Aktuelle Dermatologie 2012; 38(12): 499-504
DOI: 10.1055/s-0032-1325939
Originalarbeit
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Topische Schmerztherapie – Auf die Galenik kommt es an!

Topical NSAIDs – On the Importance of the Vehicle
S. Schmid
Institut für Pharmazeutische Technologie, Technische Universität Braunschweig
,
C. Müller-Goymann
Institut für Pharmazeutische Technologie, Technische Universität Braunschweig
› Author Affiliations
Further Information

Korrespondenzadresse

Christel Müller-Goymann
Institut für Pharmazeutische Technologie, Technische Universität Braunschweig
Mendelssohnstraße 1
38106 Braunschweig

Publication History

Publication Date:
19 December 2012 (online)

 

Zusammenfassung

Die topische Schmerztherapie mit nichtsteroidalen Antirheumatika (NSAR) ist eine wirksame Alternative zur peroralen systemischen Anwendung und kann die typischen gastrointestinalen Nebenwirkungen vermindern. Für eine effiziente Schmerzlinderung sind neben den Eigenschaften des Wirkstoffs auch das Ausmaß und die Geschwindigkeit der Hautpermeation von Bedeutung. Die Permeation variiert stark je nach Art des Vehikels auch bei gleicher Arzneistoffkonzentration. Da poloxamerbasierte Dermatika für das NSAR Ibuprofen sowie weitere Arzneistoffe bereits beachtliche Permeationsergebnisse erzielt haben, stehen Ibuprofen-Poloxamer-Formulierungen im Fokus der vorgestellten Untersuchungen. Durch Variation der quantitativen Zusammensetzung der Komponenten konnten für die getesteten Zubereitungen signifikante Unterschiede bezüglich der In-vitro-Ibuprofenpermeation durch isoliertes humanes Stratum corneum gefunden werden. Aufgrund des Einflusses der Formulierungsgrundlage ist die Aut-idem-Substitution von Dermatika daher kritisch zu sehen.


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Abstract

Topical treatment with non steroidal antiinflammatory drugs (NSAID) is an effective alternative to oral application and may reduce gastro intestinal side effects. For efficient pain relief, the amount of permeated drug is of particular importance but can vary depending on the type of vehicle. Poloxamer-based systems have shown high permeation rates across isolated human stratum corneum for different active pharmaceutical ingredients. Therefore, ibuprofen-loaded poloxamer-based formulations were examined in the present study. In summary, variation of the quantitative composition of the vehicle produced significant differences in ibuprofen permeation profiles and fluxes. These results illustrate that special attention must be paid to choosing the right formulation while questioning a simple substitution of a product (“aut idem” rule).


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Topische Schmerztherapie mit nichtsteroidalen Antirheumatika

Die topische Schmerztherapie mit nichtsteroidalen Antirheumatika (NSAR) ist gegenüber der peroralen systemischen Therapie eine effiziente Alternative in der Behandlung akuter Schmerzzustände nach Verletzungen wie Prellungen, Zerrungen und Verstauchungen und stellt eine Therapieoption erster Wahl in der Behandlung der Arthrose im Bereich peripherer Gelenke dar [1]. In einem 2010 veröffentlichten Cochrane-Review wurden 47 Studien, in denen die Anwendung topischer NSAR untersucht wurde, ausgewertet und zusammenfassend beurteilt [2]. Die auf dem deutschen Markt erhältlichen Wirkstoffe Diclofenac, Ibuprofen, Ketoprofen und Piroxicam wirken demnach signifikant besser als Plazebo, Indometacin jedoch nicht. Für einen direkten Vergleich zwischen den verschiedenen topischen NSAR oder mit einer peroralen Schmerztherapie war die Datenlage allerdings unzureichend. Die genannte Übersichtsarbeit konnte des Weiteren bestätigen, dass die für NSAR typischen gastrointestinalen Nebenwirkungen wie Magenreizungen bis hin zu Magenblutungen durch eine lokale Anwendung vermindert werden konnten. Als Grund wurde genannt, dass die Plasmaspiegel der Arzneistoffe nach Anwendung der Dermatika meist deutlich weniger als 5 % bezogen auf die perorale Gabe betrugen, während in den Zielgeweben wirksame Konzentrationen erreicht werden konnten. Auch lokale Nebenwirkungen in Form von Rötungen, Jucken und Brennen an der Applikationsstelle traten wenn nur in milder Form und nicht häufiger als bei Plazebo auf. Da bei der Behandlung mit ketoprofenhaltigen Dermatika jedoch fotosensitive Reaktionen mit teils schweren Verläufen beobachtet wurden, standen diese in den vergangenen Jahren in der Kritik und wurden daher zum 1. Juni 2012 der Verschreibungspflicht unterstellt. Dennoch wird ihr Nutzen-Risiko-Verhältnis weiterhin positiv beurteilt [3].


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Untersuchung der Arzneistoffpermeation

Da topisch applizierte NSAR ihre Wirkung in der Haut und vor allem in tiefer liegenden Geweben (Muskeln, Gelenke) entfalten sollen, sind neben der Wirksamkeit und Unbedenklichkeit des Arzneimittels auch das Ausmaß und die Geschwindigkeit der Hautpermeation von Bedeutung. Für eine effektive Schmerzlinderung sollte demnach ein rasches Anfluten einer ausreichenden Arzneistoffkonzentration am Wirkort gegeben sein. Für verschiedene NSAR konnte diesbezüglich bereits gezeigt werden, dass eine Korrelation zwischen der Arzneistoffkonzentration in der Epidermis in vitro und dem pharmakologischen Effekt in vivo vorliegt [4].

Die Hauptbarriere für die Arzneistoffpermeation ist das Stratum corneum [5], weshalb es in isolierter Form für In-vitro-Permeationsuntersuchungen eingesetzt werden kann. Es handelt sich hierbei um die äußerste Schicht der Epidermis und besteht aus mehreren Lagen von Korneozyten, umgeben von einer Lipidmatrix. Eine ausreichend hohe Lipophilie des Wirkstoffs ist daher Voraussetzung für eine gute Permeation durch das Stratum corneum [6] und in der undissoziierten und somit lipophilen Form topisch eingesetzter NSAR gegeben.


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Auf die Galenik kommt es an

Für eine gute Hautpermeation sind jedoch nicht allein die Eigenschaften des Wirkstoffs von Bedeutung, sondern auch die Zusammensetzung und Mikrostruktur der Formulierung [6] [7]. Aktuell sind topische NSAR in Form von Gelen, Cremes, Sprays oder Pflastern auf dem Markt. Vorteilhaft sind Zubereitungen, bei denen die Grundlage zusätzlich einen Kühleffekt auf die Haut ausübt, da dieser die Schmerzlinderung physikalisch unterstützt, indem durch den Zusatz flüchtiger Komponenten wie beispielsweise Alkohol Verdunstungskälte erzeugt wird. Alkohole haben zudem häufig den Vorteil, dass sie permeationsverbessernd wirken [8] [9].

Der Einfluss der Grundlage auf die Permeation von NSAR wurde für kommerziell erhältliche Dermatika in einer 2010 durchgeführten Untersuchung gezeigt [10], wobei unter anderem eine ibuprofenhaltige O/W-Cremeformulierung mit einem sogenannten Mikrogel verglichen wurde ([Tab. 1]). In Letzterem liegt der Arzneistoff vollständig gelöst in einer aus dicht gepackten Tensidmizellen bestehenden kubisch-flüssigkristallinen Struktur vor. Dieses Mikrogel ist transparent und zeigt bei mechanischer Beanspruchung einen hörbaren Resonanzeffekt, weshalb es auch als Brummgel bezeichnet wird [11]. Der Arzneistoffflux (= permeierte Wirkstoffmenge pro Fläche und Zeit) war bei gleicher Ibuprofenkonzentration um den Faktor 4 größer aus dem Mikrogel als aus der Cremeformulierung, indem das Mikrogel verstärkt mit den Lipiden des Stratum corneums interagierte und so eine Verbesserung der Ibuprofenpermeation bewirkte. Untersuchungen mit weiteren ibuprofenhaltigen Dermatika, darunter Spray-, Gel- und Cremezubereitungen, zeigten ebenfalls deutliche Unterschiede bezüglich der Permeabilität [12].

Tab. 1

Zusammensetzung der untersuchten Fertigarzneimittel und Thermogel.

Fertigarzneimittel

doc® Ibuprofen Schmerzgel

ibutop® Creme

Thermogel

Wirkstoff

Ibuprofen 5 %

Ibuprofen 5 %

sonstige Bestandteile

Poloxamer, mittelkettige Triglyzeride, Isopropanol, Dimethylisosorbid, gereinigtes Wasser, Lavendelöl, Bitterorangenblütenöl

Natriummethyl-4-hydroxybenzoat, mittelkettige Triglyzeride, Glycerolmonostearat, Macrogolstearat 1500, Macrogolstearat 5000, Propylenglycol, Xanthan-Gummi, gereinigtes Wasser

Poloxamer (12,5 %)
Miglyol® 840 (12,5 %)
Isopropanol (12,5 %)
Dimethylisosorbid (12,5 %)
Wasser (50 %)


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Poloxamerbasierte Formulierungen für die topische Anwendung

Das im zuvor beschriebenen Mikrogel für die Gelbildung verantwortliche Poloxamer ist ein oberflächenaktives Block-Copolymer aus Ethylenoxid und Propylenoxid. Es besitzt ein hohes Solubilisationsvermögen sowohl für hydrophile als auch für lipophile Wirkstoffe [13] bei guter lokaler Verträglichkeit [14].

Poloxamerbasierte Systeme zeigen oft eine reversible Verflüssigung bei Temperaturabsenkung. Eine solche als Thermogel bezeichnete Zubereitung ([Tab. 1]) [15] konnte bei In-vitro-Permeationsversuchen mit verschiedenen Arzneistoffen bereits beachtliche Ergebnisse erzielen [16] [17]. Die guten Permeationseigenschaften beruhen hierbei auf einem synergistischen Effekt aller Komponenten auf die Barriereeigenschaften des Stratum corneums [18] und bieten Potenzial für den Einsatz der Zubereitung als Vehikel für weitere Wirkstoffe.

Die im Folgenden vorgestellten Ergebnisse behandeln die Einarbeitung des NSAR Ibuprofen in verschiedene Variationen der Thermogelrezeptur und sollen den Einfluss der quantitativen Zusammensetzung der Formulierungsgrundlage auf die In-vitro-Ibuprofenpermeation demonstrieren.


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Material und Methoden

Materialien

Poloxamer (POX), Ibuprofen, mittelkettige Triglyzeride (= Miglyol® 812, MKT) und Dimethylisosorbid (DMIS) wurden von Dolorgiet (D-Sankt-Augustin/Bonn) zur Verfügung gestellt. Isopropanol (IPA) wurde von Acros Organics (B-Geel) bezogen. Wasser wurde in bidestillierter Qualität eingesetzt. Doc® Ibuprofen Schmerzgel (Hermes Arzneimittel GmbH, D-Großhesselohe/München) und ibutop® Creme (Deutsche Chefaro Pharma GmbH, D-Waltrup) wurden in einer öffentlichen Apotheke gekauft.


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Herstellung und Nomenklatur der Zubereitungen

Die Herstellung der Formulierungen erfolgte mit einem Cito Unguator® (Konietzko GmbH, D-Bamberg) bei 1450 upm für 1,5 min. Anschließend wurden die Zubereitungen für mindestens 24 h bei 20 °C gelagert, um eine ausreichende Equilibrierung der Mikrostruktur zu gewährleisten. Die Nomenklatur der Systeme wird im Folgenden am Beispiel von Zubereitung 5I3020 erläutert: Die Ziffern 3020 kennzeichnen die Zusammensetzung der Grundlage, wobei die ersten beiden Zahlen den Anteil an POX und MKT (im festen Mischungsverhältnis 4 : 1) angeben, hier zusammen 30 %. Die hinteren beiden Ziffern nennen den Anteil an IPA und DMIS (hier 20 %, Verhältnis 1 : 2). Der Rest der Formulierung besteht dementsprechend aus Wasser (hier 50 %). 5I3020 ist ein System, bei dem 5 % Ibuprofen in der Grundlage 3020 enthalten sind. Alle Prozentangaben sind in Masseprozent [m/m].


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Isoliertes humanes Stratum corneum

Zur Gewinnung des Stratum corneums wurde Haut aus der Bauchregion weiblicher Spender (plastische Chirurgie) auf der Dermisseite mit wässriger Trypsinlösung (50 mg/100 ml, Roth, D-Karlsruhe) [19] für 48 Stunden bei 37 °C inkubiert. Anschließend wurde das Stratum corneum abgelöst und mit Trypsin-Inhibitorlösung (40 mg/100 ml, Sigma Aldrich Chemie GmbH, D-Steinheim) gewaschen, mehrmals mit Wasser gespült und in einem Exsikkator bei Raumtemperatur getrocknet.


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Permeationsuntersuchungen

Die Experimente wurden mit modifizierten Franz-Zellen [20] in Infinite-dose-Technik durchgeführt. Als Akzeptormedium diente ein mittels Wasserbad auf 37 °C temperierter salinischer Phosphatpuffer-pH 7,4 (MP Biomedicals, F-Illkirch). Zur Stabilisierung wurde das kreisrund ausgestanzte Stratum corneum auf einen Polycarbonatfilter (TMTP 5 µm, Millipore, D-Eschborn) aufgelegt und in die Franz-Zellen eingespannt. Die durch die Öffnung von Donor- und Akzeptorkompartiment vorgegebene Permeationsfläche betrug zwischen 0,4 und 0,7 cm². Das Akzeptorvolumen variierte zwischen 4,5 und 6,5 ml. Die Versuchsdauer betrug 32 Stunden, wobei insgesamt 12 Proben zu je 250 µl zu definierten Zeitpunkten gezogen und jeweils sofort durch reinen Phosphatpuffer ersetzt wurden.


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Hochleistungsflüssigchromatografie (HPLC)

Zur quantitativen Bestimmung der permeierten Wirkstoffmenge wurden ein HPLC-System der Firma Waters (D-Eschborn) und eine Clarity advanced Chromatography Software (DataApex, CZ-Prag) eingesetzt. Verwendet wurde eine Hypersil-ODS-Säule (125 × 4 mm, mit Vorsäule, Grom, D-Herrenberg-Kayh). Die mobile Phase war eine Mischung aus 55 Teilen Acetonitril (Roth, D-Karlsruhe), 45 Teilen Wasser und 1 Teil Essigsäure (Roth, D-Karlsruhe) bei einem Fluss von 1,7 ml/min und das injizierte Probenvolumen betrug 80 µl. Die Detektion erfolgte mittels UV-Detektor bei 246 nm und die Retentionszeit von Ibuprofen betrug zirka 2,7 min. Eine Mehrpunktkalibrierung fand im Bereich zwischen 0,1 – 250 µg/ml statt (Korrelationskoeffizient > 0,999). Gemäß ICH-Richtlinie Q2(R1) [21] lag die Nachweisgrenze bei 83,2 ng/ml und die Bestimmungsgrenze bei 100,4 ng/ml.


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Statistische Analyse

Die statistische Auswertung erfolgte mit der Software IBM® SPSS® Statistics Version 20. Zur Überprüfung auf Normalverteilung wurde der Shapiro-Wilk-Test durchgeführt. Da alle Daten normalverteilt waren, wurde nach Überprüfung der Varianzhomogenität eine einfaktorielle ANOVA mit anschließender Post-Hoc-Analyse nach Tukey durchgeführt. Bei Varianzheterogenität wurden der Welch- und Brown-Forsythe-Test sowie der Games-Howell-Test angewendet.


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Ergebnisse

Charakterisierung der untersuchten Zubereitungen

[Abb. 1] zeigt das untersuchte pseudoternäre Mischungsdreieck. Die eingezeichneten Bereiche charakterisieren das makroskopische Erscheinungsbild der wirkstofffreien Systeme, wobei eine Einteilung nach flüssigen, halbfesten und pastös-festen Formulierungen vorgenommen wurde. Nach Einarbeitung von Ibuprofen kam es durch Interaktion des Wirkstoffs mit den Hilfsstoffen teilweise zu deutlichen Änderungen des makroskopischen Erscheinungsbildes ([Tab. 2]).

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Abb. 1 Pseudoternäres Mischungsdreieck mit den untersuchten Zubereitungen.
Tab. 2

Makroskopisches Erscheinungsbild der rezeptierten Formulierungen.

Zubereitung

ohne Ibuprofen

mit Ibuprofen (x %)

5020

halbfest

halbfest (5 %)

3020

halbfest

halbfest (5 %)
halbfest (6 %)
halbfest (6,5 %)

1520

flüssig (inhomogen)

halbfest, Ibuprofenkristalle (5 %)

2030

flüssig (inhomogen)

halbfest (5 %)

2040

flüssig (inhomogen)

halbfest (5 %)
halbfest (10 %)

1050

flüssig (inhomogen)

flüssig (homogen) (10 %)


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Permeationsuntersuchungen

Aufgrund hoher intra- und interindividueller Variabilität der Barriereeigenschaften von Stratum corneum [22] wurde für Permeationsuntersuchungen unterschiedlicher Hautspenden das doc® Ibuprofen Schmerzgel als Referenz eingesetzt. Die Auswertung der Permeation erfolgte durch Auftragung der permeierten Arzneistoffmenge gegen die Versuchsdauer. Der Arzneistoffflux wurde im Steady-state-Bereich des Graphen über die Steigung der Ausgleichsgeraden berechnet. Er liefert Informationen über das Ausmaß und die Geschwindigkeit der Wirkstoffpermeation, was von besonderer Relevanz für den erreichbaren Wirkeffekt ist; Division durch die Arzneistoffkonzentration ergibt den Permeationskoeffizienten, der zur Beurteilung der Permeationseigenschaften von isolierten Häuten und Zellkulturmodellen herangezogen wird.

In [Abb. 2] sind die Arzneistofffluxe einer ersten Permeationsserie dargestellt, wobei die Überlegenheit des Mikrogels im Vergleich zur Cremeformulierung erneut bestätigt wird. Das Thermogel mit 5 % Ibuprofen schneidet im Vergleich zur Creme gut ab, ist dem Mikrogel jedoch signifikant unterlegen (p < 0,05). Letzteres unterscheidet sich in seiner qualitativen Zusammensetzung vom Thermogel durch den Zusatz der Duftstoffe Lavendel- und Bitterorangenblütenöl. Da diese beiden Substanzen in sehr geringer Konzentration eingesetzt werden, sollte ihr Einfluss auf die Permeation vernachlässigbar sein. Die beiden außerdem in dieser Serie getesteten Variationen unterscheiden sich in ihrem Gehalt an POX : MKT, während der Gehalt an IPA : DMIS konstant ist. Bei höherer Poloxamerkonzentration ist der Arzneistoffflux signifikant geringer (p < 0,01). Dies lässt sich durch eine vermehrte Mizellbildung erklären, wodurch mehr Arzneistoff in die Poloxamermizellen eingeschlossen werden kann und daher nicht mehr direkt für die Permeation zur Verfügung steht [23]. Der niedrigere Wassergehalt und die festere Konsistenz von 5I5020 bewirken zudem geringere Hydratation des Stratum corneums sowie eine verlangsamte Arzneistoffdiffusion aus der Formulierung, was sich ebenfalls nachteilig auf die Permeation auswirkt [8].

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Abb. 2 Arzneistofffluxe [10–9g/cm²s] der 1. Permeationsserie (n = 3 – 6).

In einer zweiten Permeationsserie wurde die Zubereitung 5I1520 durch weitere Reduktion der POX : MKT-Konzentration variiert. Aus den zuvor genannten Gründen kommt es zu einer verbesserten Permeation, sodass der Unterschied zum Mikrogel nicht mehr signifikant ist ([Abb. 3]). Der geringe POX : MKT-Gehalt hat jedoch eine schlechtere Ibuprofenlöslichkeit zur Folge, sodass ein Teil des Arzneistoffs in suspendierter Form vorliegt. Die Arzneistoffkristalle bewirken ein kratzendes Gefühl beim Auftragen auf die Haut, weshalb diese Formulierung für die Anwendung am Patienten ungeeignet erscheint.

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Abb. 3 Arzneistofffluxe [10–9g/cm²s] der 2. Permeationsserie (n = 4).

Eine weitere Möglichkeit zur Verbesserung der Permeation ist die Erhöhung der Arzneistoffkonzentration [5], weshalb diese für Formulierung 3020 in kleinen Schritten bis knapp unter die Sättigungslöslichkeit von 7 % angehoben wurde ([Abb. 3]). Es kann tendenziell eine Steigerung des Arzneistofffluxes beobachtet werden, die Werte unterscheiden sich jedoch nicht signifikant. Für einen deutlichen Effekt ist also eine stärkere Konzentrationssteigerung vonnöten.

Als dritte Möglichkeit der Einflussnahme auf die Permeation wurde bei gleichbleibender POX : MKT-Konzentration der Gehalt an IPA : DMIS von 30 auf 40 % erhöht, was neben einer verbesserten Ibuprofenlöslichkeit zu einer Verbesserung der Arzneistoffpermeation führt ([Abb. 4], wegen teils unterschiedlicher Ibuprofenkonzentrationen sind neben den Permeationsprofilen 4 a die Permeationskoeffizienten 4 b dargestellt). Der permeationsfördernde Effekt von Isopropanol in Kombination mit Wasser beruht auf einer Fluidisierung der Lipidstruktur des Stratum corneums [9].

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Abb. 4 Permeationsprofile und Permeationskoeffizienten [10–7cm/s] der 3. Permeationsserie (n = 4).

Eine zusätzliche Verdopplung der Arzneistoffkonzentration von Zubereitung 2040 kann zwar die insgesamt permeierte Wirkstoffmenge erhöhen, die Permeationskoeffizienten unterscheiden sich jedoch nicht signifikant. Erst durch eine weitere Erhöhung der IPA : DMIS-Konzentration bei gleichzeitiger Erniedrigung der POX : MKT-Konzentration konnte mit 10I1050 eine Formulierung mit vollständig gelöstem Wirkstoff hergestellt werden, die eine im Vergleich zum Mikrogel deutlich erhöhte permeierte Wirkstoffmenge und somit ein stärkeres Anfluten des Arzneistoffs im Gewebe bewirkt. Die ähnlichen Permeationskoeffizienten zeigen allerdings, dass die Hautpermeabilität von beiden Zubereitungen in vergleichbarem Ausmaß beeinflusst wird. Aufgrund ihrer flüssigen Konsistenz ist 10I1050 für den Einsatz als Sprayformulierung denkbar, wobei der hohe Alkoholanteil einen guten Kühleffekt erwarten lässt, jedoch kritisch in Bezug auf eine optimale Hautverträglichkeit zu sehen ist.


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Fazit

Die vorgestellten Ergebnisse zeigen, dass trotz gleicher Komponenten je nach quantitativer Zusammensetzung einer topischen Formulierung deutliche Unterschiede in Ausmaß und Geschwindigkeit der Arzneistoffpermeation möglich sind, wobei viele Faktoren einen Einfluss ausüben können und den Optimierungsprozess anspruchsvoll gestalten. Die Auswahl der Formulierung ist somit von großer Praxisrelevanz. So kann der Austausch eines topischen Schmerzmittels gegen ein wirkstoffgleiches Präparat im Rahmen der Aut-idem-Substitution zu Schwankungen der Wirksamkeit führen, was die Compliance des Patienten und somit den Therapieerfolg negativ beeinflussen könnte.

Unter den kommerziell erhältlichen ibuprofenhaltigen Zubereitungen ist die Mikrogel-Formulierung aufgrund ihres guten Permeationsprofils sowie des zu erwartenden Kühleffekts zu empfehlen. Ein wichtiger Hinweis an den Patienten ist hierbei die Applikation einer ausreichend großen Menge an Zubereitung [24], um wirksame Arzneistoffkonzentrationen am Schmerzort zu erreichen. Als Faustregel sollte je nach Körperregion ein mindestens 3 – 5 cm langer Salbenstrang angewendet werden. Um den Kühleffekt einer Zubereitung zu verstärken, kann diese außerdem bei entsprechender Eignung im Kühlschrank gelagert werden.


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Interessenkonflikt

Die Autoren geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.

Danksagung

Wir danken der GAKO® Direkt GmbH (Bamberg) und der Hermes Arzneimittel GmbH (Großhesselohe/München) für Unterstützung.

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Korrespondenzadresse

Christel Müller-Goymann
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Abb. 1 Pseudoternäres Mischungsdreieck mit den untersuchten Zubereitungen.
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Abb. 2 Arzneistofffluxe [10–9g/cm²s] der 1. Permeationsserie (n = 3 – 6).
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Abb. 3 Arzneistofffluxe [10–9g/cm²s] der 2. Permeationsserie (n = 4).
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Abb. 4 Permeationsprofile und Permeationskoeffizienten [10–7cm/s] der 3. Permeationsserie (n = 4).