Zeitschrift für Palliativmedizin 2012; 13(2): 68
DOI: 10.1055/s-0031-1274820
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Publication Date:
22 March 2012 (online)

Psychoonkologie. Psychologische Aspekte der Entstehung und Bewältigung von Krebs

Volker Tschuschke

2011, 384 Seiten, € 39,95 (D) / € 41,10 (A), Schattauer 2011, ISBN 978-3-7945-2752-2

Progredienzangst. Manual zur Behandlung von Zukunftsängsten bei chronisch Kranken

Sabine Waadt, Gabriele Duran, Petra Berg, Peter Herschbach

230 Seiten € 39.95, Schattauer 2011, ISBN 978-3-7945-2790-8

Seit langem schon bildet die Psychoonkologie – oder auch Psychosoziale Onkologie – im Selbstverständnis derer, die sich ihr verschrieben haben, neben Chirurgie, Chemo- und Strahlentherapie, die vierte Säule der Krebsbehandlung – ohne indes kurative Ansprüche anzumelden. Mittlerweile sind nicht nur Psychoonkologen vom Stellenwert ihrer Disziplin überzeugt. Im Kanon der multidisziplinären Onkologie kann Psychoonkologie als etabliert angesehen werden. Diesem Stellenwert trägt eine Vielzahl von Publikationen Rechnung, von denen hier drei aktuelle und unterschiedliche aus ein und demselben Verlag vorgestellt werden.

Volker Tschuschke legt in nunmehr dritter Auflage sein seit zehn Jahren bewährtes Werk Psychoonkologie vor. Die mehr als 380 Seiten gliedern sich in sechs Kapitel, von denen sich die ersten beiden psychosozialen Aspekten widmen und damit den synonymen Charakter von Psychoonkologie und Psychosozialer Onkologie betonen. Dezidiert werden Mythen und Realitäten der Krebsentstehung dargestellt – in dankenswert kritischer Auseinandersetzung mit dem Mythos von Vorsorge und neuesten Erkenntnissen über psychosoziale Einflussvariablen. Belastungen und Anforderungen bei bestehender Erkrankung vermitteln die Situationen nicht nur des erkrankten Patienten, sondern auch die der Angehörigen und Kinder. Wesentlichen Raum erhalten auch Erkenntnisse über die Bewältigungsanforderungen in den unterschiedlichen Stadien einer Tumorerkrankung – angefangen von der Diagnose bis hin zum Progress – sowie über die mannigfaltigen Aspekte von Coping. Ein insbesondere an forschende Psychoonkologen adressierter Exkurs widmet sich pointiert methodischen Erfordernissen. Im Kernteil des Buches werden nicht nur psychoonkologische Interventionsmöglichkeiten aufgezeigt, sondern es erfolgt auch eine kritische Auseinandersetzung mit Professionalisierungsaspekten der immer noch jungen Disziplin. Den Lehrbuchcharakter unterstreichen die Ausführungen über psycho-neuro-endokrinologische Erkenntnisse sowie Kasuistiken. In einem Epilog stellt der Autor „mit Genugtuung“ fest, dass „im Vergleich noch zur zweiten Auflage (...) im Jahre 2006 festgestellt werden (kann), dass die Psychoonkologie mittlerweile ein rapides Wachstum an einem Wissen aufweist, das die Konturen der psychosozialen Faktoren im Zusammenhang mit Krebserkrankungen immer schärfer zutage treten lässt.“ 721 Literaturstellen und ein umfassendes Sachverzeichnis erhöhen den Nutzen des Werkes für die Adressaten: Ärzte, Psychologen, Psychotherapeuten, Pflegende. Profitieren können indes alle Berufsgruppen, die mit der Behandlung und Betreuung krebskranker Menschen und deren Angehörigen befasst sind.

Wer kompaktere Informationen über aktuelle Felder der Psychoonkologies sowie konkrete Behandlungs- und Forschungsmethoden mit gesicherten empirischen Daten sucht, wird in Ausgabe 3/2011 der Zeitschrift Nervenheilkunde fündig. Darin findet sich ein Stück weit die intendierte Hoffnung der Herausgeber Katrin Reuter, Joachim Weis und Matthias Berger auf den Schwerpunkt Psychoonkologie erfüllt. Dieser soll „die enge Verzahnung von Psychiatrie und Psychoonkologie“ verdeutlichen und die Bedeutung beider Bereiche füreinander herausstellen, sowohl in der patientenorienierten Versorgung der onkologischen Behandlungszentren als auch in psychiatrischen Kliniken und Praxen, wo psychisch Kranke durch eine zusätzliche Krebserkrankung spezieller Aufmerksamkeit bedürfen. Im Einzelnen informieren darin die Beiträge über Komorbidität psychischer Störungen und psychischer Belastung bei Krebspatienten, Psychoonkologische Interventionen, Depressive Störungen bei Tumorpatienten, Arzt-Patienten-Kommunikation in der Onkologie, Kinder krebskranker Eltern, Palliative und spirituelle Aspekte der psychosozialen Onkologie und Langzeitfolgen von Krebserkrankungen.

Ein Schatzkästlein als Paperback bilden 230 Seiten mit dem Titel Progredienzangst. Manual zur Behandlung von Zukunftsängsten bei chronisch Kranken. Als Grundlage für das Buch vereinen die Autoren (Sabine Waadt, Gabriele Duran, Petra Berg, Peter Herschbach) mehr als zehn Jahre klinische Erfahrung und wissenschaftliche Forschung. Vorgelegt haben sie ein Therapiemanual, „das Psychotherapeuten bei ihrer Arbeit mit chronisch kranken Patienten unterstützen und anregen will“. Damit ist die Zielgruppe über Krebspatienten hinausgehend auf alle Menschen mit einer chronischen Krankheit erweitert – neben Krebs z. B. Diabetes, Rheuma, Morbus Crohn. Nach einer umfassenden Einführung, sowohl in das Thema Progredienzangst, als auch in das Manual selbst, basierend auf fast 250 Literaturstellen, werden die drei Module

- Selbstbeobachtung und Diagnostik,

- Angstkonfrontation und -neubewertung,

- Verhaltensänderung und Lösungen

mit diagnosespezifischen Fallbeispielen und kritischen Reflektionen dargestellt. Im Anhang finden sich wertvolle Materialien, sowohl für Therapeuten als auch für Patienten – insbesondere der Progredienzangst-Fragebogen (PA-F). In seinem Geleitwort betont Uwe Koch-Gromus, dass ein Manual die therapeutische Kompetenz der Behandler nicht ersetzen, wohl aber verstanden werden könne „als wichtiger Beitrag zur Qualitätssicherung der Behandlung psychischer Probleme von chronisch Kranken“. In keiner Zeile vermittelt das Buch den Anspruch, therapeutische Kompetenz „manualisieren“ zu wollen. Wohl aber bietet es kompetenten Behandlern wertvolles Handwerkszeug – mit erleichtertem Zugang durch das umfangreiche Sachverzeichnis.

Manfred Gaspar, St. Peter-Ording