Aktuelle Dermatologie 2012; 38(04): 118-120
DOI: 10.1055/s-0031-1291638
Kasuistik
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Ein schwerer Fall der Phytophotodermatitis, verursacht durch den Kontakt mit Bärenklau (Heracleum)

A Rare Case of Phytophotodermatitis Due to Hogweed (Heracleum)
I. A. Kuklin
1   Wissenschaftliches Forschungsinstitut des Uralgebiets für Dermatovenerologie und Immunopathologie, Jekaterinburg, Russland
,
N. V. Kungurov
1   Wissenschaftliches Forschungsinstitut des Uralgebiets für Dermatovenerologie und Immunopathologie, Jekaterinburg, Russland
,
M. M. Kokhan
1   Wissenschaftliches Forschungsinstitut des Uralgebiets für Dermatovenerologie und Immunopathologie, Jekaterinburg, Russland
,
M. K. Malyschewa
2   Staatliche Technische Universität des Uralgebiets, Jekaterinburg, Russland
› Author Affiliations
Further Information

Korrespondenzadresse

Dr. med. Igor A. Kuklin
Wissenschaftliches Forschungsinstitut des Uralgebiets für Dermatovenerologie und Immunopathologie
Tscherbakov Str. 8
620076 Jekaterinburg
Russland   

Publication History

Publication Date:
31 January 2012 (online)

 

Zusammenfassung

Der Artikel ist einer seltenen Erkrankung, der Phytophotodermatitis, verursacht durch den Kontakt mit Bärenklau (Heracleum), gewidmet. Es werden die Fragen der Häufigkeit, des klinischen Verlaufs und der Behandlung der Erkrankung betrachtet.


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Abstract

The article is devoted to a rare disease – phytophotodermatitis, in consequence of contact with cow-parsnip (Heracleum). The questions of frequency, clinical manifestations and treatment of the disease are discussed.


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Einleitung

Die Phytophotodermatitis ist eine Gruppe von entzündlichen Dermatosen, die durch Photosensibilisatoren – Furocumarine, die in verschiedenen Pflanzen enthalten sind, und anschließende Bestrahlung mit UV-A (UV-A, λ = 320 – 400 nm; UVB, λ = 290 – 320 nm) verursacht werden [1] [2].

Pflanzen verschiedener Familien, vorwiegend der Familie der Doldenblütler (Apiacea) (Sellerie, Dill, Petersilie, Anis, Zitrone, Chrysanthemen, Bärenklau), enthalten photosensibilisierende Furokumarine (Bergaptol, 5-Methoxypsoralen, 8-Methoxypsoralen) [3] [4].

Bärenklau (Heracleum) ist eine Pflanzenart aus der Familie der Doldenblütler (Apiaceae), hat etwa 70 Unterarten und ist weit in Europa und dagegen weniger in Nordamerika verbreitet. In Russland ist Bärenklau (Heracleum) vorwiegend sowohl im Nordwesten und zentralen Regionen als auch in Westsibirien weit vertreten, wo die mehrjährige Pflanze an Ufern von Teichen, in Auenwäldern, auf Waldlichtungen und Böschungen wächst ([Abb. 1]). Die Wuchshöhe erreicht bis zu 3 Meter. Alle Teile der Pflanze enthalten Furocumarine [5].

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Abb. 1 Bärenklau (Heracleum).

Hautmanifestationen der Phytophotodermatitis entstehen innerhalb von 24 Stunden nach Pflanzenkontakt und erreichen ihren Höhepunkt innerhalb von 48 – 72 Stunden. Die ersten Symptome der Krankheit sind gerötete Flecken in verschiedenen Schattierungen, die aber auch braun gefärbt sein können, falls im Saft der Pflanze Bergaptol ist. An der Stelle der Flecken erscheinen dann Blasen in verschiedenen Größen mit serösem Inhalt. Wegen der hohen Konzentrationen von Photosensibilisatoren (Furokumarinen) in den Blasen sollte der Arzt bei der äußerlichen Behandlung der Exantheme bei einem Patienten alle Vorsichtsmaßnahmen treffen und Kontakt mit der Blasenflüssigkeit meiden. Im Fall der Beseitigung ätiologischer Faktoren und einer angemessenen Therapie heilt die Erkrankung ab und hinterlässt sekundäre Hyperpigmentierungen [6] [7] [8].

Eine notwendige Bedingung für die erfolgreiche Behandlung eines Patienten ist das Meiden des Pflanzenkontaktes in Verbindung mit UV-Strahlung. Im Fall eines leichten Schweregrades ist eine äußerliche topische Therapie anzuwenden: kühlende Umschläge und topische Steroide, in schwereren Fällen ist die systemische Anwendung von Glukokortikosteroiden erforderlich. Die Prognose der Krankheit ist günstig. Vorbeugende Maßnahmen sind Verhinderung der Hautkontakte mit Pflanzen, die möglicherweise photosensibilisierende Eigenschaften haben, sowie die Verwendung von Sonnenschutzmitteln. Nach Berührung der Haut mit dem Saft dieser Pflanzen muss man die betroffenen Teile der Haut gründlich mit Wasser und Seife abspülen und Sonneneinstrahlung innerhalb von 48 Stunden vermeiden [9] [10].


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Unsere Beobachtung

Patient S., 44, wurde in die Klinik des Uralen Wissenschaftlichen Forschungsinstituts für Dermatovenerologie und Immunpathologie Russlands in die Abteilung für chronische Dermatosen am 11. Juli 2011 eingeliefert.

Der Patient klagte über Exantheme am Hals, Rumpf, Gesäßbereich und an oberen und unteren Extremitäten, die von Dauerjuckreiz und geringgradiger Schmerzhaftigkeit begleitet wurden, die bei der Palpation stärker wurden. Der Patient war über allgemeine Schwäche sowie diskret erhöhte Temperatur bis 37,3° C besorgt und hatte Angst vor dem sich entwickelnden Hautprozess.

Er berichtet, dass innerhalb von 48 Stunden eine „leichte Rötung“ zuerst an der Schulterhaut erschien. Später entwickelte sich ein Exanthem an oberen und unteren Extremitäten, am Hals und Rumpf, begleitet von Brennen, Schmerzen und Juckreiz. In den folgenden Tagen beobachtete der Patient die Bildung von Blasen und erhöhte Temperatur bis 37,3° C. Am nächsten Tag wandte er sich an den Hautarzt in der Poliklinik, wo man ihm eine vorläufige Diagnose stellte: allergische Dermatitis, bullöse Form, und der Patient wurde eingewiesen.

In der Klinik wurde festgestellt, dass der Grund für die Erkrankung ein etwa 4-stündiger Aufenthalt in der Sonne und gleichzeitig der zufällige Kontakt der Haut mit einer unbekannten Pflanze war. Als man dem Patienten Fotos verschiedener Pflanzen, die Photosensibilisatoren enthalten, zeigte, wies er auf Bärenklau.

Der Hautprozess war asymmetrisch vor allem an der linken Körperseite ([Abb. 2], [Abb. 3], [Abb. 4]). Die Exantheme, die durch viele, leuchtend rote, wie Blätter der Pflanze geformte Flecken mit deutlichen Grenzen charakterisiert sind, treten am Hals, Rumpf, Gesäßbereich und an oberen und unteren Extremitäten auf. Es finden sich prall gespannte Blasen mit serösem Inhalt, in abgerundeten und unregelmäßigen Formen mit einem Durchmesser von 0,3 cm bis 7,5 cm. Bei der Palpation der Exantheme ist die erhöhte Hauttemperatur zu spüren. Der Patient empfindet subjektiv mäßige Schmerzen. Die sichtbaren Schleimhäute sind frei. Haar- und Nagelplatten sind nicht verändert.

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Abb. 2 Patient S., Diagnose: Phytophotodermatitis, verursacht durch den Kontakt mit Bärenklau, der 2. Tag der Erkrankung.
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Abb. 3 Derselbe Patient S: Auf den erythematösen Flecken steht eine pralle Blase mit Durchmesser 3 × 5 cm.
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Abb. 4 Derselbe Patient S: An der Haut des linken Oberschenkels haben die Flecken deutliche Grenzen. Einige Flecken sind den Blättern der Pflanze ähnlich.

Die klinische Blutanalyse, Harnanalyse und die biochemische Analyse des Blutes entsprechen der physiologischen Norm. TPHA auf Trepanema pallidum ist ohne Befund. Bei der Stuhluntersuchung sind keine Helmintheneier oder Protozoen gefunden worden.


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Klinische Diagnose

Phytophotodermatitis, verursacht durch den Kontakt mit Bärenklau (Heracleum).

In der Klinik hat man folgende Behandlung durchgeführt:

  • H1-Blocker der Histaminrezeptoren, Kestine (Ebasten) 20 mg täglich

  • äußere Behandlung: Blasenöffnung und Behandlung mit antiseptischen Mitteln, topischen Glukokortikosteroiden, Methylprednisolonaceponate (Advantan-Emulsion 0,1 %).

Im Laufe der Behandlung erreichte man eine Regression der erythematösen Elemente und Blasenbildung mit voller Epithelisierung der Erosionen und der Bildung einer sekundären Hyperpigmentierung. Der Patient wurde in zufrieden stellendem Hautzustand entlassen.

Die ausführliche Anamnese und objektive Untersuchung ermöglichten es, die klinische Diagnose mit anschließender adäquater Therapie zu stellen.

Kurz vor der kommenden Sommersaison ist es hochaktuell, klinische Situationen solcher Art vorzubeugen. Das kann durch Informierung der Bevölkerung über die Gefahr des Hautkontakts mit verdächtigen Pflanzen, textile Schutzmaßnahmen und die Verwendung von Sonnenschutzmitteln während des Aufenthalts im Freien erzielt werden.


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  • Literatur

  • 1 Akimov WG. Fotoabhängige Dermatosen. Medizinische Nachrichtenagentur 2010; 176
  • 2 Lenković M, Cabrijan L, Gruber F et al. Phytophotodermatitis in Rijeka region, Croatia. Colleg Antropol 2008; 32: 203-205
  • 3 Sharma A, Goel HC. Some naturally occurring phytophototoxins for mosquito control. Indian J Exp Biol 1994; 32: 745-51
  • 4 Tunget CL, Turchen SG, Manoguerra AS et al. Sunlight and the plant: a toxic combination: severe phytophotodermatitis from Cneoridium dumosum. Cutis 1994; 54: 400-402
  • 5 Dalke IW, Tschadin IF. Methodische Empfehlungen für den Kampf gegen kontrollose Verbreitung von Bärenklau. Syktyvkar: PARUS; 2008
  • 6 Carlsen K, Weismann K. Phytophotodermatitis in 19 children admitted to hospital and their differential diagnoses: Child abuse and herpes simplex virus infection. J Am Acad Dermatol 2007; 57: 88-91
  • 7 Mehta AJ, Statham BN. Phytophotodermatitis mimicking non-accidental injury or self-harm. Eur J Pediatr 2007; 166: 751-752
  • 8 Mill J, Wallis B, Cuttle L et al. Phytophotodermatitis: case reports of children presenting with blistering after preparing lime juice. Burns 2008; 34: 731-733
  • 9 Sasseville D. Phytodermatitis. J Cutan Med Surg 1999; 3: 263-279
  • 10 Langley DM, Criddle LM. A 43-year-old woman with painful, vesicular lesions from giant hogweed photodermatitis. J Emerg Nurs 2006; 32: 246-248

Korrespondenzadresse

Dr. med. Igor A. Kuklin
Wissenschaftliches Forschungsinstitut des Uralgebiets für Dermatovenerologie und Immunopathologie
Tscherbakov Str. 8
620076 Jekaterinburg
Russland   

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  • 7 Mehta AJ, Statham BN. Phytophotodermatitis mimicking non-accidental injury or self-harm. Eur J Pediatr 2007; 166: 751-752
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  • 10 Langley DM, Criddle LM. A 43-year-old woman with painful, vesicular lesions from giant hogweed photodermatitis. J Emerg Nurs 2006; 32: 246-248

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Abb. 1 Bärenklau (Heracleum).
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Abb. 2 Patient S., Diagnose: Phytophotodermatitis, verursacht durch den Kontakt mit Bärenklau, der 2. Tag der Erkrankung.
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Abb. 3 Derselbe Patient S: Auf den erythematösen Flecken steht eine pralle Blase mit Durchmesser 3 × 5 cm.
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Abb. 4 Derselbe Patient S: An der Haut des linken Oberschenkels haben die Flecken deutliche Grenzen. Einige Flecken sind den Blättern der Pflanze ähnlich.