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DOI: 10.1055/s-0031-1298312
Diuretika und Vitamin B1
Publication History
Publication Date:
22 March 2012 (online)
Bei Patienten, die aufgrund einer Herzinsuffizienz mit einem Diuretikum (z. B. Furosemid) behandelt werden, kann die Herzfunktion offensichtlich durch eine hoch dosierte Vitamin-B1-Supplementierung verbessert werden. Darauf weisen erneut die Ergebnisse einer aktuellen klinischen Studie hin, die in der Fachzeitschrift Clinical Research in Cardiology publiziert wurde.
In Studien an Patienten, die wegen kardiovaskulären Erkrankungen (z. B. Herzinsuffizienz) Furosemid erhielten, konnte anhand eines signifikanten Abfalls der erythrozytären Transketolase-(ETK-)Aktivität im Vollblut ein Thiaminmangel nachgewiesen werden. Thiamingaben (200 mg/d, i. v.) verbesserten bei Herzinsuffizienz-Patienten unter der Therapie mit dem Diuretikum Furosemid nicht nur die laborchemischen Marker eines Thiaminmangels, sondern auch die linksventrikuläre Pumpfunktion (LVEF) des Herzmuskels.
Bis zu 50 % der älteren Menschen werden in den Industrienationen über längere Zeit mit einem Diuretikum behandelt. Schon seit langem ist bekannt, dass diese Diuretikatherapie mit einem erhöhten Risiko für einen Vitamin-B1-Mangel verbunden ist. Denn das wasserlösliche Vitamin wird durch die erhöhte Harnausscheidung mitgerissen und vermehrt über den Urin ausgeschieden. Einer früheren Studie zufolge waren 33 % aller Herzinsuffizienz-Patienten von einem Thiaminmangel betroffen, obwohl viele von ihnen das Vitamin schon supplementierten. Der diuretikainduzierte Mangel an Vitamin B1 kann die Entstehung bzw. Progression einer Herzinsuffizienz (kardiale Beriberi) fördern.
Das Vitamin hat eine zentrale Bedeutung für die energetische Verwertung von Kohlenhydraten im Rahmen des mitochondrialen Energiestoffwechsels. Allerdings besteht unter den B-Vitaminen vor allem für das Vitamin B1 aufgrund seiner geringen Speicherkapazität (25–30 mg) und hohen Umsatzrate das Risiko, in einen kritischen Bereich abzusinken. Ein latenter Thiaminmangel ist dementsprechend weit verbreitet. Mit 3–8 µg/g weist der Herzmuskel den höchsten Vitamin-B1-Gehalt im menschlichen Körper auf.
Subklinischer Thiaminmangel ist ein unterschätztes Problem bei Patienten mit Herzinsuffizienz und Diabetes mellitus. Ein Mangel an Vitamin B1 kann sich bis zu den als Beriberi bekannten Mangelsymptomen zuspitzen und sowohl Nervenstörungen (trockene Beriberi) als auch eine Herzinsuffizienz (feuchte Beriberi) verursachen oder verschlimmern. Unter Umständen kann die Therapie mit einem Diuretikum deshalb das Therapieziel – die Stärkung der Herzmuskelleistung – bei Herzinsuffizienten sogar konterkarieren. Gefährdet sind vor allem Diabetiker, die häufig mit einem Diuretikum oder mit Kombinationspräparaten zur Blutdrucksenkung behandelt werden. Denn auch die Stoffwechselstörung beim Diabetiker kann mit extremen renalen Thiaminverlusten und erniedrigten Thiaminspiegeln verbunden sein. Der Mangel belastet nicht nur das Herz-Kreislauf-System, sondern fördert auch eine diabetische Neuropathie, von der etwa jeder 3. Diabetiker betroffen ist. Auch das Risiko, eine Herzinsuffizienz zu entwickeln, ist bei Diabetikern mehr als doppelt so hoch wie bei Stoffwechselgesunden.
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Die Thiaminaufnahme in die Kardiozyten wird durch Diuretika beeinträchtigt.
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Furosemid und andere Diuretika erhöhen signifikant die renale Thiaminexkretion. Ursachen der durch Diuretika induzierten Vitaminverluste sind vor allem das niedrige Molekulargewicht bzw. die geringe tubuläre Rückresorption des Thiamins.
Folgen: Thiaminmangel (erythrozytäre Transketolase-Aktivität), Verschlechterung der Herzmuskelfunktion (z. B. Herzinsuffizienz, Kardiomyopathie), Begünstigung einer Laktatazidose
Hinweis: Zur Unterstützung der Herzfunktion und Kompensation medikationsbedingter Verluste sollte unter einer Therapie mit Diuretika neben Magnesium ein Vitamin-B-Komplex mit Thiamin, Folsäure, Vitamin B6 und B12 ergänzt werden – Folsäure vor allem bei Hydrochlorothiazid/Triamteren-Kombinationen! Für die orale Kompensation eines Vitamin-B1-Defizits eignet sich vor allem das lipidlösliche und hochbioverfügbare Thiamin-Prodrug Benfotiamin.
Dass Herzkranke unter Diuretikatherapie von einer hochdosierten Vitaminbehandlung profitieren, bestätigen die in der Fachzeitschrift Clinical Research in Cardiology veröffentlichten akutellen Studienergebnisse. Neun Patienten, die aufgrund einer chronischen Herzinsuffizienz (linksventrikuläre Ejektionsfraktion LVEF von weniger als 40 %) mit einem Diuretikum behandelt wurden, erhielten zusätzlich zur Standardtherapie entweder 300 mg Thiamin pro Tag oder Placebo. Nach 28-tägiger Vitaminsupplementierung verbesserte sich in der Thiamingruppe die LVEF signifikant gegenüber der Placebogruppe. Der absolute Therapieeffekt betrug 3,9 %.
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Literatur
- Gröber U. Arzneimittel und Mikronährstoffe. Medikationsorientierte Supplementierung. 2.. Aufl. Stuttgart: Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft; 2012
- 2 Katare RG et al. Vitamin B1 analog benfotiamine prevents diabetesinduced diastolic dysfunction and heart failure through Akt/Pim-1 mediated survival pathway. Circ Heart Fail 2010; 3: 294-305
- 3 Schoenenberger AW et al. Thiamine supplementation in symptomatic chronic heart failure: a randomized, double-blind, placebo-controlled, cross-over pilot study. Clin Res Cardiol 2012; 101: 159-164