Z Orthop Unfall 2011; 149(2): 138
DOI: 10.1055/s-0031-1277606
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© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart ˙ New York

Hüfttotalprothesen – Wie beeinflusst eine Beinlängendifferenz die Motorik der Patienten?

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Publikationsverlauf

Publikationsdatum:
12. April 2011 (online)

 
Inhaltsübersicht

Die funktionellen Ergebnisse nach Hüfttotalprothesen-Implantationen (HTP) nehmen einen zunehmenden Stellenwert ein. Insbesondere die Beinlängendifferenz (BLD) wurde mit Hinken, Schmerzen und Patientenunzufriedenheit in Verbindung gebracht und ist inzwischen einer der häufigsten Gründe für Klagen gegen Hüft- und Kniechirurgen in den USA. Die bisherige Literatur ist widersprüchlich, während einige Autoren Beinlängenunterschiede bis 2 cm für tolerabel halten, zeigen andere Studien, dass bereits eine Verlängerung von 0,6 cm bemerkt wird.
To what extent does leg length discrepancy impair motor activity in patients after total hip arthroplasty Int Orthop. 2010; 34: 1115 – 1121

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Studiendesign

15 Frauen und 5 Männer, im Durchschnitt 16 Monate nach Implantation einer primären HTP ohne Hinweis auf weitere Erkrankungen der unteren Extremität, wurden in die Studie eingeschlossen. Alle zeigten in belasteten Becken-Röntgen-Aufnahmen eine Verlängerung des operierten Beines bis zu 2 cm. Alle Patienten hatten einen guten oder exzellenten Harris-Hip-Score (HHS). Es erfolgte eine instrumentalisierte Gang-Analyse der Hüftbewegung in der Ebene und beim trepp-auf und -ab-Gehen. Der SF-12 Score wurde erhoben.

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Ergebnisse

Das operierte Bein war radiologisch 0,1 – 2 cm länger (SD 6) als die Gegenseite. In der Ganganalyse zeigten nur wenige der untersuchten Parameter einen statistisch signifikanten Unterschied zwischen beiden Seiten. Die operierte Seite zeigte beim Gehen in der Ebene einen leicht reduzierten Bewegungsumfang (p < 0,0005). Die maximale Hüftflexion und Außenrotation der operierten Seite war beim Treppe hinaufsteigen leicht reduziert (p = 0,0017). Beim Treppe hinabsteigen war die Standphase der operierten Seite leicht reduziert (p = 0,043). Bezogen auf die Beinlänge zeigte sich eine inverse Korrelation mit der Außenrotation der Gegenseite beim Treppaufsteigen und der Hüftflexion der Gegenseite vor und beim Aufsetzten des Fußes. Beim Treppabsteigen zeigt sich eine Korrelation der BLD mit der gleichseitigen Hüftbeugung. Der Zufriedenheitsscore im SF-12 lag bei 19,53 (12-36, SD 7.42). Die Hauptbeschwerden waren ein leichter Schmerz beim Aufstehen aus einem Stuhl und ein Anlaufschmerz. 70 % der Patienten gaben an nur selten beim Anlaufen ein Hinken zu bemerken, wobei 2 ein permanentes Hinken und ein Patient ein gelegentliches Hinken bemerkten, bei diesen lag die BLD bei 0,8 und 1,6 bzw. 1 cm.

Dr. med. Christian Plaass
Orthopädische Klinik der Medizinischen Hochschule Hannover

eMail: Christian.Plaass@ddh-gruppe.de

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Kommentar

Diese Studie zeigt den Einfluss von Beinlängendifferenzen auf das Gangbild nach HTP in der Ganganalyse. Es zeigt sich, dass eine radiologisch nachgewiesene Beinverlängerung mit nur geringen Änderungen in der Hüftgelenksbeweglichkeit einhergehen kann, auch bei einer Verlängerung bis 2 cm. Dennoch bemerken über 10 % der Patienten ein subjektives Hinken.

Die bisherigen Arbeiten zu diesem Thema zeigen z. T. widersprüchliche Ergebnisse. Problematisch bei dem Vergleich der Ergebnisse verschiedener Studien sind die unterschiedlichen angewendeten Messverfahren und die Definition der Beinlängendifferenz. Bei dieser Arbeit wird die Beinlänge radiologisch auf Höhe der Trochanteren minor relativ zueinander gemessen. Andere messen die Verbindungslinie der Tränenfiguren oder die klinische Beinlängendifferenz. Jede dieser Methoden zeigt unterschiedliche Stärken und Schwächen, woraus sich auch Einflüsse auf das Ergebnis ableiten lassen. So ist bei der hier angewendeten Studie nicht bekannt, welchen Einfluss die Höhe der Trochanteren auf die Beckenstellung hat.

Es wurden außerdem Patienten mit sehr guten und exzellenten funktionellen Ergebnissen im Harris-Hip-Score selektioniert, sodass zu bedenken ist, ob diese Patienten nicht eine Positiv-Auswahl darstellen, die mit der möglichen Beinlägendifferenz gut zurechtkommen. Bei der Ganganalyse wurde der Schwerpunkt auf die Hüftbewegung gelegt, die weiteren wichtigen Fragen, wie die Beckenstellung wurden dabei nicht beachtet.

Die Studie stellt einen wichtigen Schritt in Richtung der Objektivierung des Einflusses der Beinlänge auf das funktionelle Ergebnis nach HTP dar, weitere Studien sind jedoch notwendig. Das gute funktionelle Ergebnis nach HTP bleibt eine Herausforderung, bei der neben der Beinlänge auch andere Faktoren, wie das Offset, das Weichteil-Management usw. berücksichtig werden müssen.

Es sollte auch weiterhin eine möglichst ausgeglichene Beinlänge angestrebt werden und Patienten sollten über die Möglichkeit einer – auch wahrnehmbaren – Beinlängendifferenz nach HTP aufgeklärt werdem.

Dr. med. Christian Plaass