Z Orthop Unfall 2011; 149(03): 253
DOI: 10.1055/s-0031-1283063
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Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Totalendoprothetik – Postoperatives Fieber und Leukozytose

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Publication Date:
17 June 2011 (online)

 
 

Diese Studie betrachtet die Häufigkeit des Auftretens von Fieber und Leukozytose im frühen postoperativen Intervall, die hierdurch bedingten weiteren Untersuchungen und den möglichen Zusammenhang mit einer postoperativen Gelenkinfektion.
Evaluation of Postoperative Fever and Leukocytosis in Patients After Total Hip and Knee Arthroplasty. Journal of Arthroplasty, 2011. Article in press.

Einleitung

Postoperativ auftretendes Fieber und/oder eine Erhöhung der Leukozyten sind ein bekanntes und häufiges Phänomen nach größeren operativen Eingriffen, das auch nach totaler Hüft- oder Knieendoprothetik beobachtet wird. Dass kein Zusammenhang mit einer Infektion des künstlichen Gelenks besteht, konnte bereits in mehreren Studien gezeigt werden. Dennoch führt ein Abweichen dieser Parameter vom Normbereich häufig zu weiterer labortechnischer oder apparativer Diagnostik. Zum Teil mag dies dadurch bedingt sein, dass die behandelnden Ärzte sich der fehlenden Aussagekraft dieser Befunde im postoperativen Intervall nicht bewusst sind. Zum anderen aber mag die große Besorgnis eine Rolle spielen, eine Frühinfektion der Prothese zu übersehen.


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Studiendesign

Die Krankenakten von 426 Patienten, davon 214 primäre Knie-TEP- und 212 Hüft-TEP-Implantationen, wurden retrospektiv ausgewertet. Erfasst wurde der Zeitpunkt der höchsten gemessenen Körpertemperatur und Leukozytenzahl. Bei Patienten mit Fieber (definiert als Temperatur > 38 °C) und/oder Leukozytose (> 10 200 Leukozyten / µl) wurden die Art und die Ergebnisse weiterführender Untersuchungen ermittelt. Bei diesen Patienten wurden die Krankenakten schließlich auf spätere Gelenkinfektionen hin durchgesehen.


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Ergebnisse

Von den untersuchten Knieendoprothetikpatienten entwickelten 8,4% postoperatives Fieber, 57,5 % eine Leukozytose und 6,1 % Fieber und Leukozytose. Der erste postoperative Tag zeigte mit 46,7 % die höchste Leukozytoserate, der zweite postoperative Tag mit 4,2 % die höchste Fieberrate. 21 weiterführende Untersuchungen wurden veranlasst, die wiederum in 28,6 % positiv bzw. erhöht waren. Lediglich ein Patient (0,5 %) entwickelte eine Gelenkinfektion (Follow-up zwischen 23 – 48 Monaten). Bei diesem Patienten war postoperativ weder Fieber noch eine Leukozytose aufgetreten.

Die Hüftendoprothetikpatienten zeigten in 23,1 % Fieber und in 57,5 % eine Leukozytose und in 10,4 % Fieber und Leukozytose, wobei die höchste Fieberrate mit 11,8 % am ersten postoperativen Tag und die höchste Leukozytoserate mit 43 % am 2. Tag beobachtet wurde. 39 weiterführende Untersuchungen wurden durchgeführt, die in 20,5 % positiv bzw. erhöht waren. Eine spätere Gelenkinfektion wurde nur in einem Fall beobachtet. Bei diesem Patienten war postoperativ eine Leukozytose ohne Fieber beobachtet worden.

Dr. med. Stefan Budde
Orthopädische Klinik der Medizinischen Hochschule Hannover
E-Mail:
stefan.budde@ddh-gruppe.de

Kommentar

Diese Studie zeigt, dass das Auftreten von Fieber und Leukozytose im frühen postoperativen Intervall ein sehr häufiges und als normale Reaktion auf die Operation zu wertendes Phänomen ist, ohne im Zusammenhang mit einer Gelenkinfektion zu stehen. Die Einordnung entsprechender Befunde fällt den behandelnden Ärzten dennoch häufig schwer, sodass häufig vermeidbare weitergehende Diagnostik betrieben wird.

In dieser Studie zeigten sich in 28,6 % (Knie-TEP) bzw. 20,5 % (Hüft-TEP) der weiterführenden Untersuchungen jedoch positive Ergebnisse, woraus die Schlussfolgerung gezogen werden könnte, dass die weiterführende Diagnostik gerade eben nicht vermeidbar, sondern indiziert ist. Die Autoren erwähnen hierzu in ihrer Diskussion einige Gründe (Hautkeimkontamination von Blutkulturen, unspezifische BKS-Erhöhungen, Mehrfachuntersuchungen am selben Patienten), und kommen zu dem Schluss, dass nur 10 % der Untersuchungen wegweisende Befunde erbringen konnten (Harnwegsinfekte und Lungeninfiltrate). Hier muss ergänzt werden, dass aufgrund des retrospektiven Studiendesigns eben nicht alle Patienten mit Fieber und Leukozytose weiterführend untersucht wurden, sondern nur eine kleine Auswahl, die sich vermutlich durch weitere klinische Symptome ausgezeichnet haben dürfte. Hier offenbart die Studie also ihre größte Schwäche.

Dennoch steht am Ende dieser Studie die wichtige Schlussfolgerung, dass weiterführende Diagnostik bei postoperativem Fieber und Leukozytose nur dann sinnvoll erscheint, wenn weitere Hinweise für eine Pathologie vorliegen, um unnötige Untersuchungen einzusparen. Eine zentrale Bedeutung besitzt dabei die Aufklärung der Patienten über die fehlende Spezifität von Fieber und Leukozytose, um Verunsicherungen zu vermeiden.

Dr. med. Stefan Budde


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