Aktuelle Dermatologie 2012; 38(12): 513-515
DOI: 10.1055/s-0032-1310148
Kasuistik
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Wolf’s isotopische Antwort: Lokale kutane B-Zell-Lymphom-Infiltration nach H. Zoster N. Trigeminus 1

Wolf’s Isotopic Response: Local Cutaneous Infiltration of Malignant B-Cell Lymphoma Following H. Zoster N. trigeminus 1
L. Kowalzick
1   Klinik für Hautkrankheiten und Allergologie, HELIOS Vogtland-Klinikum Plauen
,
J. Bertolini
2   Institut für Pathologie der Universität Leipzig
,
L. Eickenscheidt
1   Klinik für Hautkrankheiten und Allergologie, HELIOS Vogtland-Klinikum Plauen
,
D. Ehrich
3   Klinik für Augenheilkunde, HELIOS Vogtland-Klinikum Plauen
,
D. Hammerschmidt
4   Klinik für Innere Medizin I, HELIOS Vogtland-Klinikum Plauen
,
M. Schwarz
5   Paracelsus MVZ I Schöneck
,
J.-M. Pönnighaus
1   Klinik für Hautkrankheiten und Allergologie, HELIOS Vogtland-Klinikum Plauen
,
C. Wickenhauser
2   Institut für Pathologie der Universität Leipzig
› Author Affiliations
Further Information

Korrespondenzadresse

Prof. Dr. med. habil. Lutz Kowalzick
Klinik für Hautkrankheiten und Allergologie
HELIOS Vogtland-Klinikum Plauen GmbH
Postfach 100153
08505 Plauen

Publication History

Publication Date:
07 August 2012 (online)

 

Zusammenfassung

Wir berichten über einen 62-jährigen Patienten mit seit zehn Jahren bekannter chronischer lymphatischer Leukämie (CLL), der vier Wochen nach dem Auftreten eines Herpes Zoster im Bereich des Nervus Trigeminus 1 links in diesem Areal multiple erythematöse, plaqueartig konfluierende, papulöse Infiltrate entwickelte. Histologisch zeigte sich ein monotones, noduläres kleinzelliges B-Zell-Infiltrat mit klassischem Phänotyp einer CLL mit einer begleitenden periadnexiellen, teils riesenzelligen histiozytär-resorptiven Entzündung. Wir diagnostizierten einen Fall von Wolf’s isotopischer Antwort mit kutanen Infiltraten des bekannten B-Zell-Lymphoms im Innervationsgebiet des betroffenen Nervs bei stattgehabter H.-Zoster-Infektion.


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Abstract

We report on a 62-years old male caucasian patient with chronic lymphatic leukemia (B-CLL), known since ten years, who developed, four weeks after the appearance of a Herpes Zoster in the area of the left N. Trigeminus 1, at this site multiple erythematous plaquelike confluating papulous infiltrations. Histologically monotonous nodular small cell B-lymphoid infiltrates were seen together with a partly giant cell histiocytic-resorptive inflammation predominantly around the adnexes. These findings were interpreted as a case of Wolf’s isotopic response with cutaneous infiltrates of the known B-cell lymphoma in the area of the involved innervations of the recently experienced H. Zoster infection.


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Einleitung

Wolf’s isotopische Antwort oder Wolf’s Phänomen [1] beschreibt das Auftreten einer neuen Hauterkrankung am Orte einer hiervon unabhängigen, inzwischen abgeheilten anderen Hauterkrankung. Das Koebner-Phänomen beschreibt davon abweichend das Auftreten typischer Hautläsionen einer vorbestehenden Hautkrankheit am Orte von physikalischen Traumata [2] [3]. In den meisten Fällen handelt es sich um das Auftreten maligner Hauterkrankungen bzw. -beteiligungen am Orte einer vorherigen kutanen Herpes-Virus-Infektion [2]. Wir berichten hier über einen Fall von Wolf’s isotopischer Antwort mit kutanen Infiltraten eines bekannten B-Zell-Lymphoms im Versorgungsgebiet des betroffenen Nervs nach zuvor erlittener stattgefundener H. Zoster Infektion.


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Kasuistik

Wir berichten über einen 62-jährigen Patienten, bei dem vor über zehn Jahren eine chronische lymphatische Leukämie vom B-Zell-Typ (B-CLL) diagnostiziert wurde. Wegen progredienter Lymphknotenschwellungen, Thrombozytopenie und Anämie erfolgte vor drei Jahren eine Immun-Chemotherapie nach dem RFC-Protokoll (Rituximab, Fludarabine und Cyclophosphamid) über 6 Zyklen, worunter es zu einer kompletten Remission kam. Die CLL war zuletzt wieder progredient mit generalisierten Lymphknotenschwellungen und Hepatosplenomegalie, sodass eine Immun-Chemotherapie nach dem R-Benda-Protokoll (Rituximab und Bendamustin) mit Immunglobulingabe und anschließender allogener Stammzelltransplantation beabsichtigt wurde. Vor einem Monat wurde der Patient mit einer Phlebothrombose des linken Beines und der Beckenachse stationär aufgenommen. Es erfolgte eine hochdosierte Heparin-Therapie. Aufgrund des ausgeprägten Lymphknotenbefalles, insbesondere der abdominellen Lymphknoten wurde zur Vorbereitung der beabsichtigten o. g. Therapie eine Vorphasentherapie mit 2 mg Vincristin und 100 mg Prednisolon durchgeführt.

Zwei Tage später kam es dann zum Auftreten eines Erythems im Bereich der lateralen linken Augenbraue und im weiteren Verlauf nach drei Tagen zu linksseitigen Gesichtsschmerzen und Bläschenbildung auch frontal und nasal. Außerdem wurde ophthalmologisch eine Beteiligung des linken Auges mit konjunktivaler Injektion und Hornhautepitheldefekt festgestellt. Unter der Diagnose eines Zosters ophthalmicus links wurde daraufhin eine systemische parenterale Therapie mit Aciclovir für sieben Tage und anschließend oral für weitere sieben Tage eingeleitet. Zusätzlich erfolgte eine orale Schmerztherapie und eine topische antibiotische ophthalmologische Behandlung sowie eine topische Anwendung von Eosin-Lösung im Bereich der Hautveränderungen. Hierunter heilten die Haut- und Augenveränderungen binnen einer Woche, zum Teil unter Krustenbildung, vollständig ab.

Eine weitere Woche später wurde der erste Zyklus der R-Benda-Therapie mit Rituximab (375 mg/m2 Körperoberfläche) und Bendamustin (2 × 90 mg/m2 Körperoberfläche) nach vorheriger parenteraler Gabe von 30 g Immunglobulinen appliziert. Zwei Wochen später wurde der Patient mit Verdacht auf ein Rezidiv des Zosters in der Augenklinik wieder aufgenommen. Beim dermatologischen Konsil am nächsten Tag sahen wir linksseitig am Nasenrücken und Nasenflügel, an der Glabella, an Augenbraue, Schläfe und Stirn blass erythematöse, zum Teil auch glasig wirkende, fest palpable Papeln, zum Teil zu Plaques konfluierend, ohne Bläschen und ohne Schmerzsymptomatik ([Abb. 1]). Unter dem klinischen Verdacht auf eine granulomatöse Reaktion oder eine kutane Infiltration der bekannten CLL entnahmen wir eine Probebiopsie von der Stirn.

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Abb. 1 62-jähriger Patient mit Wolf’s isotopischer Antwort: vier Wochen nach H. Zoster N. Trigeminus 1 links Auftreten blass erythematös, zum Teil auch glasig wirkender, fest palpabler Papeln, zum Teil zu Plaques konfluierend im Innervationsgebiet des Nervs.

In der Histologie zeigte sich in der Dermis ein periadnexiell betontes, dichtes, kleinzelliges, lymphoides, noduläres Infiltrat. Im subkutanen Fettgewebe fand sich perineural betont ein gleichartiges lymphoides Infiltrat. Im mittleren Korium fand sich zusätzlich eine zum Teil riesenzellige, histiozytäre, resorptive Entzündung, die die Lymphominfiltrate mitunter umschied. Die kleinzellige, periadnexiell betonte, lymphoide Zellpopulation fand sich negativ für CD20, aber kräftig positiv für CD79a bei mäßiger Koexpression von CD5 und distinkter Koexpression von CD23 ([Abb. 2]). Die Reaktion für CD3 war negativ.

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Abb. 2 a Histologie von der Stirn: in der Dermis ein periadnexiell betontes, dichtes, kleinzelliges, lymphoides, noduläres Infiltrat. Im mittleren Korium zusätzlich eine zum Teil riesenzellige, histiozytäre, resorptive Entzündung, die Lymphominfiltate z. T. umscheidend. b Im subkutanen Fettgewebe perineural betont ein gleichartiges lymphoides Infiltrat. c Zytologisches Detail des lymphoiden Infiltrats, typisch für CLL. d Immunhistologie: die kleinzellige, periadnexiell betonte, lymphoide Zellpopulation kräftig positiv für CD79a bei distinkter Koexpression von CD23 und CD5.

Wir diagnostizierten hieraufhin einen Fall von Wolf’s isotopischer Antwort mit kutanen Infiltraten des bekannten B-Zell-Lymphoms im Versorgungsgebiet des N. Trigeminus I links nach vorher stattgefundener H.-Zoster-Infektion. Von Interesse für die weitere hämatologisch-onkologische Therapie mit Rituximab war, dass das neu aufgetretene kutane Lymphom-Infiltrat CD20-negativ ist. Daraufhin wurde die Chemotherapie auf Fludarabine und Cyclophosphamid umgestellt.


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Diskussion

Wolf’s isotopische Antwort oder Wolf’s Phänomen [1] beschreibt das Auftreten einer neuen Hauterkrankung am Orte einer hiervon unabhängigen, inzwischen abgeheilten anderen Hauterkrankung. Das Koebner-Phänomen beschreibt davon abweichend das Auftreten typischer isomorpher Hautläsionen einer vorbestehenden Hautkrankheit am Orte von Verletzungen [2] [3]. Von 58 beschriebenen Fällen von Wolf’s isotopischer Reaktion [2] traten 51 nach einem H. Zoster auf, davon mindestens 10 im Bereich der Äste des N. trigeminus, hiervon, wie in unserem Fall, zwei mit Augenbeteiligung. Bei drei Fällen ging ein Herpes simplex, in zwei Fällen gingen Varizellen dem Auftreten isotopischer Hautveränderungen voraus. Bei dieser sekundären Hauterkrankung, die zwischen wenigen Tagen und vielen Jahren (Median etwa 4 Monate) nach der primären auftrat, handelte es sich in 31 Fällen um eine maligne Erkrankung, davon in 16 Fällen um kutane Metastasen meist von Mamma-Karzinomen, in 7 Fällen um Basalzellkarzinome, in 5 um Stachelzellkarzinome, in zwei um maligne Lymphome, davon, wie im vorliegenden Fall, ein B-Zell-Lymphom und je ein Fall von Angiosarkom bzw. Kaposisarkom. In 16 Fällen trat ein Granuloma anulare, in vier Fällen eine kutane Sarkoidose oder eine andere granulomatöse Erkrankung auf.

In einer anderen Serie von 9 Fällen von Wolf’s isotopischer Antwort entwickelte sich bei 5 Patienten mit einer vorbestehenden CLL nach einem H. Zoster (drei Fälle) bzw. Varizellen oder Herpes simplex binnen 2 Wochen bis 3 Monaten in drei Fällen eine kutane Lymphominfiltration, wie in unserem Falle, oder eine Granuloma anulare bzw. ein Lichen ruber [4].

Außerdem wurden 19 Fälle von leukämischen Infiltraten bzw. Lymphomen, 10 Fälle von Lichen ruber, 6 Fälle von Morphea und 4 von reaktiver perforierender Kollagenose unter anderem nach H. Zoster beschieben [5] [6].

Der mögliche Pathomechanismus von Wolf’s isotopischer Antwort ist unklar. Auffallend ist, dass es sich bei der primären Erkrankung fast nur um kutane Herpes-Virus-Infektionen und bei der sekundären Erkrankung fast nur um maligne oder granulomatös oder lichenoid entzündliche Erkrankungen handelt. Diskutiert werden viral, immunologisch, neural oder vaskulär bedingte Mechanismen sowie ein inhärenter genetischer oder erworbener Locus minoris resistentiae [2] [6]. Die perinervale Betonung des Lymphominfiltrates in der Subkutis in unserem Falle kurz nach einer Zosterinfektion könnte für einen neuralen bzw. neural-immunologischen ätiopathologischen Zusammenhang sprechen.

Unser Fall zeigt, dass eine dermatologische Begutachtung mit evtl. bioptischer und histologischer Diagnostik bei klinisch untypischen, scheinbaren Zoster-„Rezidiven“ dringend anzuraten ist, um eine möglicherweise bestehende Manifestation einer malignen Erkrankung in diesem Areal frühzeitig diagnostizieren zu können. Dies kann bei Systemerkrankungen einen Einfluss auf das Tumorstadium und die weitere diagnostische und therapeutische Strategie haben. So war in unserem Falle die Tatsache, dass das neu aufgetretene kutane Lymphom-Infiltrat CD20-negativ war, für die begonnene hämatologisch-onkologische Therapie mit dem CD20-Antikörper Rituximab von Bedeutung.


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Interessenkonflikt

Die Autoren geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.

  • Literatur

  • 1 Wolf R, Brenner S, Ruocco V et al. Isotopic response. Int J Dermatol 1995; 34: 341-348
  • 2 Wolf R, Wolf D. Tinea in a site of healed herpes Zoster (Isoloci Response?).. Int J Dermatol 1985; 24: 539
  • 3 Koebner H. Zur Aetiologie der Psoriasis. Dermatol Syphiol 1876; 3: 559-561
  • 4 Jaka-Moreno A, Lope-Pestana A, Lopez-Nunez M et al. Wolf’s isotopic response: a series of 9 cases. Act Dermosifiligr 2012; (E-pub ahead of print)
  • 5 Wolf R, Wolf D, Ruocco E et al. Wolf’s isotopic response. Clin Dermatol 2011; 29: 237-240
  • 6 Ruocco V, Brunetti G, Puca RV et al. The immunocompromised district: a unifying concept for lympoedematous, herpes-infected and otherwise damaged sites. J Eur Acad Dermatol Venereol 2009; 23: 1364-1373

Korrespondenzadresse

Prof. Dr. med. habil. Lutz Kowalzick
Klinik für Hautkrankheiten und Allergologie
HELIOS Vogtland-Klinikum Plauen GmbH
Postfach 100153
08505 Plauen

  • Literatur

  • 1 Wolf R, Brenner S, Ruocco V et al. Isotopic response. Int J Dermatol 1995; 34: 341-348
  • 2 Wolf R, Wolf D. Tinea in a site of healed herpes Zoster (Isoloci Response?).. Int J Dermatol 1985; 24: 539
  • 3 Koebner H. Zur Aetiologie der Psoriasis. Dermatol Syphiol 1876; 3: 559-561
  • 4 Jaka-Moreno A, Lope-Pestana A, Lopez-Nunez M et al. Wolf’s isotopic response: a series of 9 cases. Act Dermosifiligr 2012; (E-pub ahead of print)
  • 5 Wolf R, Wolf D, Ruocco E et al. Wolf’s isotopic response. Clin Dermatol 2011; 29: 237-240
  • 6 Ruocco V, Brunetti G, Puca RV et al. The immunocompromised district: a unifying concept for lympoedematous, herpes-infected and otherwise damaged sites. J Eur Acad Dermatol Venereol 2009; 23: 1364-1373

Zoom Image
Abb. 1 62-jähriger Patient mit Wolf’s isotopischer Antwort: vier Wochen nach H. Zoster N. Trigeminus 1 links Auftreten blass erythematös, zum Teil auch glasig wirkender, fest palpabler Papeln, zum Teil zu Plaques konfluierend im Innervationsgebiet des Nervs.
Zoom Image
Abb. 2 a Histologie von der Stirn: in der Dermis ein periadnexiell betontes, dichtes, kleinzelliges, lymphoides, noduläres Infiltrat. Im mittleren Korium zusätzlich eine zum Teil riesenzellige, histiozytäre, resorptive Entzündung, die Lymphominfiltate z. T. umscheidend. b Im subkutanen Fettgewebe perineural betont ein gleichartiges lymphoides Infiltrat. c Zytologisches Detail des lymphoiden Infiltrats, typisch für CLL. d Immunhistologie: die kleinzellige, periadnexiell betonte, lymphoide Zellpopulation kräftig positiv für CD79a bei distinkter Koexpression von CD23 und CD5.