ergopraxis 2012; 5(03): 16-17
DOI: 10.1055/s-0032-1306975
wissenschaft
© Georg Thieme Verlag Stuttgart - New York

Elternarbeit bei Autismus – Vier, die sich nicht unterkriegen ließen

Simone Gritsch

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Publication Date:
02 March 2012 (online)

 

Welche Wünsche und Bedürfnisse haben Eltern von Kindern mit frühkindlichem Autismus? Und inwiefern kann man in der Ergotherapie auf sie eingehen? Vier Ergotherapeutinnen haben diese Fragen in ihrer Bachelorarbeit untersucht und Antworten gefunden - trotz widriger Bedingungen.


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(Foto: S. Bernhofen)
Johanna Seitz, Janette Illner, Janka Schwieca und Katharina Hennekes ...

... sind seit 2008 und 2009 Ergotherapeutinnen. Johanna Seitz arbeitet seit 2009 in den Bereichen Pädiatrie und Neurologie in einer Ergotherapiepraxis in Aachen und übernimmt mittlerweile Leitungsaufgaben, Janette Illner ist seit 2011 als fachliche Leitung in einer Praxis für Physio- und Ergotherapie in Senden beschäftigt. Janka Schwieca ist seit 2011 in einer Ergotherapiepraxis in Köln in den Bereichen Pädiatrie, Neurologie und Psychiatrie tätig und Katharina Hennekes seit 2008 in einer Praxis für Ergo- und Reittherapie in Mönchengladbach. Darüber hinaus ist sie seit 2010 Handtherapeutin. 2011 schlossen die vier Ergotherapeutinnen ihr Studium an der Hogeschool Zuyd in Heerlen (Niederlande) mit dem Bachelor of Health ab. Gefunden haben sie sich vorrangig über Sympathie und das gemeinsame Interesse am Thema „Autismus“. Trotz Höhen und Tiefen empfanden sie die gemeinsame Zeit als sehr erfüllend und sind darüber hinaus in Kontakt geblieben. Für dieses Jahr haben sie sich fest vorgenommen, sich alle wiederzusehen. Ihre gemeinsame Kontaktadresse lautet: my-own-world@t-online.de

Kinder mit frühkindlichem Autismus - Bedürfnisse der Eltern einbeziehen

Die Bachelorarbeit

In ihrer qualitativen Studie gingen die vier Ergotherapeutinnen der Frage nach, in welchen alltäglichen Bereichen sich Eltern von Kindern mit frühkindlichem Autismus Unterstützung wünschen. Dazu befragten sie sechs Eltern mittels leitfragengestützter Experteninterviews.

Im Rahmen einer fachlichen Diskussion erörterten sie mit drei Ergotherapeutinnen die Ergebnisse. Sie hinterfragten gezielt, welche elterlichen Bedürfnisse und Wünsche sich in der Therapie umsetzen lassen. Aus den Ergebnissen entwickelten sie Ansatzpunkte für die Behandlung. Dabei wurde deutlich, dass Ergotherapeuten einige Punkte in der Behandlung aufgreifen können, aber auch eine beratende Position einnehmen sollten, um die Eltern an die entsprechenden Instanzen weiterzuleiten.

  • Illner J, Schwieca J, Seitz J, Hennekes K. Kinder mit frühkindlichem Autismus -Bedürfnisse von Eltern im Alltag und deren Einbezug in die Ergotherapie. Bachelorarbeit an der Hogeschool Zuyd, Heerlen, Niederlande; 2010


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Ergebnisse

... der Elternbefragung:

  • > Die meisten Kinder mit frühkindlichem Autismus können sich nicht eigenständig versorgen. Sie sind auf fremde Hilfe angewiesen, zum Beispiel beim An-/Ausziehen, Zähneputzen, Waschen, Essen und Trinken. Viele Eltern fühlen sich in diesen Situationen überfordert und brauchen Unterstützung.

  • > Probleme in Reizaufnahme und -verarbeitung äußern sich beim Essen und Zähneputzen. Um beides zu erleichtern, wünschen sich Eltern eine Desensibilisierung im Mundbereich ihrer Kinder.

  • > Die Betreuung und Pflege eines autistischen Kindes ist anstrengend und belastend für die Eltern, sie vermissen Ruhephasen.

  • > Die befragten Eltern hoffen außerdem, dass ihr Kind lernt, Gefahren einzuschätzen, seine Motorik und Kommunikation zu verbessern, seinen Körper besser wahrzunehmen (sich nicht zu beißen oder zu kneifen) sowie ein angemessenes Nähe-Distanz-Verhalten an den Tag zu legen.

  • > Eltern wünschen sich mehr Austausch mit den Ergotherapeuten.


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Fazit

... für die ergotherapeutische Behandlung:

  • > Alltagsaktivitäten wie An-/Ausziehen oder Essen/Trinken lassen sich sehr gut in die ergotherapeutische Behandlung integrieren. Auf diese Weise können die Therapeuten mit den Eltern zusammen an der Selbstständigkeit des Kindes arbeiten.

  • > Wenigstens ein Elternteil sollte in der Therapie dabei sein, um die Maßnahmen zu verfolgen und in den Alltag transferieren zu können.

  • > Die Wünsche nach Gleichgewichtsförderung sowie Schulung des Nähe-Distanz-Verhaltens lassen sich ebenfalls gut umsetzen.

  • > Ergotherapeuten sollten die Eltern darüber hinaus beraten und ihnen Freizeitangebote und Beratungsstellen nennen. Dazu gehören die sozialen Dienste, Vereine und Behörden.

  • > Um den Alltag zu erleichtern und die sprachliche Entwicklung zu verbessern, bietet sich der Therapieansatz TEACCH an (Treatment and Education of Autistic and related Communication handicapped Children).

  • > Bestimmte Themen lassen sich nur interdisziplinär zum Beispiel mit Ärzten, Physiotherapeuten, Logopäden oder Psychologen behandeln.

  • > Für den Therapieerfolg ist das Engagement der Eltern wichtig. Sie haben es in der Hand, den Tag zu strukturieren und die Freizeit zu gestalten.

  • > Da die Kinder ihre Bedürfnisse kaum mitteilen können, müssen die Eltern lernen, Verhaltensmuster wie Gestik und Mimik zu deuten.


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(Foto: S. Bernhofen)