dieses Verfahren eignet sich für den (jungen) dynamischen, dialysepflichtigen Patienten, der nach einer umfassenden Schulung seiner Person und eines Angehörigen seine Krankheit und seine Behandlung im Griff hat. Er ist den evtl. lebensbedrohlichen Situationen während der Dialyse gewachsen. Das trifft bei der Patientengruppe im Altenpflegeheim nicht zu. Heimhämodialyseplätze im Altenheim sind nichts anderes als eine Dependance eines Dialysezentrums. Es gelten dann die gleichen Anforderungen wie für das Dialysezentrum selbst. Es kann nicht unter dem Deckmantel "Heimdialyse" ein Dialysezentrum "light" aufgebaut werden.
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Gesetzliche Anforderungen müssen erfüllt sein
Alle gesetzlichen Anforderungen, die ein modernes Dialysezentrum hinsichtlich der Versorgung der Patienten erfüllen muss, gelten auch für diese Einrichtung – unabhängig davon, wie viele Patienten dort versorgt werden. Es müssen die Qualitätskriterien des G-BA (Gemeinsamer Bundesausschuss) erfüllt werden und die Infrastruktur zur Qualifikation und personellen Ausstattung gelten auch für das Altenpflegeheim. Die dafür notwendigen Rahmenbedingungen und Strukturen regeln der "Dialysestandard 2006" und das aktuelle Statement der Bundesarbeitsgemeinschaft nephrologische Pflege (BANP) [ 2 ], [ 3 ]. Dort heißt es unter anderem:
"Die Dialysebehandlung kann unter verschiedenen organisatorischen und örtlichen Bedingungen durchgeführt werden:
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im Krankenhaus mit und ohne nephrologischer Schwerpunktabteilung
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in einer Arztpraxis/einem Dialysezentrum
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in einem ausgelagerten Praxisbereich, z. B. "zentralisierte" Heimdialyse, Synonym: Limited Care Dialyse (LCD)
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in der Wohnung des Patienten (Heimdialyse)
Die Dialysebehandlung wird von Ärzten unter verschiedenen rechtlichen Bedingungen erbracht: In Trägerschaft von Krankenhäusern oder gemeinnützigen Organisationen und auch durch vertragsärztlich tätige Ärzte. Abhängig von der Intensität und dem Erkrankungszustand ist für die Behandlung die ständige Anwesenheit eines Arztes notwendig." (aus Abs. A 5 Dialysestandard 2006) [ 2 ]
Die notwendige ärztliche Qualifikation regelt der Absatz A 4 im Dialysestandard 2006 [ 2 ] mit den Anforderungen an die Qualifikation der Ärzte für die Durchführung der Dialysebehandlung und der technischer Rufbereitschaft (Heimdialyse). Die besonderen hygienischen Anforderungen hinsichtlich der Wasserqualität bei einer Osmoseanlage und Dialysegeräten sind einzuhalten. Bei einer geringen Patientenzahl und einem nicht ständigen Betrieb der Osmose kann es schnell zu hygienischen Problemen kommen.
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Fazit
Wenn Heimhämodialyse im Seniorenheim durchgeführt werden soll, so muss dazu unbedingt nephrologisches Fachpflegepersonal anwesend sein [4]. Ein Dialysegerät im Seniorenheim aufzustellen, eine Altenpflegerin 2 oder 3 Wochen in einem Dialysezentrum schulen zu lassen und dann ein "wenig" nebenbei zu dialysieren – das entspricht nicht der geforderten und benötigten Behandlungsqualität und geht grob gegen die Patientensicherheit. Die gesparten Transportkosten rechtfertigen nicht eine qualitativ schlechtere Versorgung, die früher oder später die Patienten doch zu einer notfallmäßigen Versorgung in ein Krankenhaus führt. Die anfänglich eingesparten Kosten werden nun um ein Vielfaches überschritten. Sollen so Kosten um jeden Preis gespart werden, ohne dass wir uns über die Folgen Gedanken machen?
Die Möglichkeit, Altenpflegepersonal so zu schulen, damit dies das nephrologische Team unterstützen kann, ist sicherlich möglich. Die alleinige Durchführung der Behandlung ohne ärztliche Anwesenheit ist allerdings nicht möglich. Eine engmaschige Überwachung dieser multimorbiden Patienten durch den Nephrologen und fachausgebildetes Pflegepersonal ist unabdingbar. Diese Aufgabe kann auch ein Hausarzt nicht allein übernehmen.
Die Pflegekräfte im Seniorenheim haben bei den derzeitigen Stellenschlüsseln wohl kaum die Möglichkeit, eine ständige Überwachung der Behandlung zu gewährleisten. Um bei Zwischenfällen und Komplikationen bis hin zur Reanimation richtig zu reagieren und zu intervenieren, fehlt den Altenpflegekräften die Ausbildung und die Erfahrung, damit eine sichere, qualitativ hochwertige Nierenersatztherapie bei schwerstkranken multimorbiden Patienten gewährleistet ist.
Die Einrichtung von Dialyseplätzen erfordert auch im Seniorenheim sehr hohe materielle, strukturelle und personelle Investitionen. Alleine das wird Altenheimbetreiber letztlich davon abhalten, ihr Vorhaben in die Tat umzusetzen. Denn warum sollte man sich kostenintensive Bereiche wie Küche und Reinigung durch Outsourcing vom Hals schaffen, um sich dann die noch kostenintensivere Dialyse ins Haus zu holen? Die Initiative Heimdialyse in Deutschland zu fördern und künftig auch dieselben Zahlen wie im benachbarten Ausland an Heimpatienten zu erreichen ist lobenswert – aber nicht auf Kosten der Patienten.
Ihre BANP
Bundesarbeitsgemeinschaft Nephrologische Pflege
Arbeitsgemeinschaft der AfnP e. V. und des fnb e. V.
E-Mail: info@banp.de, Internet: www.banp.de
Vertretungsberechtigter Vorstand:
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Marion Bundschu
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Thomas Fernsebener
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Kerstin Gerpheide
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Hans-Martin Schröder
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Literatur
- 1 Wiederhold D, Gerpheide K. Bundesarbeitsgemeinschaft Nephrologische Pflege (BANP) – Definition der nephrologischen Fachpflege. Dialyse aktuell 2012; 16: 330-335
- 2 Dialysestandard 2006 der Deutschen Arbeitsgemeinschaft für Klinische Nephrologie e. V. in Zusammenarbeit mit dem Verband Deutscher Nierenzentren der DD nA e. V. sowie der Arbeitsgemeinschaft für Pädiatrische Nephrologie (APN).
- 3 Bundschu M, Fernsebner F. Bundesarbeitsgemeinschaft Nephrologische Pflege (BANP) – Position zur Personalsituation und -diskussion in Dialyseeinrichtungen. Dialyse aktuell 2012; 16: 272-273
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Literatur
- 1 Wiederhold D, Gerpheide K. Bundesarbeitsgemeinschaft Nephrologische Pflege (BANP) – Definition der nephrologischen Fachpflege. Dialyse aktuell 2012; 16: 330-335
- 2 Dialysestandard 2006 der Deutschen Arbeitsgemeinschaft für Klinische Nephrologie e. V. in Zusammenarbeit mit dem Verband Deutscher Nierenzentren der DD nA e. V. sowie der Arbeitsgemeinschaft für Pädiatrische Nephrologie (APN).
- 3 Bundschu M, Fernsebner F. Bundesarbeitsgemeinschaft Nephrologische Pflege (BANP) – Position zur Personalsituation und -diskussion in Dialyseeinrichtungen. Dialyse aktuell 2012; 16: 272-273