Rofo 2013; 185(6): 532-533
DOI: 10.1055/s-0032-1319456
DRG-Mitteilungen
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Neufassung der Bedarfsplanungs-Richtlinie durch den G-BA – Welche Änderungen kommen ab dem 1.1.2013 auf niedergelassene Ärzte zu?

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Dr. Ulrike Tonner, Rechtsanwältin
Rechtsanwälte Wigge
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Publication History

Publication Date:
05 June 2013 (online)

 

Einführung

Steuerungselement für eine bedarfsgerechte ambulante vertragsärztliche Versorgung ist neben dem ärztlichen Zulassungsrecht die bevölkerungsbezogene Verteilung von Ärzten, die sogenannte Bedarfsplanung. Zur Konkretisierung der vertragsärztlichen Bedarfsplanung hat der Gesetzgeber in §§ 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 9, 101 Abs. 1 SGB V dem Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) die Befugnis übertragen, in Richtlinien die räumlichen Planungsbereiche sowie die Zahl der Ärzte festzulegen, die für eine bedarfsgerechte Versorgung der Bevölkerung benötigt werden. Das GKV-Versorgungsstrukturgesetz (GKV-VStG), dessen Ziel eine wohnortnahe, bedarfsgerechte und flächendeckende medizinische Versorgung ist, enthält neue gesetzliche Vorgaben für eine zielgenauere und regional flexiblere Ausgestaltung der Bedarfsplanung, die eine Überarbeitung der Bedarfsplanungs-Richtlinie erforderlich machten. Der G-BA ist seinem Auftrag gefolgt und hat mit Wirkung ab dem 1.1.2013 eine Neufassung der Bedarfsplanungs-Richtlinie beschlossen, die die gesetzlich geforderte Flexibilisierung und Regionalisierung der Bedarfsplanung umsetzt. Nachfolgend werden die wesentlichen Änderungen der Neufassung der Bedarfsplanungs-Richtlinie aufgezeigt (vgl. auch Hinweis auf die neue Bedarfsplanungs-Richtlinie in FöFo 2015, DRG-Mitteilungen S. 501)


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Versorgungsebenen als Grundstruktur

Im Vergleich zu der bisherigen Bedarfsplanung sieht die Neufassung der Bedarfsplanungs-Richtlinie als Grundstruktur der Bedarfsplanung 4 Versorgungsebenen vor, denen die verschiedenen Arztgruppen nach ihrer Versorgungsausrichtung sowie unterschiedlich große Planungsbereiche zugeordnet wurden. So wird zwischen der hausärztlichen, der allgemein fachärztlichen, der spezialisierten fachärztlichen sowie der gesonderten fachärztlichen Versorgung unterschieden.

a. Hausärztliche Versorgung

Die wesentlichste Änderung durch die Neufassung der Bedarfsplanungs-Richtlinie für Hausärzte ist die Änderung der Planungsbereiche. Während bislang für alle Arztgruppen einheitlich der Landkreis bzw. die kreisfreie Stadt als Planungsregion galt, richtet sich die Bedarfsplanung für die hausärztliche Versorgung nunmehr nach dem sogenannten Mittelbereich und damit unterhalb der Landkreisebene. Dadurch wurde die Anzahl der hausärztlichen Planungsbereiche auf 883 erheblich erhöht. Hintergrund dieses feingliedrigeren Planungsrasters ist die dadurch mögliche stärkere regionale Steuerung der Niederlassung von Hausärzten sowie die möglichst frühzeitige Erkennung drohender Versorgungslücken. Auf Grund des Wegfalls einer Unterteilung der hausärztlichen Versorgungsbereiche in verschiedene Kreistypen, hat der G-BA eine bundeseinheitliche Verhältniszahl von einem Hausarzt auf 1.671 Einwohner festgelegt.


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b. Allgemein fachärztliche Versorgung

Zu der Versorgungsebene der allgemein fachärztlichen Versorgung zählen die Arztgruppen der Augenärzte, Chirurgen, Frauenärzte, Hautärzte, HNO-Ärzte, Nervenärzte, Orthopäden, Psychotherapeuten, Urologen und Kinderärzte. Der G-BA vertritt die Auffassung, dass für diese Fachgebiete keine kleinräumige Planungsraumzuordnung erforderlich sei, sodass für die allgemein fachärztliche Versorgung wie bisher die Landkreise und kreisfreien Städte als Planungsbereiche gelten. Einzige Änderung auf dieser Versorgungsebene ist eine Reduzierung der bislang nach dem Grad der Mitversorgung vorgenommenen Unterteilung in neun Kreistypen in nunmehr fünf Kreistypen. Dadurch soll weiterhin der Unterschiedlichkeit von Kreisen und kreisfreien Städten Rechnung getragen werden. An den bisherigen Verhältniszahlen im Bereich der allgemeinen fachärztlichen Versorgung wird weiterhin festgehalten.


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c. Spezialisierte fachärztliche Versorgung

Der spezialisierten fachärztlichen Versorgung werden die Arztgruppen der Anästhesisten, Radiologen, fachärztlich tätigen Internisten sowie der Kinder- und Jugendpsychiater zugeordnet. Im Vergleich zu den bisherigen Vorgaben sieht die Neufassung der Bedarfsplanungsrichtlinie für diese Versorgungsebene als Planungsbereiche sogenannte Raumordnungsregionen vor. Dies entspricht bundesweit 96 großen flächigen Gebieten, die in der Wechselwirkung städtischer und ländlicher Gebiete weitgehend ein eigenes Versorgungsgleichgewicht herstellen sollen. Auch für diese Versorgungsebene bleiben die Verhältniszahlen unverändert. Auf dem Gebiet der Anästhesie geht der G-BA in vielen Planungsbereichen von einer Überversorgung aus, sodass im Rahmen der Neuzulassungen Bewerber mit Schwerpunkten in der Schmerztherapie oder Palliativmedizin besonders berücksichtigt werden sollen. Die Arztgruppen der Fachinternisten betreffend sollen die Zulassungsausschüsse bei der Nachbesetzung von Sitzen auf eine ausgewogene Verteilung der Subspezialitäten achten.


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d. Gesonderte fachärztliche Versorgung

Die Arztgruppen der 4. Versorgungsebene, der gesonderten fachärztlichen Versorgung, sind häufig ohne Patientenkontakt tätig. Zu ihnen zählen Humangenetiker, Laborärzte, Neurochirurgen, Nuklearmediziner, Pathologen, Physikalische- und Rehabilitations-Mediziner, Strahlentherapeuten und Transfusionsmediziner. Diese Arztgruppen waren nach der bisherigen Bedarfsplanungs-Richtlinie nicht beplant und damit niederlassungsfrei. Jedoch hatte der G-BA bereits im September 2012 im Hinblick auf die Neufassung der Bedarfsplanungs-Richtlinie eine vorläufige Niederlassungssperre angeordnet (vgl. RöFo, 2012, DRG-Mitteilungen S. 1065ff.). Hintergrund der Einbeziehung dieser Arztgruppen in die Bedarfsplanung war ein ungebrochenes dynamisches Wachstum dieser Arztgruppen, das nach Auffassung des G-BA nicht allein auf ein gestiegenes Versorgungserfordernis zurückzuführen war. In räumlicher Hinsicht wird nach der Neufassung der Bedarfsplanungs-Richtlinie dieser Versorgungsebene als Planungsbereich der Bezirk der Kassenärztlichen Vereinigungen zugeordnet. Der G-BA bewertet die Versorgung durch diese Arztgruppen zum Stichtag 2010 bereits mit einem Versorgungsgrad von 110%. Demzufolge ist davon auszugehen, dass Neuzulassungsanträge von Ärzten dieser Arztgruppen, die nach dem 6. September 2012 gestellt wurden, aus Gründen einer bestehenden Überversorgung abgelehnt werden.


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e. Sonderregelung Ruhrgebiet

Das Ruhrgebiet wird auch nach Inkrafttreten der Neufassung der Bedarfsplanungs-Richtlinie weiterhin als Sonderregion gesondert beplant. Die von dieser Sonderregelung erfassten kreisfreien Städte und Landkreise werden in § 65 Abs. 3 der Bedarfsplanungs-Richtlinie abschließend aufgezählt. Die für das Ruhrgebiet geltenden Verhältniszahlen werden in § 65 Abs. 4 der Bedarfsplanungs-Richtlinie genannt. Der G-BA hat einen Zeitraum von maximal 5 Jahren festgelegt, in denen die Versorgungssituation im Ruhrgebiet neu bewertet und gegebenenfalls angepasst werden soll. Diese Übergangsregelung für das Ruhrgebiet gilt für alle Versorgungsebenen, außer der gesonderten fachärztlichen Versorgung.


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Demografiefaktor und Berücksichtigung von Ermächtigungen

Eine weitere wesentliche Änderung durch die Neufassung der Bedarfsplanungs-Richtlinie ist die modifizierte Berücksichtigung des Demografiefaktors. Während dieser bislang nur bei einer überdurchschnittlichen Fallzahl von Bedeutung war, wird der Demografiefaktor nach der neuen Bedarfsplanung zur Modifikation der Verhältniszahlen in allen Planungsbereichen herangezogen. Darüber hinaus wurde die für den Demografiefaktor maßgebliche Altersgrenze von bislang 60 auf 65 Jahre nach oben verschoben. Ferner ist es den einzelnen Kassenärztlichen Vereinigungen nunmehr im Einvernehmen mit der Landesbehörde der Krankenkassen sowie Ersatzkassen möglich, im Rahmen der Bedarfsplanung mit einer entsprechenden Begründung und Nachweis der demografischen Besonderheiten regional vom Demografiefaktor abzuweichen. Für die Arztgruppen der Kinderärzte und Kinder- und Jugendpsychiater sowie der gesonderten fachärztlichen Versorgung kommt der Demografiefaktor nicht zur Anwendung.

Es ist darauf hinzuweisen, dass nach der Neufassung gem. § 22 der Bedarfsplanungs-Richtlinie zukünftig alle Ermächtigungen in die Bedarfsplanung einbezogen werden, d. h. sowohl Ermächtigungen einzelner Ärzte als auch Institutsermächtigungen sind für die Ermittlung der Versorgungssituation von entscheidender Bedeutung. Regionale Abweichungen sind jedoch zugelassen.


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Übergangsregelungen

Auf Grund der weitreichenden Auswirkungen der Neufassung der Bedarfsplanungs-Richtlinie ist eine Übergangsphase zur Ablösung der Geltung der bisherigen Richtlinie durch die Geltung der Neuregelungen mit zeitlichen Vorgaben unabdingbar. So setzt eine umfassende Anwendung der neuen Richtlinie zunächst voraus, dass von Seiten der Kassenärztlichen Vereinigungen entsprechende neue Bedarfspläne aufgestellt und regionale Anpassungen vorgenommen werden. Ein darauf beruhender Beschluss der Landesausschüsse über das Vorliegen einer Überversorgung oder Unterversorgung soll nach den Übergangsregelungen spätestens bis zum 30. Juni 2013 vorliegen. Erst dann können Zulassungssperren auf Grundlage der Neufassung der Bedarfsplanungs-Richtlinie ausgesprochen werden. Für die Arztgruppen der neu in die Bedarfsplanung einbezogenen gesonderten fachärztlichen Versorgung gilt ein verkürzter Umsetzungszeitraum bis zum 15. Februar 2013. Dies wird damit begründet, dass in diesen Fällen nicht auf bestehende Regelungen der alten Richtlinie zurückgegriffen werden kann.


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Fazit und Ausblick

Wie der G-BA in den Tragenden Gründen zur Neufassung der Bedarfsplanungs-Richtlinie selbst ausführt, dient das neue Bedarfsplanungskonzept nicht wie bisher primär der finanziellen Stabilität der gesetzlichen Krankenversicherung, sondern nach der gesetzgeberischen Motivation des GKV-VStG nunmehr einer gleichwertigen Sicherung der Patientenversorgung in Wohnortnähe. Im Vordergrund steht dabei insbesondere eine bessere Verteilung der Ärzte weg von den Ballungsräumen hin zu den ländlichen Regionen. Ob die neue „Richtlinie 2012“ diesem Anspruch genügen wird, bleibt abzuwarten. Eine Regionalisierung der Versorgung hängt überwiegend auch davon ab, inwiefern die jeweiligen Kassenärztlichen Vereinigungen von den zahlreichen regionalen Abweichungsmöglichkeiten tatsächlich Gebrauch machen werden. Zur Vollständigkeit sei darauf hingewiesen, dass die Neufassung der Bedarfsplanungs-Richtlinie in ihrer derzeitigen Fassung noch keine Neuregelungen für den Bereich der Sonderbedarfszulassung vorsieht. Der G-BA hat angekündigt, dies bis zum 30. Juni 2013 nachzuholen und somit die neue Richtlinie zu vervollständigen. Nach Veröffentlichung der Änderungen zur Sonderbedarfszulassung in der Bedarfsplanungs-Richtlinie werden wir darüber berichten.


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