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DOI: 10.1055/s-0031-1280734
Exemplarische Hintergrunddaten – Malariagefährdung durch verschiedene Anophelesarten
Publication History
Publication Date:
14 June 2011 (online)
Tanga MC, Ngundu, WI, Tchouassi, PD. Daily survival and human blood index of major malaria vectors associated with oil palm cultivation in Cameroon and their role in malaria transmission, Trop Med Int Health 2011; 16: 447–457
Thema: Bei der Beschreibung des Malariarisikos für die örtliche Bevölkerung und für Reisende tendieren klinisch ausgebildete Mediziner dazu, klinische Parameter wie Erkrankungsrisiko, Mortalität und Letalität zu verwenden. Das Vektorgeschehen im Vorfeld der Infektion wird eher als "black box" gesehen. Es lässt sich jedoch mit einer ausgefeilten, aber mühevollen Methodik durchaus quantitativ beschreiben. Dies wurde für ein Gebiet im Kamerun ausgezeichnet dokumentiert.
Projekt: In einer küstennahen kamerunischen Palmölplantage wurden über ein Jahr Moskitos gefangen und untersucht. Dazu zählten sowohl die Moskitos innerhalb und außerhalb der Gebäude als auch die in der Vegetation ruhenden Stechmücken. Die Plantagenarbeiter hatten praktisch keinen effektiven Malariaschutz zur Verfügung. Die Auswertung ergab:
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ein zeitliches Aktivitätsmaximum,
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ein Speziesspektrum,
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den Anteil der Moskitos, die Menschenblut saugen (human biting rate, HBR),
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den Prozentsatz zur Malariaübertragung fähiger Moskitos durch Untersuchung auf Circumsporozoitenantigen (sporozoite positivity rate, SPR),
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daraus rechnerisch abgeleitet die entomologische Inokulationsrate (EIR): EIR = HBR × SPR,
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durch Untersuchung der enthaltenen Blutmahlzeiten eine Aussage über die Ausschließlichkeit, mit der Menschen gestochen werden (human blood index, HBI), und
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aus dem Populationsanteil von Weibchen vor der ersten Eiablage eine Aussage über die Überlebenswahrscheinlichkeit pro Tag.
Ergebnisse: Die Malariaübertragung erfolgte durch 4 Anophelesarten. Pro Nacht und pro Person kam es zu:
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3,5 bis 136 Stichen durch Anopheles funestus,
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2 bis 20 Stichen durch Anopheles gambiae,
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4,5 bis 13 Stichen durch Anopheles hancocki,
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und 0 bis 6 Stichen durch Anopheles nili.
Die ersten beiden Arten hatten die größte Bedeutung und schienen sich im Jahresverlauf gegenseitig etwas abzulösen. Das Aktivitätsmaximum aller Arten lag zwischen 22 und 5 Uhr, wobei Blutmahlzeiten ab 19 Uhr durchaus vorkamen. Da zwischen 0 und 23 % der Anophelen infektiös für Malaria (ausschließlich Malaria tropica) waren, wurden die Bewohner der Plantage jährlich 1077 Mal mit Malaria tropica infiziert. Anopheles funestus hatte daran einen Anteil von 68 %. Die hohe Infektiosität der weiblichen Anopheles ist eine Folge der hohen Präferenz für Blutmahlzeiten am Menschen (HBI von 0,83–0,98) und der mit 7 % relativ niedrigen Wahrscheinlichkeit, den Tag nicht zu überleben. Die seltenste Art, Anopheles nili, hatte bessere Überlebensraten und trug daher überproportional zum Malariageschehen bei.
Fazit: Die Aussage dieser Studie ist auf das beschriebene Bewuchs-, Bebauungs-, Bewässerungs- und klimatische Muster der Studienregion begrenzt. Es beschreibt jedoch exakt die Umstände einer Malariainfektion auf entomologischer Basis und ist ein Mosaikstein, um die Größe der Aufgabe abzuschätzen, jemanden im Sinne einer primären Prävention vor der Infektion zu schützen.
Vielen Lesern dürfte gar nicht geläufig sein, dass eine exquisite Methodik das Malariainfektionsgeschehen so genau beschreiben kann. Zwar ist die Aussage dieser Studie örtlich begrenzt. Sie lässt jedoch Rückschlüsse darauf zu, wie wirksam im Sinne einer primären Prävention vor der Infektion geschützt werden kann. Dazu gibt es bekanntlich zwei Konzepte:
Bei Personen ohne Immunität sollte mit einer Kombination aus Verhalten, geeigneter Kleidung, Repellentien sowie Aircondition oder Moskitonetz die Infektion möglichst vollständig vermieden werden. Die hohen Inokulationsraten geben eine Auskunft über die Schwierigkeit dieser Aufgabe – insbesondere im Langzeitaufenthalt. Auch sind die Aktivitätsmaxima der am Aufenthaltsort vorherrschenden Anophelesarten für den Reisenden nicht einschätzbar. Deshalb spricht man pauschal von "Sonnenuntergang bis Sonnenaufgang" als der gefährlichen Zeit des Tages. In Anerkenntnis der Lückenhaftigkeit sämtlicher Schutzmethoden muss im Sinne einer Sekundärprävention unter solchen Rahmenbedingungen auf die Gabe von Medikamenten zur Verhinderung des Krankheitsausbruches zurückgegriffen werden.
Für die lokale Bevölkerung führt die Konfrontation mit der Malaria zu einer hohen direkten oder indirekten – zum Beispiel anämiebedingten – Mortalität schon in den ersten Lebensjahren. Anschließend kommt es bei regelmäßiger Exposition auch ohne Medikation zu einem "Patt" zwischen Parasit und Mensch, was als Semiimmunität bezeichnet wird. Wenn sich nicht immune Reisende diesen Teilschutz herbeiwünschen, dann sollte man darauf hinweisen, dass der Weg in die Semiimmunität mit zahlreichen Todesopfern erkauft wird, eine im Grunde völlig unhaltbare und skandalöse Situation.
Dr. Burkhard Rieke, Düsseldorf
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