Aktuelle Dermatologie 2012; 38(03): 91-94
DOI: 10.1055/s-0031-1291547
Übersicht
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Apoptose und Melanom: Neue therapeutische Zielstrukturen[*]

Apoptosis and Melanoma: New Structures for Therapeutic Targeting
B. Kurbanov
Klinik für Dermatologie, Venerologie und Allergologie, Charité - Universitätsmedizin Berlin
› Author Affiliations
Further Information

Korrespondenzadresse

Dr. Bahtier Kurbanov
Institut für Klinische Chemie und Laboratoriumsdiagnostik
Universitätsklinikum der Friedrich-Schiller-Universität
Erlanger Allee 101
07740 Jena

Publication History

Publication Date:
28 February 2012 (online)

 

Zusammenfassung

Da die bekannten Chemotherapeutika bei Patienten mit metastasiertem malignem Melanom nur stark eingeschränkt wirksam sind, ist es notwendig, neue Ansätze ausfindig zu machen, die sich als therapeutische Zielstrukturen eignen. Wie wir in unseren experimentellen Untersuchungen zeigen konnten, könnte TRAIL eine neue Therapiestrategie beim metastasierten Melanom darstellen, die vielversprechend erscheint.


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Abstract

Since most chemotherapeutic agents are less or non-effective in malignant melanoma, there is a need for exploring new targets for influencing growth and metastatic potential of this highly malignant neoplasm. Our experiments on human melanoma cell lines in vitro indicate that TRAIL may be a structure to be used as a therapeutic target, thus influencing apoptosis resistance in melanoma cells.


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Einleitung

Das maligne Melanom der Haut ist gekennzeichnet durch seine ungebrochen hohe Mortalität und seine gestiegene Inzidenz in den letzten Dekaden. Von großer Bedeutung ist neben dem hohen metastatischen Potenzial auch die Apoptoseresistenz dieses malignen Tumors. Letztere führt sowohl zu einer verminderten Erkennung der Krebszellen durch das Immunsystem als auch zur geringen Ansprechbarkeit des Tumors auf Chemotherapeutika. Neue therapeutische Zielstrukturen werden daher benötigt, um die Apoptoseresistenz zu überwinden und die schlechte klinische Prognose des malignen Melanoms zu verbessern.

Bei der Apoptose handelt es sich um ein gut definiertes genetisches Todesprogramm, das zum geordneten Abbau von zellularen Komponenten führt, wobei die Membranintegrität bis zuletzt erhalten bleibt. Der intrinsische Signalweg kann durch intrazelluläre Signale, wie DNA- und Mitochondrien-Schäden, sowie vom Tumorsuppressor p53 als auch durch Chemotherapeutika aktiviert werden. Hingegen wird der extrinsische Signalweg durch die spezifische Bindung von Todesliganden an membranständige Todesrezeptoren induziert. In den beiden Apoptose-Signalwegen spielen Aspartat-spezifische Cystein-Proteasen (Caspasen), z. B. Caspase-8, -10, -9, -3 und -7, sowie pro-apoptotische Bcl-2-Proteine, wie z. B. BID, BclXL, BclXs, Bax, Bik/Nbk, für die Signalvermittlung eine entscheidende Rolle. Die anti-apoptotischen Proteine können hingegen den pro-apoptotischen Signalweg effizient blockieren, so tragen sie zur Entwicklung einer Apoptose-Resistenz bei. Diese kann einerseits durch Überexpression der pro-apoptotischen Proteine, andererseits durch Herabregulation der anti-apoptotischen Proteine unterbrochen werden.

Der tumor necrosis factor-related apoptosis-inducing ligand (TRAIL/APO2 L) gehört zur TNF-Superfamilie und bindet an Todesrezeptoren der Zelle (TRAIL-R1/DR4 und TRAIL-R2/DR5). Die Suppression von xenotransplantierten Tumoren ohne ersichtliche Zeichen von systemischer Toxizität macht TRAIL zu einem vielversprechenden Kandidaten für Krebstherapien. Klinische Studien mit TRAIL oder agonistischen monoklonalen DR4- und DR5-Antikörpern gegen TRAIL-Rezeptoren wurden bereits bei Patienten mit einigen soliden Tumoren eingeleitet, wobei bisher das maligne Melanom von diesen klinischen Studien ausgeschlossen war. In eigenen Untersuchungen wurde sowohl die Expression der Todesrezeptoren DR4 und DR5 in vitro, ihre Funktionalität als auch ihre Expression in Melanomzelllinien in vivo nachgewiesen. Mögliche Mechanismen der TRAIL-Resistenz wurden mit der Untersuchung von TRAIL-induziertem NF-kappaB (nuclear factor – kappaB) als auch mit der Etablierung eines Zellkulturmodells der TRAIL-Resistenz durchgeführt.

In den Untersuchungen zeigte sich eine durchgehende Expression von DR5, wohingegen DR4 nur bei zwei von sieben Zelllinien (A-375 und SKM-13) nachgewiesen werden konnte. Starke Sensitivität gegen TRAIL zeigte sich insbesondere bei DR4-positiven (A-375 und SKM-13) Melanomzelllinien, während DR4-negative Zellen (Mel-HO, SKM-19, SKM-23, Mel2a, MeWo) nur geringere bzw. verzögerte Apoptose zeigten oder komplett resistent waren ([Abb. 1]). Die Verwendung von spezifischen, blockierenden DR4/DR5-Antikörpern belegte die dominierende Rolle von DR4 bei Melanomzelllinien in eindeutiger Weise. Die Signifikanz dieser Daten für die In-vivo-Situation wurde mittels immunhistochemischer Untersuchungen untermauert, womit zum ersten Mal die Bedeutung der Expression von DR4 und DR5 in primären Tumoren gezeigt werden konnte.

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Abb. 1 Hohe Apoptose-Induktion in Melanomzellen mit TRAIL-Todesrezeptor-4-Expression. Die Melanomzelllinien wurden in DR4-positive (A-375, SKM-13) und DR4-negative (Mel-HO, SKM-19, SKM-23, Mel2a, MeWo) entsprechend der Todesrezeptor-4-Expression eingeteilt. a Die oberflächliche Expression von Todesrezeptor-4 (DR4) und Todesrezeptor-5 (DR5) wurde mittels Durchflusszytometrie in 4 Melanomzelllinien und in einer primären humanen Melanozytenzelllinie (NHM) bestimmt. b Die Expression der beiden TRAIL-Todesrezeptoren-4 und -5 wurde zusätzlich durch Western Blot in 7 Melanomzelllinien und in 5 NHM untersucht. c Sieben Melanomzelllinien und eine NHM wurden mit unterschiedlichen TRAIL-Konzentrationen behandelt. Nach einer Inkubationszeit von 6 Stunden wurde eine relative DNS-Fragmentierung mittels ELISA gemessen. d Die transiente Überexpression wurde mit zwei unterschiedlichen Konzentrationen der Expressionsplasmiden für DR4 und DR5 in der SK-Mel-13-Melanomzelllinie durchgeführt. Die DR4-und DR5-Expression konnte mittels Western Blot nachgewiesen werden.
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Apoptose-Resistenz ist für Krebstherapien ein grundsätzliches Problem. In verschiedenen Studien wurde eine Resistenz gegen TRAIL-induzierte Apoptose nachgewiesen, die mit anti-apoptotischen Proteinen wie c-FLIP, Bcl-xL, Bcl-2 und IAP1/2 korrelierte. Dabei wurde der Transkriptionsfaktor NF-kappaB als entscheidend für die TRAIL-Resistenz angesehen. Neben anderen TNF-Liganden zeigt auch TRAIL eine Aktivierung von NF-kappaB.

In den von uns durchgeführten Untersuchungen wurde bei Apoptose-sensitiven Zelllinien mit DR4-Expression eine hohe TRAIL-induzierte NF-kappaB-Aktivität gezeigt, während sich in DR4-negativen (nur DR5-positiven) Melanomzelllinien keine durch TRAIL induzierte NF-kappaB-Aktivität vorlag, unabhängig von ihrer Sensitivität. Die erhöhte TRAIL-induzierte NF-kappaB-Aktivität in DR4-positiven Zellen führte jedoch zu keiner signifikanten Veränderung in der Expression von anti-apoptotischen Proteinen wie c-FLIP, Bcl-xL, XIAP, Survivin und Livin. Stattdessen bewirkte die TRAIL-Stimulation eine Reduzierung der DR4-Expression in einer der Zelllinien. Diese Wirkung von TRAIL konnte durch den Proteasomen-Inhibitor (LLnL) verhindert werden.

In der Regel führte LLnL zu einer erhöhten TRAIL-Sensitivität bei Melanomzelllinien, unabhängig von einer TRAIL-induzierten Aktivität des NF-kappaB.

In selektierten, durch mehrwöchige TRAIL-Behandlung resistenten Melanomzelllinien fand sich eine signifikante Herabregulation der Expression von proapoptotischen Proteinen wie Caspase-8, Caspase-10 und DR4, nicht aber von DR5 ([Abb. 2]). Die Bedeutung dieser proapoptotischen Faktoren zeigte sich nach exogener Überexpression von Initiator-Caspasen und von DR4, wodurch die Sensitivität von selektierten Melanomzelllinien teilweise zurückgewonnen werden konnte.

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Abb. 2 Herabgesetzte Expression von Initiator-Caspasen, DR4 und BID in TRAIL-resistenten Melanomzelllinien und Wiederherstellung der TRAIL-Empfindlichkeit durch die exogene Überexpression von Caspase-8. a Western-Blot-Untersuchungen von pro-apoptotischen Proteinen wurden in Proteinextrakten aus ursprünglichen Melanomzelllinien (Par, parent cells), in künstlichen, durch mehrere Wochen TRAIL-Behandlung generierte TRAIL-resistente Zellen (Sel, selected) und in Zellen nach einem Monat TRAIL-Entzug aus dem Medium (W1, withdrawal) durchgeführt. b Hoechst-Färbung nach Apoptose-Induktion durch niedrige TRAIL-Konzentration nach transienter Überexpression von Caspase-8 in der selektierten TRAIL-resistenten A-375-Melanomzelllinie. Mock-Zellen wurden als Transfektionskontrolle untersucht.

Die Resistenz gegen TRAIL-induzierte Apoptose in Melanomzelllinien hängt unter anderem von der Herabregulation der Initiator-Caspasen und von DR4 ab. Die Expression dieser Faktoren könnte durch Proteasomen-Inhibition verstärkt werden, was, wie wir zeigen konnten, die TRAIL-induzierte Herabregulation von DR4 verhindert, durch Chemotherapeutika, durch die die Expression von TRAIL-Rezeptoren hochreguliert werden kann, oder durch Interferon-γ, welches die Expression von Caspasen hochreguliert. Insgesamt lassen unsere experimentellen Studien annehmen, dass TRAIL beeinflussbar ist und als therapeutische Zielstruktur beim malignen Melanom herangezogen werden könnte.


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Interessenkonflikt

Diese Arbeiten wurden durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft, die Deutsche Krebshilfe sowie durch die Berliner Stiftung für Dermatologie gefördert.


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* Nach einem Vortrag anlässlich des 11. Jahressymposions der Berliner Stiftung für Dermatologie am 2. Juli 2011, Berlin.


  • Literatur

  • 1 Fecker LF, Rückert S, Kurbanov BM et al. Efficient melanoma cell killing and reduced melanoma growth in mice by a selective replicating adenovirus armed with tumor necrosis factor-related apoptosis-inducing ligand. Hum Gene Ther 2011; 22: 405-417
  • 2 Eberle J, Fecker LF, Hossini AM et al. Apoptosis pathways and oncolytic adenoviral vectors: promising targets and tools to overcome therapy resistance of malignant melanoma. Exp Dermatol 2008; 17: 1-11
  • 3 Eberle J, Kurbanov BM, Hossini AM et al. Overcoming apoptosis deficiency of melanoma-hope for new therapeutic approaches. Drug Resist Updat 2007; 10: 218-234
  • 4 Kurbanov BM, Fecker LF, Geilen CC et al. Resistance of melanoma cells to TRAIL does not result from upregulation of antiapoptotic proteins by NF-kappaB but is related to downregulation of initiator caspases and DR4. Oncogene 2007; 26: 3364-3377
  • 5 Fecker LF, Geilen CC, Tchernev G et al. Loss of proapoptotic Bcl-2-related multidomain proteins in primary melanomas is associated with poor prognosis. J Invest Dermatol 2006; 126: 1366-1371
  • 6 Kurbanov BM, Geilen CC, Fecker LF et al. Efficient TRAIL-R1/DR4-mediated apoptosis in melanoma cells by tumor necrosis factor-related apoptosis-inducing ligand (TRAIL). J Invest Dermatol 2005; 125: 1010-1019

Korrespondenzadresse

Dr. Bahtier Kurbanov
Institut für Klinische Chemie und Laboratoriumsdiagnostik
Universitätsklinikum der Friedrich-Schiller-Universität
Erlanger Allee 101
07740 Jena

  • Literatur

  • 1 Fecker LF, Rückert S, Kurbanov BM et al. Efficient melanoma cell killing and reduced melanoma growth in mice by a selective replicating adenovirus armed with tumor necrosis factor-related apoptosis-inducing ligand. Hum Gene Ther 2011; 22: 405-417
  • 2 Eberle J, Fecker LF, Hossini AM et al. Apoptosis pathways and oncolytic adenoviral vectors: promising targets and tools to overcome therapy resistance of malignant melanoma. Exp Dermatol 2008; 17: 1-11
  • 3 Eberle J, Kurbanov BM, Hossini AM et al. Overcoming apoptosis deficiency of melanoma-hope for new therapeutic approaches. Drug Resist Updat 2007; 10: 218-234
  • 4 Kurbanov BM, Fecker LF, Geilen CC et al. Resistance of melanoma cells to TRAIL does not result from upregulation of antiapoptotic proteins by NF-kappaB but is related to downregulation of initiator caspases and DR4. Oncogene 2007; 26: 3364-3377
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  • 6 Kurbanov BM, Geilen CC, Fecker LF et al. Efficient TRAIL-R1/DR4-mediated apoptosis in melanoma cells by tumor necrosis factor-related apoptosis-inducing ligand (TRAIL). J Invest Dermatol 2005; 125: 1010-1019

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Abb. 1 Hohe Apoptose-Induktion in Melanomzellen mit TRAIL-Todesrezeptor-4-Expression. Die Melanomzelllinien wurden in DR4-positive (A-375, SKM-13) und DR4-negative (Mel-HO, SKM-19, SKM-23, Mel2a, MeWo) entsprechend der Todesrezeptor-4-Expression eingeteilt. a Die oberflächliche Expression von Todesrezeptor-4 (DR4) und Todesrezeptor-5 (DR5) wurde mittels Durchflusszytometrie in 4 Melanomzelllinien und in einer primären humanen Melanozytenzelllinie (NHM) bestimmt. b Die Expression der beiden TRAIL-Todesrezeptoren-4 und -5 wurde zusätzlich durch Western Blot in 7 Melanomzelllinien und in 5 NHM untersucht. c Sieben Melanomzelllinien und eine NHM wurden mit unterschiedlichen TRAIL-Konzentrationen behandelt. Nach einer Inkubationszeit von 6 Stunden wurde eine relative DNS-Fragmentierung mittels ELISA gemessen. d Die transiente Überexpression wurde mit zwei unterschiedlichen Konzentrationen der Expressionsplasmiden für DR4 und DR5 in der SK-Mel-13-Melanomzelllinie durchgeführt. Die DR4-und DR5-Expression konnte mittels Western Blot nachgewiesen werden.
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Abb. 2 Herabgesetzte Expression von Initiator-Caspasen, DR4 und BID in TRAIL-resistenten Melanomzelllinien und Wiederherstellung der TRAIL-Empfindlichkeit durch die exogene Überexpression von Caspase-8. a Western-Blot-Untersuchungen von pro-apoptotischen Proteinen wurden in Proteinextrakten aus ursprünglichen Melanomzelllinien (Par, parent cells), in künstlichen, durch mehrere Wochen TRAIL-Behandlung generierte TRAIL-resistente Zellen (Sel, selected) und in Zellen nach einem Monat TRAIL-Entzug aus dem Medium (W1, withdrawal) durchgeführt. b Hoechst-Färbung nach Apoptose-Induktion durch niedrige TRAIL-Konzentration nach transienter Überexpression von Caspase-8 in der selektierten TRAIL-resistenten A-375-Melanomzelllinie. Mock-Zellen wurden als Transfektionskontrolle untersucht.