Pneumologie 2012; 66(12): 768
DOI: 10.1055/s-0032-1326007
Leserbrief
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Neue GOLD-Leitlinie zur Therapie der COPD

T. Hausen
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Korrespondenzadresse

Dr. med. Thomas Hausen
Grafenstr. 52
45239 Essen

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Publication Date:
06 December 2012 (online)

 

    In den letzten Monaten wurde in vielen Zeitschriften die neue Leitlinie eigentlich unkritisch vorgestellt und als Paradigmenwechsel bezeichnet. Für mich als Hausarzt mit pneumologischer Spezialisierung entbehrt diese Empfehlung jeglichen Praxisbezugs und Praktikabilität und wird eher zu einer Verschlechterung der Situation unserer COPD-Patienten führen. Diese Feststellung erhält ihre Bestätigung in der Tatsache, dass in dem Empfehlungstext zum besseren Verständnis extra ein Beispiel angeführt werden muss.

    Leitlinien können nur von Erfolg gekrönt sein, wenn sie leicht, schnell und ohne großen Aufwand umzusetzen sind und die spezielle Arbeits- und Zeitsituation in der HA-Praxis bei den Empfehlungen berücksichtigt wird!

    In einer Pneumologenpraxis ist es aufgrund der hohen Zahl von Patienten mit COPD (Diagnosenhitliste der KV NO: Asthma 40,9 % Rang 1, sonstige chron. obstr. Lungenkrankheit 33,7 %, Rang 2) leicht möglich, beim Eintreffen des Patienten einen Fragebogen auszuhändigen und bis zur Vorstellung beim Arzt ausfüllen zu lassen. Ich wage zu bezweifeln, dass das trotz dieser guten Voraussetzungen in jeder Pneumologenpraxis so gehandhabt wird.

    In einer Hausarztpraxis ist das fast unmöglich. Keine Arzthelferin wird beim Eintreffen eines Patienten wissen oder Zeit raubend nachschauen, ob dieser u. a. auch unter einer COPD leidet, ob er sich aktuell wegen der COPD oder einer anderen Gesundheitsstörung vorstellt, ihn ggf. danach fragen und dann auch noch daran denken, diesem Patienten (Diagnosenhitliste: Asthma 6,3 %, Rang 11, sonstige chron. obstr. Lungenkrankheit 5,6 %, Rang 16) den Fragebogen für COPD-Patienten auszuhändigen. Das einmal völlig abgesehen davon, dass bei den vielen unterschiedlichen Krankheiten auch viele andere Fragebögen zu diversen Fragestellungen einschließlich Fragebögen zur Früherkennung von Krankheiten (Diabetes, Schilddrüse, Hypertonie etc.) als Screening auszugeben wären, ginge es nach den diversen Fachgremien. Die Arbeitszeit einer Arzthelferin und Zeit, die ihr für diesen Patienten zur Verfügung steht, wird bereits durch den Aufwand an Bürokratismus, Vorbereiten von Rezepten, Überweisungen etc. mehr als übermäßig strapaziert.

    Der Hausarzt müsste somit die Fragen zu den Symptomen während der Konsultation mit dem Patienten durchgehen, sofern er auch diesen Fragenbogen als einen von vielen zur Hand hätte. Die nächste Hürde wäre dann das Quadrat zur Einordnung in die richtige Risikogruppe. Zusammen mit der eventuellen Beschreibung der Risikogruppen und dazu gehöriger Therapieempfehlung sind das zwei bis drei weitere Spickzettel unter den vielen, die unter der Schreibtischunterlage Platz finden müssen. Die Zeit für die Konsultation muss nebenbei bemerkt aber auch noch reichen, den oder die DMP-Dokumentationsbögen auszufüllen und vielleicht sogar andere Krankheiten (Hypertonie, Diabetes, KHK) zu beachten.

    Seit vielen Jahren wissen wir,

    • dass die meisten Patienten mit einer chronisch obstruktiven Atemwegserkrankung in der HA-Praxis einheitlich mit einer fixen Kombination aus ICS + LABA behandelt werden, und zwar ungeachtet, ob es sich um Asthma oder COPD handelt.

    • Nicht in allen HA-Praxen wird eine Lungenfunktionsuntersuchung vorgenommen.

    • Ein Bronchospasmolysetest zur Diagnostik oder im Verlauf wird nur in den wenigsten Praxen durchgeführt. Es ist zu befürchten, dass die Frequenz dieses Tests weiter gesunken ist, seitdem dieser nicht mehr gesondert vergütet wird.

    Einfacher, praktikabler und vielleicht in den nächsten Jahren eher durchsetzbar wären folgende oder ähnliche Empfehlungen:

    • Differenziere zwischen Asthma und COPD

    • Beim Asthma beinhaltet die Therapie immer ein ICS! Alle anderen Substanzen sind zur Ergänzung, niemals aber als Ersatz für ein ICS zu sehen!

    • Sollten Sie nicht absolut sicher sein, dass eine COPD vorliegt, behandeln Sie wie Asthma (? Monate) und lassen Sie den Erfolg der Therapie bei der Entscheidung helfen!
      Hilfreich für die Diagnose Asthma kann auch ein Kortisontest (20 mg Prednisolonäquivalent für 10 Tage) mit anschließender Lungenfunktion und Vergleich der Ergebnisse sein.

    • Bei COPD beginne die medikamentöse Therapie

      • Mit einem LAAC oder LABA und

      • Steigere die Therapie bei unzureichendem Erfolg mit der Kombination aus beiden, d. h. LAAC + LABA

      • Bei intensiven Beschwerden beginne direkt mit dieser Kombination

    • Sollte der Patient mehr als 2 Exazerbationen/Jahr haben, ist der Einsatz eines ICS hilfreich und sollte (zusätzlich) eingesetzt werden.

    Diese oder eine vergleichbare Empfehlung ist leicht zu merken, benötigt keine Hilfsmittel und könnte viel schneller Einzug in die tägliche Arbeit in der HA-Praxis halten als die komplizierten neuen Empfehlungen. Mangelnde Praxisnähe und damit ausbleibende Umsetzbarkeit der Empfehlungen bestätigt dann wieder einmal mehr die Feststellung, „die HA sind nicht in der Lage, eine COPD richtig zu behandeln!“


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