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DOI: 10.1055/s-0031-1283081
Kommunikationsserie Teil 3 – Kommunikation und Gefühle – ein verrücktes Paar
Korrespondenz
Publikationsverlauf
Publikationsdatum:
27. Juni 2011 (online)
Zuletzt haben wir uns ausführlich mit dem "4-Ohren-Modell" befasst. Wir haben festgehalten, dass es – je nach Situation, Gesprächspartner und "Prägung" der Kommunikationspartner – zu unterschiedlichen Interpretationen von Botschaften kommen kann, je nach Größe der verschiedenen "Ohren" des Empfängers. Wir haben auch erkannt, dass beide Gesprächspartner für den Erfolg ihrer Kommunikation verantwortlich sind. Der Sender sollte sich um eine möglichst eindeutige Ausdrucksweise bemühen, der Empfänger sollte bei irritierenden Botschaften nachfragen und so dem Sender die Chance zur Erklärung geben.
Das ist nicht immer leicht. "Ich kann doch nichts dafür", sagte mir neulich eine Seminarteilnehmerin, "wenn der Kollege so eine Mimose ist und immer alles in den falschen Hals kriegt." Ein Pfleger äußerte: "Ich kenne einen Kollegen, der immer an anderen herummeckert, weil er von eigenen Fehlern ablenken will." Diese Äußerungen bringen ein weiteres Thema auf den Plan, das mit der Qualität von Kommunikation zu tun hat: die Grundhaltung der Kommunikationspartner. Die Vertreter der humanistischen Psychologie haben schon vor vielen Jahren erkannt, dass eine positive, wertschätzende Grundhaltung den Kommunikationspartnern hilft, sich besser zu verständigen. Aber was heißt "wertschätzende Grundhaltung"?
Wertschätzende Grundhaltung einnehmen
Der Begriff bedeutet, dass jeder seine Mitmenschen ernst nehmen und niemandem etwas unterstellen sollte, das der eigenen, subjektiven Beobachtung entspringt. Denn aus dem 4-Ohren-Modell haben wir ja gelernt, dass es "die Wirklichkeit" nicht gibt. Vielmehr wird unsere Wahrnehmung von vielen Dingen beeinflusst. Immanuel Kant hat dazu gesagt: "Wir sehen die Dinge nicht so wie sie sind, sondern wie wir sind." Verzichten wir also auf Zuschreibungen ("Mimose") und Unterstellungen ("nur, um abzulenken"). Versuchen wir lieber herauszufinden, was den anderen zu seinem Verhalten bringt. Öffnen wir öfter mal unser "Selbstoffenbarungsohr" und fragen wir uns (und ihn), was gerade mit ihm passiert und warum er sich so verhält.
Ein weiterer Schlüssel zu wertschätzender, verantwortungsvoller Kommunikation sind Gefühle (die eigenen und die des anderen). Häufig berichten Pflegekräfte über Situationen wie diese: "Der Kollege kam auf mich zu und schnauzte mich an, alle Abdrückbänder seien weg und er bräuchte jetzt dringend welche. Da habe ich zurückgeschnauzt, dass ich sie bestimmt nicht gefressen habe und auch nicht für die Lagerhaltung zuständig bin." Wie das Ganze weiter geht, kann man sich ausmalen. Der Streit setzt sich fort, verschärft sich oder die Beteiligten fressen den Groll in sich hinein und holen ihn bei der nächsten Gelegenheit wieder hervor. Mittelfristig kann sich so das Bild vom "aggressiven Kollegen" verfestigen. Das macht eine entspannte Kommunikation zwischen beiden auf Dauer unmöglich.
Was also tun? Soll man sich die Emotionen abtrainieren? Soll man jedes Mal einen Schiedsrichter rufen? Nicht nötig! Ein einfaches, aber bewährtes Rezept lautet: "Äußere deine Gefühle!" Wie das? Soll der Pfleger zu seinem aufgeregten Kollegen vielleicht sagen: "Du, es macht mich echt wütend, wenn du so mit mir sprichst." Genau! Und was bringt das?
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Gefühle ansprechen
Der Psychologe Thomas Gordon und seine Kollegen haben schon in den 1950er-Jahren erkannt, dass das Äußern von Gefühlen eine Art "Stoppschild" für konfliktträchtige Kommunikation sein kann. Tatsächlich handelt es sich bei der vorgeschlagenen Antwort ja um eine lupenreine Selbstoffenbarung, die sehr wahrscheinlich auch so verstanden wird. Das "Selbstoffenbarungsohr", mit dem der Kollege diese Botschaft hört, könnte man auch als "Therapeutenohr" bezeichnen. Es hört, was der andere über sich selbst preisgibt. Und Therapeuten sind darauf getrimmt zu helfen, und nicht da-rauf, zurückzuschlagen.
Indem man eigene Gefühle offenbart, bringt man den anderen dazu, sich mit diesen zu beschäftigen. Möglicherweise ist er dann erschrocken über die Wirkung seines Verhaltens. In vielen Fällen reagiert der scheinbare Aggressor dann mit einer Beschreibung seiner eigenen Gefühle und einer Analyse der Situation. Und schon ist man aus der Aggressions- und Wutnummer raus und mittendrin im partnerschaftlichen Dialog.
Aufbauend auf diesen Erkenntnissen wurden zahlreiche Gesprächswerkzeuge entwickelt, die zur Konfliktprävention und -bearbeitung eingesetzt werden können. Alle stammen aus der Psychotherapie und haben sich im Laufe der Jahrzehnte in der allgemeinen Kommunikationslehre etabliert. Zu ihnen zählen das "Aktive Zuhören", die "Gewaltfreie Kommunikation" und allgemeine Feedbackregeln. Sie alle entspringen einer humanistischen Grundhaltung und trennen Wahrnehmung und Bewertung voneinander. Und bei allen geht es auch um Gefühle.
Zusammenfassend können wir feststellen: Emotionen sind manchmal einer erfolgreichen Kommunikation im Weg, sie sind aber auch einer der Schlüssel zur Konfliktvorbeugung und -bewältigung. Kommunikation kann dadurch besser werden, indem man versucht, eine wertschätzende Grundhaltung gegenüber seinen Kommunikationspartnern einzu-nehmen. Sie beinhaltet, dass man Beobachtungen von Bewertungen trennt. Wenn man wissen will, warum der andere sich so verhält, wie er das tut, sollte man die eigenen Gefühle offenbaren und ihm die Chance geben, darauf angemessen zu reagieren. In der nächsten Folge beschäftigen wir uns mit den Werkzeugen für bessere Kommunikation und Konfliktprävention und schauen uns an, wie man sie einsetzt.
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