Aktuelle Urol 2012; 43(04): 218
DOI: 10.1055/s-0032-1322496
Referiert und kommentiert
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Kurzmitteilung – Neue WHO-Richtlinie zur Ejakulatdiagnose

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Publication Date:
06 August 2012 (online)

 
 

    Die Analyse des Ejakulats hat einen zentralen Stellenwert bei der Diagnose der männlichen Unfruchtbarkeit. Die neue Richtlinie zur Ejakulatuntersuchung der Weltgesundheitsorganisation (WHO) liegt inzwischen in deutscher Übersetzung vor und muss bis 2013 verpflichtend umgesetzt werden. "Damit wird flächendeckend ein hoher Qualitätsstandard in andrologischen Laboren etabliert und Vergleichbarkeit erreicht", sagt Prof. Sabine Kliesch, Münster, Vorsitzende der Fachgruppe Ejakulatuntersuchung der Bundesärztekammer. Für die betroffenen Männer bedeute das mehr Sicherheit bei der Abklärung der Ursachen der männlichen Infertilität, in deren Folge gezielte therapeutische Maßnahmen zur Kinderwunschbehandlung eingeleitet werden können.

    "Zur schnellen Umsetzung der Richtlinie initiieren die DGU und die Deutsche Gesellschaft für Andrologie e. V. (DGA) bereits seit 2011 bundesweite Fortbildungen", sagt Kliesch, deren Klinik (Centrum für Reproduktionsmedizin und Andrologie, Universitätsklinikum Münster) WHOKollaborationszentrum und -Referenzlabor in Deutschland ist. In der Übergangsfrist bis 2013 rät sie den Betroffenen, im Einzelfall nachzufragen, ob die Ejakulatanalyse nach dem WHO-Standard von 2010 erfolgt. Männern mit eingeschränkter Samenqualität macht die Urologin Mut: "Selbst bei der schwersten Form der Unfruchtbarkeit, wenn keine Spermien im Ejakulat vorhanden sind, lassen sich bei rund 50 % der Betroffenen Spermien operativ aus dem Hoden gewinnen. Sie können eingefroren und zur künstlichen Befruchtung verwendet werden."

    Zur Diagnose und Ejakulatanalyse dienen

    • der Ultraschall des Hodens,

    • eine Blutuntersuchung zur Bestimmung des Hormonhaushalts und

    • die Analyse einer Samenprobe, die u. a. Parameter erfasst wie

      - Volumen und

      - pH-Wert des Ejakulats sowie

      - Gesamtzahl,

      - Konzentration,

      - Beweglichkeit,

      - Form und

      - Vitalität der Spermien.

    Neue Mindestanforderungen für Qualitätssicherung in Laboren

    Die Untersuchung erfolgt nun nach den strengen Kriterien der 5. und neuesten Überarbeitung der WHO-Richtlinie von 2010, die inzwischen im "WHO Laborhandbuch" übersetzt wurde und Grundlage der aktuellen Richtlinie der Bundesärztekammer zur Qualitätssicherung labormedizinischer Untersuchungen ist. Für die Bewertung der genannten Parameter der Ejakulatanalyse legt die WHO-Richtlinie neue untere Grenzwerte fest. Sie beruhen erstmals auf evidenzbasierten Daten einer weltweiten Studie von T.G. Cooper, Centrum für Reproduktionsmedizin und Andrologie / Universitätsklinikum Münster, und Kollegen, die > 4 500 Männern aus 14 verschiedenen Ländern auf 4 Kontinenten einschloss, die deutlich unter den Richtwerten von 1999 lagen. "Männer, deren Samenqualität unterhalb der Referenzwerte liegt, werden mit großer Wahrscheinlichkeit Schwierigkeiten haben, eine spontane Schwangerschaft auszulösen", so Kliesch. Darüber hinaus macht die WHO neue Vorgaben bei der Spermienpräparation und legt Mindestanforderungen für die Qualitätssicherung in andrologischen Laboren in Form einer internen und externen Qualitätskontrolle fest.


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    Eigenanteil bei Kinderwunschbehandlung künftig geringer?

    In Deutschland nehmen jährlich rund 200 000 Paare eine reproduktionsmedizinische Behandlung in Anspruch. Über alle Verfahren gesehen, kommt es bei 29 % zu einer Schwangerschaft, die Baby-Take-Home-Rate liegt bei knapp 20 %. Die Kosten für die ersten 3 Behandlungszyklen werden zur Hälfte von den gesetzlichen Krankenkassen übernommen. Aktuell wird ein Gesetzesentwurf diskutiert, wonach der Bund die Kinderwunschbehandlung künftig zu einem Viertel mitfinanziert und sich der Eigenanteil der Paare von 50 auf 25 % reduzieren würde.

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    Die neue WHO-Richtlinie zur Ejakulatdiagnose muss verpflichtend bis 2013 umgesetzt werden. Ziel ist es, die Qualitätsstandards in andrologischen Laboren auf einem hohen Niveau etablieren, um so eine gute Vergleichbarkeit der Analysen zu gewährleisten.(© Robert Kneschke / Fotolia)

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    "Rauchen senkt die Befruchtungsrate um die Hälfte"

    Etwa jedes 6. Paar in Deutschland ist ungewollt kinderlos. Die Ursachen dafür liegen zu gleichen Teilen bei Mann oder Frau oder bei beiden. Mindestens 7 % aller Männer im fortpflanzungsfähigen Alter hätten zeitweise Probleme mit der Zeugungsfähigkeit, so Kliesch. Dafür können bspw. verantworlich sein:

    • Hodenhochstand im Kindesalter,

    • Hormonstörungen,

    • eine Infektion der Samenwege,

    • Krampfadern im Hoden,

    • genetische Ursachen oder

    • andere Allgemeinerkrankungen.

    Auch Nikotin, Stress, Alkohol, Übergewicht, Umwelteinflüsse, Drogen, Doping mit anabolen Steroiden oder Medikamenteneinnahme können die männliche Fruchtbarkeit negativ beeinflussen. Nichtrauchen ist der beste Schutz vor männlicher Unfruchtbarkeit. "Rauchen senkt die Befruchtungsrate um die Hälfte", so Kliesch. Die Wirkung von Nahrungsergänzungsmitteln auf die Samenqualität bleibe, trotz positiver Ergebnisse einer Cochrane-Übersichts-Studie aus dem Jahr 2011, unter Experten umstritten.

    Nach einer Pressemitteilung (DGU e. V.)


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    Die neue WHO-Richtlinie zur Ejakulatdiagnose muss verpflichtend bis 2013 umgesetzt werden. Ziel ist es, die Qualitätsstandards in andrologischen Laboren auf einem hohen Niveau etablieren, um so eine gute Vergleichbarkeit der Analysen zu gewährleisten.(© Robert Kneschke / Fotolia)