Aktuelle Dermatologie 2012; 38(06): 209-211
DOI: 10.1055/s-0031-1291763
Kasuistik
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Shiitake-Dermatitis mit Eosinophilie-Beteiligung

Eosinophilia Involvement in Shiitake Dermatitis
U. Steinert
1   Dermatologische Gemeinschaftspraxis Dres Steinert, Biberach
,
V. Mielke
2   Gemeinschaftspraxis für Dermatologie und Pathologie (H. Reusch, U. Reusch, V. Mielke)
› Author Affiliations
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Korrespondenzadresse

Dr. med. Ursula Steinert
Dermatologische Gemeinschaftspraxis
Holzmarkt 6
88400 Biberach

Publication History

Publication Date:
16 April 2012 (online)

 

Zusammenfassung

Berichtet wird über einen 42-jährigen Patienten, bei dem nach Verzehr geringster Mengen von Shiitake-Pilzen additiv zu den bekannten Symptomen der Shiitake-Dermatitis eine Eosinophilie beobachtet wurde. Unter einer systemischen Steroidtherapie mit Prednisolon klangen die Hautveränderungen rasch ab.


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Abstract

We report on a 42-year-old man developing known symptoms of shiitake dermatitis with additional involvement of eosinophilia after eating minimal quantity of shiitake mushrooms. Systemic steroid therapy lead to a complete disappearance of the symptoms.


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Einleitung

Dokumentiert wurden weltweit etwa siebzig Fälle von Hautreaktionen nach dem Genuss von Shiitake-Pilzen (Lentinus edodes), hauptsächlich in Japan. Die Rarität in Deutschland erscheint eigenartig, da es sich beim Shiitake-Pilz um den zweithäufigsten gezüchteten Speisepilz weltweit handelt. Als Auslöser dieser seltenen, zum Teil schweren Hautreaktionen in Form von streifenförmigen, peitschenhiebähnlichen Rötungen am Stamm, den Armen und Beinen sowie im Nacken wird ein natürlicher Inhaltsstoff der Pilzart vermutet, das Polysaccharid Lentinan. Bereits geringste Mengen können zu Unverträglichkeitsreaktionen führen. Wegen ihrer hervorragenden Würz- und Geschmackseigenschaften werden Shiitake-Pilze roh oder gegart genossen. Lautete bisher die Empfehlung, Shiitake-Pilze nicht roh zu verzehren, zeigen neuere Berichte, dass manche Menschen nach dem Verzehr sogar von gut durchgegarten Pilzgerichten eine Shiitake-Dermatitis entwickelten.


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Kasuistik

Ein 42-jähriger Patient klagte über seit einem Tag aufgetretenen heftigen Juckreiz sowie Hautveränderungen an Armen und Beinen. Allgemeinerkrankungen waren nicht bekannt, die Medikamentenanamnese war unauffällig, allergische Dispositionen wurden verneint. Klinisch fanden sich urtikarielle rötliche Streifen an den Streckseiten der Arme, am Rumpf sowie am Nacken ([Abb. 1 a – d]).

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Abb. 1 Hautveränderungen bei Shiitake-Dermatitis: Urtikarielle, rötliche Streifen an den Streckseiten der Arme (a), am Rumpf dorsal (b), ventral (c) sowie am Nacken (d).
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Der Dermografismus war rot, jedoch nur leicht eleviert. Unter der Arbeitsdiagnose einer Urticaria factitia bestand die Erstmedikation in der Gabe eines Antihistaminikums (Loratadin) oral. Die Medikamentenanamnese war leer, der Patient hatte lediglich in seiner Kantine eine „Reispfanne“ gegessen. Anzeichen für einen Infekt bestanden nicht, Lymphknotenschwellungen waren ebenfalls nicht tastbar. Am darauffolgenden Tag erschien der Patient erneut mit einem jetzt unerträglichen Juckreiz und der Angabe von brennenden Schmerzen. Die urtikariellen, striären Hautveränderungen waren entgegen der Erwartung nicht flüchtig, sondern in gleicher Lokalisation fortbestehend ([Abb. 2]), nun jedoch mit dicht stehenden Vesikeln besetzt. Differenzialdiagnostisch wurde eine fototoxische Reaktion sowie eine provozierte Dermatitis herpetiformis erwogen. Im peripheren Blutbild fand sich eine Eosinophilie von 12,6 Prozent bei einer Leukozytenzahl im Normbereich. Das IgE war mit 88,3 IU/ml unauffällig. Histologisch zeigten sich in der oberen Hälfte der Dermis gefäßbezogen rundzellige Infiltrate unter Beteiligung von massenhaft eosinophilen Granulozyten, die diffus auch zwischen den Kollagenfasern zur Darstellung kommen ([Abb. 3 a] und [Abb. 3 b]). Neutrophile Granulozyten waren immer wieder intravasal nachweisbar. Weiterhin zeigte sich im Papillarkörper ein Ödem.

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Abb. 2 Charakteristische striäre, peitschenhiebartige Erytheme am Bein.
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Abb. 3 Histologischer Befund: Rundzellige Infiltrate gefäßbezogen in der oberen Hälfte der Dermis unter Beteiligung von massenhaft eosinophilen Granulozyten. Granulozyten diffus auch zwischen den Kollagenfasern (a), Vergrößerung (b).

Nach Ausschluss der genannten Differenzialdiagnosen stellten wir die Diagnose einer (Shiitake- oder) Flagellanten-Dermatitis, ausgelöst durch den Genuss von Shiitake-Pilzen. Der Patient erhielt eine systemische Steroidtherapie, beginnend mit 40 mg Prednisolon. Ausschleichend über 6 Tage nach Therapiebeginn besserten sich die Hautveränderungen drastisch.


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Diskussion

Erstmalig wurde die Shiitake- oder Flagellanten-Dermatitis 1977 von Nakamura beschrieben [1]. Das charakteristische Bild zeigt striäre, peitschenhiebartige Erytheme am Körper, die Kratzspuren entsprechen und welchen die Flagellanten-Dermatitis ihren Namen verdankt. Nach der Selbstgeißelung (Flagellation, von lat. Flagellum = Geißel), einer religiösen Praxis im Mittelalter, zeigte die Haut ähnliche erythematöse Streifen. Diskutiert wird immer wieder eine toxische Reaktion auf Lentinan [2] [3], jedoch weist die bei unserem Fall auffällige Eosinophilie sowohl im peripheren Blut als auch in der Histologie auf die allergische Genese hin. Diese wurde von anderen bereits durch eine positive Spätreaktion im Prick-Test nachgewiesen [4] [5]. Da bei unserem Patienten eine Abneigung sowohl gegen asiatisches Essen als auch gegen Pilze bestand, ist nur eine akzidentelle Kontamination seines Kantinenessens mit einer Gewürzmischung möglich, die Spuren von Shiitake-Pilz in Pulverform enthielt. Dies zeigt, dass bereits sehr geringe Mengen ausreichen, um die Reaktion hervorzurufen. Für den Patienten, der als Vorstandsmitglied eines mittelständischen Unternehmens auch häufig Asienreisen unternimmt, ist diese Unverträglichkeitsreaktion in Zukunft problematisch. Dass das auslösende Allergen/Agens hitzelabil ist und durch ausreichendes Kochen zerstört wird [4] [5], ist mittlerweile widerlegt [6]. Bereits der Kontakt mit den Pilzen kann zu einer Kontakt-Dermatitis (PCD) führen [7] [8]. Da möglicherweise UV-Licht die Reaktion weiter verstärken kann, sollten die betroffenen Hautpartien nicht der Sonne ausgesetzt werden [9]. Somit bleiben dem Patienten mit Flagellanten-Dermatitis nur die strikte Karenz und gegebenenfalls ein Notfallset. Da in Deutschland bisher nur wenige Fälle bekannt wurden, sah das BfR bisher lediglich die Notwendigkeit der Aufklärung. Wünschenswert wäre aber die Mitteilung weiterer Fallbeobachtungen neu auftretender Shiitake-Dermatiden zwecks zentraler Erfassung.


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Interessenkonflikt

Die Autoren geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.

  • Literatur

  • 1 Nakamura T, Kobayashi A. Toxicodermia cause by the edible mushroom shiitake (Lentinus edodes). Hautarzt 1985; 36: 591-593
  • 2 Nakamura T. Shiitake (Lentinus edodes) dermatitis. Contact Dermatitis 1992; 27: 65-70
  • 3 Hérault M, Waton J, Bursztejn AC et al. Shiitake dermatitis now occurs in France. Ann Dermatol Venereol 2010; 137: 290-293
  • 4 Lippert U, Martin V, Schwertfeger C et al. Shiitake dermatitis. Br J Dermatol 2003; 148: 178-179
  • 5 Wagner G, Sachse M. Parallel angeordnete streifenförmige Erytheme am Nacken, an den Schultern und am vorderen Dekolleté. JDDG 2011; 9: 555-557
  • 6 Kopp T, Mastan P, Mothes N et al. Systemic allergic contact dermatitis due to consumption of raw shiitake mushroom. Clin Exp Dermatol 2009; 34: e910-913
  • 7 Hyry H, Kariniemi AL. Shiitake dermatitis: shiitake mushrooms must be cooked before their use. Duodecim 1998; 114: 555-557
  • 8 Maier T, Herzinger T. Linear dermatitis due to shiitake mushrooms. Hautarzt 2007; 58: 1021-1022
  • 9 Aalto-Korte K, Susitaival P, Kaminska R et al. Occupational protein contact dermatitis from shiitake mushroom and demonstration of shiitake-specific immunoglobulin E. Contact Dermatitis 2005; 53: 211-213
  • 10 Curnow P, Tam M. Contact dermatitis to Shiitake mushroom. Australas J Dermatol 2003; 44: 155-157
  • 11 Hanada K, Hashimoto I. Flagellate mushroom (Shiitake) dermatitis and photosensitivity. Dermatology 1998; 197: 255-257

Korrespondenzadresse

Dr. med. Ursula Steinert
Dermatologische Gemeinschaftspraxis
Holzmarkt 6
88400 Biberach

  • Literatur

  • 1 Nakamura T, Kobayashi A. Toxicodermia cause by the edible mushroom shiitake (Lentinus edodes). Hautarzt 1985; 36: 591-593
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  • 8 Maier T, Herzinger T. Linear dermatitis due to shiitake mushrooms. Hautarzt 2007; 58: 1021-1022
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  • 10 Curnow P, Tam M. Contact dermatitis to Shiitake mushroom. Australas J Dermatol 2003; 44: 155-157
  • 11 Hanada K, Hashimoto I. Flagellate mushroom (Shiitake) dermatitis and photosensitivity. Dermatology 1998; 197: 255-257

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Abb. 1 Hautveränderungen bei Shiitake-Dermatitis: Urtikarielle, rötliche Streifen an den Streckseiten der Arme (a), am Rumpf dorsal (b), ventral (c) sowie am Nacken (d).
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Abb. 2 Charakteristische striäre, peitschenhiebartige Erytheme am Bein.
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Abb. 3 Histologischer Befund: Rundzellige Infiltrate gefäßbezogen in der oberen Hälfte der Dermis unter Beteiligung von massenhaft eosinophilen Granulozyten. Granulozyten diffus auch zwischen den Kollagenfasern (a), Vergrößerung (b).