Aktuelle Dermatologie 2012; 38(08/09): 305
DOI: 10.1055/s-0032-1309462
Editorial
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Der Epikutantest – ein aussterbendes diagnostisches Verfahren?

The Patch Test – An Endangered Diagnostic Tool?
P. U. Elsner
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Prof. Dr. med. Peter U. Elsner
Klinik für Hautkrankheiten
Universitätsklinikum Jena
Erfurter Str. 35
07743 Jena

Publication History

Publication Date:
04 September 2012 (online)

 
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    Prof. Dr. med. Peter U. Elsner

    Wer den Derma-Fokus im Mai-Heft der Aktuellen Dermatologie flüchtig durchgeblättert hat, mochte aus der Überschrift „Jeder fünfte Epikutantest ist nicht notwendig“ geschlossen haben, in Deutschland werde zuviel getestet.

    Dabei ist das Gegenteil der Fall.

    In dem zitierten Beitrag wird eine Retrospektivanalyse italienischer Autoren aus der Universität Ferrara referiert, die sich mit 1528 epikutan getesteten Patienten befasst. Die Autoren ließen durch 2 erfahrene Dermatologen nachträglich analysieren, ob die Überweisung der Patienten zur Testung durch Dermatologen, Hausärzte oder andere Fachärzte indiziert war. Die italienischen Kollegen kamen in der Retrospektivanalyse zu der Erkenntnis, dass die Rate der indizierten Testungen bei den durch Dermatologen überwiesenen Patienten höher war als bei anderen Zuweisern – ein zu erwartendes Ergebnis, denn nicht nur zur Interpretation einer Testung bedarf es dermatologisch-allergologischen Sachverstands, sondern bereits zur Indikationsstellung, und diesen kann man bei fachfremden Kollegen nicht voraussetzen.

    Die Realität in Deutschland ist leider eine ganz andere: Überweisungen von Patienten zur Testung an den Dermatologen durch Hausärzte oder andere Fachärzte sind nach Erfahrung des Autors zur Ausnahme geworden. Warum wohl? Weil wir Dermatologen immer weniger epikutan testen, aus den bekannten honorartechnischen Gründen, aber auch, weil durch immer neue und sinnlose Regulationen die Epikutantestung erschwert wird – zuletzt durch die in letzter Minute abgewendeten unsinnigen gesetzgeberischen Aktivitäten des Bundesgesundheitsministeriums, die die Herstellung von Epikutantestallergenen in Deutschland fast verunmöglicht hätten. Wird nicht mehr getestet, geht mit der Zeit auch das Bewusstsein des Nutzens einer spezifischen Allergieabklärung verloren. Bei der Blutzuckerbestimmung wäre es nicht anders, würde man diese durch die Beobachtung der Kußmaulschen Atmung ersetzen. Es wird nur nicht gemacht, weil die Konsequenz vermeidbare Todesfälle wären, während an einem schweren, generalisierten Kontaktekzem kaum ein Patient stirbt.

    Was ist zu tun? Mit Appellen an den allergologischen Idealismus ist nicht geholfen. Solange im GKV-Bereich die aufwendige Allergiediagnostik pauschalisiert in einem inadäquaten Regelleistungsvolumen versenkt ist, kann von einem Dermatologen nicht erwartet werden, dass er die wirtschaftliche Existenz seiner Praxis durch aufwendige, letztlich nicht honorierte Diagnostik in Gefahr bringt. Auch die Überweisung an spezialisierte Klinikambulanzen hat ihre Grenzen.

    Neben der PKV kann heute eine adäquate Diagnostik von Kontaktekzemen in Deutschland nur noch im Rahmen der Gesetzlichen Unfallversicherung dargestellt werden. Dazu sollten wir Dermatologen das Hautarztverfahren nutzen, in das alle Patienten eingeschlossen werden können, bei denen die bloße Möglichkeit einer beruflichen Hauterkrankung besteht. Bei diesen Patienten können alle erforderlichen Epikutantests durchgeführt werden. Dies ist immer der Standard, daneben berufsspezifische Reihen und auch die Testung von Eigensubstanzen aus dem beruflichen Umfeld. Die Unfallversicherungsträger sind aufgrund ihres gesetzlichen Auftrags, der Entstehung von Berufskrankheiten mit allen geeigneten Mitteln entgegenzuwirken, an einer Aufklärung von Allergien gegen Berufssubstanzen höchst interessiert. Deshalb haben sie die Arbeitsgemeinschaft für Berufs- und Umweltdermatologie immer wieder dabei unterstützt, das unverzichtbare diagnostische Instrument des Epikutantests zu erhalten, sowohl durch Interventionen auf politischer Ebene wie durch eine erhebliche Verbesserung der Honorarsituation seit 2010.

    Nun liegt der Ball im Feld der Dermatologen. Nur jeder 5. Dermatologe erstattet Hautarztberichte, und die Dunkelziffer bei den (nicht) gemeldeten Berufskrankheiten der Haut wird mit über 90 % geschätzt. Es ist also höchste Zeit, beim Hautarztverfahren mitzumachen, wenn uns an einer optimalen Betreuung unserer Patienten und damit am Überleben des Epikutantests in Deutschland gelegen ist. Interesse? Dann nehmen Sie doch an den ABD-Seminaren zur Berufsdermatologie teil, die Ihnen kompakt das Fachwissen auf diesem Gebiet vermitteln. Näheres auf der Webseite der ABD unter www.dermis.net oder über die organisierende Agentur (yvonne.herzberg@yahoo.de).

    Peter U. Elsner


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    Prof. Dr. med. Peter U. Elsner
    Klinik für Hautkrankheiten
    Universitätsklinikum Jena
    Erfurter Str. 35
    07743 Jena

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