Diabetologie und Stoffwechsel 2012; 7(2): R1-R16
DOI: 10.1055/s-0031-1283990
DuS-Refresher

© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart ˙ New York

Labormethoden bei Diabetes mellitus

I. Rettig 1 , E. Schleicher1
  • 1Medizinische Klinik und Poliklinik IV, Endokrinologie, Diabetologie, Angiologie, Nephrologie und Klinische Chemie, Universitätsklinikum Tübingen
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Publikationsverlauf

Publikationsdatum:
16. April 2012 (online)

Einleitung

Diabetes mellitus ist der Sammelbegriff für eine heterogene Störung des Stoffwechsels. Ursache des Diabetes mellitus ist entweder eine gestörte Insulinsekretion oder eine gestörte Insulinwirkung oder beides [1]. Es gilt weiterhin, die verschiedenen Diabetesformen zu unterscheiden, z. B. Typ-1-Diabetes, Typ-2-Diabetes, LADA-Diabetes, Maturity Onset Diabetes of the Young (MODY), Gestationsdiabetes, pankreopriver Diabetes, denen weitgehend verschiedene Pathomechanismen zugrunde liegen und die einer individuellen Therapie bedürfen. 

Da der Leitbefund die chronische Hyperglykämie ist, kommt Laborparametern , die einen chronisch erhöhten Blutglukosespiegel quantifizieren, wesentliche Bedeutung zu.

Die Bestimmung des Blutglukosespiegels, des HbA1c-Wertes und der Ketonkörper im Urin sind die wichtigsten Laboruntersuchungen für die Diagnosestellung und Kontrolle des Diabetes mellitus.

Das Ausmaß der chronischen Hyperglykämie ist dabei nicht nur für die Diagnostik, sondern auch für die Therapiekontrolle und für die Prognose hinsichtlich Spätkomplikationen von großer Bedeutung. Als Langzeitparameter ist der HbA1c-Wert weltweit etabliert, während der Fruktosamin-Wert Spezialfällen vorbehalten ist. Eine Entgleisung des Stoffwechsels lässt sich anhand der Bildung von u. a. Ketonkörpern erkennen. Die Messung von Beta-Zellpeptiden wie C-Peptid, Insulin und Proinsulin ist speziellen Fragestellungen vorbehalten. Die Bestimmung von Autoantikörpern, die gegen Beta-Zellen gerichtet sind, kann zur Klassifikation des Diabetes indiziert sein. Das gilt insbesondere bei Verdacht auf seltene Diabetes-Typen, für deren genaue Charakterisierung eine molekulare Diagnostik angezeigt ist. 

Da der Diabetes keine isolierte Störung des Kohlenhydratstoffwechsels ist, werden auch Laborparameter zur Beurteilung des Lipidstoffwechsels, wie z. B. Gesamtcholesterin, die Subfraktionen HDL- und LDL-Cholesterin, die Apolipoproteine und die Triglyzeride im Plasma, sowohl für die Abschätzung des Risikos, vaskuläre Schäden zu entwickeln, als auch zur Kontrolle einer lipidsenkenden Therapie bestimmt. Für die Nierenfunktion ist die Messung des Plasmakreatinins ein zwar wenig sensitiver, aber gut etablierter Marker, während das sensitivere Cystatin C noch wenig verwendet wird. Inzwischen ist die Bestimmung der Albuminausscheidung im Urin breit etabliert. Eine vermehrte Ausscheidung kann nicht nur eine diabetische Nephropathie im Frühstadium anzeigen, sondern weist auch auf das erhöhte Risiko, eine koronare Herzerkrankung zu entwickeln, hin. 

In neuerer Zeit wurde die Bedeutung der nichtalkoholischen Hepatosteatose und der Insulinresistenz für die Entwicklung eines Typ-2-Diabetes eindrucksvoll nachgewiesen. Für den Nachweis einer Fettleber sind die Transaminasen nach Ausschluss anderer Ursachen relativ spezifisch, aber wenig sensitiv. Für die Bestimmung der Insulinresistenz leisten Nüchterninsulinwerte, Adiponektin-Plasmaspiegel und explorativ Fetuin-A-Plasmawerte gute Dienste. Als Marker für die subklinische Inflammation ist die genaue Quantifizierung niedriger Plasma-CRP-Spiegel etabliert. 

Da Proben häufig zur Analyse in ein Labor verschickt werden, sind die Stabilitäten der Analyte in [Tab. 1] in Abhängigkeit von Temperatur und Material aufgelistet.

Tab. 1 Biologische Stabilität diabetesrelevanter Analyte in Abhängigkeit von Untersuchungsmaterial und Temperatur 3. Stabilität der Analyte Vollblut Serum / Plasma Urin Temperatur RT 4–8 °C –20 °C  RT 4–8 °C – 20 °C RT 4–8 °C – 20 °C Glukose1 < 1 h 12 h Hämolyse   2 d 7 d 1 m < 4 h2  2 d  m HbA1c 3,4  3 d  7 d  6 m  – – – – – – Fruktosamin / glykiertes Albumin4  –  –  –   2 d 0,5 m 6 m – – – Laktat1  1 h 12 h Hämolyse   1 d 7 d 6 m – – – Triglyzeride  7 d   2 d 7 d 6 m – – – Cholesterin (gesamt)  2 d   7 d 7 d 3 m – – – CRP 11 d  11 d 2 m 3 Jahre – – – Kreatinin  2–3 d   7 d 7 d – – – GOT (AST)   4 d 7 d 3 m – – – GPT (ALT)   3 d 7 d 7 d – – – C-Peptid  6 h   5 h 5 d 2 m – – – Insulin 15 min   1 d 6 d 6 m – – – Proinsulin  5 min   7 min 1 h 6 m – – – 3-Hydroxybutyrat bis 4 h bis 48 h – – – GAD- / IA2-Antikörper < 1 d 3 d 6 m – – – Ketonkörper  –  – –  – – – – 24 h – Albumin im Urin 7 d  1 m 12 m RT: Raumtemperatur 1 wird im Vollblut verstoffwechselt bzw. entsteht aus Glukose. In Anwesenheit von Glykolyseinhibitoren sind die Analyte stabil 4. Ohne Glykolysehemmer nimmt die Glukosekonzentration im Vollblut bei RT in der ersten Stunde um mehr als 10 % ab; bei hohen Leukozytenzahlen (Leukämien) ist der Abbau noch schneller. 2 Die Stabilität der Glukose im Urin beträgt bei Raumtemperatur in Anwesenheit von Bakterien und Blutzellen nur wenige Stunden. 3 Bei Überführung des Hb in CN-Hb, bei Hämolysat beträgt die Stabilität ca. 3 Tage bei Raumtemperatur, 7 Tage bei 4–8 °C und 6 Monate im gefrorenen Zustand. 4 Lyophilisation von Hämolysat oder Voll- oder EDTA-Blut führt zu falsch niedrigen Glukosewerten und zu falsch hohen Werten von HbA1c bzw. Fruktosamin.

Vorschriften für die Durchführung von quantitativen laboratoriumsmedizinischen Untersuchungen

Die allgemein gültige Richtlinie der Bundesärztekammer zur Qualitätssicherung laboratoriumsmedizinischer Untersuchungen von 2008 ist auch für die Diabetologie relevant [2]. Ziel dieser Richtlinie ist es, die Qualität von quantitativen Laboruntersuchungen zu sichern. Die Richtlinie soll insbesondere Einflussgrößen und Störfaktoren in der Präanalytik minimieren, die fachgerechte Durchführung der Analytik gewährleisten und die korrekte Zuordnung und Dokumentation der Untersuchungsergebnisse sicherstellen. Ein wesentlicher Bestandteil der Richtlinie ist die interne und externe Qualitätssicherung.

Quantitative und qualitative labormedizinische Untersuchungen unterliegen detaillierten Vorschriften.

Bei der internen Qualitätssicherung werden Kontrollproben, die den Analyt in mindestens 2 verschiedenen Konzentrationen enthalten, mindestens 2-mal innerhalb von 24 h, spätestens nach 16 h, wie eine Patientenprobe gemessen, wobei für z. B. Glukose und HbA1c vorgegebene Fehlergrenzen von 11 % bzw. 10 % einzuhalten sind. Für die externe Qualitätssicherung sind von zentralen Institutionen versandte Ringversuchsproben zu analysieren, wobei die Ergebnisse für Glukose und HbA1c die maximal zulässigen Abweichungen von 15 % bzw. 18 % nicht überschreiten dürfen. 

Die Richtlinien betreffen auch die Blutglukosemessungen für die patientennahe Sofortdiagnostik (Point-of-Care-Testing, POCT).

Für die patientennahe Sofortdiagnostik gelten wesentliche Vereinfachungen, wenn Unit-Use-Reagenzien verwendet werden.

Bei POCT handelt es sich um Laboruntersuchungen, die ohne Probenvorbereitung unmittelbar als Einzelprobenmessung durchgeführt werden [2]. Ein wesentliches Kriterium der patientennahen Sofortdiagnostik ist die unmittelbare Ableitung therapeutischer Konsequenzen aus der durchgeführten Laboruntersuchung. Unter bestimmten Bedingungen gelten für POCT vereinfachte Vorschriften ([Tab. 2]). Die von Patienten für die Selbstkontrolle eingesetzten Blutglukosemessgeräte sind von dieser Regelung ausgenommen.

Blutglukosemessungen von Patienten zur Selbstkontrolle unterliegen nicht diesen Vorschriften.

Tab. 2 Ausnahmeregelung für die interne und externe Qualitätskontrolle bei POCT mit Unit-Use-Reagenzien1 und ohne Probenvorbereitung nach der Richtlinie der Bundesärztekammer 2. interne Qualitätskontrolle: Bei Systemen, bei denen benutzungstäglich elektronische/physikalische Standards verwendet werden und so oder durch andere integrierte Prüfung der Gerätefunktion verhindert wird, dass fehlerhafte Messergebnisse ausgegeben werden, ist einmal wöchentlich eine Kontrollprobeneinzelmessung durchzuführen. externe Qualitätskontrolle: Die externe Qualitätskontrolle entfällt für– Praxen niedergelassener Ärzte sowie bei medizinischen Diensten ohne Zentrallabor,– Krankenhäuser, wenn das Zentrallabor die Verantwortung für die Durchführung der internen Qualitätssicherung trägt und die Messgröße auch selbst bestimmt(in der Verantwortung des Zentrallabors heißt nicht, dass die Mitarbeiter des Zentrallabors die Kontrollprobenmessung durchführen und bewerten). 1 Unit-Use-Reagenzien sind Reagenzien, die für Einzelbestimmungen portioniert und mit einer Untersuchung verbraucht sind.

Literatur

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Prof. Dr. E. Schleicher

Medizinische Klinik und Poliklinik IV · Universitätsklinikum Tübingen

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72076 Tübingen

eMail: Erwin.Schleicher@med.uni-tuebingen.de