Flugmedizin · Tropenmedizin · Reisemedizin - FTR 2012; 19(02): 58
DOI: 10.1055/s-0032-1311741
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Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Total oder nur extrem resistenter Stamm? – Tuberkulose in Indien

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Publication Date:
18 April 2012 (online)

 

    Anfang des Jahres meldete Indien erstmals Infektionen mit Tuberkulose, die gegen alle bekannten Antituberkulotika resistent sind (TDR-TB = totally drug-resistant tuberculosis). Seit Oktober vergangenen Jahres sollen in den Bundesstaaten Maharashtra und Karnataka 15 Fälle identifiziert worden sein. Mindestens 2 Patienten sind in der Zwischenzeit verstorben. Geplant war, die Überlebenden in einem kleinen Sanatorium zu isolieren. Eine Person ist jedoch nach der Diagnose spurlos verschwunden. Es ist nicht bekannt, ob diese überlebt hat und nun eventuell weitere Menschen mit dem hochgefährlichen Erreger ansteckt.

    Über die exakte Klassifizierung des verantwortlichen Tuberkulosestamms herrscht derzeit noch Ungewissheit. Zwar spricht das verantwortliche indische Krankenhaus von TDR-Tuberkulose, allerdings weist es gleichzeitig darauf hin, dass der Stamm gegen alle Standardantituberkulotika und gegen alle 6 herkömmlichen Reservemedikamente resistent ist. Keine Angabe machte es über eine mögliche Wirkung sogenannter Third-line-Antituberkulotika (z. B. Makrolidantibiotika, Clofazimin, Amoxicillin und Clavulanic Säure, Linezolid, Imipenem, hochdosiertes Isoniazid sowie einige neue Wirkstoffe, die derzeit noch untersucht werden).

    Sollten diese Mittel wirksam sein, handelt es sich korrekterweise nicht um Fälle von TDR-TB sondern von XXDR-TB (extremely drug-resistant tuberculosis). XXDR-TB-Fälle sind schon früher vereinzelt aufgetreten (z. B. 2 in Italien im Jahr 2003 und 15 im Iran im Jahr 2009). Diese Infektionen sind gegen alle First- und Second-line-Antituberkulotika resistent.

    Die Anzahl der medikamentenresistenten Tuberkulosefälle steigt weltweit immer weiter an. Aktuelle Daten dazu veröffentlichen etwa 2 Drittel aller Länder. Die Weltgesundheitsorganisation WHO hat diese in einer Studie ausgewertet. Das Ergebnis: Russland, Moldawien, Weißrussland, Tadschikistan und Estland haben die höchsten Raten: Bis zu 30 % der neu infizierten und bis zu 65 % der bereits früher behandelten Tuberkulosekranken weisen Resistenzen gegen die beiden wirksamsten Medikamente, Isoniazid und Rifampin, auf.

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    Kolorierte Aufnahme des Erregers Mycobacterium tuberculosis im Elektronenmikroskop.
    Quelle: Centers for Disease Control and Prevention (CDC)/Ray Butler

    In einigen Ländern könnten die Raten sogar noch höher sein. Dazu gehören einige afrikanische Staaten und Indien. Für diese lagen jedoch keine ausreichenden Daten für eine Schätzung vor.

    Dr. Raymund Lösch und Dipl. Biol. Unn Klare, Bad Doberan

    Quellen: promed; WHO


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    Kolorierte Aufnahme des Erregers Mycobacterium tuberculosis im Elektronenmikroskop.
    Quelle: Centers for Disease Control and Prevention (CDC)/Ray Butler