Z Orthop Unfall 2011; 149(06): 609-612
DOI: 10.1055/s-0031-1299611
Orthopädie und Unfallchirurgie aktuell
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Kongressbericht – Auf der Suche nach gemeinsamen Wurzeln der Chirurgen

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Publication Date:
20 December 2011 (online)

 
 

Orthopäden und Unfallchirurgen suchten in Berlin auf vielen Gebieten einen neuen Schulterschluss mit anderen Fachgesellschaften.

Ein wenig nüchterner als die Jahre zuvor war er. Mehr Zahlen, Daten, Fakten und dafür manch Aufgeregtheit um berufspolitische Dinge weniger. Der DKOU 2011, vom 24. – 28. Oktober im Berliner ICC: Mit 11 000 Teilnehmern, an die 250 Industrieausstellern, schrappte der Kongress in diesem Jahr knapp an den Vorgaben der letzten Jahre vorbei.

Das Motto "Grenzen überwinden, Ziele erreichen" war dafür mehr als bloße Event-Rhetorik. Ganz offenkundig suchen Orthopäden und Unfallchirurgen nicht nur untereinander nach festerem Zusammenhalt. So wurde der Vorstand der DGOU eigens von 22 auf 13 Mitglieder verschlankt. Auf etlichen Symposien zeichnete sich darüber hinaus auch neue Zusammenarbeit mit anderen Fachgesellschaften ab.

Beispiel neue Leitlinie Polytrauma. 188 Seiten hat die Druckfassung der von der DGU aufgelegten S3-Leitlinie Polytrauma. 2002 hatte man den Vorläufer, eine S1-Leitlinie, noch unter Seinesgleichen geschrieben. Diesmal nicht mehr.

Zehn weitere hiesige Fachgesellschaften, von Anästhesie, HNO bis Urologie, firmieren mit als Herausgeber. Die Leitlinie stellt den Patienten neu in den Mittelpunkt, um den herum sich alle Fachdisziplinen einbringen müssen.

Fast unisono kassierte die DGU in einem Symposium am Donnerstag Lob für ihren interdisziplinären Ansatz: Ein "Meilenstein". Man könne auch aus internationaler Perspektive glücklich sein über dieses Werk", rühmte etwa Anästhesist Prof. Bernd Böttiger von der Uniklinik Köln.

Und lieferte auch gleich Beispiele, wie wichtig es ist, dass etwa auch die Anästhesisten mitformulieren konnten. Sechs – 7 % der Notfallopfer bekämen prähospi- tal eine lebensbedrohliche ösophagale (Fehl-)Intubation. Konsequenz für Böttiger: Notfallärzte brauchen mehr Schulung auch in der Anästhesie.

Manche Diskussion fängt nun vor Ort allerdings erst an. Eine Kernforderung der Leitlinie ist die Führung des Teams durch eine wiederum interdisziplinär zusammengesetzte Arztgruppe. Fragt sich, wer der Chef sein wird.

Von Menge und Art der Verletzungen sei es der Unfallchirurg, der am meisten zu tun hat, meinte Viszeralchirurg Prof. Claus-Dieter Heidecke aus Greifswald. Er habe daher kein Problem damit, wenn der Unfallchirurg im Schockraum leitet – so lange "wir uns bei einem abdominalen Trauma einbringen können". Heidecke: "Das Polytrauma ist ein guter Fall, an dem die verschiedenen Disziplinen der Chirurgie wieder zu ihren gemeinsamen Wurzeln zurückfinden können."

Gott sei dank auch mal was Kritisches …

Manchem wurde es ob der großen Harmonie im Saal schon wieder ungemütlich. "Ich gratuliere Ihnen, weil sie mal was Kritisches gesagt haben – Gott sei dank, die anderen haben sich ja nur umarmt und geküsst", ulkte Sitzungsleiter Prof. Markus Büchler aus Heidelberg nach dem Referat seines niederländischen Kollegen Prof. Luke Leenen. Der arbeitet am University Medical Center in Utrecht und hatte als "Kommentar aus dem Ausland" einige "kleine Anmerkungen" zur Leitlinie. So habe das Opus zwar endlich das evidenzbasierte Aus für die Gabe von Glucocorticoiden bei Schädel-Hirn-Trauma festgeschrieben, dafür aber, so Leenen, nicht den Blasenkatheter abgeschafft, der vor Eintreffen im Krankenhaus gelegt wird. Und für den Alltag, bräuchten Ärzte ein Kompendium der Leitlinie für die Kitteltasche. Wer liest schon 188 eng bedruckte Seiten? Was Leitlinienkoordinator Prof. Edmund Neugebauer (Institut für Forschung in der Operativen Medizin, IFOM) allerdings mit dem Hinweis auf die vorhandene Kurzfassung der Leitlinie konterte. Dass die Leitlinie v. a. einen Prozess stetiger Verbesserung anstößt, einschließlich regelmäßiger Updates ihrer selbst – dazu herrschte wieder Einigkeit. Denn klar ist: Wenn die Fachgesellschaften wollen, können sie Strukturen im Gesundheitswesen bis ins Detail umkrempeln. Zu sehen etwa beim Traumanetzwerk der DGU.

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Am 25.10. ging es los: die Eröffnungsveranstaltung zum DKOU 2011.
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Die Kongresspräsidenten Prof. Dr. Dieter Kohn, Prof. Tim Pohlemann und Prof. Dr. Karsten Dreinhöfer (v.l.n.r.).

873 Kliniken waren Mitte Oktober 2011 für das Traumanetzwerk angemeldet, 511 davon hatten das 3 Jahre gültige Audit erhalten, agieren in derzeit 55 Netzwerken regional zusammen. Das "beste Netzwerk zur Versorgung Schwerverletzter weltweit", meinte Prof. Bertil Bouillon aus Köln. Und dabei arbeite man hier bewusst gegen den Willen der Politik – zum Wohl der Patienten, betonte DGU- und DGOU-Präsident Tim Pohlemann: "Die möchte, dass die Krankenhäuser konkurrieren. Wir aber zwingen sie, zusammenzuarbeiten." Pohlemann war neben Prof. Karsten E. Dreinhöfer von der Charité für den BVOU und Prof. Dieter M. Kohn aus Homburg Saar (DGOOC) einer der 3 Kongresspräsidenten.

Allerdings bleiben gefährliche Lücken in der Versorgung. Für einen "Massenanfall an Verletzten" (MANV) jenseits der Kategorien 1 und 2 mit über 500 Verletzten sei Deutschland gar nicht gut vorbereitet, referierte Prof. Christoph Josten vom Universitätsklinikum Leipzig. Es hapert an der bei solchen Katastrophen nötigen kreis- und länderübergreifenden Zusammenarbeit der verschiedenen Träger des Rettungswesens, Polizei, Feuerwehr, THW bis hin zum Traumanetzwerk. Josten: "Da fehlt es an Übung, die Kommunikation muss viel besser werden."


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Hüft-OP wie Klavierspielen

Für planbare Entscheidungen bleibt naturgemäß genügend Zeit im Vorfeld. Generell sind endoskopische Verfahren auch bei der Hüftrekonstruktion auf dem Vormarsch. Aber ein Einsatz bitte mit Augenmaß, so war das Fazit einer eigenen Expertenrunde zum Thema. "Entfernen von freien Körpern oder eine Knorpelglättung" waren für PD Michael Dienst aus München ideale Indikationen für arthroskopische Verfahren. Eine Labrumablösung oder eine Pfannenrandtrimmung seien hingegen schon "anspruchsvoller". Und beim Impingement bleibt die chirurgische Luxation auch für Prof. Klaus Siebenrock aus Bern, das "working house". Dabei behandelt man am Berner Inselspital arthroskopisch bereits ein Drittel der Fälle. "Impingement ist nicht gleich Impingement", meinte Siebenrock. "Das ist wie beim Klavierspielen, Sie brauchen schwarze und weiße Tasten."

Daneben aber scheint es, als ob die in den letzten Jahren z. T. deutliche Kritik an einer gewissen Chirurgielastigkeit des gemeinsamen Facharztes und des DKOU Wirkung zeigt. Rehabilitation war alles andere als ein Nischenthema.

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Für den bewegendsten Vortrag dankte das Publikum Joachim Gauck mit tosendem Applaus.

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Schon vor der Gelenk-OP mit Krücken üben

Allein schon die Frage nach der Lebensqualität jener 85 % Schwerverletzter, die heute dank besserer Versorgung überleben, rückt Rehabilitation neu in den Mittelpunkt. "Die Betroffenen sind ja nicht nur glücklich, weil sie überlebt haben – es geht auch darum, wie sie überleben werden", formulierte es Prof. Bernd Kladny aus Herzogenaurach.

Etliche neue Konzepte versuchen, die Lücke zwischen stationärer Versorgung im Akutkrankenhaus und anschließender, meist ambulanter Versorgung zu schließen. So bieten einige wenige Kliniken bereits eine "Prä-Rehabilitation", berichtete Dreinhöfer. "Da zeigen wir den Leuten schon vor der Implantation eines künstlichen Gelenks, wie sie nach der OP an den Krücken laufen müssen."

Dr. Anselm Reiners vom Klinikum Bogenhausen beleuchtete Alltagsprobleme aus einer der noch raren Station für sog. Frührehabilitation. 2001 durch Änderungen im SGB V überhaupt erst möglich gemacht, nützt diese Reha noch im Akutrankenhaus ganz überwiegend Patienten, die lange Zeit auf der Intensivstation waren. Die meisten von ihnen leiden, nach den Zahlen dieser Abteilung an schweren neurologischen Diagnosen. Die Behandlung hat nur dann Aussichten auf Erfolg, wenn – einmal mehr – ein fachübergreifendes Team in der Abteilung zusammenarbeitet.

Auch der demografische Faktor beschert Reha eine neue Schlüsselstellung. Bernd Kladny: "Wir können angesichts einer stetig älter werdenden Bevölkerung noch so viele Prothesen einbauen, Wirbelsäulen versteifen, wie wir wollen, damit alleine werden wir das Problem nicht lösen." Hoffen lassen etliche neue Ansätze, gesundheitlich gefährdete Personen, durch ambulante Reha-Maßnahmen so fit zu halten, dass sie nicht vorzeitig aus dem Erwerbsleben scheiden müssen.

Von seiner "neuen Freundin Betsi" berichtete Prof. Bernhard Greitemann aus Bad Rothenfelde. Der Name steht für "Beschäftigung Teilhabe-orientiert sichern" – ein Projekt von Kliniken im Münsterland, die ein Jahr lang 268 Menschen, die noch im Berufsleben stehen, ambulant betreuen. Das Programm umfasst 3 Schulungstage in der Klinik zu Beginn, dann berufsbegleitende Kurse in der Freizeit und einige weiteren Reha-Tage samstags.

Mitmachen konnten Menschen, die erwerbstätig sind, aber Anhaltspunkte für eine konkrete berufliche Belastungssituation zeigten. Zu erkennen v. a. an auffallend langen Zeiten der Arbeitsunfähigkeit.

Eine erste Auswertung nach einem Jahr zeigt: Viele der Teilnehmer schätzten ihre Chance, auf Dauer im Berufsleben bleiben zu können, wieder deutlich besser ein. Entscheidend für solche Programme, so Greitemann, sei eine gute Zusammenarbeit mit Werks- und Betriebsärzten. Sie sind es, die "ihre Schäfchen detektieren", die Patienten in das Programm einweisen. Ob solche Angebote Routine werden, bleibt abzuwarten. Greitemann: "Das werden am Ende die Geschäftsführer der Kliniken beschließen."

Dr. Marco Streibelt von der Deutschen Rentenversicherung Berlin gab eine Kurzübersicht zu MBOR, der von der Rentenversicherung neu entwickelten Medizinisch-Beruflich Orientierten Rehabilitation, die in die gleiche Richtung zielt. In der Routine kommen die Konzepte, wissenschaftlich bereits ganz gut evaluiert, bislang allerdings kaum an. Streibelt: "Es fehlt an der Konkretisierung."


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Mit Schreiben gegen Rückenschmerzen

Manche Experten fordern eine bessere Integration von psychosomatischen Konzepten. Dr. Anette Hennighausen aus Bad Nauheim berichtete von Erfolgen mit "Expressivem Schreiben" gegen chronische Rückenschmerzen. Die Therapie: An 3 Tagen je 20 Minuten lang aufschreiben, was einem zu eigenen traumatischen Erlebnissen einfällt – geheim natürlich. Verglichen mit einer Kontrollgruppe, die über irgendwas schreiben konnte, zeigten sich nach einem halben Jahr verblüffende Effekte: Die Beeinträchtigung durch Schmerz in verschiedenen Lebensbereichen war signifikant zurückgegangen. Zugleich war die Arbeitsfähigkeit in der Experimentalgruppe um 25 % gestiegen, in der Kontrollgruppe um 5 % gesunken. "Das muss sofort in die Standarddokumentation jeder Klinik", entfuhr es Sitzungsleiter Dr. Hans-Jürgen Hesselschwerdt aus Bad Krozingen.

Ein Dauerbrenner sind die Finanzen. Etliche Experten monierten einmal mehr, dass Rehakliniken ob der heutigen Tagessätze der Versicherungen und Kassen unterfinanziert bleiben. Manch neuer Schulterschluss auf dem DKOU dürfte der Einsicht geschuldet sein, nur gemeinsam einer Umverteilung von Mitteln näherzukommen. Das Symposium "Zukunft der Rehabilitationsmedizin" organisierte die Deutsche Gesellschaft für Physikalische Medizin und Rehabilitation (DGPMR) gleich mit. "Vernetzung der Fachgesellschaften, damit wir gemeinsam vielleicht unsere Ziele auch mal erreichen", erklärte Karsten Dreinhöfer.

Ausnahmsweise kein Streit um Kosten gibt es hingegen bei der Versorgung besonders schwer kranker Patienten. Bei den mehreren Hundert Sarkompatienten im Jahr hierzulande ist es heute möglich, die nach einer Operation oft großen Fehlstellen an Knochen und Muskeln durch individuelle Implantate zu ersetzen. "Da ist die hiesige Medizintechnik führend in der Welt", bilanzierte Prof. Georg Gosheger aus Münster. Heute erreiche man bei 75 – 85 % der Patienten wieder funktionale Ergebnisse. "Auch über die Kosten müssen wir uns keine Gedanken machen", freute sich Gosheger. Die Kassen zahlten die bis zu 100 000 Euro teuren Operationen.

Zu einigen weiteren Projekten der Fachgesellschaften gab es in Berlin nur kurze Zwischenstände.

Das Projekt Endocert der DGOOC zur Zertifizierung von Kliniken, die eine vorbildliche Versorgung in der Endoprothetik bieten, ist nach wie vor in der Erprobungsphase. In 3 – 4 Monaten meinte Projektkoordinator Prof. Klaus-Peter Günther aus Dresden, würden die Parameter der Öffentlichkeit vorgestellt.

Das Endoprothesenregister hat bereits eine Homepage (http://www.eprd.de/), die konkrete Arbeit beginnt April 2012. "Bitte beruhigen Sie unsere jungen Ärzte", beschwor Dieter M. Kohn die Journalisten, "der Mehraufwand für die Dokumentation wird minimal sein."


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Wohin mit den Rheumatologen?

Es gab auch Hausaufgaben für die Orthopäden und Unfallchirurgen. "Wohin mit den Rheumatologen, wie wollen wir das halten?", richtete sich Dr. Rainer Hess, unparteiischer Vorsitzender des G-BA in einer Sitzung zum Thema Bedarfsplanung direkt ans Auditorium. Kontext: Sowohl Internisten als auch die Fachärzte für Orthopädie und Unfallchirurgie kennen eigene Schwerpunkte in Rheumatologie. Wie das eine neue Bedarfsplanung berücksichtigen kann, wusste Hess auch nicht. Bis Mitte 2012 leitet er den zuständigen Unterausschuss beim G-BA, der, vorausgesetzt das von der Bundesregierung verfasste neue Versorgungsgesetz tritt auch in Kraft, die neuen Spielregeln für die Niederlassung im Detail festlegen soll. Hess wandte sich anders als Sitzungsleiter Helmut Mälzer vom BVOU ("Bedarfsplanung abschaffen") gegen eine völlige Freigabe: "Ich bekenne mich dazu, dass wir eine Bedarfsplanung brauchen."

Klar wurde, das alte System der Bedarfsplanung will keiner mehr, weder Kassen noch KVen. Zahlen-Unterfutter bekam die Debatte durch das von der KBV vorgelegte Konzept zur Bedarfsplanung. "Gerade noch rechtzeitig für die jetzt anstehenden Beratungen", befand Hess, der sich aber zugleich für das "feinziselierte Konzept" bei Dr. Thomas Kopetsch von der KBV bedankte.

Die KBV schlägt darin eine Bedarfsplanung für sämtliche Arztgruppen vor, teilt dabei ein in: hausärztliche Versorgung, wohnortnahe Versorgung, Sonderbereiche I und II, und eine fachärztliche Versorgung. Jede der 4 Gruppen erhielte dann einen anderen Zuschnitt der Planungsbereiche.

Fachärzte für Orthopädie und Unfallchirurgie fielen unter die wohnortnahe Versorgung. Bei ihr soll für die Einrichtung der Planungsbereiche ein Pendlerkonzept zugrunde gelegt werden, entwickelt vom Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR). "Damit berücksichtigen wir, dass Patienten je nach Arzt unterschiedliche Reisezeiten auf sich nehmen", erklärte Kopetsch. Für Orthopäden sind es nach Umfragen 19 Minuten.

Klar ist: Eine echte sektorübergreifende Bedarfsplanung wird es auch mit dem neuen Versorgungsgesetz nicht geben – mangels Einbeziehung des stationären Sektors. "Wir planen immer um die Krankenhäuser herum. Da steht die verfassungsrechtliche Zuständigkeit der Länder zur Krankenhausplanung entgegen", bedauerte Rainer Hess.

Andere und besonders fatale Sektorgrenzen kannte auch ein anderer Redner. Joachim Gauck, vom BVOU zur Mittagsvorlesung gebeten, beschwor die mit dem Mauerfall für ihn und alle Ostdeutschen neu zurückgewonnene Freiheit heute nicht als Selbstverständlichkeit gering zu schätzen. "Die Sehnsucht nach Freiheit, ist etwas, was wir nicht verlernen", wusste Gauck. Auch nicht in Jahrzehnten der Diktatur. Nach 1989 aber seien leider manche angesichts der jetzt neuen Herausforderungen wieder in das zurückgefallen, was sie schon all die Jahre zuvor in Unfreiheit, so gut gelernt hätten: Angst und Furcht. Dabei gelte es, Freiheit zu gestalten. Und zwar mit "Kreativität" und "Bezogenheit" – 2 Stichworte, die Gauck bei Erich Fromm entlehnte: Und beides seien Dinge, die man auch bei Ärzten finde, die sich Sorgen machten um unsere Gesundheit, die sich einsetzen. Klar, fügte Gauck hinzu, "es gibt auch Ärzte, deren größter Einsatz es ist, Rechnungen zu schreiben." (Lacher im Publikum) "Aber es sind ungute Verhältnisse, wenn meine Verantwortung für mein Unternehmen meiner Verantwortung für das Gesamte widerspricht – daran muss man dann drehen." Er jedenfalls gebe Ärzten den Vorzug, die einen nicht dauernd "in diese Dinger hineinschieben". Gauck: "Nehmen Sie auch als Ärzte Ihre Verantwortung für das Gesamte wahr."


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Pioniere der Medizintechnik

Mit Symposien zum Gastland Ungarn bot der DKOU noch einen ganz praktischen Blick über Grenzen. In ein Land, das respektable Leistungen auch in Orthopädie und Unfallchirurgie vorweisen kann.

1836 wurde dort das erste Department für Orthopädie gegründet, seit den 1980er Jahren gibt es eine eigene Medizintechnikbranche für Endoprothesen, wie Dr. Jenö Kiss, Präsident der Ungarischen Fachgesellschaft für Orthopädie, referierte. Mit jährlich rund 7000 zementierten und 2000 unzementierten Hüften, das sind 90 je 100 000 Einwohner, liegen die Zahlen allerdings deutlich unter den bundesdeutschen (180 je 100 000 Einwohner). Und gut ein Jahr wartet ein Ungar auf ein neues Hüftgelenk – unakzeptabel zu lang, meinte Kiss.

Doch der Grad der Versorgung ist oft auch auf der Höhe der Zeit. Sarkompatienten werden heute in Ungarn ähnlich wie hierzulande in Zentren behandelt. Es gibt bei Ihnen auch in Ungarn einen Paradigmenwechsel weg von der Amputation, hin zur gliedmaßenerhaltenden Operation, wie Prof. Miklós Szendröi von der Semmelweis University Budapest, berichtete. Langzeitdaten sind auch in Ungarn gut.

Und keine Frage, ungarische Ärzte und Wissenschaftler haben das Repertoire an Operations- und Medizintechniken entscheidend mit erweitert. Lazlo Hangody von der Semmelweis University Budapest erschien in Berlin, Vater der Mosaikplastik bei Knorpelschäden – ein Verfahren, an dem sich bis heute auch die neueren zellbasierten Techniken am Knie messen müssen. "Das ist natürlich keine universale Lösung, aber für Defekte der Größe zwischen 1 bis 4 cm2 und bei Patienten, die jünger als 50 Jahre sind, eine adäquate Technik", stellte der Entwickler ganz im Einklang mit hiesigen Empfehlungen fest.

Ferenc Tóth aus Budapest präsentierte ein neues Osteoskop, mit dem sich die Gefäßversorgung im Inneren eines verletzten Knochens bewerten lässt. Und Prof. Endre Varga aus Szeged demonstrierte Traumart, eine Software zur Simulation der Belastungen im Knochen nach Osteosynthesen. Ohne Zweifel bleibt das Programm auf seinen konkreten Nutzen für den Patienten zu evaluieren: "Machen Sie eine klinische Studie mit uns zusammen", warb Varga.

Eine grenzüberschreitende Erprobung, ganz im Sinne des diesjährigen DKOU..

Weiter lesen: http://www.dkou.org/

Der nächste DKOU, 23. bis 26.10.2012, Berlin

Bernhard Epping (BE)
Bilder: Starface

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Nach einem anstrengendem Kongresstag wurde abends ausgelassen gefeiert.

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Am 25.10. ging es los: die Eröffnungsveranstaltung zum DKOU 2011.
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Die Kongresspräsidenten Prof. Dr. Dieter Kohn, Prof. Tim Pohlemann und Prof. Dr. Karsten Dreinhöfer (v.l.n.r.).
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Für den bewegendsten Vortrag dankte das Publikum Joachim Gauck mit tosendem Applaus.
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Nach einem anstrengendem Kongresstag wurde abends ausgelassen gefeiert.